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ID0303802000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 38. Sitzung Bonn, den 2. Juli 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Scharnberg 2177 A Zur Tagesordnung Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 2177 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . . 2177 C Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468); Zusammenstellung der Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Fortsetzung der dritten Beratung — in Verbindung mit den Anträgen zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) und der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 502) . . . . . . . .2177 D, 2201 A Allgemeine Aussprache Dr. Gradl (CDU/CSU) . . . . . 2177 D Dr. Meyer (Frankfurt) (SPD) . . . 2179 D Dr. von Brentano, Bundesminister . 2183 D Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2187 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 2193 C Kiesinger (CDU/CSU) . . . . . 2194 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . 2197 D Schultz (FDP) 2201 A Ritzel (SPD) . . . . . . . . 2204 D Probst (Freiburg) (DP) . . . . 2206 C Strauß, Bundesminister . . 2208 A, 2229 C, 2239 A Merten (SPD) 2222 D Wienand (SPD) . . . . . . . 2236B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 2241 A Weiterberatung vertagt . . . . . . 2246 C Nächste Sitzung 2246 C Anlagen 2247 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Juli 1958 2177 38. Sitzung Bonn, den 2. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier * 5. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauer (Würzburg) * 5. 7. Bauknecht 5. 7. Frau Beyer (Frankfurt) 5. 7. Birkelbach * 5. 7. Fürst von Bismarck * 5. 7. Blachstein * 5. 7. Burgemeister 4. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Dr. Eckhardt 2. 7. Euler 4. 7. Franke 12. 7. Gaßmann 5. 7. Gerns * 5. 7. D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Gockeln 3. 7. Heye * 5. 7. Höfler * 5. 7. Frau Dr. Hubert * 5. 7. Jacobs * 5. 7. Kiesinger * 5. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf * 5. 7. Kriedemann 5. 7. Kühlthau 2. 7. Kühn (Köln) * 5. 7. Leber 4. 7. Lohmar 2. 7. Lücker (München) * 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Metzger * 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) * 5. 7. Müller-Hermann 5. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Paul * 5. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Frau Dr. Rehling 2. 7. Richarts 2. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schütz (Berlin) 5. 7. Schütz (München) * 5. 7. Seidl (Dorfen) * 5. 7. Spies (Brücken) 4. 7. Struve 5. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 5. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Zimmer * 5. 7. *) für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 150 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1958, hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung (Drucksachen 300 Anlage, 464, 490). Der Bundestag wolle beschließen: In Einzelplan 14 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung sind die Gesamtausgaben um 3 000 000 000 DM zu kürzen. Bonn, den 1. Juli 1958 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wienand (Fragestunde der 35. Sitzung vom 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 16): Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der als Musterzusammenlegung bezeichneten Zusammenlegung in Ägidienberg (Siegkreis) eine Freifläche von ca. 9 bis 10 Morgen nicht an einen Landwirt, der sich zur Abrundung seines Besitzes darum beworben hatte, verkauft worden ist, sondern an einen Nichtlandwirt? Ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft alles ihr Mögliche zu tun und darauf hinzuwirken, daß Landwirte zur Abrundung ihres Besitzes und zur Herstellung ihrer Existenzfähigkeit in den Besitz solcher Freiflächen bei Zusammenlegungsverfahren kommen? Ihre Frage erlaube ich mir, wie folgt, zu beantworten: Die praktische Durchführung der Flurbereinigungen und beschleunigten Zusammenlegungen ist Angelegenheit der Länder. Nach den bei der zuständigen Landesbehörde getroffenen Feststellungen liegt der Fall folgendermaßen: Bei der in Frage stehenden Fläche handelt es sich um mehrere, seit Jahrzehnten nicht mehr in Kultur befindliche, versumpfte und von Quellen durchsetzte Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 2,58 ha, die im Rahmen der Flurbereinigung zusammengefaßt worden sind, aber wegen ihres 'schlechten Kulturzustandes nicht an einen Beteiligten der Flurbereinigung ausgewiesen werden konnten. Die Fläche wurde daher nach öffentlicher Bekanntmachung im Februar 1957 zum Verkauf ausgeschrieben. Als Kaufinteressenten bewarben sich der Eigentümer eines größeren Hofeis mit 50 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 125 ha Wald, der die Fläche zur Abrundung seines Waldbesitzes aufforsten wollte, und außerdem ein Viehhändler und Metzgermeister, der sie zu kultivieren und als Viehweide zu nutzen beabsichtigte. Im Herbst 1957 und Frühjahr 1958 bewarben sich aus anderen Gemeinden zwei weitere Landwirte. Der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung beschloß jedoch am 16. April 1958 einstimmig, die Fläche an den Viehhändler zu verkaufen, da dieser am ehesten in der Lage sei, die für eine Kultivie- 2248 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Juli 1958 rung notwendigen erheblichen Mittel aufzubringen und so das Land einer landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Eine Eigentumsübertragung hat noch nicht stattgefunden. Der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft soll nochmals mit der Angelegenheit befaßt werden. Die Bundesregierung ist zwar in Verfolgung Ihres Programms zur Verbesserung der Agrarstruktur immer bemüht gewesen, auf die Länder dahingehend einzuwirken, daß alle innerhalb und außerhalb von behördlich gelenkten Flurbereinigungs- und beschleunigten Zusammenlegungsverfahren frei werdenden Flächen, die sich für eine landwirtschaftliche Nutzung eignen, zur Aufstockung landwirtschaftlicher Betriebe bis auf die Größe von Familienbetrieben verwendet werden. Es ist aber in der praktischen Durchführung nicht möglich, diesen Grundsatz in jedem einzelnen Fall zu verwirklichen. Bonn, den 27. Juni 1958 Lübke
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz-Rudolf Schultz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei einige Bemerkungen zu dem Verteidigungshaushalt zu machen. Die Erörterungen über den Verteidigungshaushalt haben einen erheblichen Teil der vergangenen Etatberatungen in Anspruch genommen. Es wurde sehr oft gesagt, daß dies oder jenes nicht richtig sei, daß dies oder jenes gekürzt oder verändert werden könne. Nun macht dieser Verteidigungshaushalt, wenn man die Stationierungskosten als mittelbaren Beitrag zur Verteidigung der Bundesrepublik hinzunimmt, immerhin 35% des Gesamthaushalts aus.

    (Abg. Dr. Gülich: Über die 10 Milliarden hinaus wollen Sie Stationierungskosten dazu nehmen?)

    - Ich meine: wenn man sie rechnerisch in die Gesamtbetrachtung einbezieht, weil auch sie letzten Endes Verteidigungsleistungen sind.

    (Abg. Dr. Gülich: Das erhöht doch den Prozentsatz nicht, wenn Sie sie einrechnen!)

    — Ich habe nicht ganz verstanden, wie Sie das gemeint haben; es tut mir leid.

    (Abg. Dr. Gülich: Darf ich eine Frage stellen?)

    — Bitte sehr!


Rede von Dr. Wilhelm Gülich
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege, ich verstand Sie so: Wenn man die Stationierungskosten dazurechnet, dann ergeben sich 35. Prozent. Ich frage, wollen Sie die Stationierungskosten zu dem Verteidigungsbeitrag hinzurechnen, oder wollen Sie die Stationierungskosten, wie es ja bisher immer geschehen ist, sein muß und auch wieder vorgesehen ist, aus dem Verteidigungsbeitrag herausnehmen, also später aus dem Einzelplan 14 in den Einzelplan 35 transferieren? Das ist die Frage.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz-Rudolf Schultz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe diese meine Bemerkung nicht auf die haushaltsrechtliche Seite abgestellt, sondern ich habe die Stationierungskosten, die man bezahlen muß, dem Verteidigungsbeitrag zugerechnet.

    (Abg. Dr. Gülich: Dann ist es gut; Sie drückten sich aber anders aus!)

    — Vielleicht ist jetzt die Erklärung richtig gegeben worden.
    Es ist also doch wohl notwendig, sich zu überlegen, ob das Geld, das für die Verteidigung ausgegeben ist, richtig ausgegeben ist, ob das Geld im richtigen Sinne angelegt ist. Es ist schwierig, darüber jetzt schon eine endgültige Entscheidung zu treffen, da die Erfahrungen noch verhältnismäßig jung sind, was man ja auch aus dem Verteidigungshaushalt entnehmen kann. Bei den meisten einmaligen Ausgaben steht in der Erläuterung: Der Betrag ist geschätzt. Bei allen größeren Posten sind Bindungsermächtigungen für mehrere Jahre ausgesprochen. Das alles zeigt, daß man sich doch nicht ganz im klaren ist, wie nun der Verteidigungshaushalt oder die Verteidigung überhaupt in der kommenden Zeit abgewickelt werden soll.
    Eins jedoch ist auf jeden Fall dazu zu sagen: daß das Parlament — durch die Bindungsermächtigungen vor allen Dingen — weitgehend die Möglichkeit verloren hat, auf die effektive Gestaltung der Ausgaben praktischen Einfluß zu nehmen. Nur die wenigsten Bindungsermächtigungen tragen den Vermerk, daß vor Ausgabe des Geldes der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß des Bundestages zu befragen sind. Auch in der Vergangenheit sind Fehlentwicklungen, die sich in der Verteidigungsplanung ergeben haben, vielleicht auch dadurch entstanden, daß der Verteidigungsausschuß überhaupt zuwenig in die Planung der Verteidigung eingeschaltet worden ist. Es war immer so, daß erst Abgeordnete die Erörterung militärtechnischer Fragen verlangen mußten, daß oft vollendete Tatsachen geschaffen waren, an denen das Parlament hinterher nichts mehr ändern konnte.
    Weiter kommt dazu, daß unser Verteidigungshaushalt weitgehend auch von dem NATO-Bündnis her bestimmt wird. Als wir im Verteidigungsausschuß den Haushalt berieten, sagte ein Mitglied des Ausschusses resignierend: „Unser Haushalt wird ja von der NATO her völlig bestimmt."
    Da ist eine Frage in diesem Zusammenhang doch interessant. Wir haben in der NATO keine parlamentarische Kontrolle über die Verteidigungsausgaben. Das ist verschiedentlich schon als bedauerlich vermerkt worden. Das wirft weiter die Frage auf, die ich schon einmal in der Debatte über die Große Anfrage der Sozialdemokraten zum Rüstungshaushalt gestellt habe: „Wieweit sind wir in der Lage, von Bonn aus auf die Planung und die Verteidigungskonzeption der NATO Einfluß zu nehmen?" Wenn man von dieser Stelle aus betont, wir müßten mehr unsere besondere Situation zum Ausdruck bringen, wird immer gesagt: Wir sind nur ein kleines Rädchen, wir können da eben nicht allzu viel tun, wir müssen uns nach den Verbündeten und vor allen Dingen nach dem größten Verbündeten richten. Auf der anderen Seite wird aber argumentiert, daß ohne unseren Verteidigungsbeitrag in einer ganz bestimmten Form die NATO zusammenbräche. Wenn wir doch so viel Gewicht in der NATO haben, müßte es auch mög-



    Schultz
    lich sein, unsere Interessen dort besser zur Geltung zu bringen.
    Vor einigen Tagen erfuhren wir aus der Presse, daß eine Umrüstung und eine Umgliederung der im Aufbau befindlichen Bundeswehr geplant sei. Damit sich die Mitglieder des Verteidigungsausschusses nicht wieder völlig überfahren fühlten, wurde uns vom Pressereferat des Bundesverteidigungsministeriums eine knappe Erläuterung der geplanten Umgliederung zugesagt. Sie traf etwa einen Tag vor der Pressekonferenz des Herrn Bundesverteidigungsministers bei uns ein. Die verschiedenen Erläuterungen, die da gegeben worden waren, waren nicht ohne weiteres zu verstehen. Wer sich wirklich dafür interessierte, was die Umgliederung bedeuten sollte, mußte den Gang ins Verteidigungsministerium antreten, um die nötige Aufklärung zu erhalten.
    Ich möchte daran die Frage knüpfen, ob es nicht für das Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive besser wäre, wenn solche Überlegungen, bevor man damit in die Öffentlichkeit tritt, zunächst einmal im Verteidigungsausschuß angestellt würden. Am Freitag und am Samstag können wir uns zwar im Verteidigungsausschuß noch im nachhinein über diese Frage unterhalten. Aber es genügt meines Erachtens nicht, in der Verteidigungsplanung immer neue Schlagworte zu erfinden wie „Mehrzweckarmee" oder „Mehrzweckwaffen", ohne daß zunächst untersucht ist, ob diese Schlagworte auch einen Sinn behalten, wenn man versucht, ihre Bedeutung bis zum Ende der möglichen Auswirkungen zu durchdenken.
    Was soll z. B. „stufenweise Abschreckung" bedeuten? Hier liegt nach dem, was man gehört hat, anscheinend der Gedanke zugrunde, daß man auf einen möglichen Angriff des vermutlichen Gegners nicht mit dem atomaren Gegenschlag mit allen seinen Folgen antworten will. Man möchte also in der Abwehr beweglich sein. Man möchte insbesondere durch Ausstattung der fechtenden Truppe mit den sogenannten taktischen Mehrzweckwaffen, also Atomwaffen, erreichten, daß einer Aggression sowohl mit den klassischen Waffen als auch mit den sogenannten modernen Waffen begegnet werden kann. Es soll weiterhin dem Aggressor die Lust genommen werden, zu einem Angriff anzusetzen; er soll wissen, daß er sofort mit atomarer Gegenwirkung zu rechnen hat.
    Was aber geschieht, wenn der sogenannte Aggressor aus der Beurteilung der Psychologie der gegenüberstehenden Völker damit rechnet, daß die atomare Waffe doch nicht eingesetzt wird? Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß die Unterscheidung zwischen taktischen und strategischen Atomwaffen in der Praxis nicht standhält, weil der Einsatz der taktischen Atomwaffen unweigerlich den Einsatz strategischer Atomwaffen mit allen bekannten Folgen nach sich ziehen wird. Das weiß die andere Seite doch auch und bezieht diese Feststellung in ihre Überlegungen ein. Wird im Konfliktsfall die Atomwaffe zum Einsatz nicht freigegeben, so sind die NATO-Divisionen, also auch unsere Divisionen, die der NATO unterstellt sind, infolge der Umrüstung ein wenig kampfkräftiger als bisher, sie sind beweglicher und schlagkräftiger in der Führung, aber mehr doch wohl nicht.
    Ich darf in diesem Zusammenhang einen Absatz aus dem Artikel von Adalbert Weinstein "Was ist stufenweise Abschreckung?" aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitieren, der diese meine Auffassung bestätigt. Er schreibt zum Schluß:
    Wenn auch die atomare Vergeltung als amerikanische strategische Idee das atlantische Bündnis im Frieden belebt, wird doch die Frage immer öfter erhoben, wie der atomare Gegenschlag ausgelöst würde. Wahrscheinlich nicht so total, wie erklärt wird, denn der große Donner ließe das Weltall einstürzen. Und was ist dann „stufenweise" Abschreckung?
    Ich hoffe, daß wir im Verteidigungsausschuß auf diese Frage eine Antwort bekommen.
    Unserer Auffassung nach müssen wir versuchen, der Rüstung des vermutlichen Gegners etwas Gleichwertiges im Rahmen dieses Bündnisses entgegenzustellen. Der vermutliche Gegner besitzt starke atomare Rüstung; sie ist der atomaren Rüstung der westlichen Welt gleichzusetzen. Er besitzt eine sehr viel stärkere konventionelle Rüstung, der die westliche Welt bisher nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnte. Man soll doch nicht glauben, daß man der starken konventionellen Rüstung des Ostens mit einer breiteren Verteilung der atomaren Rüstung auf unserer Seite begegnen könne. Die bisherigen durchgeführten Planspiele haben doch erwiesen, daß, wenn die atomaren Waffen angewendet werden, die Zerstörung in einem eventuellen Krieg so sein wird, daß nichts mehr von dem übrigbleibt, was eigentlich hätte verteidigt werden sollen.
    Wäre es da nicht besser, um tatsächlich einen Effekt in der Verteidigung, wenn es so weit kommen sollte, zu erreichen, die Verteidigungsanstrengungen so zu gestalten, daß der Angreifer weiß, daß er auch bei einem Angriff mit herkömmlichen Waffen sich in einem Netz von herkömmlicher Abwehrbereitschaft festläuft? Auf der Lissaboner Konferenz der NATO war die Aufstellung einer bestimmten Anzahl von herkömmlichen Divisionen festgelegt worden. Man ist von dieser Planung immer weiter abgegangen und hat gesagt, man könnte sich das finanziell, wirtschaftlich nicht leisten. Wir sind der Meinung, daß diese Auffassung nicht stichhaltig ist. Denn das wirtschaftliche Potential, das dem Westen zur Verfügung steht, schiene mir doch ausreichend zu sein, um dem Osten etwas Gleichwertiges in unserem Rahmen entgegensetzen zu können.
    Nun sagt man darüber hinaus, die taktische Atomwaffe, also die sogenannte kleine Atomwaffe, sei die modernste Waffe, und wir könnten nicht fechten, wenn wir diese modernste Waffe nicht hätten. Ich möchte da Herrn Kollegen Schneider entgegnen: ich glaube, auch das ist ein Schlagwort, das keinen Sinn hat. Denn die Atomwaffe ist in diesem Sinne nicht eine Waffe, mit der man kämpfen kann, sondern sie ist eine Waffe,



    Schultz
    mit der man schrecken kann, die aber, wenn sie eingesetzt wird, zur Massenvernichtung führt. Darüber muß man sich völlig klar sein. Es wird nicht möglich sein, die Sicherheit auf die Atomwaffe zu bauen, ohne den persönlichen Einsatz des Mannes ebenso stark herauszustellen. Ich möchte damit sagen, daß immer noch mit der Person, mit jedem einzelnen Mann verteidigt werden muß.
    Wir glauben, daß es günstiger wäre, der territorialen Landesverteidigung, die wir ja erst beginnen aufzubauen, den ihr zukommenden Wert beizumessen. Bisher ist das noch nicht geschehen. In der Verteidigungskonzeption der NATO ist die territoriale Landesverteidigung bisher eine rein nationale Aufgabe, die nicht als Beitrag zur NATO- Verteidigung gewertet wird. Wir sind der Meinung, daß die territoriale Landesverteidigung der Bundesrepublik in ihrem Aufbau wohl aus nationalen Kräften bestritten werden muß, daß aber rein auf Grund der geographischen Lage ihr Auftrag und auch ihre Wirksamkeit weitgehend für die NATO da sind und von der NATO her bestimmt werden. Man kann ruhig zu der Schlußfolgerung kommen, daß in einem eventuellen Konfliktsfall die Befehlsgewalt dann doch wohl bei den NATO-Befehlshabern liegen wird.
    Wir müssen uns sehr viel mehr als bisher klarmachen, daß eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung auch den ganzen zivilen Bereich mit einbeziehen wird. Das läßt die Folgerung zu, daß alle Anstrengungen, die im zivilen Bereich zur Abwehr eines Angriffs unternommen werden, auch ein Beitrag zur Verteidigung sind. Es ist deshalb notwendig, daß bei uns klare Zuständigkeiten für eine wirksame Verteidigung geschaffen werden. Wir besitzen wohl einen Bundesverteidigungsrat. Wir haben aber den Eindruck, daß die verschiedenen Ressorts noch nicht unter einen Hut gebracht worden sind, d. h. daß die Aufgaben noch nicht gleichmäßig gesehen werden.
    Der Herr Bundesverteidigungsminister hat in der Debatte im März erklärt, daß die Verteidigung heute keine rein militärische Aufgabe mehr ist, daß überhaupt alles getan wenden muß, um den Ausbruch eines Krieges unmöglich zu machen. Er hat sich — wie auch andere Sprecher der Koalition — dafür eingesetzt, daß durch allgemeine und weltweite Abrüstung die Kriegsgefahr auf ein Mindestmaß reduziert wird. Alle Anstrengunngen, hier weiterzukommen, haben bisher zu nichts geführt. Das einzige konkrete Ereignis ist die augenblickliche Zusammenkunft 'der Atomexperten in Genf. Wir hatten sie schon im Mai 1957 gefordert und können mit Vergnügen feststellen, daß es nun doch einmal zu einer solchen Verhandlung gekommen ist.
    Die zweite Möglichkeit für den Fall, daß eine weltweite Abrüstung nicht zu schaffen ist, ist die Abrüstung auf regionaler Basis. Wir können nicht verstehen, daß ein konkreter Plan, der bisher vorlag — es handelt sich um den Rapacki-Plan—von der Bundesregierung und den westlichen Verbündeten als Diskussionsgrundlage abgelehnt worden ist.
    Man hat also nicht nur den Planabgelehnt, sondern auch abgelehnt, in Verhandlungen über ihn einzutreten. Das wäre durchaus möglich gewesen ohne irgendwelche außenpolitische Neuanerkennungen und ohne einen Austausch von Botschaftern. Der Herr Bundeskanzler hat in einer seiner JanuarReden zur Außenpolitik ausgeführt, daß dieser Plan des Herrn Rapacki von den Sowjets inspiriert worden sei. Da wir ja eine diplomatische Vertretung in Moskau haben, wäre es, wenn man gewollt hätte, durchaus möglich gewesen, dort über diesen Plan zu sprechen.
    Das Mißtrauen in der Welt ist so groß, daß es nicht mit einer einzigen Kraftanstrengung beseitigt werden kann. Deshalb glauben wir, daß man an einem Punkt nun einmal einen Anfang machen muß und daß sich Deutschland deswegen noch nicht dem Kommunismus ausliefert, wenn man über diese Dinge auch einmal regional spricht. Alle Disengagement-Pläne wurden aber bisher als jenseits von Gut und Böse abgelehnt. Auch Herr Kollege Kiesinger sagte, daß man eigentlich nicht darüber sprechen könnte. Wir glauben, daß man sich, wenn man darüber nicht sprechen will, mancher Möglichkeit begibt.
    Wir wollen, gestützt auf diese unsere Auffassungen, auf die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen verzichten. Aus dieser Überlegung heraus ist auch unser Wunsch nach Schaffung einer atomwaffenfreien Zone zu verstehen, und aus dieser Überlegung ist unsere Forderung zu verstehen, daß man der territorialen Landesverteidigung mit den klassischen Waffen — nicht den Atomsprengköpfen — den Wert zumißt, der ihr zukommt und der es erst ermöglicht, den Atomwaffen die ihnen eigene abschreckende Wirkung zu verschaffen. Diese ist nämlich nur gegeben, wenn man so gerüstet ist, daß man sie nicht einsetzen muß. Aus dieser Überlegung ist auch unser Wunsch zu verstehen, daß die beiden militärischen Blöcke in einem zweigeteilten Deutschland schrittweise auseinandergerückt werden. Es wird doch jeder zustimmen müssen, wenn wir sagen, daß für uns erst dann eine relative Sicherheit geschaffen ist, wenn es gelingt, die sowjetischen Truppen hinter den Bug auf ihr eigenes sowjetrussisches Territorium zurückzubringen.
    Uns scheint, daß es Aufgabe der Bundesregierung sein muß, in dieser Richtung politisch aktiv zu werden. Wir können diese Aktivität natürlich nicht allein, losgelöst von den westlichen Verbündeten, entfalten. Wir sollten aber keine Gelegenheit vorübergehen lassen, in unseren Gesprächen mit unseren westlichen Verbündeten darauf hinzuweisen und damit vor allen Dingen vielleicht ein Vorurteil, das unsere westlichen Verbündeten haben, auszuräumen, daß wir nicht immer und für alle Zeiten zum Westen stehen würden.
    Der Widerstand, der einem Wunsch auf Disengagement und auf Auseinanderrücken der militärischen Blöcke entgegengesetzt wird, ist bekannt. Viele unserer Partner glauben, daß ein Krieg dann am besten vermieden werden kann, wenn sich die beiden Blöcke Brust an Brust gegenüberstehen.



    Schultz
    Das bedeutet alber die Zementierung des Status quo und den endgültigen Verzicht auf Wiedervereinigung der beiden Teile 'Deutschlands.
    Diese Auffassung bedeutet weiter, daß — nicht durch eine überlegte Handlung, aber durch eine nervöse Reaktion — der Ausbruch von Feindseligkeiten möglich sein kann mit allen Folgen, die wir uns vorstellen können.
    Da 'die gespannte Situation in der Welt ohne politische Aktivität nicht vermindert wird, erfordert diese Spannung selbstverständlich immer neue Anstrengungen in der Rüstung. Diese Anstrengungen haben ihre Rückwirkung auf das wirtschaftliche, politische und soziale Leben unserer Völker und bergen die Gefahr in sich, daß wir insbesondere im psychologischen Bereich der fortdauernden Aggression der kommunistischen Idee nicht genügend Widerstand entgegensetzen können. Die Gefahr ist groß, daß wir, wenn wir unsere Sicherheit nur auf die militärische Rüstung hauen, die Auseinandersetzung in den anderen Bereichen verlieren, insbesondere dann, wenn wir nicht den Mut haben, das Risiko politischer Lösungen einzugehen.
    Man scheint bei unseren Verbündeten, aber auch bei der Mehrheit unseres Parlamentes zu glauben, daß das deutsche Volk nur in der festen Klammer des NATO-Bündnisses dem Kommunismus Widerstand leisten könne; ich sagte das vorhin schon. Wir haben uns schon oft darüber unterhalten, ob die NATO ein Dogma ist oder nicht. Wir waren uns weitgehend einig — das ergibt sich aus den Protokollen der früheren Sitzungen —, daß sie kein Dogma sei. Kam es aber zu Situationen, in denen man hätte undogmatisch handeln müssen, so mußten wir feststellen, daß Bundesregierung und Koalition nicht gewillt waren, eine Weiterentwicklung der Pariser Verträge überhaupt zu erwägen.
    Wir glauben, daß das deutsche Volk nach den Erfahrungen, die es in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, von innen heraus dem freiheitlichen Westen in der Staatsform der Demokratie zugeordnet ist. Auch ein militärpolitischer Sonderstatus der Bundesrepublik würde nichts daran ändern. Es gilt allerdings, mehr als bisher die Kräfte des Widerstandes auf psychologischem Gebiet gegen den Kommunismus zu wecken. Man muß nüchtern aussprechen, daß die Freiheit eines Volkes nicht mit Atomwaffen erkauft werden kann, sondern daß die Verteidigung eines Volkes den Einsatz des einzelnen voraussetzt, die Opferbereitschaft eines jeden, für die Gemeinschaft, für den eigenen Lebensbereich und den seiner Familie einzutreten und ihn gegen jede Unterdrückung zu verteidigen. Die technische Auswirkung dieser Forderung ist der Begriff „Verteidigungsdienstpflicht". Wir haben uns über diesen Begriff anläßlich des Wehrpflichtgesetzes unterhalten. Er wurde damals wohl von dem Kollegen Dr. Mende geprägt und vom Herrn Bundesverteidigungsminister aufgenommen. Aber wir haben seitdem nichts mehr davon gehört.
    Ich möchte damit ausdrücken, daß wir uns auch auf dem psychologischen Gebiet vielleicht anders verhalten müssen. Zur Erläuterung möchte ich ein Beispiel geben. Wir, Herr Kollege von Haniel-Niethammer und ich, haben vor kurzem an einem Gespräch über europäische Sicherheit, atomare Bewaffnung usw. bei einer europäischen Bewegung teilgenommen. Dort äußerte einer der Teilnehmer, daß den Studenten aus der Zone, die sich als Gasthörer an unseren Universitäten einschreiben lassen wollten, von hier aus sehr viel mehr Schwierigkeiten gemacht würden als umgekehrt; er habe jedenfalls drüben sehr viel leichter als Gasthörer an Vorlesungen teilnehmen können, und das sei doch bedauerlich. Sofort wurde an ihn von einem anderen Teilnehmer die Frage gestellt, auf Grund welcher Beziehungen er in den Osten gefahren sei und dort studiert habe. Er konnte sagen, daß er auf Grund keiner Beziehungen hingefahren sei; sein Vater lebe als Rentner in Greifswald und habe keine politische Funktion. Dieses Beispiel zeigt ein Mißtrauen gegenüber der eigenen Stärke in der geistigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, das uns zu denken geben sollte.
    Es wird bei uns auch sehr viel mit Schlagworten wie „illusionär", „unrealistisch" und dergleichen mehr gearbeitet. Insbesondere wird all denen, die einer weitergehenden politischen Aktivität dem Osten gegenüber das Wort reden, gesagt, sie handelten fast leichtfertig und sie bedächten nicht, daß wir dann nur zu leicht in den Sog des Kommunismus gerieten und dem Osten angeschlossen würden. Ich glaube, daß man diesen Vorwurf der Illusionen zurückgeben kann, und zwar — muß ich sagen — der Regierungspartei; denn die Parolen, über die ich mich schon einmal aufgehalten habe, „keine Experimente", „Wohlstand und Sicherheit bei unveränderter Politik", „Sicherheit durch Atomwaffen" spiegeln draußen im Volke wider, daß wir, wenn wir nichts unternehmen, sozusagen auf der „Insel der Seligen" in der Sicherheit des NATO- Bündnisses leben können, daß uns also weiter nichts passieren kann. Den Wehrwillen, den Selbstbehauptungswillen eines Volkes fördert das nicht, aber gerade diese Förderung tut not.
    Es wäre der Regierung zu empfehlen, mehr von anderen Sätzen Gebrauch zu machen, die auch schon gesagt worden sind, daß nämlich die Freiheit auch im Zeitalter des Atoms über Kimme und Korn, d. h. in persönlicher Auseinandersetzung auf geistige Art, und wenn es sein muß, mit Waffen verteidigt werden muß. Ich möchte empfehlen, daß die Regierungskoalition die Verbreitung dieser unpopulären Parole nicht den Freien Demokraten als Oppositionspartei allein überläßt.

    (Beifall bei der FDP.)