Rede:
ID0304402000

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    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Inhalt: Nachruf auf S. H. Papst Pius XII. Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 2475 A Grußworte an den wiedergenesenen Abg. Schoettle . . . . . . . . . . 2477 D Zur Tagesordnung Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2475 D Horn (CDU/CSU) . . . . . . . 2476 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 2477 B Entwurf eines Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (Drucksache 416) — Erste Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (Drucksache 417) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . . . . . 2478 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 2480 B Dr. Harm (SPD) . . . . . . . . 2481 D Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . 2486 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2487 D Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 2489 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 2493 A, 2505 D Dr. Starke (FDP) . . . . 2496 D, 2504 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2498 A Entwurf eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 533) — Erste Beratung — . . . . . . 2506 D Entwurf eines Gesetzes über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 514) — Erste Beratung — 2506 D Entwurf eines Gesetzes über „unveränderte Rohmilch" (FDP) (Drucksache 421) — Erste Beratung — Köhler (FDP) 2507 A Bauknecht (CDU/CSU) 2507 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 525) — Erste Beratung — Dr. Strauß, Staatssekretär . . . . 2508 A Dr. Dehler (FDP) . . . . . . . . 2509 A Lange (Essen) (SPD) . . . . . . 2510 B Dr. Winter (CDU/CSU) . . . . . 2510 D Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 530) — Erste Beratung — 2511 B Erklärungen nach § 36 GO Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2511 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 2512 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2512 C Anlage 2513 A 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 19. 10. Bauer (Wasserburg) 15. 10. Bauer (Würzburg)* 19. 10. Dr. Becker (Hersfeld)* 19. 10. Berkhan 30. 10. Birkelbach* 19. 10. Dr. Birrenbach 15. 10. Fürst von Bismarck 17. 10. Blachstein 18. 10. Conrad 15. 10. Demmelmeier 15. 10. Diel (Horressen) 15. 10. Frau Döhring (Stuttgart) 18. 10. Dowidat 18. 10. Eilers (Oldenburg) 15. 10. Engelbrecht-Greve 4. 11. Etzenbach 15. 10. Even (Köln)* 19. 10. Frehsee 5. 11. Dr. Furler* 19. 10. Gerns* 19. 10. Frau Geisendörfer 18. 10. Goldhagen 15. 10. Dr. Gossel 15. 10. Dr. Gülich 18. 10. Günther 15. 10. Hansing 15. 10. Heye* 19. 10. Dr. Höck (Salzgitter) 16. 10. Höfler' 19. 10. Frau Dr. Hubert* 19. 10. Hübner 15. 10. Jacobi 15. 10. Jacobs* 19. 10. Jahn (Stuttgart) 17. 10. Keuning 15. 10. Kiesinger* 19. 10. Frau Kipp-Kaule 17. 10. Dr. Kopf* 19. 10. Frau Dr. Kuchtner 17. 10. Kühlthau 15. 10. Kühn (Bonn) 15. 10. Kühn (Köln)* 19. 10. Dr. Leverkuehn* 19. 10. Dr. Löhr 17. 10. Lücker (München)* 19. 10. Maier (Freiburg) 22. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Maxsein* 19. 10. Meitmann 15. 10. Dr. Mende* 19. 10. Dr. Menzel 16. 10. Metzger* 19. 10. Müller (Worms) 17. 10. Neuburger 17. 10. Nieberg 15. 10. Paul* 19. 10. Dr. Preusker 15. 10. Rasner 28. 10. Frau Dr. Rehling* 19. 10. Scharnberg 15. 10. Dr. Schmid (Frankfurt)* 19. 10. Frau Schmitt (Fulda) 17. 10. Schmitt (Vockenhausen) 15. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 1. 11. Schütz (München)* 19. 10. Dr.-Ing. Seebohm 17. 10. Seidl (Dorfgin)* 19. 10. Dr. Serres* 19. 10. Dr. Stammberger 18. 10. Stauch 15. 10. Stenger 17. 10. Varelmann 15. 10. Wagner 17. 10. Dr. Wahl* 19. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 19. 10. Frau Welter (Aachen) 15. 10. Frau Wessel 15. 10. Dr. Zimmer* 19. 10. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 31. 10. Dr. Baade 30. 10. Dr. Böhm 2. 11. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 24. 10. Giencke 25. 10. Frau Herklotz 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Lenz (Trossingen) 9. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Niederalt 10. 11. Rehs 22. 10. Reitzner 31. 12. Scheel 4. 11. Spitzmüller 30. 10. Dr. Steinmetz 10. 11. Dr. Stoltenberg 10. 11. Dr. Vogel 10. 11. Dr. Wolff (Denzlingen) 31. 10. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Georg Kurlbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich meiner eigentlichen Aufgabe zuwende — nämlich der Kritik des Teils des Gesetzes, der sich mit der Gewinn- und Verlustrechnung beschäftigt —, möchte ich einiges dazu sagen, was hier von den Kollegen Dr. Atzenroth und zuletzt von Dr. Schmidt ausgeführt worden ist.
    Zunächst haben Sie, Herr Dr. Atzenroth, mit einem gewissen Recht gesagt, der Aktionär — und ich möchte es näher umschreiben, insbesondere der Kleinaktionär; ich glaube, es ist im Augenblick eigentlich überhaupt nur dringend, sich für ihn einzusetzen — soll das bekommen, was ihm gebührt. Gar kein Zweifel! Aber ich möchte Sie doch einmal fragen, Herr Dr. Atzenroth: Läßt sich das Problem nicht ganz einfach dadurch lösen, daß die Gesellschaften eben eine angemessene Dividende beschließen? Und können Sie es uns übelnehmen, wenn wir vermuten, daß der letzte Sinn dieser ganzen Gratisaktienangelegenheit darin liegt, es nicht zu so hohen Dividendensätzen kommen zu lassen, vor deren optischen Wirkungen man sich fürchten zu müssen glaubt? Das scheint mir doch die Kardinalfrage zu sein. Das Ziel, daß der Aktionär das bekommt, was ihm zusteht, können Sie jederzeit erreichen, indem Sie eine angemessene Dividende festsetzen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)

    Zweitens haben Sie davon gesprochen, daß der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren schon im Wege der „freiwilligen Sozialleistungen" alles das bekommen habe, was ihm zustehe. — Herr Dr. Atzenroth, haben Sie noch nie etwas von der Selbstfinanzierung über den Preis gehört, zu der sich sogar der Bundeswirtschaftsminister kürzlich sehr

    Kurlbaum
    kritisch geäußert hat? Haben Sie gar nichts davon gehört? Wissen Sie nicht auch, daß letzten Endes in den sogenannten freiwilligen Sozialleistungen Bestandteile enthalten sind, die durch langjährige Gewährung längst zu einer verbindlichen Verpflichtung geworden sind? Diese Bestandteile haben mit Freiwilligkeit nach dieser langjährigen Gewährung überhaupt nichts mehr zu tun, so daß die Kategorie der sogenannten freiwilligen Sozialleistungen, wie sie jetzt gewährt werden, auf die Richtigkeit ihres Bezeichnung überprüft werden sollte.
    Nun einige Anmerkungen zu den Ausführungen von Herrn Dr. Schmidt! Herr Dr. Schmidt, es geht hier im Bundestag nicht um juristische Doktrinen. Ich habe in den neun Jahren, die ich nun Mitglied dieses Hauses bin, meine Hauptaufgabe niemals darin gesehen, juristische Doktrinen und die Richtigkeit von Gerichtsentscheidungen zu erörtern. Es geht hier um sehr massive politische Machtfragen. Es geht um Geld, Herr Dr. Schmidt. Es geht darum, ob das Geld des Steuerzahlers zugunsten einer kleinen Minderheit ausgegeben werden soll. Darum geht es bei der ganzen Frage, und nicht um eine juristische Doktrin.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Wo wird in dieser Vorlage Geld des Steuerzahlers ausgegeben?)

    — Das wird Geld kosten. Ich werde gleich eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister richten, auf die ich heute gern eine Antwort von ihm hätte. Wie kann er es verantworten, daß vor ein paar Monaten hier gegen unseren Widerstand die weitere Spaltung des Körperschaftsteuersatzes beschlossen und damit ein Geschenk an die Dividendenbezieher gegeben worden ist, das uns Hunderte von Millionen kosten wird und ausdrücklich zum Ziel hat, die Barausschüttungen zu vermehren? Und da will man, daß der Bundestag ein Gesetz beschließt, das das Gegenteil von Barausschüttungen fördert und einen Verzicht auf Steuern enthält! Was will man denn nun eigentlich? Will man alles fördern, was der Aktionär bekommt? Das möchten wir gern einmal hören.
    Nun komme ich zu dem anderen Problem, das in dem Gesetzentwurf behandelt ist, nämlich der künftigen Gestaltung der Gewinn- und Verlustrechnung. Dazu ist von unserer Seite noch nichts gesagt worden. Es ist sehr erfreulich, daß in den letzten Jahren die Diskussion über die Bedeutung der Publizität in den Zeitungen und auch sonst einen immer größeren Raum eingenommen hat.
    Ich habe dazu gelegentlich der Diskussion über den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers am 3. Juli in diesem Hause schon einiges ausgeführt. Ich habe gesagt:
    Nach Ansicht der Sozialdemokratie geht es bei der Publizität um zwei grundlegende Dinge. Das eine ist: Wie wird die Offentlichkeit über den Umfang und die Reichweite der wirtschaftlichen Macht unterrichtet, die gewisse Unternehmen in der Wirtschaft ausüben? Und das zweite ist: Wie erhält die Öffentlichkeit eine
    Vorstellung von der Größe der Gewinne, die aus solcher wirtschaftlichen Macht gezogen werden?
    Meine Damen und Herren, das ist das Problem, um das es bei der Frage der Publizität unserer Ansicht nach geht. Ich bin sehr erstaunt darüber, daß in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht ein einziges Wort über diese ganze Problematik steht und daß auch der Bundesfinanzminister, den bestimmt auch wirtschaftspolitische Probleme beschäftigen, nicht darauf eingegangen ist. Das einzige Wort, das sich in der Regierungsbegründung findet, lautet: „Förderung des Kapitalmarkts". Nicht einmal das Wort „Kleinaktionär" kommt in der Begründung vor.
    Ich möchte hier ausdrücklich feststellen: Wir Sozialdemokraten sind sehr wohl dafür, daß der Kleinaktionär endlich einmal ausreichende Information über den Vermögenswert, den er in Gestalt seiner Aktie besitzt, und über die Ertragskraft des Unternehmens erhält. Das halten wir allerdings auch für ein schutzwürdiges Interesse. Aber ich bin durchaus nicht der Meinung, Herr Dr. Wilhelmi, daß das ein Gebiet ist, auf dem sich ausschließlich Spezialisten zu betätigen haben. Hier handelt es sich um ein hochpolitisches Problem.
    Wenn man für die Zukunft zu einer wirklich vernünftigen Lösung des Problems der Macht und ihrer Kontrolle in der Demokratie kommen will, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als erst einmal die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. Ich möchte Ihnen hier ganz deutlich sagen: Es genügt nicht, wenn die Öffentlichkeit mit diesem Problem in Schlagwortform bekanntgemacht wird. Das liegt uns auch ganz fern. Uns liegt im Gegenteil daran, daß die Öffentlichkeit über das Problem der Macht in der Wirtschaft endlich konkret mit zahlenmäßigen Vorstellungen informiert wird. Erst dann können wir überhaupt damit rechnen, daß sie sich mit Erfolg mit den Fragen beschäftigt. Darum ist eine Konkretisierung der Angaben dringend geboten.
    Wir bestreiten gar nicht, daß sich einzelne Gesellschaften Mühe gegeben haben, Fortschritte in der Publizität zu erreichen. Wir können uns aber nicht damit abfinden, daß die Offentlichkeit sozusagen auf den guten Willen der einzelnen Unternehmungen angewiesen ist. Zweifellos besteht bei einzelnen Unternehmen auch ein sehr reales Interesse, die Öffentlichkeit genauer zu unterrichten, weil sie von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Wir wissen aber genau, daß es sehr viele große und wichtige Unternehmungen gibt, die darauf gar keinen Wert legen; sie verdienen so viel, daß sie es gar nicht nötig haben, an den Kapitalmarkt her anzutreten. Und sollen wir es dem Zufall, ob ein solches Bedürfnis der Finanzierung über den Kapitalmarkt vorliegt, überlassen, ob die Öffentlichkeit unterrichtet wird?
    Meine Damen und Herren! Teilweise sehr lautlos vollzieht sich eine gewaltige Machtzusammenballung in der Wirtschaft. Mit Recht wird darüber in der letzten Zeit immer deutlicher gesprochen,

    Kurlbaum
    und wir Sozialdemokraten haben es uns als Aufgabe gestellt, darauf besonders deutlich hinzuweisen. Wir wissen dabei genau, daß ein Teil dieser Konzentration auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, insoweit sie etwa durch die Technik begründet ist, insoweit sie durch die Erfordernisse einer ausgedehnten Forschung bedingt ist. Wir wissen aber auch sehr genau, daß ein Teil dieser Konzentration, dieser Machtzusammenballung in erster Linie eine Frage der Marktstrategie ist,

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger)

    eine Form und ein Weg, um den Markt so manipulieren zu können, wie man will, oder — um es noch deutlicher zu sagen — den Wettbewerb soweit wie möglich auszuschalten. Da allerdings ist der Punkt, wo die Öffentlichkeit ein großes und berechtigtes Interesse daran hat, ausreichend unterrichtet zu sein.
    Ich brauche Ihnen nur einige Beispiele zu nennen: 70 % der in der Bundesrepublik verbrauchten Margarine wird von einem Konzern hergestellt; die restlichen Hersteller sind mehr oder weniger von seiner Gnade abhängig. 60 % der Zigaretten werden von einem Konzern hergestellt. 90 % des Waschpulvers — das möchte ich den Hausfrauen sagen — werden von zwei Firmen hergestellt. Ich könnte die Zahl der Beispiele beliebig vermehren. In der Automobilindustrie haben wir bei dem besonders interessanten Objekt des Kleinautos vier große Firmen. Der Ölmarkt wird von fünf großen Firmen beherrscht.
    Das alles hat sich noch relativ sichtbar abgespielt. Es gibt aber eine ganze Reihe Vorgänge, die durchaus nicht so sichtbar sind. Einer der interessantesten relativ unsichtbaren Vorgänge ist z. B. die Entwicklung der Firma Oetker zu einem, man kann ruhig sagen, Nährmittelkonzern allergrößten Umfangs.

    (Zuruf von der FDP: Sie haben den „Spiegel"-Aufsatz gelesen!)

    — Nein, meine Damen und Herren, ich bin ausdrücklich für eine Versachlichung. Dazu gehört aber Publizität. Wenn Sie die Publizität nicht zugestehen, wenn Sie nicht zugestehen, daß die Offentlichkeit sachlich unterrichtet wird, dann zwingen Sie uns, zunächst einmal in allgemeiner Form darüber zu sprechen. Je schneller Sie einer besseren Publizität zustimmen, desto konkreter werden wir hier miteinander diskutieren können. Bitte unterstützen Sie unser Bemühen!

    (Sehr wahr! und Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich noch eine Bemerkung dazu machen. Was den Oetker-Konzern besonders interessant gemacht hat, ist ja z. B. auch die Tatsache, in wie wenigen Jahren es ihm gelungen ist, dank seiner enormen Gewinne aus dem Verkauf von Nährmitteln und natürlich, meine Damen und Herren von der Koalition, dank der großzügigen steuerlichen Abschreibungsvergünstigungen, die Sie beschlossen haben, sich sozusagen im Handumdrehen eine ganze Flotte anzuschaffen. Das ist ein Vorgang, der der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben durchaus interessant wäre.
    Wenn man sich diese ganze Problematik ansieht -- sie ist wirklich eine große Problematik, auch wenn sie Ihnen vielleicht klein vorkommt; mir kommt sie sehr groß vor —, dann kann man nur folgendes sagen: Die Bundesregierung hat hier, was die Publizität betrifft, wirklich ein Mäuschen geboren!

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Ja, meine Herren, es ist wirklich ein Mäuschen, was hier geboren worden ist.
    Es kann sich jetzt nicht darum handeln, auf Einzelheiten einzugehen. Aber lassen Sie mich doch einiges Grundsätzliche dazu sagen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Was sie hätte gebären müssen, das müßten wir jetzt eigentlich hören!)

    — Darauf will ich jetzt gerade eingehen. Ich weiß und ich erkenne es an, daß das Bundesjustizministerium zweifellos keine ganz leichte Stellung gegenüber gewissen Gruppen der Wirtschaft gehabt hat. Ich erkenne an, daß die Einführung des Bruttoumsatzes einen gewissen Fortschritt darstellt. Ich habe aber schon am 3. Juli darauf hingewiesen, daß das in dieser primitiven Form eine sehr problematische Angelegenheit ist. Denn das bedeutet doch, daß die Großfirma mit einer Vielfalt von Erzeugnissen genauso wie die kleine Spezialfirma nur eine einzige Ziffer zu nennen braucht, nämlich ihren Gesamtumsatz. Aus der Summe des Gesamtumsatzes kann man doch gerade bei den interessanten Objekten, nämlich bei den Großfirmen, soweit sie nicht ein ganz einheitliches Fabrikationsprogramm haben, noch gar nichts entnehmen. Aber bei den kleineren Unternehmen kann man etwas Interessantes daraus ersehen.
    Weiter gewinnen wir ein wirkliches Bild eigentlich nur dann, wenn wir den Ertrag in ein Verhältnis zum Umsatz setzen können. Sehen Sie sich einmal an, wie es nun mit der Offenlegung der Erträge steht, dank. dieser Novelle! Tut man es, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß sehr kleine, wirklich nur sehr kleine Fortschritte gemacht worden sind. Das ganze Problem der stillen Reserven, die Frage. wieweit die Abschreibungen über das betriebswirtschaftlich Notwendige hinausgehen, ist überhaupt nicht angepackt worden. Sie kennen doch alle den meilenweiten Abstand zwischen Steuerbilanzen und Handelsbilanzen. In den Steuerbilanzen sind immer noch die steuerlichen Sonderabschreibungen drin. Trotzdem aber ist da immer ein ganz gewaltiger Unterschied. Auch bei diesem Problem ist nicht einmal angedeutet worden, wie es gelöst werden kann.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Begründung gesagt, daß auch die Gratisaktie ein Mittel sei, durch das sich der Kleinaktionär ein plastischeres Bild von der Vermögensstruktur machen könne. Sehr richtig! Wenn man die Dinge allerdings nur so sieht, dann speist man den kleinen Aktionär auf sehr billige Weise ab. Er bekommt doch nur dann einen gewissen Einblick, eine nur sehr näherungsweise Vorstellung von den wirklichen Kapitalverhältnissen, wenn die Gesellschaft sich tatsächlich für die Ausgabe von Gratisaktien entschieden hat. Wollen Sie denn dem Kleinaktionär diese zusätz-



    Kurlbaum
    liche Information nur geben bei den Firmen, die Gratisaktien ausgeben?
    Also ich glaube, der richtige Weg, um dem Kleinaktionär zu seinem Recht zu verhelfen, ist endlich eine angemessene und ausreichende Publizität. Dann braucht man diese Kunststücke über Gratisaktien wegen der dadurch eventuell vermittelten zusätzlichen Information nicht zu machen.
    Lassen Sie mich noch etwas sagen, was vielleicht manchem nur als eine Formsache erscheint. In dem Gesetzentwurf ist mit dem einsamen § 22 ein Schema vorgesehen, und am Ende der Aufwandsseite steht der Reingewinn. Vor dem Reingewinn werden alle Absetzungen in die Rücklagen vorgenommen, die also ins Vermögen gehen usw. Ist denn den Verfassern dieses Gesetzentwurfs überhaupt niemals nur der Gedanke gekommen, daß die Bezeichnung dessen, was hier im allgemeinen der kümmerliche Rest eines tatsächlich vorhandenen Gewinns ist, als Reingewinn geradezu, eine Irreführung der Öffentlichkeit darstellt, und sollte man nicht endlich mit diesem entsetzlichen Brauch aufhören, das als Reingewinn zu bezeichnen? In anderen Ländern, die eine sehr viel ehrlichere Publizität haben,

    (Abg. Dr. Atzenroth: Wo?)

    bezeichnet man etwas ganz anderes als Reingewinn und sagt nachher ehrlich, welchen Teil des Reingewinns man im Unternehmen läßt und welchen man ausschüttet. Das wäre eine Terminologie, die sehr viel besser geeignet wäre, die Öffentlichkeit und insbesondere die Menschen, denen es nicht leichtfällt, sich in diesen Dingen zurechtzufinden, zu unterrichten.

    (Abg. Dr. Atzenroth: In welchen anderen Ländern gibt es diese Publizität?)

    — Ja, lesen Sie mal eine amerikanische Bilanz; dann werden Sie interessante Dinge feststellen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Die brauchen das nur der Börse vorzulegen und nichts zu veröffentlichen!)

    — Ich behaupte nicht, daß alles in Amerika vollkommen ist. Ich behaupte nur, daß die Bilanzen, die für die Aktiengesellschaften in den USA, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, vorgelegt werden, unendlich mehr sagen als die des Gros unserer Aktiengesellschaften.
    Ich komme zu einem weiteren Problem, Die SPD kann sich selbstverständlich niemals damit abfinden, daß die Publizitätsvorschriften auf eine Rechtsform begrenzt werden sollen. Wohin kommen wir, wenn auch in Zukunft jeder der Publizitätspflicht gegenüber der Öffentlichkeit dadurch ausweichen kann, daß er in eine andere Rechtsform ausweicht? Damit kann unserem Bedürfnis und meiner Ansicht nach den Bedürfnissen einer einwandfreien Demokratie in keiner Weise Rechnung getragen werden. Wie wir nachher die Publizitätspflicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen nach unten abgrenzen, darüber können wir uns gern im Ausschuß unterhalten. Diese Frage steht ja auch bei den Aktiengesellschaften an.
    Wir sehen ferner in der ganzen Frage der Publizität einen entscheidenden Gesichtspunkt in folgendem: In je größerem Umfang ein Wirtschaftszweig es fertiggebracht hat, den Wettbewerb bei sich auszuschalten, um so eifriger sollten wir danach spüren, gerade in diesen Bereichen für eine ausreichende Publizität zu sorgen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch auf die Schwierigkeiten beim Bundeskartellamt hinweisen. Wir haben das vorausgesagt, und die ersten Erfahrungen haben es sofort bestätigt. Das Bundeskartellamt ist auf Grund dessen, was an Publizität geliefert wird, zur Zeit nicht in der Lage, von den Paragraphen betreffend marktbeherrschende Unternehmen und Gruppen überhaupt nennenswerten Gebrauch zu machen. Es ist ganz klar, daß wir zu einer Wirksamkeit des Kartellamts nur dann kommen können, wenn wir unsere Publizitätsvorschriften wesentlich verschärfen.
    Ich möchte noch auf einen weiteren Zusammenhang hinweisen. Wenn wir das nicht tun, wenn wir das Bundeskartellamt nicht kurzfristig in den Stand setzen, gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen und Gruppen seine Aufgaben zu erfüllen, dann wird das Kartellgesetz nur eine Wirkung haben: nämlich den kleinen und mittleren Unternehmen Schwierigkeiten zu machen und die großen völlig ungeschoren zu lassen. Ich glaube, daß will zumindest ein großer Teil des Hauses nicht.
    Schließlich ein letzter Punkt. Mit Recht ist in den letzten Jahren schon die Frage der Konzernabschlüsse in der Offentlichkeit diskutiert worden. Nichts davon finden Sie in dem Gesetzentwurf, obwohl es sogar schon Gesellschaften gibt, die das selber anbieten, und obwohl es vor allen Dingen einen § 134 des Aktiengesetzes gibt, der die Regierung ausdrücklich ermächtigt, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Frage: Warum hat man sich, obwohl dieses Problem in der Öffentlichkeit so viel diskutiert worden ist, bis heute nicht dazu entschließen können, etwas für die weitere Verbreitung von Konzernabschlüssen zu tun?
    Wir haben es heute in der ersten Lesung zweifellos nur mit den grundsätzlichen Fragen zu tun. Ich bedaure sehr, daß der Bundeswirtschaftsminister nicht hier ist. Ich weiß, daß er sich auf seiner „Raketenreise" durch acht Länder in 25 Tagen befindet. Wir werden aber hoffentlich auch mit ihm diese Probleme sehr ausgiebig im Ausschuß und dann in der zweiten und dritten Lesung diskutieren.
    Die SPD nimmt — das haben wir schon mehrmals gesagt — das Problem der Kontrolle der wirtschaftlichen Macht außerordentlich ernst. Wir nehmen es auch sehr ernst damit, die Öffentlichkeit in den Stand zu setzen, daran mitzuwirken. Wir sind nicht der Meinung, daß zuerst der Weg gegangen werden sollte, diese Aufgabe durch gesetzliche oder behördliche Reglementierung zu lösen. Wir sind gern bereit, der Öffentlichkeit die Chance zu geben, sich bei dieser Aufgabe weitgehend einzuschalten und wirksam zu werden. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der Koalition, daß die Frage, wie Sie und wie wir uns in Zukunft zu dem Problem der Kontrolle bisher unkontrollierter wirtschaft-

    Kurlbaum
    licher Macht auch durch die Offentlichkeit stellen werden, wahrscheinlich einer der entscheidendsten Punkte in unseren zukünftigen Auseinandersetzungen sein wird. Wir haben uns nicht nur über die Frage der Marktwirtschaft, ihrer Wirksamkeit und Nützlichkeit auf diesem oder jenem Gebiet in der Sache weitgehend geeinigt, wir sind uns auch einig über die Frage der Stabilisierung der Kaufkraft. Aber die Kontrolle bisher unkontrollierter wirtschaftlicher Macht scheint mir eine Frage zu sein, über die wir uns sehr deutlich auseinanderzusetzen haben werden. Wir werden Ihre Haltung, meine Damen und Herren von der Koalition, zu dieser Frage als Prüfstein dafür betrachten, ob Sie es ernst meinen mit der Demokratie in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige abschließende Bemerkungen zu dem bisherigen Stand der Diskussion über dieses Thema. Ich möchte anknüpfen an Ausführungen, die der Kollege Kurlbaum soeben gemacht hat. Der Kollege Kurlbaum hat das Problem der Publizität in einer Weise ausgeweitet, die über das bei der aktienrechtlichen Problematik zunächst gegebene Maß erheblich hinausgeht.

    (Abg. Kurlbaum: Wir sind nicht so bescheiden!)

    — Das ist verständlich. Wir sind ja auch nicht prüde, 'aber wir möchten doch dringend bitten, die Fragen der Markttransparenz, der Publizität über Vorgänge am Markt von den gesellschaftsrechtlichen Publizitätsvorschriften zu trennen. Das eine gehört in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und unterliegt insbesondere auch der aktiven Mitarbeit der Kartellbehörde, und das andere sind zunächst Angelegenheiten, die im Gesellschaftsrecht geregelt waren und weiter zu regeln sein werden. Auch die Zielsetzung ist ja wohl eine andere.

    (Abg. Kurlbaum: Herr Dr. Hellwig, bitte denken Sie an die Mitwirkung der Öffentlichkeit!)

    — Ich komme gleich darauf zurück. — Die Publizitätsvorschriften im Gesellschaftsrecht dienen doch zunächst einmal der Sicherstellung des Informationsrechts des Aktionärs, und damit ist natürlich auch 'ein öffentliches Interesse gegeben, den Aktionär vor einer Übervorteilung zu schützen; daher auch die Prüfungsbestimmungen und die weitgehende Festigung des öffentlichen Interesses durch die Entwicklung der Pflichtprüfungen und ähnliche Dinge. Weiterhin ist für einen Kapitalmarkt, der sich gesund entwickeln soll, ein Mindestmaß an Publizität unbedingterforderlich. Daß hier in der Vergangenheit längst nicht alles in Ordnung war, wurde ja nicht bestritten. Ich komme aber nachher auf diesen Punkt nochmals zurück.
    Davon zu unterscheiden sind zweifellos die Publizitätsbegehren, wie sie von Ihnen zur Sprache
    gebracht worden sind, die etwa auf die Offenlegung der jeweiligen Marktposition des Unternehmens hinauslaufen. Wenn Sie etwa bedauern, daß nur ein Bruttoumsatz genannt wird oder genannt werden soll, aber nicht eine Spezifizierung des Umsatzes nach einzelnen Artikeln erfolgen soll, dann wollen Sie in Wirklichkeit doch die Offenlegung der Marktposition der Unternehmungen, und das hat mit gesellschaftsrechtlicher Publizität zum Schutze dies Aktionärs nichts mehr zu tun.
    Man mag sich nun an anderer Stelle darüber unterhalten, ob es zur Förderung der Markttransparenz für die Durchführung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen noch weiterer Mittel und weiterer Maßnahmen bedarf. Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang einmal auf folgendes aufmerksam machen. Herr Kurlbaum, Sie haben davor gewarnt, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor allem den mittleren und kleineren Unternehmungen unbequem werden könnte. Ich könnte Ihnen das genauso zurückgeben: die von Ihnen geforderte erweiterte Publizität könnte vor allem mittleren und kleineren Unternehmungen wegen der Offenlegung ihrer Marktposition gefährlich werden. Ich glaube, man sollte hier wenigstens erkennen, daß die beiden Dinge nicht über einen Leisten geschlagen werden dürfen, da als Ergebnis unter Umständen sehr wohl das Gegenteil herauskommen kann.
    Ich darf Ihnen nun einige Illustrationen zu dem Ausmaß der derzeitigen Publizität in den deutschen Kapitalgesellschaften geben. Es stehen mir eine Reihe von Untersuchungen über das Ausmaß der Publizität bei den deutschen Aktiengesellschaften, bei den industriellen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bei den amerikanischen Aktiengesellschaften und eine Untersuchung über die Börsenzulassungsprospekte in beiden Ländern zur Verfügung, außerdem einige Arbeiten, die der Öffentlichkeit und damit auch Ihnen nunmehr wohl zugänglich sind. Was zunächst den vielbeschworenen Vergleich mit den USA betrifft, so ist ziemlich unbestritten, daß die Publizität der großen amerikanischen Gesellschaften auf dem Gebiet der Vermögenslage, der Vermögensnachweisung, also der Bilanz, wesentlich bescheidener ist als diejenige der deutschen Gesellschaften und daß man sich dort im allgemeinen darauf beschränkt, Globalzahlen über die Aktiven zu nennen ohne die weitgehende Aufgliederung, die die deutsche Bilanz zeigt. Umgekehrt sind die amerikanischen Publikationen über die Gewinn- und Verlustrechnung im allgemeinen reichhaltiger als die deutschen Publikationen. Ich darf aber daran erinnern, daß eine Gewöhnung der Offentlichkeit an die Tatsache, daß es nicht unmoralisch ist, Gewinne zu erzielen, in Amerika das Klima für die Publizität gerade auf diesem Gebiete wesentlich mehr begünstigt hat, als es bei uns der Fall ist. Aber selbst wenn man die Gewinn- und Verlustrechnungen bei uns mit denen der amerikanischen Gesellschaften vergleicht, so ist auch hier schon an vielen Stellen deutlich, daß gerade die großen Unternehmungen weit über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum hinausgegangen sind.



    Dr. Hellwig
    Bei der Untersuchung, deren Ergebnisse mir vorliegen, mußten natürlich im wesentlichen die großen Gesellschaften herangezogen werden, weil hier eine detaillierte Publizität entwickelt worden ist. Die Untersuchung umfaßt über 85 % des Aktienkapitals der deutschen Aktiengesellschaften. Bei nicht weniger als etwa 60 % des Aktienkapitals geht die Publizität erheblich über die Mindesterfordernisse hinaus, und bei rund der Hälfte des in der Industrie arbeitenden Aktienkapitals wird auch bereits der Umsatz in absoluten Zahlen angegeben. Das ist doch immerhin ein erheblicher Fortschritt.
    Aber nun kann natürlich sofort das Argument von Ihnen kommen: Diese Zahl bezieht sich im wesentlichen auf die großen Aktiengesellschaften und die bei ihnen entwickelte Publizität mit Umsatzzahlen und ähnlichen Dingen. Dabei wird aber schon deutlich, was ich vorhin sagte: Der Mangel an Publizität ist viel stärker bei den kleineren und mittleren Gesellschaften zu beklagen, insbesondere dann, wenn es sich um einen relativ geringen Kreis von Aktionären, um Familiengesellschaften usw. handelt, als bei den großen Publikumsgesellschaften. Wir müssen also bei Ihren Forderungen nach noch weitergehender Publizität sehr genau prüfen, was die Stellung der großen gegenüber den mittleren und kleineren Unternehmen unter Umständen noch begünstigt.

    (Abg. Kurlbaum: Sehr richtig!)

    Hier ist also irgendwo eine Grenze. Ich freue mich,
    daß Sie gesagt haben, wir wollten uns noch über
    die Abgrenzung nach unten ausführlich unterhalten.
    Nun zur Frage der Börsenpublizität in den USA und bei uns. Wir haben die Börsenzulassungsprospekte miteinander verglichen. In folgenden Punkten gehen die amerikanischen Börseneinführungsprospekte über das deutsche Publizitätsmaß hinaus. Sie müssen enthalten: Angaben über die Börsenkurse der letzten Jahre, Ertragsrechnungen für fünf Jahre, genaue Angaben über die Bezüge der Direktoren und deren Aktienbesitz, über die beabsichtigte Verwertung des Erlöses aus den neuen Aktien, über die Aktionäre, die mehr als 10 % aller Aktien besitzen, sowie einen Bilanzstichtag bringen, der 'nicht weiter zurückliegen darf als 90 Tage. Diese Unterschiede zwischen den amerikanischen und unseren Vorschriften gehen vor allem darauf zurück, daß es in Amerika nicht die aktienrechtliche Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat wie bei uns gibt und daß die Vereinigung von Vorstandsfunktion, also von Management und Aufsichtsratsfunktion eines der wesentlichen Merkmale der amerikanischen Management-Position ist. Bestimmte Unterschiede sind hier eben strukturell bedingt. Man kann das nicht einfach auf uns übertragen.
    Hinsichtlich des internationalen Vergleichs sollten wir uns nunmehr vor allem auch bemühen, den Vergleich mit den anderen Ländern innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu entwikkeln. Wir müssen uns darüber klarwerden, daß, je mehr man in Richtung auf den Gemeinsamen Markt unter Abbau von diskriminierenden Bestimmungen, unter Anpassung von verschiedenen
    steuerrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen Fortschritte macht, um so mehr natürlich auch die Publizität einer Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung bei uns eine Publizität für den Konkurrenten im Gemeinsamen Markt unter gleichen Bedingungen ist. Daß hier eine Verständigung über ein gewisses Gleichmaß der anzustrebenden Publizität notwendig ist, wird wohl von niemandem bestritten werden.
    Noch ein Wort zur Frage der marktbeherrschenden Unternehmungen. Herr Kollege Kurlbaum, wir haben bei dem Bericht, den wir in Berlin im Bundeskartellamt gehört haben, wohl alle sehr deutlich verspürt, daß die Bestimmungen über die Zusammenschlüsse und die Meldung, die auf diesem Gebiet zu erstatten ist, nur ein sehr bescheidener Anfang sind. Mehr konnten und sollten sie nicht sein. Sie wissen aus der damaligen Diskussion ganz genau — ich darf hier wohl die Ausführungen des Staatssekretärs des Bundesjustizministeriums im Wirtschaftspolitischen Ausschuß in Ihre Erinnerung zurückrufen —, daß es sich für das deutsche Recht hier um Neuland handelt und daß man zunächst besser behutsam mit Anfangsbestimmungen arbeitet, durch die eine Berichterstattung oder eine Beobachtung eingeleitet wird, ehe man mit massiven Zwangsvorschriften und Sanktionen operiert. Hier ist also das letzte Wort keinesfalls gesprochen, und diese Lücke in der Gesetzgebung über den Wettbewerb wird unumwunden zugegeben. Sie war aber aus einer vorsichtigen Anfangshaltung diesem Problem gegenüber gewollt.
    Nun darf ich noch eine Bemerkung zu dem wirtschaftspolitischen Zusammenhang dieses Problemkreises überhaupt machen. Es kommt nicht so plötzlich, wie Herr Dr. Harm vorhin meinte, daß hier eine „erneute Begünstigung für bestimmte Aktionäre" geschaffen wird. Auch diese Vorlage ist Teil eines ganz bestimmten wirtschaftspolitischen Programms, dessen Zielsetzung es ist, die Aktie als Finanzierungsinstrument nicht nur wieder in ihren früheren Rang zurückzubringen, sondern sie darüber hinaus auch als eine Form der Vermögensbildung und Spartätigkeit der breiten Masse zu popularisieren. Daß dieses Werk mit einer ganzen Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen verbunden sein muß, versteht sich von selbst. Es ist auf der einen Seite die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete Dividenden zu nennen — das Gesetz ist im Sommer verabschiedet worden —, und nunmehr folgen die Bestimmungen, die die Umwandlung der bisher aus — wohlgemerkt versteuerten — Gewinnen gebildeten Rücklagen in echtes haftendes Kapital anstreben. Gerade in Zusammenhang mit der Frage der Machtkonzentration und -expansion sollte eigentlich die Umwandlung von Rücklagen in haftendes Kapital, über das die Aktionäre mit zu beschließen haben, Ihre Unterstützung finden, denn dieses Anliegen ist ja auch von Ihnen stark unterstrichen worden. Je größer die Rücklagen und damit die Vermögensmassen, über die das Management gewissermaßen autonom beschließen kann, im Verhältnis zu dem Aktienkapital sind, um so stärker ist die Macht des Management gegenüber den Aktionären, um so größer ist seine Unabhängigkeit

    Dr. Hellwig
    gegenüber den Aktionären in der Hauptversammlung.
    Hier liegt doch ein Problem, das nicht nur bei uns besteht — das etwa durch die Selbstfinanzierung entstanden wäre —, sondern das in allen Ländern bei der Entwicklung der modernen Aktiengesellschaft aufgetreten ist. Auch die Amerikaner haben dieses Problem, daß sich durch Selbstfinanzierung — selbstverständlich wohl auch aus versteuerten Gewinnen heraus — die Machtposition, die Autonomie des Management gegenüber den Eigentümern genährt hat, so daß jetzt eine Korrektur anzustreben ist. Daß diese Korrektur bei uns begünstigt und gefördert werden soll, gehört in unsere wirtschaftspolitische Gesamtvorstellung.
    Noch etwas zu der Finanzierung unserer Aktiengesellschaften oder überhaupt unserer Wirtschaft! Das Bild ist ja längst nicht mehr so, wie es noch vor einigen Jahren bei der Diskussion über Selbstfinanzierung, insbesondere Selbstfinanzierung über den Preis, war, sondern hier liegen nach der Neuberechnung der Vermögensbildung, des Sozialprodukts und seiner Verwendung erhebliche Korrekturen vor. Die Deutsche Bundesbank hat in ihrer jüngsten Untersuchung über die Finanzierung der Vermögensbildung der Unternehmungen nachgewiesen, daß seit Jahren die Finanzierung der Vermögensbildung aus nicht entnommenen Gewinnen rückläufig ist, daß sie für das vergangene Jahr 1957 wohl kaum mit mehr als einem Drittel angesetzt werden kann, wobei diese Größen nur rechnerisch gegenübergestellt werden, ohne daß unterschieden werden könnte, ob diese nicht entnommenen Gewinne, in denen ja auch die nicht entnommenen Gewinne bzw. die entsprechenden Einkommensteile der Selbständigen, der Landwirtschaft, des mittelständischen Gewerbes usw., enthalten sind, wirklich der Finanzierung der Sachvermögensbildung in der Wirtschaft gedient haben. Diese einfache Gegenüberstellung ist also auch noch problematisch.
    Aber wenn es so ist, daß im Jahre 1956 65 % und im Jahre 1957 67 % der Vermögensbildung der Unternehmen durch Kreditaufnahme finanziert werden mußten und auf die Ausgabe von Aktien zu dieser Finanzierung in dem einen Jahr nur 5,6 % und in dem anderen Jahr nur 4,6 % der Vermögensbildung entfallen, dann ist hier doch etwas nicht in Ordnung, dann ist doch der Anteil des haftenden Kapitals an der Finanzierung der Vermögensbildung einfach zu gering geworden. Gerade im Zusammenhang mit dieser Aufgabe sollte man auch die jetzige Vorlage sehen, der Aufgabe, die Aktie wieder als Finanzierungsinstrument in ihren Rang hineinzubringen und das auch für die Vergangenheit nachzuholen, insbesondere in der Abgrenzung zwischen dem haftenden Kapital und dem Aktienkapital und den anderen Bilanzpositionen.
    Nun hat Kollege Dr. Harm darauf hingewiesen, daß doch schon jetzt durch diese Diskussion eine ganze Reihe unerwünschter Entwicklungen ausgelöst worden seien. Insbesondere hat er auf die Entwicklung von Börsenkursen hingewiesen. Herr Dr. Harm, daß an der Börse spekulative Erwartungen, gleichgültig was für ein Gesetz im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gemacht wird, ihren Niederschlag finden, ist unbestritten. Was wollen Sie dagegen tun? Wollen Sie für die Dauer der Beratung eines solchen Gesetzes, das irgendwelche spekulative Erwartungen weckt, Stoppkurse für die Aktie einführen? Wollen Sie den Börsenhandel ausschalten? Sie können mit dieser Spekulation nichts anderes machen, als sie sich eben in ihrem eigenen Risiko gewissermaßen totlaufen zu lassen. Das ist, glaube ich, auch in der Spekulation auf Gratisaktien erheblich darin: die Chance, sich im eigenen Risiko totzulaufen.