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ID0303806000

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    Deutscher Bundestag 38. Sitzung Bonn, den 2. Juli 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Scharnberg 2177 A Zur Tagesordnung Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 2177 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 2177 C Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468); Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — in Verbindung mit den Anträgen zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 502) . . . . . . . .2177 D, 2201 A Allgemeine Aussprache Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 2177 D Dr. Meyer (Frankfurt) (SPD) . . . 2179 D Dr. von Brentano, Bundesminister . 2183 D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2187 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2193 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . . . 2194 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . 2197 D Schultz (FDP) 2201 A Ritzel (SPD) . . . . . . . . 2204 D Probst (Freiburg) (DP) . . . . 2206 C Strauß, Bundesminister . . 2208 A, 2229 C, 2239 A Merten (SPD) 2222 D Wienand (SPD) . . . . . . . 2236B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 2241 A Weiterberatung vertagt . . . . . . 2246 C Nächste Sitzung 2246 C Anlagen 2247 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Juli 1958 2177 38. Sitzung Bonn, den 2. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier * 5. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauer (Würzburg) * 5. 7. Bauknecht 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach * 5. 7. Fürst von Bismarck * 5. 7. Blachstein * 5. 7. Burgemeister 4. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Dr. Eckhardt 2. 7. Euler 4. 7. Franke 12. 7. Gaßmann 5. 7. Gerns * 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Heye * 5. 7. Höfler * 5. 7. Frau Dr. Hubert * 5. 7. Jacobs * 5. 7. Kiesinger * 5. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf * 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühlthau 2. 7. Kühn (Köln) * 5. 7. Leber 4. 7. Lohmar 2. 7. Lücker (München) * 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger * 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) * 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul * 5. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Frau Dr. Rehling 2. 7. Richarts 2. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München) * 5. 7. Seidl (Dorfen) * 5. 7. Spies (Brücken) 4. 7. Struve 5. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 5. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Zimmer * 5. 7. *) für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 150 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 300 Anlage, 464, 490). Der Bundestag wolle beschließen: In Einzelplan 14 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung sind die Gesamtausgaben um 3 000 000 000 DM zu kürzen. Bonn, den 1. Juli 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wienand (Fragestunde der 35. Sitzung vom 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 16): Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der als Musterzusammenlegung bezeichneten Zusammenlegung in Ägidienberg (Siegkreis) eine Freifläche von ca. 9 bis 10 Morgen nicht an einen Landwirt, der sich zur Abrundung seines Besitzes darum beworben hatte, verkauft worden ist, sondern an einen Nichtlandwirt? Ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft alles ihr Mögliche zu tun und darauf hinzuwirken, daß Landwirte zur Abrundung ihres Besitzes und zur Herstellung ihrer Existenzfähigkeit in den Besitz solcher Freiflächen bei Zusammenlegungsverfahren kommen? Ihre Frage erlaube ich mir, wie folgt, zu beantworten: Die praktische Durchführung der Flurbereinigungen und beschleunigten Zusammenlegungen ist Angelegenheit der Länder. Nach den bei der zuständigen Landesbehörde getroffenen Feststellungen liegt der Fall folgendermaßen: Bei der in Frage stehenden Fläche handelt es sich um mehrere, seit Jahrzehnten nicht mehr in Kultur befindliche, versumpfte und von Quellen durchsetzte Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 2,58 ha, die im Rahmen der Flurbereinigung zusammengefaßt worden sind, aber wegen ihres 'schlechten Kulturzustandes nicht an einen Beteiligten der Flurbereinigung ausgewiesen werden konnten. Die Fläche wurde daher nach öffentlicher Bekanntmachung im Februar 1957 zum Verkauf ausgeschrieben. Als Kaufinteressenten bewarben sich der Eigentümer eines größeren Hofeis mit 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 125 ha Wald, der die Fläche zur Abrundung seines Waldbesitzes aufforsten wollte, und außerdem ein Viehhändler und Metzgermeister, der sie zu kultivieren und als Viehweide zu nutzen beabsichtigte. Im Herbst 1957 und Frühjahr 1958 bewarben sich aus anderen Gemeinden zwei weitere Landwirte. Der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung beschloß jedoch am 16. April 1958 einstimmig, die Fläche an den Viehhändler zu verkaufen, da dieser am ehesten in der Lage sei, die für eine Kultivie- 2248 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Juli 1958 rung notwendigen erheblichen Mittel aufzubringen und so das Land einer landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Eine Eigentumsübertragung hat noch nicht stattgefunden. Der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft soll nochmals mit der Angelegenheit befaßt werden. Die Bundesregierung ist zwar in Verfolgung Ihres Programms zur Verbesserung der Agrarstruktur immer bemüht gewesen, auf die Länder dahingehend einzuwirken, daß alle innerhalb und außerhalb von behördlich gelenkten Flurbereinigungs- und beschleunigten Zusammenlegungsverfahren frei werdenden Flächen, die sich für eine landwirtschaftliche Nutzung eignen, zur Aufstockung landwirtschaftlicher Betriebe bis auf die Größe von Familienbetrieben verwendet werden. Es ist aber in der praktischen Durchführung nicht möglich, diesen Grundsatz in jedem einzelnen Fall zu verwirklichen. Bonn, den 27. Juni 1958 Lübke
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Abgeordneter Zimmermann!


Rede von Dr. Friedrich Zimmermann
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Merten, wollen Sie bestreiten, daß von einem Organ der Soziademokratischen Partei Deutschlands eine Aufforderung an die kommunalen Parlamente, Kreistage, Gemeinderäte und Städte hinausgegangen ist, solche Resolutionen zu beschließen, oder wollen Sie das nicht bestreiten?

(Zurufe von der SPD: Das war richtig! — Das war das gute Recht!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Merten


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Zimmermann, erstens ist es das Recht jeder politischen Partei,

    (Zuruf von der Mitte: Aha!)

    ihre politische Auffassung draußen bekannt zu machen, soweit sie es irgend möglich kann.

    (Zuruf von der Mitte: Dann liegt aber keine Spontaneität mehr. vor!)

    Zweitens wissen Sie genauso gut wie ich, daß
    weder ein sozialdemokratisches Organ noch irgendein anderes Organ in der Lage ist, Kreistagen und



    Merten
    Stadtverordnetenversammlungen irgendwelche Weisungen zu erteilen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Drittens werden Sie von meinem Freund Wienand gleich hören, daß auch Ihre eigenen Freunde in den Kommunalparlamenten bei der Behandlung dieser Frage außerordentlich nachdenklich geworden sind, ohne daß sie, wie ich glaube, erst den „Vorwärts" studieren mußten, um zu einer rechten Einstellung zu kommen.
    Aber noch etwas zu anderen Problemen, die hier angedeutet oder vom Minister dargestellt worden sind. Der Minister hat seine Verteidigungskonzeption als die allein mögliche hier dargestellt. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß es mehrere Möglichkeiten gibt und daß die von der Sozialdemokratie aufgezeigte Möglichkeit vollkommen gleichwertig und auch gleichberechtigt in diesem Hause neben der Auffassung steht, die der Herr Minister vertritt, es sei denn, daß die größere Zahl von Abgeordneten immer auch das größere Maß von Weisheit bedeutet, und das wird der Herr Minister wohl kaum annehmen.
    Er hat sich sehr ausführlich mit dem Aufruf befaßt, der in der Schweiz erschienen ist, als die atomare Bewaffnung der Schweizer Armee zur Debatte stand. Herr Minister, wenn Sie sich auf diese Kronzeugen berufen, dann befinden Sie sich in keiner sehr guten Gesellschaft. Denn die Kräfte, die in der Schweiz für die atomare Ausrüstung der Schweizer Armee eintreten und die auch diesen Aufruf unterschrieben haben, sind die gleichen Kräfte, die den Kampf der Bundesrepublik um die Wiedervereinigung als nationalistische Regung ablehnen. Es sind die gleichen Kräfte, die den Kampf um die Rückkehr der Saar als einen Rückfall in deutschen Nationalismus abgelehnt haben. Diese Kräfte haben sich jetzt zusammengetan, um die atomare Ausrüstung der Armee zu betreiben.
    Sie können sich darauf verlassen, Herr Minister: wenn wir uns mit der Regierung innenpolitisch auseinandersetzen wollen, haben wir Themen in reicher Fülle und in reicher Auswahl. Da sind wir nicht genötigt, aus Verlegenheit auf die Atomfrage auszuweichen. Da gibt es eine ganze Menge anderer Fragen, die durchaus auf Jahre hinaus genügen, um unseren Bedarf an Kritik an der Regierung zu decken. Sie wissen auch ganz genau, daß der Anlaß, diese Frage hier zu behandeln, nicht von der Sozialdemokratischen Partei, sondern von Ihnen ausgegangen ist und von Ihrem Willen, die Bundeswehr atomar auszurüsten, den Sie hier noch durch einen Beschluß der Mehrheit dieses Hauses dokumentiert haben. Wir haben diese Dinge vorher nicht zum Gegenstand eines innenpolitischen Streites mit Ihnen zu machen brauchen, weil wir annahmen, daß Ihre Erklärungen, die Sie vor der Wahl abgegeben haben, insbesondere diejenige, die der Herr Bundeskanzler in Kiel abgegeben hat, Ihrer tatsächlichen Auffassung entsprächen. Wir haben uns inzwischen belehren lassen, daß zwischen dem, was Sie vor der Wahl sagen, und dem, was Sie nach der Wahl tun, ein kleiner Unterschied besteht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich muß Ihnen aber noch etwas anderes sagen, Herr Minister. Es gibt außerhalb der Sozialdemokratischen Partei auch andere Kräfte, die sich durchaus aus ernsten Beweggründen und aus tiefster Gewissensnot ebenfalls gegen die atomare Ausrüstung der Bundeswehr wenden. Ich darf Sie nur an die Anträge erinnern, die auf der letzten evangelischen Generalsynode gestellt und eingehend begründet worden sind. Wenn Sie sie einmal im Wortlaut lesen, müssen sie auch Ihnen klarmachen, daß hier Menschen aus tiefster Gewissensnot heraus gesprochen haben. Ich will diese Anträge hier nicht zitieren, weil ich annehme, daß sie einem großen Teil des Hauses bekannt sind. Ich will nur eine Äußerung zitieren, von der ich bis jetzt keinen Gebrauch gemacht habe, die Sie aber im Hinblick auf diese Menschen und ihre Gründe getan haben. Sie haben die echte Gewissensnot, die aus dem Antrag zahlreicher evangelischer Gruppen an die Generalsynode gesprochen hat, einfach mit der Erklärung abgetan, daß die Anti-Atombewegung im kirchlichen Raum nichts weiter sei als ein pseudokirchlicher Kismet-Glaube und daß man diese Dinge genauso wie den Aberglauben einfach vom Tisch wischen könne.

    (Hört! Hört! und Pfui-Rufe bei der SPD.)

    So kann man mit den ernsten Gewissensbedenken nicht umgehen, Herr Minister, und so kann man auch in der Rage des Gefechts nicht über derartige Dinge urteilen. Ich habe das Zitat zunächst nicht gebracht, weil ich glaubte, daß Ihnen die Äußerung in der Rage des Gefechts entflohen sei. Nach dem letzten Teil Ihrer Rede, die Sie hier gehalten haben, bin ich allerdings der Auffassung, daß es nicht nur die Rage des Gefechts war, sondern daß es Ihre innere Überzeugung ist, hier könne nicht von echter Gewissensnot, sondern nur von KismetGlaube und Pseudo-Christentum gesprochen werden.
    Sie haben mich zitiert, Herr Minister. Wenn ich richtig unterrichtet bin, haben Sie meine angebliche Äußerung auf einem Schulungstag in Alsfeld zitiert. Ich habe von dieser meiner angeblichen Äußerung zum erstenmal gehört, als sie der Herr Kollege Kiesinger hier im Plenum bei einer außenpolitischen Debatte erwähnte. Ich habe an diesem Tag ungefähr acht Stunden gemeinsam mit dem Herrn Kollegen Kiesinger in diesem Raum gesessen. Er hat mich vorsichtshalber nicht nach der Richtigkeit dieser Meldung gefragt, denn andernfalls hätte er sie nicht benutzen können.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auch Sie, Herr Minister, haben mich nicht gefragt, und Sie haben offenbar auch das von mir veranlaßte schriftliche Dementi nicht gelesen. Ich würde Ihnen doch dringend raten, sich einmal in Ihrem Pressereferat umzuschauen in Hinsicht darauf, was Ihre eigene Unterrichtung über die Pressestimmen betrifft. Hätte nämlich Ihr Pressereferat Ihnen gegenüber, Herr Minister, seine Pflicht erfüllt, dann wüßten Sie, daß diese Äußerung weder an dem betreffenden Tage noch an dem betreffenden Ort noch in dem betreffenden Wortlaut getan worden



    Merten
    ist. Außerdem stand bei der Schulungstagung, die an diesem Tage in Alsfeld stattfand, ein kommunalpolitisches Thema auf der Tagesordnung. Die Presse war überhaupt nicht geladen und nicht dabei. Es kann also auch gar nicht so gewesen sein. Aber wenn es Ihnen Spaß macht, Herr Minister, will ich auch hier noch einmal in aller Form davon abrücken, daß ich Ihnen derart furchtbare Dinge unterstellt habe wie zum Beispiel, daß von Wilhelm II. über Adolf Hitler zu Franz-Josef Strauß ein roter Faden laufe. Ich habe das nicht gesagt; es ist von anderer Seite gesagt worden. Ich hätte es hier als Zitat aus der Presse nehmen können, einer Presse, die von mir gar nicht beeinflußt werden kann.
    Ich habe auch nicht gesagt, daß Sie nach Rußland marschieren wollen, und ich habe auch nichts davon gesagt, daß die evangelischen Bundeswehrpfarrer den Soldaten empfehlen würden, den Dienst zu verweigern, wenn sie mit atomaren Waffen zu tun hätten. Aber wenn Sie einmal die Anträge lesen würden, die auf der Generalsynode gestellt worden sind, dann würden Sie sehen, daß über die Militärseelsorge und ihre Aufgabe angesichts der atomaren Aufrüstung auf der Generalsynode — der ich gar nicht angehöre - ähnliche Gedankengänge geäußert worden sind, und vielleicht wären Sie dann in der Lage, auch derartige Überlegungen, die unsere eigene Bundeswehr betreffen, etwas ernster zu nehmen, als Sie das bei den Ausführungen, die Sie hier gemacht haben, zu tun für richtig hielten.
    Eine andere Frage, die Sie auch hier behandelt haben, ist die, wie die Bewegung gegen den Atomtod mit den vom Zentralkomitee der sowjetrussischen KP im Januar 1957 ausgegebenen Parolen in Zusammenhang stehe. Sie haben hier — und ich begrüße das — eindeutig erklärt, daß die Sozialdemokratische Partei wohl nichts mit diesen Dingen zu tun habe. Ich freue mich, das hier von Ihnen zu hören; denn ich hatte Pressemeldungen gelesen, die mir sehr zu denken gegeben hatten. Sie haben in einer öffentlichen Versammlung erklärt: „Die seit langem vom Osten erstrebte Aktionseinheit zwischen Kommunisten und demokratischen Sozialisten ist nunmehr hergestellt, und die Parolen dafür werden nicht in Bonn, sondern in Moskau entworfen." Ich kann wohl annehmen, daß Sie nicht mehr zu dieser Äußerung stehen und daß die Presse Sie in diesem Falle mißverstanden hat; denn sonst könnte ich Ihre Ausführungen von vorhin nicht in Übereinstimmung mit dem bringen, was dort über andere Äußerungen, die Sie in öffentlichen Versammlungen getan haben, berichtet worden ist. Nehmen Sie aber bitte noch einmal ganz klar zur Kenntnis: Die Sozialdemokratische Partei empfängt keine Parolen aus Moskau, und die Sozialdemokratische Partei läßt sich in ihrem Abwehrkampf gegen die kommunistische Gefahr von niemand in diesem Lande oder in der freien Welt übertreffen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Sozialdemokratische Partei weiß aber, daß das
    kommunistische Terrorregime nicht nur ein militärisches Problem ist, sondern daß auch viele andere
    Probleme der Lösung bedürfen, wenn man dieser Terrorwelle des Ostens und diesem kommunistischen Geist von innen heraus Widerstand leisten will.
    Sie haben gesagt, die Bundeswehr müsse einen sowjetischen Angriff unmöglich machen, und deswegen müsse sie mit allen hierfür in Frage kommenden Waffen ausgerüstet werden. An einer anderen Stelle Ihrer Rede haben Sie gesagt, daß es innerhalb der NATO eine Arbeitsteilung gebe und daß es Aufgabe der NATO sei, die Dinge so zu organisieren und so zu verteilen, daß die Verbündeten im ganzen in der Lage seien, ein Gegengewicht gegen die russische Bedrohung zu bilden. Herr Minister, aus Ihrer Rede hier und auch aus früheren Äußerungen müssen die Menschen in der Offentlichkeit und auch wir in diesem Hause den Eindruck gewinnen, daß Sie ein Gegengewicht gegen die militärische Bedrohung der Sowjetunion allein durch die Bundeswehr zu schaffen beabsichtigen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber Herr Merten!)

    Der Herr Minister hat eben von dieser Stelle aus wörtlich erklärt: bis dahin muß die Bundeswehr jeden sowjetischen Angriff unmöglich machen, und er hat an anderer Stelle erklärt: die Bundeswehr soll nicht einen zukünftigen Sieg vorbereiten, sondern das Risiko für einen dritten Weltkrieg unübersteigbar machen. Er hat gesagt: die Bundeswehr, und er nicht gesagt: die NATO. Meine Damen und Herren, das ist nicht logisch.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich glaube, daß Ihnen das nicht gefällt; aber ich kann es nicht ändern. Ich habe genau zugehört und habe es mir genau notiert. Er hat an einer Stelle seiner Rede das eine und an einer anderen Stelle seiner Rede das andere gesagt.
    Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die wirtschaftliche, finanzielle und militärische Kapazität der Bundesrepublik einfach überfordert ist, wenn man der Bundeswehr diese Aufgabe zuweisen wollte, und daß deswegen das Problem des militärischen Gleichgewichts gegenüber der Sowjetunion ein Problem ist, das nur gemeinsam in der freien Welt gelöst werden kann und das nicht auf die Schultern eines Teiles dieses Bündnisses und dieser freien Welt abgeladen werden kann.
    Ich wäre dem Minister dankbar für die Beantwortung einer Frage, die ich an ihn zu richten habe: ob er der Auffassung ist, daß die Bundeswehr so ausgerüstet und so gestellt werden muß, daß sie allein in der Lage ist — wie er sich ausdrückte —, das Risiko eines dritten Weltkriegs unübersteigbar zu machen; oder, wie er sich eben hier ausgedrückt hat: bis dahin — nämlich bis zur kontrollierten allgemeinen Abrüstung — muß die Bundeswehr einen sowjetischen Angriff unmöglich machen. Und ich wäre sehr dankbar für eine einwandfreie Klärung der Frage, welche Rolle der Minister der Bundeswehr innerhalb der NATO zuteilt und wie er sich das Zusammenwirken der einzelnen nationalen Streitkräfte innerhalb der



    Merten
    NATO vorstellt: ob er meint, daß eine Arbeitsteilung innerhalb der NATO — wie wir sie angesprochen haben — unmöglich ist; daß es notwendig sei, alle Streitkräfte innerhalb der NATO mit haargenau der gleichen Bewaffnung zu versehen, oder ob es nicht viel einfacher und viel besser wäre, im Rahmen der Abrüstungsbestrebungen die Arbeitsteilung in der NATO in der Form beizubehalten und weiterzuentwickeln, wie sie augenblicklich besteht.
    Gestern ist in Genf eine Konferenz eröffnet worden, die, soweit wir das bis jetzt übersehen können, einen außerordentlich wertvollen Dienst auf dem Gebiete der atomaren, und zwar der kontrollierten atomaren Abrüstung leisten kann. Sollte auch nicht angesichts dieser Konferenz und um die Ergebnisse dieser Konferenz von uns aus zu fördern, in diesem Punkte eine klare Haltung eingenommen werden, eine Haltung, die uns nicht in den Verdacht bringt, von uns aus durch unser Bestreben und durch von uns aus provozierte, völlig unnötige Ausbreitung der atomaren Ausrüstung das Ergebnis dieser Konferenz zu gefährden?
    Nun zu einigen anderen Fragen, die der Minister hier angesprochen hat. Er hat gesagt, er brauche Spielraum für seine langfristigen Programme, und deswegen seien diese ungeheuren Haushaltsreste von 5,4 Milliarden DM in den letzten Jahren entstanden. Ich glaube, der Herr Minister unterliegt hier einer Verwechslung zwischen Bindungsermächtigung und Bewilligung von Geldern.
    Für seinen Spielraum hat er Bindungsermächtigungen von heute 15,2 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber die Haushaltsreste beweisen, daß dem Ministerium in den vergangenen Haushaltsjahren mehr Geld bewilligt worden ist, als es verbrauchen konnte, obwohl es bei der Begründung dieser Bewilligung sowohl dem Haushaltsausschuß als auch dem Verteidigungsausschuß immer glaubte nachweisen zu können, daß die Mittel auch in dem angegebenen Zeitraum verbraucht werden könnten.
    Deswegen stehen wir in diesem Jahr voller Mißtrauen vor dieser Anforderung von 10 Milliarden, weil wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre wissen, daß auch diesmal ganz offensichtlich diese Mittel nicht verbraucht werden können. Wir haben deshalb einen Antrag auf Kürzung dieser Mittel um 3 Milliarden DM gestellt, um damit den wirklichen Verhältnissen gerecht werden zu können.
    Ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß das Flugzeugprogramm uns noch vorgelegt werden soll.
    Aber ich stelle fest, daß der Herr Minister mir die Antwort auf einige Fragen finanzieller Natur schuldig geblieben ist. Ich darf nur noch einmal an die Verwendung `und Zurückrechnung der Bankgarantien erinnern, ich darf die Frage nach den Anzahlungen, die geleistet worden sind, noch einmal wiederholen, und ich darf die Frage nach den Guthaben des Verteidigungsministeriums bei Lieferanten und bei Garantiebanken noch einmal wiederholen. Auch hier wäre uns eine Antwort außerordentlich interessant.
    Der Herr Minister hat sich am Beginn seiner Rede ganz klar zu dem Primat der Politik vor dem Militärischen bekannt und gesagt, das Militär dürfe niemals mißbraucht werden, um erstes und größtes Mittel der Politik zu sein. Aber er sagt auf der anderen Seite: Es darf auch keine Politik im luftleeren Raum geben, und man kann in der Politik nicht so tun, als ob es keine militärischen Kräfte gäbe. Herr Minister, in diesem Punkt sind wir mit Ihnen einig. Aber von da her kann man natürlich ganz verschiedener Auffassung sein, wie man sich von der Beurteilung der politischen Lage her nun zur militärischen Aufrüstung stellen soll. Da muß ich Ihnen ganz offen sagen, daß unsere sozialdemokratische außenpolitische Konzeption zu anderen militärischen Anstrengungen die Grundlage gibt als die außenpolitische Konzeption, die Sie Ihrer militärischen Anstrengung zugrunde legen. Wenn Sie die Entschließung des Stuttgarter Parteitages einmal richtig lesen, dann werden Sie merken, daß die sozialdemokratische Wehrpolitik in die sozialdemokratische Außenpolitik eingebettet ist und daß man das eine nicht ohne das andere sehen kann.
    Was aber nicht in dieser Entschließung steht, ist, daß die Bundeswehr lediglich ein Gleichgewicht oder Gegengewicht zu den militärischen Kräften der SBZ darstellen solle. Darin steht vielmehr, daß ein angemessenes Verhältnis der eigenen Verteidigungsanstrengungen zu denen der unmittelbaren Nachbarn gefunden werden soll. Sie wissen ja, daß es außer der SBZ noch einige andere unmittelbare Nachbarn gibt, die man dabei im Auge behalten muß.
    Wir glauben, daß eine derartige Politik sowohl eine kontrollierte Abrüstung wie auch eine militärisch entspannte Zone in Mitteleuropa wesentlich leichter herbeiführen kann als die von Ihnen bevorzugte Politik der Aufrüstung, die keine Rücksicht auf derartige politische Bestrebungen nimmt und nach der außenpolitischen Konzeption, die Sie hier zugrunde legen, auch nicht nehmen kann. Selbstverständlich ist auch nach Ansicht der Sozialdemokratie das Endziel der politischen Anstrengungen die kontrollierte allgemeine Abrüstung. Aber ebenso selbstverständlich sind wir nicht der Auffassung, daß man, wenn man die Abrüstung als politisches Ziel will, dazu erstmilitärisch aufrüsten muß. Wir glauben vielmehr, daß man das Ziel der kontrollierten allgemeinen Abrüstung durch eine freiwillige Beschränkung der eigenen Rüstungsanstrengungen wesentlich leichter erreichen wird, als wenn man diese eigenen Rüstungsanstrengungen weit über daß Maß hinaus ausdehnt, das erforderlich ist. Das trifft aber nach unserer Meinung auf die Rüstungsanstrengungen zu, die die Bundesregierung macht.
    Der Herr Minister hat die Gefahr aufgezeigt, daß ein Berufsheer, ein Freiwilligenheer, wie es die SPD in ihrer Wehrkonzeption fordere, Staat im Staate sein könne. Er hat bezweifelt, daß es möglich sei, genügend Freiwillige herbeizubringen, selbst dann, wenn alle politischen Gruppen dieses Hauses hinter den militärischen Anstrengungen stünden.
    Herr Minister, das freiwillige Bekenntnis des Staatsbürgers zum Opfer und zum Dienst für seinen



    Merten
    demokratischen Staat ist natürlich hundertmal mehr wert als die Einziehung des gegen seinen Willen zum Dienst für diesen Staat gezwungenen Bürgers. Es ist ganz einfach ein Problem der Erziehung, ob Sie die Freiwilligenzahl bekommen oder nicht. Als die Bundeswehr aufgestellt wurde, haben Sie drei- oder viermal soviel Freiwilligenmeldungen bekommen, als Sie überhaupt gebrauchen können. Sie wissen, daß auch heute noch immer Freiwilligenmeldungen in ausreichender Zahl vorliegen.
    Aber wenn die Wehrkonzeption so einseitig vorwärtsgetrieben wird, wenn die Auffassungen der Opposition so systematisch von Vertretern der Mehrheit in diesem Hause als illusionär, irreal, wirklichkeitsfremd abgetan werden, wenn es nicht möglich ist, über diese Dinge einsachliches Gespräch zu führen, dann machen Sie die Bundeswehr zum Staat im Staate; Sie machen sie zu einer Partei-Armee, ob Sie das wollen oder nicht, auch wenn sie eine Wehrpflichtarmee ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist zum Beispiel vorgekommen, Herr Minister — diesmal muß ich schon wieder Ihr Pressereferat anpflaumen —, daß in einer Mitteilung des Pressereferats an die Kommandeure über die Tagung des Bundeswehrverbandes vermerkt wird, ein Abgeordneter der CDU habe an der Veranstaltung des Bundeswehrverbandes teilgenommen, während ganz peinlich verschwiegen wird, daß auch sechs Abgeordnete der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion an dieser Veranstaltung teilgenommen haben. Was halten Sie von einer derartigen Beeinflussung der Bundeswehr? Meinen Sie nicht, daß das ein Beitrag Ihres Pressereferats dazu ist, daß diese Bundeswehr sehr bald ein Staat im Staate sein wird, 'daß sie sich von den anderen demokratischen politischen Kräften, die es auch in diesem Lande und auch in der Bundeswehr, wenigstens vorläufig, noch gibt, abkapselt? Ich glaube, daß Sie gut daran täten, auch in Ihrem eigenen Hause diese Einstellung publik zu machen, daß dieses Heer kein Staat im Staate zu sein hat und daß, genauso wie wir das in Stuttgart auf dem Parteitag der Sozialdemokraten beschlossen haben, dieses Heer ein Heer des ganzen Volkes sein muß, weil sonst alle die Gefahren, die wir sehr deutlich sehen, auf uns zukommen.
    Sie haben gerade bei der Frage Freiwilligenarmee und Freiwilligenmiliz einen sozialdemokratischen Pressedienst aus dem Jahre 1951 zitiert. Sehen Sie, Herr Minister, ich will hier nicht andere Stimmen aus den Jahren 1950 und 1951 zitieren. Ich könnte genauso gut wie Sie natürlich in meinem Zettelkasten nachsehen, und dann kämen Äußerungen von einigen Prominenten Ihrer eigenen Partei zutage, die noch im Jahre 1950 beispielsweise jeden Gedanken an die Aufstellung von deutschen militärischen Kräften weit von sich gewiesen haben, die geglaubt haben, daß die Aufstellung derartiger Kräfte eine entscheidende Gefährdung des Weltfriedens sei und was immer mehr. Ich gehöre nicht zu den Politikern in diesem Lande, die da glauben, daß das, was einer mit 20 Jahren einmal von sich gegeben hat, nun bis zu seinem Lebensende gültig sein müsse. Wenn er unter veränderten politischen Gegebenheiten glaubt, zu einer veränderten Einstellung kommen zu müssen, braucht er deswegen noch lange kein charakterloser Lump zu sein. Deswegen habe ich auf derartige Zitate verzichtet. Aber sowohl gestern Herr Dr. Bucerius als auch Sie heute kommen wieder mit diesen jahrealten Zitaten und Ausführungen daher, die unter völlig anderen politischen Verhältnissen sowohl in unserem Lande als auch in der internationalen Politik gemacht worden sind, und glauben, Sie könnten mit diesen alten Ladenhütern etwas beweisen, was heute Gültigkeit haben müsse. Ich muß bedauern, daß Sie sich immer noch von derartigen Methoden irgendwelche Erfolge erhoffen; damit kommen Sie keinen Schritt weiter.
    Zur Frage der modernen Waffen nur noch ein kurzes Wort. Herr Minister, wir Sozialdemokraten sind jederzeit bereit und auch jederzeit in der Lage, mit Ihnen, wenn Sie es wünschen, hier an dieser Stelle eine neue Diskussion über die atomare Aufrüstung der Bundeswehr zu führen. Ich habe Ihnen gestern ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß wir, wenn wir „moderne Waffen" sagen, „Waffen" meinen und keine Massenvernichtungsmittel zum Ausrotten der Zivilbevölkerung und zum Unbewohnbarmachen von Ländern.
    Sie sagen: Es gibt entweder nur eine Verteidigung mit atomaren Waffen oder gar keine Verteidigung, und Sie berufen sich auf Herrn Spaak, der uns zum Vorwurf macht: Die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik wollen zwar eine Armee aufstellen, aber sie verzichten freiwillig darauf, eine gute Armee aufzustellen, und sie sind freiwillig bereit, eine schlechte Armee aufzustellen. Wissen Sie, Herr Minister, was ich, wenn ich solche Sachen höre, immer zu sagen pflege? Ich sage dann einfach, das ist dummes Geschwätz, und ich möchte doch glauben, daß Sie sich nicht diesem dummen Geschwätz anschließen. Herr Spaak ist Generalsekretär der NATO, ein hoher diplomatischer Beamter. Aber wenn er glaubt, es gäbe eine ernstzunehmende politische Gruppe in irgendeinem Lande, die freiwillig eine Sache schlecht mache, die sie genauso gut machen könnte, dann kann ich das nicht anders als demagogisches und dummes Geschwätz bezeichnen. Das mag er mir nun übelnehmen oder nicht.

    (Zuruf von der SPD: Auch wenn es Herr Spaak sagt!)

    Auch wenn es Herr Spaak sagt! Denn Herr Spaak — das wissen Sie ganz genau, Herr Minister — ist in der internationalen sozialistischen Bewegung ein absoluter Außenseiter, genau wie die Herren aus der Schweiz, die Sie zitiert haben. Wenn Sie sich Ihre Kenntnisse über den internationalen Sozialismus lediglich von den Außenseitern liefern lassen, dann darf man sich nicht wundern, wenn Sie zu außerordentlich schiefen unid falschen Urteilen kommen. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich mit denen zu beschäftigen, die den Sozialismus wirklich repräsentieren. Vielleicht werden Sie dann auch zu einem gerechteren Urteil über seine Bestrebungen kommen.



    Merten
    Daß eine Verteidigung entweder nur mit atomarer Ausrüstung oder überhaupt nicht möglich ist, das ist gerade bei der Aufgabenstellung im Rahmen der NATO nicht richtig, Herr Minister. Heute und auch in absehbarer Zukunft ist die Aufgabenteilung innerhalb der NATO so, daß allein die Vereinigten Staaten und Großbritannien über Kernwaffen verfügen, und zwar, wie ich weiß, auch nicht erst auf Beschluß der NATO, sondern in nationaler Zuständigkeit. Es wird also keineswegs die NATO gefragt, wenn diese Waffen zum Einsatz kommen. Das können diese beiden Länder in nationaler Zuständigkeit entscheiden.
    Dadurch ist das Gleichgewicht der atomaren Kräfte so hergestellt, daß ,eigentlich kein Wunsch mehr in bezug auf dieses Gleichgewicht übrigbleibt. Sie können durch eine atomare Ausrüstung anderer NATO-Staaten dieses atomare Gleichgewicht zwischen Ost und West nicht in entscheidender Weise ändern, schon gar nicht, wenn, wie Sie sagen, auch nach der Ausbildung der Bundeswehr an diesen Waffen die Waffen selber unter amerikanischem Verschluß und unter amerikanischem Korn-mando bleiben.
    Es ist schon der Verdacht geäußert worden, daß diejenigen, die so laut nach der atomaren Ausrüstung schreien, den Amerikanern irgendwie mißtrauen und der Auffassung sind, daß sich die Amerikaner in einem Konflikt, an dem NATO-Länder beteiligt sind, für desinteressiert erklären könnten, daß sie deswegen glauben, diese Länder sollten lieber selber über diese Waffen verfügen, und sich nicht darauf verlassen möchten, daß die Amerikaner diese Waffen dann auch wirklich selber einsetzen. Sehen Sie, Herr Minister, ich habe dieses Mißtrauen gegenüber unseren amerikanischen NATO-Verbündeten in keiner Weise. Ich bin der Auffassung, daß sich die amerikanischen Verbündeten an die beschlossenen Verträge und an die Verpflichtungen, die aus diesen Verträgen hervorgehen, halten werden.

    (Abg. Dr. Conring: Dann müssen wir es auch tun!)

    — Ja, aber weil wir dieses Vertrauen haben, ist eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr völlig überflüssig.

    (Abg. Dr. Conring: Das ist eine Logik!)

    Wer so laut nach der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr schreit, setzt sich der Vermutung aus, daß er irgendwie mißtrauisch ist und glaubt, die Amerikaner würden im Ernstfall ihren Verpflichtungen vielleicht nicht nachkommen, und er müsse deswegen selber über diese Waffen verfügen. Wie gesagt, wir haben dieses Mißtrauen nicht, und wenn Sie es ebenfalls nicht haben, dann ist erst recht kein Grund dafür einzusehen, daß Sie sich so danach drängen, ebenfalls in den Besitz dieser Waffen zu kommen.
    Wir sind darüber hinaus der Auffassung — um das noch einmal zu sagen —, daß ein Land, in dem eine Armee über atomare Fernwaffen verfügt, wesentlich gefährdeter und wesentlich eher einem feindlichen atomaren Schlag ausgeliefert ist als ein Land, in dem das nicht der Fall ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das ist der Grund dafür, daß so viele Kommunalparlamente, wie ich schon sagte, glauben, das Ihrige tun zu müssen und diese starke Gefährdung unseres Landes abzuwehren. Durchdenken wir die Dinge einmal logisch! Wenn hier für die Sowjetunion gefährliche Einrichtungen zum Abschießen atomarer Waffen entstehen, dann ist es selbstverständlich, daß sich im Falle eines sowjetischen Angriffs der sowjetische Atomschlag gegen diese Einrichtungen richtet. Es liegt in der Natur dieser Waffen, daß dann nicht nur diese Einrichtungen zerstört werden, sondern das ganze Land darunter leiden muß und wahrscheinlich unbewohnbar und zerstört wird. Wenn man sich nur auf den Verteidigungskrieg ausrichtet und nicht beabsichtigt, seinerseits zum Angriff überzugehen, stellt sich die Frage der atomaren Ausrüstung eines kleinen Landes, wie wir es sind, völlig anders dar, als Sie sie darstellen. Wir Sozialdemokraten sind eben dagegen, daß unser Land, das ja sowieso wegen seiner Grenznähe im Ernstfall außerordentlich gefährdet sein würde, nun auch noch durch den Ausbau zu einer atomaren Festung einer noch weit größeren militärischen Gefährdung ausgesetzt wird, als das bisher der Fall gewesen ist.
    Ich habe nicht die Absicht, die ganze Atomdebatte noch einmal zu wiederholen, die hier schon stattgefunden hat, und nun alles von allen möglichen Standpunkten aus zu beleuchten. Ich habe nur versucht, Ihnen noch einmal in aller Klarheit und aller Offenheit zu sagen, warum wir nicht daran glauben können — Sie haben uns bis jetzt noch nicht überzeugt und werden das wahrscheinlich auch, wenn Sie Ihre Argumente nicht besser aussuchen, als Sie das bisher getan haben, in Zukunft nicht tun —, daß durch die Ausrüstung der Bundeswehr mit diesen Waffen so etwas wie die Sicherheit unseres Landes verstärkt werden könnte, ganz abgesehen von den politischen Folgen, die eine derartige Ausrüstung hätte.
    In diesem Zusammenhang darf ich sagen, daß das natürlich auch für die atomare Flugabwehr gilt. Der Herr Minister hat mich hier zitiert, aber er hat mich leider nicht richtig zitiert. Bei einem Gespräch, und zwar einem rein theoretischen Gespräch darüber, ob die Frage der Atomwaffen für die SPD eine Weltanschauungsfrage sei, habe ich gesagt, die Atomenergie an sich ist für die SPD weder gut, noch böse, es kommt ganz darauf an, was man damit macht. Wenn man sie benutzt, um elektrische Kraftwerke zu treiben, dann haben wir nicht das geringste gegen die Atomenergie. Wenn man sie dazu benutzt, Land unbewohnbar zu machen und unterschiedslos Zivilisten vom Leben zum Tod zu befördern, dann haben wir eine ganze Masse gegen die Ausnutzung der Atomenergie. Wenn es heute eine Atomflakrakete gäbe, die einen Sprengstoff hat, mag er heißen, wie er will, der uns in die Lage versetzt, uns mit dieser Rakete wirksam zu verteidigen, ohne daß sie auf dem Boden alles mögliche
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 38, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Juli 1958 2229
    Merten
    Unheil anrichtet — warum sollten wir nicht darüber reden, ob man eine derartige Luftverteidigung machen soll oder nicht? Da es sie aber nicht gibt, und da auch gar nicht abzusehen ist, daß es sie jemals geben wird, müssen wir uns an die Luftverteidigungsmethoden halten, bei deren Anwendung zwar feindliche Flugzeuge vernichtet, aber nicht gleichzeitig auf dem Boden alles kurz und klein geschlagen wird, wogegen man sich ja gerade schützen wollte. Denn das ist eine merkwürdige Art der Luftverteidigung, ein Flugzeug abzuschießen und dann mit den eigenen Waffen den Schaden anzurichten, den eigentlich das Flugzeug hat anrichten wollen.
    Herr Minister, das wissen Sie ganz genau, daß dies unser Anliegen ist. Wir haben wiederholt über diese Dinge gesprochen, und es hat keinen Zweck, hier in der Öffentlichkeit so zu tun, als ob man aus einer — falsch zitierten — Äußerung nun eine plötzliche Wendung der SPD in der Atomwaffenfrage konstruieren könnte. Sie können ganz beruhigt sein: In der Atomwaffenfrage gibt es für die SPD bei der jetzigen Situation und bei den Argumenten, die Sie für die Verwendung der Atomwaffen immer wieder bringen, keine andere Haltung als die, die Atomwaffen und die Atomausrüstung kompromißlos und ohne irgendein Ausweichen nach irgendeiner Seite abzulehnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mit dieser Auffassung können Sie in die Öffentlichkeit gehen und mit nichts anderem!
    Meine Damen und Herren! Zu den finanziellen Fragen, über die der Herr Minister hier gesprochen hat, wird wahrscheinlich mein Freund Gülich noch das eine oder andere zu sagen haben. Zur Frage der Kommunalpolitik wird mein Freund Wienand noch sprechen. Ich darf Ihnen abschließend nur das eine sagen: Die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die ich gestern hier zum Ausdruck gebracht habe, besteht auch jetzt noch, obwohl es nach den Worten des Herrn Bundesverteidigungsministers keinem Oppositionsabgeordneten übelgenommen werden könnte, wenn er keine Lust mehr hätte, noch weiterhin diese Bereitschaft zu bezeugen und Ihnen die Tür zu dieser gemeinschaftlichen Zusammenarbeit offenzuhalten. Wir glauben aber, daß wir alle diese Fragen — und das nehmen Sie bitte auch sehr ernst zur Kenntnis — nicht deshalb zur Sprache bringen, weil wir glauben, wir könnten als Partei innenpolitisch irgend etwas erben, wenn wir gegen Ihre Verteidigungskonzeption oder wenn wir gegen die atomare Ausrüstung sind. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß in der Sozialdemokratischen Partei alle politischen Entscheidungen einzig und allein von der Überlegung diktiert und beeinflußt sind, ob sie unserem Volke nützen oder ob sie ihm schaden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist der einzige Gesichtspunkt, der dabei eine Rolle spielt. Dabei ist es uns ganz egal, ob diese Entscheidung mit der Ihrigen übereinstimmt oder ob sie von ihr abweicht. Das ist ein Gesichtspunkt,
    der für uns erst in zweiter Linie eine Rolle spielen könnte. Aber bei der Landesverteidigung und bei den Anstrengungen, die für die Landesverteidigung gemacht werden müssen, und bei der Konzeption, die wir für die Landesverteidigung ausgearbeitet haben, hat nichts anderes als der Gedanke Pate gestanden, unser Land und seine Freiheit zu sichern.

    (Beifall bei der SPD.)