Rede:
ID0303907700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468) ; Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — Allgemeine Aussprache Margulies (FDP) . .. . . . . . 2249 C Kurlbaum (SPD) . . . . 2253 B, 2279 D Dr. Steinmetz (DP) 2260 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 2262 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2266 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) 2272 A Dr. Starke (FDP) 2277 C Köhler (FDP) . . . . . . . . 2280 A Logemann (DP) 2283 B Dr. Sonnemann, Staatssekretär . 2286 B Bading (SPD) 2289 B Glahn (FDP) . . . . . . . . 2289 C Diekmann (SPD) 2291 A Dr. Schellenberg (SPD) 2293 B Blank, Bundesminister . . 2295 B, 2304 C Mischnick (FDP) 2300 A Frehsee (SPD) . . . . . . . 2301 D Frau Kalinke (DP) 2305 B Pohle (SPD) . . . . . . . . 2308 B Horn (CDU/CSU) 2308 D Rehs (SPD) . . . . . . . . 2309 B Kuntscher (CDU/CSU) . . . . . 2312 D Dr. Nahm, Staatssekretär . . . . 2315 C Weiterberatung vertagt . . . . . . . 2316 D Nächste Sitzung 2317 C Anlage 2319 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 39. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1958 2249 39. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 4. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauknecht 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Frau Dr. Bleyler 3. 7. Blöcker 4. 7. Burgemeister 5. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Euler 4. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 3. 7. Even (Köln) 3. 7. Franke 12. 7. Dr. Friedensburg 5. 7. Frau Friese-Korn 5. 7. Gaßmann 5. 7. Geiger (Aalen) 3. 7. Gerns* 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Graaff 4. 7. Dr. Gradl 5. 7. Dr. Greve 5. 7. Hackethal 5. 7. Hahn 3. 7. Dr. Dr. Heinemann 3. 7. Frau Herklotz 3. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Kemmer 5. 7. Kiesinger* 5. 7. Kirchhoff 3. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Frau Korspeter 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Dr. Lindenberg 5. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Neubauer 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul* 5. 7. Pöhler 3. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Rademacher 5. 7. Ramms 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schneider (Hamburg) 4. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München)* 5. 7. Frau Dr. Schwarzhaupt 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Spies (Brücken) 5. 7. Stahl 4. 7. Stenger 4. 7. Struve 5. 7. Teriete 3. 7. Wagner 3. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 5. 7. Welslau 3. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Winter 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. Zoglmann 5. 7.
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    Rede von Peter Horn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Befürchtungen, aber ich halte es für meine Pflicht, als Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion am Ende dieser Debatte auch meinerseits zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns hinter die Ausführungen stellen, die Herr Minister Blank heute abend hier gemacht hat. Wir sind damit einverstanden, daß die Behandlung der Fragen, die heute hier zwar vielfältig angesprochen, aber im einzelnen nicht durchdiskutiert werden konnten, demnächst bei erster sich bietender Gelegenheit in den beteiligten Ausschüssen sehr gründlich nachgeholt wird, bevor die einzelnen Gesetzesvorlagen, die diese und jene Materie betreffen, dem Hause vorliegen.

    Horn
    Wir stellen uns auch insofern hinter die Ausführungen des Ministers, als sie sich auf die Auseinandersetzungen über die Gewerkschaften bezogen. Wir unterstreichen unsererseits das, was der Herr Minister in der vergangenen Woche und auch heute zu diesem Problem gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine verehrten Damen und Herren, wir nehmen Veranlassung, diesem Bundesarbeitsminister, der sein Amt bei der Neubildung der Regierung im vergangenen Herbst angetreten hat, unseren Dank dafür zu sagen, daß er seine Arbeit mit Vorsicht, mit einer gewissen Zurückhaltung, nicht gleich stürmisch vordringend begonnen und eingeleitet hat,

    (Abg. Dr. Schellenberg: Siehe FAG!)

    weil es seine Verpflichtung ist, Herr Kollege Schellenberg, die Vorlagen, die er dem Hause macht, nach echter, gründlicher Vorbereitung zu erstellen. Insofern haben wir auch das Vertrauen in seine Arbeit für die Zukunft. Wir glauben, daß er sein Programm, das er uns vor Monaten in den Ausschüssen entwickelt hat, mit Energie und Ausdauer weiterhin anfaßt und durchführt. Dabei haben auch wir den herzlichen und dringenden Wunsch, daß der Herr Minister, was den Terminkalender angeht, dafür Sorge trägt, daß wir recht bald, wenn wir aus den Ferien kommen und hier wieder unsere Arbeit aufgenommen haben, Gelegenheit bekommen, in Fortsetzung der grundsätzlichen Neugestaltung auf sozialpolitischem Gebiet wirklich weitere Schritte nach vorn zu tun.
    Ich wiederhole, meine Damen und Herren, wir haben Vertrauen zum Herrn Arbeitsminister Blank. Er darf sich darauf verlassen, daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen/Christlich-Sozialen Union ihn bei seiner schweren Aufgabe in diesen Jahren mit allem Nachhalt und mit Energie unterstützen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der allgemeinen sozialpolitischen Diskussion.
Zu
Vertriebenenfragen
hat sich zunächst der Herr Abgeordnete Rehs gemeldet. Ich gebe ihm das Wort.

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    Rede von Reinhold Rehs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit einem Seufzer — Sie haben es selbst gesehen — hier zur Bühne heraufgegangen, mit einem Seufzer deshalb, weil ich es aus kollegialen Gründen sehr bedauere, in dieser Situation Ihre Geduld in Anspruch nehmen zu müssen, mit einem Seufzer aber auch wegen des Themas, zu dem ich unter diesen Umständen und zu dieser Stunde noch sprechen muß. Es ist die erste und einzige Gelegenheit im Rahmen der Haushaltsberatungen, zu diesem Gegenstand zu reden. Ich würde es für verantwortungslos gegenüber den Millionen Betroffenen ansehen, wenn ich nicht den Mut aufbrächte, Sie trotz der bestehenden Umstände um Geduld für einige Ausführungen zu bitten.
    Es handelt sich um den großen Kreis der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und anderen Kriegsgeschädigten mit ihren Problemen. Die Haushaltsberatungen haben wieder die bedauerliche Tatsache gezeigt, daß die entscheidenden materiellen Probleme dieses Personenkreises verwaltungsmäßig von diversen Ressorts behandelt werden; das wirkt sich verhängnisvoll aus. Diese wichtigen sozialen Fragen entziehen sich infolgedessen bei der Behandlung des Haushalts einer Gesamtsicht des Parlaments. Es hat sich auch gezeigt, daß jedes Ressort die Dinge überwiegend aus seinem Ressortinteresse heraus sieht. Die einzelnen Ressorts bringen für diese Stiefkinder, für die ihnen vom Vertriebenenministerium anvertrauten Pflegekinder nicht das nötige Verständnis auf, weil sie die speziellen Probleme und auch den Gesamtzusammenhang nicht zu erkennen vermögen.

    (ffentlichkeit entstehen lassen können, es gebe überhaupt kein besonderes Vertriebenen-, Flüchtlingsund Kriegsgeschädigtenproblem mehr. (Abg. Dr. Conring: Wir haben das doch nicht nur beim Haushalt erörtert!)

    — Natürlich, Herr Kollege; wir haben es in diesem Jahr hier überhaupt noch nicht erörtert. Die Haushaltsberatungen dienen nun einmal der Steuerung der Politik für das ganze folgende Jahr. Nicht umsonst haben die anderen Ressorts diese Frage zu einem wesentlichen Teil in dieser Weise behandelt, die uns jetzt in Zeitdruck bringt.

    (Abg. Dr. Conring: Zu wiederholten Malen jetzt!)

    — Herr Kollege Conring, Sie wissen ganz genau, daß diese Fragen bisher völlig untergegangen sind. Der Kreis der betroffenen Personen muß sich schwer zurückgesetzt fühlen, wenn ihm diese Behandlung zuteil wird, wenn nicht die Gelegenheit wahrgenommen wird, einige wesentliche Feststellungen zu dem Problem zu treffen.
    Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich ausdrücklich betonen: wir sehen durchaus, daß sich die Größenordnungen verschoben haben, daß sich die Struktur wesentlicher Einzelfragen verändert hat. Aber wir müssen auch das sehen, was noch nicht geschehen ist. Was von uns sozial und finanziell noch getan werden muß, ist so umfangreich, daß man zugeben muß: hier besteht nach wie vor noch ein so kompaktes und für große Schichten menschlich so bedrückendes Gesamtproblem, daß wir eine Bewertung, wie sie in den diesjährigen Haushaltsberatungen erblickt werden könnte, einfach nicht zulassen dürfen.
    Ich bilde mir nicht ein, Ihnen in der kurzen Zeit, die ich ,infolge der Umstände für mich in Anspruch nehmen kann, das ganze Gewicht der Probleme nahebringen zu können. Aber vielleicht wird sich der eine oder andere noch an das erinnern, was Rudolf Hagelstange zu Weihnachten vorigen Jahres über den „Luxus des Gemüts" ausführte. Er stellte die Frage:



    Rehs
    Wer bringt noch die Phantasie auf, sich den Inhalt von Vertriebenen- und Flüchtlingslägern als Sinn von Einzelschicksalen vorzustellen?
    Er sprach von „dem Fehlbetrag in der Rechnung der deutschen Moral", von der „isolierten Schicht von Außenseiter gewordenen Glücklosen", von „dem traurigsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte".
    Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen auch die Schrift „Hand am Pflug" gelesen, in der der Beauftragte der Evangelischen Kirche für Umsiedler- und Vertriebenenfragen, der Bischof Wester in Schleswig, mit bitteren Worten schrieb:
    Das Wirtschaftswunder hat auch die Christen geblendet und sie blind gemacht, daß sie die Not in den Lagern einfach nicht mehr sehen wollen.
    Meine Damen und Herren, ich darf Sie nur noch an den Rundfunkvortrag von Superintendent Arndt vom 22. März dieses Jahres erinnern. Ich sage das, damit Sie den Hintergrund sehen, weshalb ich überhaupt zu den Dingen in dieser Weise spreche. Superintendent Arndt führte damals aus, die Frage der Vertriebenen und Flüchtlinge sei zu einer Frage der Statistik geworden und dieser nationale Notstand finde so gut wie überhaupt kein Echo mehr. Meine Damen und Herren, denken Sie nur an die Resonanz der Aktion Friedlandhilfe, eine Resonanz, die auch von Ihnen beklagt wird, und vergleichen Sie dann bitte das, was diese Persönlichkeiten ausgeführt haben, mit der Wirklichkeit!
    In einer der ersten Sitzungen des Heimatvertriebenen-Ausschusses dieses Bundestages hat Minister Oberländer berichtet, daß etwa 40 % der Vertriebenen noch nicht eingegliedert seien. Er hat dazu ausgeführt, es sei traurig, aber er müsse es aussprechen: dies sei auf die Unkenntnis der Öffentlichkeit, was dieses Problem angehe, zurückzuführen. Er betrachte es als seine Aufgabe Nr. 1, gegen diese Unkenntnis anzugehen.
    Aber ist es nicht schlimm, daß der Minister nach mehr als vier Jahren politischer Tätigkeit eine solche Erklärung abgeben muß? Worauf ist denn diese erschreckende Unkenntnis der Öffentlichkeit zurückzuführen? Doch auf Ihre Skepsis gegenüber der Feststellung, die ich soeben zu diesem Tatbestand getroffen habe. Dazu haben Sie den Kopf geschüttelt und gemeint, das sei doch offenbar Polemik, oder was weiß ich, weshalb Sie den Kopf geschüttelt haben, Ich weiß, daß diese Dinge nicht mehr gerne gehört werden und daß sie auch hier mit großer Zurückhaltung aufgenommen werden. Aber Sie sehen in dieser Äußerung Ihres eigenen Vertriebenenministers, Ihres eigenen Parteifreundes ja doch die Bestätigung, wie bitter notwendig es ist, diese Tatbestände hier einmal festzustellen.
    Ich frage: Worauf ist es zurückzuführen, und wer trägt in erster Linie die Verantwortung dafür, daß zum Beispiel, wie der Kollege Kuntscher von Ihrer Fraktion in der Debatte am 26. Februar feststellte, die Lageraufenthalte immer länger werden und daß das Schicksal von rund 590 000 Lagerbewohnern - diese Zahl nannte Herr Minister Oberländer damals — im westdeutschen Bewußtsein keinen Platz mehr findet, wie Hagelstange, Arndt und all die anderen erklärt haben und wie das letzten Endes der Minister selber Anfang dieses Jahres mit Bedauern hat zum Ausdruck bringen müssen?
    Als ich vor zirka zweieinhalb Jahren diese Situation, in der sich das ganze Vertriebenenproblem in der Öffentlichkeit befindet, hier feststellte, da wurde auf den Bänken der CDU/CSU gelächelt, und als ich vor zirka drei Jahren bei der Erörterung des Aussiedlerproblems in Berlin vorwurfsvoll die Frage aufwarf: Warum hinkt denn die Bundesregierung hinter diesen sozialen Problemen immer nach?, da protestierten Sie.
    Auf unserem Wiesbadener Kongreß im April vorigen Jahres habe ich vorgerechnet, was mit dem ständigen Flüchtlingsstrom aus der Sowjetzone und mit dem zu erwartenden Aussiedlerzustrom aus den Ostgebieten auf uns zukommt. Ich habe damals gewarnt und habe darauf aufmerksam gemacht, daß sich mit dem neuen Menschenzustrom ein Problem der Massenunterbringung zusammenballt, das wie eine Gewitterwolke zur Entladung drängt. Aber was ist seitdem von der Bundesregierung ernstlich geschehen? In der Debatte am 26. Februar dieses Jahres blieb Herrn Minister Oberländer keine andere Entschuldigung als: Wir haben doch in keinem Jahr gewußt, wie viele kommen würden.
    Nein, meine Damen und Herren, die Gründe für die niederdrückende Position, die das Vertriebenen-, Flüchtlings- und Kriegsgeschädigtenproblem heute in der Öffentlichkeit und im politischen Raum einnimmt, liegen tiefer. Ich will die Verantwortung des Vertriebenenministers gewiß nicht als leicht darstellen. Ich habe oft gewünscht, daß er bei der Vertretung seiner Aufgaben im Kabinett etwas von der Robustheit seines Kollegen Strauß besäße und daß er es verstünde, auf seinem Gebiet die Ansicht zur Tat durchzusetzen, daß alle militärische Verteidigung von der Sicherung der sozialen Verhältnisse abhängt. Aber ich gebe zu, daß ich in diesem Kabinett nicht Vertriebenenminister sein möchte. Hier liegen nämlich die Wurzeln. Der Kanzler bestimmt ja nicht nur - wir haben oft genug in diesen Tagen wieder davon geredet — die Richtlinien der Politik, er bestimmt auch den Geist. Wir wissen, daß er kein Organ für diese sachlichen Fragen auf der Vertriebenenebene hat. Daran ändern auch alle Glückwunschadressen zu Vertriebenenveranstaltungen nichts. Aber offenbar ist auch in der großen Regierungsfraktion und auch unter den Vertriebenenabgeordneten niemand, der den Mut und die Härte aufbringt, einmal klarzumachen, daß die Dinge so nicht weiterbehandelt werden dürfen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Von den Erklärungen des CDU-Sprechers in der Regierungsdebatte 1953, in vier .Jahren würden die sozialen Probleme der Vertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen, bis zu den 21/2 Protokollzeilen, die der Bundeskanzler in der Regierungserklärung 1957 für die materielle Seite dieser Probleme übrig hatte, außer natürlich den Begriffen „soziale Verpflichtung" und „natio-

    Rehs
    nale Ehre", verläuft eine gerade Linie. Bis heute, ein ganzes Jahr nach dem Zusammentritt dieses Bundestages, ist von der Bundesregierung noch keine Gesamtdarstellung, keine Konzeption, kein geschlossenes Programm über Absichten und Maßnahmen auf diesem Gebiet vorgelegt worden.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Aber es wird laufend etwas getan!)

    Der Bund der Vertriebenen hat sowohl zum Gesamtproblem wie zu einzelnen Teilen eingehende Memoranden erarbeitet, und meine Fraktionskollegen, z. B. der Kollege Reitzner, haben sich in der „Brücke" ebenfalls wiederholt zum ganzen wie zum einzelnen geäußert. Aber die Bundesregierung und die Koalition sind bis heute stumm geblieben. Und dazu nun, meine Damen und Herren, Ihre Abstimmungen in der zweiten Lesung über die wenigen von uns gestellten und nur auf einige Schwerpunkte beschränkten Anträge!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wie denkt sich — um nur noch wenige Bemerkungen hierzu zu machen — die Koalition und die Bundesregierung eigentlich die Sache mit der Umsiedlung? Nicht nur, daß bier eine hervorragende, menschliche und soziale Aufgabe buchstäblich zu Tode geschleppt worden ist, hier geht es auch um Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit; denn hier besteht ein Gesetz, hier besteht eine Rechtsverordnung vom 5. Juni 1956. Danach war der Bund verpflichtet, die 300 Millionen bis einschließlich dieses Jahres zur Verfügung zu stellen. Mit den fehlenden 60 Millionen bleibt das Gesetz unerfüllt.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Sie haben in der zweiten Lesung gegen unseren
    Antrag, der diese Lücke schließen sollte, gestimmt.
    Sie haben damit die Gesetzeserfüllung verweigert.

    (Zuruf von der Mitte: Sie müssen auch die Gründe sagen!)

    Wie soll der Staatsbürger auf ein solches Vorbild durch die Regierung und das Parlament in der Frage der Gesetzestreue reagieren?
    Zu der beschämenden Ablehnung unseres Antrages bezüglich der Lager- und Barackenauflösung brauche ich nichts mehr zu sagen. Diese Ablehnung spricht für sich selbst.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Aber Herr Kollege, hören Sie zu, was ich Ihnen sagen werde! Nach dem Bericht der „Kieler Nachrichten" ist auf dem Rendsburger CDU-Parteitag in Schleswig-Holstein vor wenigen Tagen die Beseitigung der letzten Barackenlager als wichtigstes Anliegen der CDU bezeichnet worden und die schnellste Überführung der zur Zeit noch in Notunterkünften untergebrachten Familien in zumutbare Wohnungen gefordert worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ihre Abstimmung über unseren Antrag liefert eine einwandfreie Beweisführung zu der Glaubwürdigkeit solcher Forderungen.

    (Abg. Leicht: Nein, wir haben einen Leertitel eingeführt!)

    - Lieber Kollege, dieser - —

    (Abg. Leicht: Sie müssen nämlich dazu sagen, was noch da ist!)

    — Aber erzählen Sie doch keine Märchen! Diese 14 Millionen, die überhaupt nur in den Bundeshaushalt hineingekommen sind, sind nur deshalb eingesetzt worden, weil ich im Vertriebenenausschuß angekündigt habe, ich würde die Sache ins Plenum bringen, weil nichts darüber im Haushalt enthalten sei. Deshalb haben Sie, da Sie natürlich die Prügel fürchteten, hinterher schnell noch versucht, wenigstens in diesem einen Punkt die Sache mit den Bindungsermächtigungen von 14 Millionen hinzubekommen.

    (Abg. Leicht: Sie sind doch drin!)

    — Natürlich, aber wir haben sie hineingebracht. 14 Millionen DM Bindungsermächtigungen. Daß das nicht ausreicht, wissen Sie, und daß das im Verhältnis zur Sache unzulänglich ist, wissen Sie genauso. Unseren Antrag, mit dessen Annahme im vorigen Jahr wirklich etwas hätte geschaffen werden können, haben Sie niedergestimmt. Dann stellen Sie sich aber auf einem Parteitag wie dem in Schleswig oder in Rendsburg hin und sagen: das ist unser wichtigstes Anliegen!