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ID0303700200

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    Deutscher Bundestag 37. Sitzung Bonn, den 1. Juli 1958 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Karl Arnold . . . . 2107 A Sammelübersicht 7 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 482) 2108 C Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Schwefelkohlenstoff, Strohpappe usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 487, 491) . . 2108 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. September 1956 mit dem Königreich Belgien über eine Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze und andere Fragen (Drucksache 315); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 486) — Zweite und dritte Beratung — . 2108 D Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Altsparergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 484) — Erste Beratung — 2109 A Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksachen 300, 354, 357, 362 bis 365, 378, 400 bis 404, 408, 412, 413, 440 bis 444, 447, 460 bis 468); Beschlüsse zweiter Beratung (Drucksache 490) — Dritte Beratung — Allgemeine Aussprache Dr. Vogel (CDU/CSU) 2109 B Ritzel (SPD) 2118 A, 2164 A Niederalt (CDU/CSU) 2125 A Lenz (Trossingen) (FDP) 2128 B Dr. Schild (DP) 2132 C Eilers (Oldenburg) (FDP) 2137 B Dr. Gülich (SPD) 2142 B, 2162 D Etzel, Bundesminister 2144 C Erler (SPD) 2149 A Dr. Krone (CDU/CSU) 2158 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler 2161 A, 2165 B Dr. Arndt (SPD) 2164 C Merten (SPD) 2165 D Weiterberatung vertagt 2171 A Erklärung gemäß § 36 GO Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) 2171 A Nächste Sitzung 2171 C Anlagen 2173 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 2107 37. Sitzung Bonn, den 1. Juli 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.04 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Graf Adelmann 7. 7. Frau Albertz 5. 7. Altmaier* 5. 7. Dr. Atzenroth 1. 7. Dr. Barzel 5. 7. Bauer (Würzburg)* 5. 7. Birkelbach* 5. 7. Fürst von Bismarck* 5. 7. Blachstein* 5. 7. Dr. Burgbacher 1. 7. Burgemeister 3. 7. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 7. Döring (Düsseldorf) 5. 7. Dr. Eckhardt 2. 7. Erik 1. 7. Euler 4. 7. Franke 12. 7. Frau Friese-Korn 1. 7. Gaßmann 5. 7. Gern? 5. 7. Dr. Greve 1. 7. Heye* 5. 7. Höfler* 5. 7. Frau Dr. Hubert* 5. 7. Jacobs* 5. 7. Jahn (Frankfurt) 1. 7. Kiesinger* 5. 7. Dr. Königswarter 5. 7. Dr. Kopf* 5. 7. Kühlthau 2. 7. Kühn (Köln)* 5. 7. Leber 4. 7. Lücker (München)* 5. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 5. 7. Frau Dr. Maxsein* 5. 7. Dr. Menzel 1. 7. Metzger* 5. 7. Dr. Meyer (Frankfurt)* 5. 7. Frau Meyer-Laule 1. 7. Murr 1. 7. Neumann 1. 7. Frau Niggemeyer 12. 7. Frau Dr. Pannhoff 1. 7. Paul* 5. 7. Dr. Preiß 5. 7. Pusch 5. 7. Ruf 5. 7. Scheel 5. 7. Schmidt (Hamburg) 1. 7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 5. 7. Schoettle 19. 7. Schreiner 1. 7. Schütz (München)* 5. 7. Seidl (Dorfen)* 5. 7. Dr. Serres 1. 7. Spies (Brücken) 4. 7. *) für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Struve 5. 7. Dr. Wahl* 5. 7. Frau Dr. h. ç. Weber (Essen)* 5. 7. Wehking 1. 7. Dr. Will 5. 7. Dr. Zimmer* 5. 7. b) Urlaubsanträge D. Dr. Gerstenmaier 2. 8. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wehr (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 34): Trifft es zu, daß das Bundesatomministerium dem Technischen Überwachungsverein Hamburg untersagt hat, die amtlich ermittelten Meßzahlen über die Radioaktivität im Regenwasser und in der Luft zu veröffentlichen? Was hat das Bundesatomministerium veranlaßt, falls diese Tatsache richtig ist, ein solches Verbot zu erlassen? Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Es trifft nicht zu, daß das Bundesministerium für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft dem Technischen Überwachungsverein Hamburg untersagt hat, die von diesem Verein im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes Schleswig-Holstein im Bereich der Reaktorstation Geesthacht bei Hamburg ermittelten Meßzahlen über die Radioaktivität im Regenwasser und in der Luft zu veröffentlichen. Gegenteilige Behauptungen in einigen deutschen Tageszeitungen, die sich auf eine angebliche telefonische Äußerung des Direktors des Technischen Überwachungsvereins Hamburg stützten, entsprechen nicht den Tatsachen. Ich habe daher die Falschmeldungen richtigstellen lassen und darf in diesem Zusammenhang auf die im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in der Nr. 76 vom 24. 4. 1958 auf Seite 744 abgedruckte Erklärung hinweisen. Bad Godesberg, ,den 28. Juni 1958 Dr. Balke Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Eckernförde) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 31): Ist der Herr Bundesverteidigungsminister bereit, anzuerkennen, daß sich für eine Gemeinde - wie die Gemeinde Boostedt im Kreise Segeberg mit etwa 1800 Einwohnern -, die sich durch die Garnison um dieselbe Zahl von Neubürgern vermehrt, besondere Schwierigkeiten ergeben? Kann diese Gemeinde damit rechnen, daß ihr durch die im Verhältnis zur Einwohnerzahl ungewöhnlich hohe Belastung in den kommunalwirtschaftlichen Folgemaßnahmen wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung zuteil wird? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung hierbei vorgesehen? 2174 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 Ich erlaube mir, die Anfrage wie folgt zu beantworten: Im Bezirk der Gemeinde Boostedt ist ein Kasernen-Neubau errichtet und seit April 1958 belegt worden. Nach den von meinem Hause erlassenen „Richtlinien für die Gewährung von Darlehen und Zuschüssen zu Aufschließungsmaßnahmen und Folgeeinrichtungen besonderen Umfanges bei militärischen Bauvorhaben und Wohnsiedlungen" besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, an Gemeinden zur Durchführung von kommunalen Aufgaben eine Bundesfinanzhilfe zu gewähren. Ich habe die Gemeinde Boostedt auf ihre Denkschrift bereits dahingehend unterrichtet, daß für die Prüfung derartiger Anträge die Wehrbereichsverwaltung in Kiel zuständig ist, und empfohlen, ihr Anliegen dort weiter zu verfolgen. Es ist jetzt schon zu übersehen, daß im vorliegenden Fall eine finanzielle Hilfe durch mein Haus in Betracht kommt. Über die Höhe der zu gewährenden Bundesfinanzhilfe kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts gesagt werden. Bonn, den 30. Juni 1958 Strauß Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Eckernförde) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 33) : Ich frage den Herrn Bundesverteidigungsminister, ob die ,,Sieben-Meilen-Sperrzone" um Schleimünde eine Dauererscheinung der nächsten Jahre sein wird? Welche Pläne des Bundesverteidigungsministeriums werden in den Gemeinden Olpenitz und Ellenberg verwirklicht? Sind besondere Vorhaben der Bundeswehr in Gammelby und Surendorf geplant? Zu welchem Ergebnis haben die Entschädigungsverhandlungen mit Eckernförder Fischern geführt? Ich erlaube mir, die Anfrage wie folgt zu beantworten: Ich darf zur besseren Ubersicht auf die gestellte Frage entsprechend ihren einzelnen Sätzen wie folgt eingehen: Zu Satz 1: Eine „Sieben-Meilen-Sperrzone" um Schleimlinde ist nicht geplant. In den „Nachrichten für Seefahrer" sind Artillerie-Schießgebiete und ein U-Boot-Tauchgebiet veröffentlicht worden, die längs der SchleswigHolsteinischen Ostküste liegen und von der Küste bis etwa 4 Seemeilen Abstand reichen. Die Angaben wurden in den „Nachrichten für Seefahrer" (NfS) Nr. 3565/57 und Nr. 78/58 veröffentlicht. Die Durchfahrt durch diese Gebiete und die Ausübung der Fischerei werden nicht behindert. Schiffahrt und Fischerei werden jedoch gebeten, ausreichende Rücksicht auf die Übungen der Streitkräfte zu nehmen. Diese Artillerie-Schießgebiete und das Tauchgebiet werden eine Dauererscheinung bleiben. Zu Satz 2: Die Bundesmarine beabsichtigt, bei Olpenitz den Neubau eines Hafens und bei Ellenberg den Neubau einer Marine-Artillerieschule durchzuführen. Zu Olpenitz: Die nach der Teilung Deutschlands noch in der BRD verbliebenen ehern. Kriegshäfen im Ostseebereich reichen nicht aus, um die für die Durchführung der Aufgaben der Bundesmarine erforderlichen Kampf-, Schul- und Troßschiffe aufzunehmen. Als Ersatz für die verlorengegangenen Häfen und zugleich zur Auflockerung der in der Ostsee zu stationierenden Seestreitkräfte wird der Hafenneubau erforderlich. Nach eingehenden Untersuchungen des Bundesministers für Verkehr wurde von diesem ein unbewohntes Gelände bei Olpenitz an der Schlei vorgeschlagen, wo mit relativ geringem Aufwand ein geeigneter Hafengeschaffen werden kann. Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat Kenntnis von diesen Plänen und ist bereit, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen ihre Zustimmung zu geben. Zu Ellenberg: Dort steht eine Liegenschaft zur Verfügung, die durch zusätzlichen Erwerb weiteren Geländes um ca. 5 ha vergrößert wird. Das Land Schleswig-Holstein hat Kenntnis von den Plänen und ist bereit, ihnen unter bestimmten Voraussetzungen zuzustimmen. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Als Teil der Anlagen der Artillerieschule soll auf der Landzunge zwischen der Schlei und der Ostsee bei dem geplanten Hafen Olpenitz ein Feuerleithaus gebaut werden, von dem aus vorwiegend Zielübungen auf fahrende Seeziele und im begrenzten Umfange Klingscheibenschießen für die aufgestellten Geschütze durchgeführt werden sollen. Zu Satz 3: Die bisher verfolgte Absicht, in Gammelby Anlagen der Bundeswehr zu errichten, ist inzwischen zweifelhaft geworden. Die Planung Surendorf wird dagegen weiterhin bearbeitet. Zu Gammelby: Es handelt sich hierbei zunächst nur um eine Planung. Es. ist u. U. vorgesehen, zu einem späteren Zeitpunkt auf dem der Gemeinde Gammelby gehörenden Erweiterungsgelände der Kaserne Carlshöhe, Eckernförde, Anlagen für höchstens 300 Soldaten zu errichten. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 2175 Zu Surendorf: Das Amt für Wehrtechnik und Beschaffung beabsichtigt, auf der Liegenschaft der ehem. Torpedo-Versuchsanstalt Surendorf an der Eckernförder Bucht eine Erprobungsstelle für .Sdidfsartillerie einzurichten, mit der eine Artillerievers i teile der Bundesmarine verbunden werden soll. Zu Satz 4: Die Entschädigungsverhandlungen mit den Eckernförder Fischern schweben noch. Es kann davon ausgegangen werden, daß den Fischern eine Entschädigung zugesprochen wird. Über Einzelheiten wird zur Zeit noch zwischen der Landesregierung Schleswig-Holstein und der WBV I in Kiel verhandelt. Bonn, den 30. Juni 1958 Strauß Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 24): Was gedenkt der Herr Bundesarbeitsminister zu tun, um die Pflichtbeiträge der Meistersöhne zur Arbeitslosenversicherung zurückzuerstatten, nachdem die vom Bundessozialgericht am 5. April 1956 ausgesprochene Versicherungspflicht dieses Personenkreises durch § 65 Abs. 2 AVAVG ab 1. April 1957 wieder aufgehoben wurde? Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß Meistersöhne, die auf Grund der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichtes Pflichtbeiträge gelistet haben, in den seltensten Fällen damit rechnen können, im Falle der Arbeitslosigkeit Arbeitslosenunterstützung zu erhalten? . Auf die Frage teile ich folgendes mit: Durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. April 1956 wurde die Versicherungspflicht derjenigen Meistersöhne, die in einem Beschäftigungsverhältnis bei ihren Eltern standen, nicht für die Zukunft begründet, sondern für die Zeit vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt. Beiträge wurden auf Grund der durch das Urteil festgestellten Rechtslage jedoch nur für Beschäftigungszeiten nach Rechtskraft des Urteils erhoben. Da die Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht von der Entrichtung von Beiträgen abhängig ist, können auch die Zeiten, für die Beiträge nicht entrichtet worden waren, zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen. Die Versicherungsfreiheit für Abkömmlinge, die am 1. April 1957 in Kraft getreten ist, beseitigt für Meistersöhne also nicht eine Versicherungspflicht, die nur eine kurze Zeit bestanden hätte. Eine Rückerstattung der Beiträge ist nach der derzeitigen Rechtslage nur möglich, wenn sie irrtümlich entrichtet worden sind. Der Fall liegt hier nicht vor. Die Tatsache, daß vor dem Urteil des Bundessozialgerichts keine Beiträge erhoben wurden, rechtfertigt es also nicht, die nach dem Urteil zu Recht erhobenen Beiträge zu erstatten. Ich habe nicht die Absicht, eine Änderung dieser Rechtslage vorzuschlagen. Es trifft im übrigen nicht zu, daß Meistersöhne im Falle der Arbeitslosigkeit nur in den seltensten Fällen Arbeitslosengeld erhalten können. Wie bereits dargelegt, war die Zeit einer Beschäftigung als Meistersohn bis zum 31. März 1957 ungeachtet der Entrichtung von Beiträgen versicherungspflichtig und kann damit zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen. Ein Anspruch auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses als Meistersohn, das bis zum 31. März 1957 versicherungspflichtig war, kann noch bei einer Arbeitslosmeldung bis zum 1. Oktober 1958 geltend gemacht werden. Daß Meistersöhne nur selten arbeitslos werden, rechtfertigt eine Sonderregelung für die Zeit vor dem 1. April 1957 nicht, da das gleiche auch für Angehörige zahlreicher anderer Personenkreise zutrifft und das Wesen jeder Versicherung im Ausgleich des Risikos liegt. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Heinrich (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 28) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Lehrlingsausbildung nach dem heutigen Stand nicht mehr den veränderten Bedingungen von Technik und Wirtschaft Rechnung trägt, und ist sie bereit, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen? Wenn ja, bis wann wird ein solcher Gesetzentwurf vorgelegt werden? Auf die Frage teile ich folgendes mit: Die Frage, ob und inwieweit die Lehrlingsausbildung nach dem heutigen Stand den veränderten Bedingungen von Technik und Wirtschaft Rechnung trägt, wird in Fachkreisen und Veröffentlichungen lebhaft diskutiert; die dabei zum Ausdruck kommenden Auffassungen sind sehr unterschiedlich. Die Bundesregierung verfolgt die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Heranbildung des jungen Nachwuchses ständig und ist an den darüber geführten Diskussionen beteiligt. Sie befaßt sich auch seit längerem mit der Frage, ob eine neue gesetzliche Regelung der Berufsausbildung notwendig ist. Bereits unter meinem Amtsvorgänger, Herrn Bundesarbeitsminister Storch, sind vor etwa zwei Jahren Besprechungen mit den beteiligten Ressorts und den Sozialpartnern geführt und Grundzüge für ein Rahmengesetz vorbereitet worden. Gegenwärtig ist diese Frage Gegenstand von Verhandlungen, die ich vor einiger Zeit mit dem Bundeswirtschaftsminister wieder aufgenommen habe. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank 2176 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 1. Juli 1958 Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf ,die Mündliche Anfrage ,des Abgeordneten Geiger (Aalen) (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 30) : Billigt der Herr Bundesarbeitsminister die Auslegung des § 124 Abs. 1 AVAVG durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, nach der nur derjenige arbeitsunfähig Erkrankte Krankengeld nach seinem vor der Kurzarbeit bezogenen Grundlohn erhält, bei dem zwischen Kurzarbeit und arbeitsunfähiger Erkrankung kein zeitlicher Zwischenraum lag? Auf die Frage teile ich folgendes mit: Krankenversicherungspflichtige Personen erhalten die Barleistungen der Krankenversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und der Satzung der Krankenkasse, deren Mitglied sie sind. Dies gilt auch für solche Versicherte, deren Arbeitsentgelt vor der Erkrankung gemindert war. Daraus können sich im Einzelfall Härten ergeben. Durch § 124 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sind diese im System der Krankenversicherung liegenden Härten für solche Versicherte beseitigt worden, die Kurzarbeitergeld beziehen. Diese Pesonen erhalten Barleistungen der Krankenversicherung nach dem Grundlohn vor Beginn des Bezuges von Kurzarbeitergeld. Die Mehraufwendungen werden von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung getragen. Die Auffassung der Bundesanstalt, daß diese Rechtsvorschrift nur angewendet werden kann, wenn die mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrankung sich unmittelbar an ,den Bezug von Kurzarbeitergeld anschließt, entspricht § 124 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Bei der bevorstehenden Neuregelung der Krankenversicherung wird geprüft werden, wie Härten für solche Versicherte, die kein Kurzarbeitergeld beziehen, oder deren Erkrankung sich nicht unmittelbar an ,den Bezug von Kurzarbeitergeld anschließt, beseitigt werden können. Bonn, den 1. Juli 1958 Blank Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jacobs (Fragestunde der 35. Sitzung am 26. Juni 1958, Drucksache 473, Frage 26) : Hat der Beamte der örtlichen Polizeidirektion in Trier, der von der Verwaltung des Geburtshauses von Karl Marx Auskunft über Geschenke verlangte, die Vertreter der Sowjetischen Botschaft in Bonn aus Anlaß eines Besuches machten, im Auftrage des Auswärtigen Amtes oder einer sonstigen der Kontrolle der Bundesregierung unterstehenden Organisation gehandelt? Ich beantworte die Frage wie folgt: Der Beamte der Polizeidirektion in Trier hat nicht im Auftrage des Auswärtigen Amtes oder einer sonstigen Bundesbehörde gehandelt. Schröder
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    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn dieser allgemeinen Aussprache — der wir immer einen recht weiten Rahmen gezogen haben — ein Wort des Dankes an alle diejenigen richten, die in der Hast und Eile der letzten Monate an der Seite des Haushaltsausschusses und des Hohen Hauses bei der zweiten Beratung des Gesetzes uns ihre guten Dienste zur Verfügung gestellt haben. Ich denke da in erster Linie nicht nur an die Beamten, Angestellten und Arbeiter dieses Hohen Hauses, sondern darüber hinaus auch an die hingebungsvolle und, ich möchte einmal sagen, ruinöse Tag- und Nachtarbeit, die die Verabschiedung dieser Gesetze von allen Haushaltsreferenten aller Ressorts und darüber hinaus vor allen Dingen von der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums gefordert hat.

    (Beifall.)

    Ohne diese Gemeinschaftsleistung wäre es nicht möglich gewesen, dieses große Werk noch zu Beginn des Juli heute und hier zu vollenden.
    Lassen Sie mich aber auch gleichzeitig ein Wort über die Stellung der Haushaltsreferenten einflechten — und damit gleich mitten in die Dinge hineingehen —, die diese Beamten innerhalb ihrer Ressorts haben. Ich glaube, daß das Amt eines Haushaltsreferenten in einem großen Ressort keineswegs leicht ist. Er ist im allgemeinen, wenn er es ernst meint mit seiner Aufgabe, der Prügelknabe seines Hauses. Denn er wird nur zu leicht nicht nur von den Abteilungsleitern und von den Staatssekretären, sondern häufig genug auch von seinem Ressortchef für das haftbar gemacht, was im Grunde genommen gar nicht seine Aufgabe ist, sondern die Aufgabe des Ressortchefs oder des Haushaltsausschusses oder dieses Hohen Hauses.
    Deswegen lassen Sie mich hier einmal als eine gemeinschaftliche Auffassung aller Fraktionen des Hauses auch gegenüber der Verwaltung folgendes sagen. Wenn wir im Haushaltsausschuß Jahr für Jahr die Herren Haushaltsreferenten Revue passieren lassen und ihren Anstrengungen lauschen, ihre neuen Forderungen zu begründen und alte zu verteidigen, dann wissen wir sehr wohl die Qualität und die Ernsthaftigkeit des einzelnen Vorbringens zu unterscheiden. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß da, wo es dem Haushaltsreferenten gelang, sich das Vertrauen des Haushaltsausschusses zu erwerben, häufig auch hohe Forderungen und schwierige Angelegenheiten viel leichter durchgebracht werden konnten, weil man Vertrauen zu der Begründung und auch Vertrauen zu der Person des Vortragenden hatte.

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    Lassen Sie mich hoffen, daß dieser Typus des Haushaltsreferenten, der das allgemeine Vertrauen aller Fraktionen im Ausschuß besitzt, in der Zukunft stärker und zahlreicher wird. Ein Haushaltsreferent, der glaubt, einen Ausschuß überfahren zu können, ist von vornherein in einer hoffnungslosen Position, und je eher er das einsieht, um so besser für ihn und sein Haus.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte diese kurze Zwischenbemerkung über die Position der Haushaltsreferenten mit dem Wunsche abschließen, daß wir unter den vielen Aufgaben, die wir uns bereits für Oktober und November gestellt haben, auch die eine noch zu lösen versuchen: uns einmal von allen Ressorts berichten zu lassen, wie die Stellung des Haushaltsreferenten innerhalb des Ressorts ist. Dabei legen wir auf die Stellung des Haushaltsreferenten innerhalb des Verteidigungsministeriums einen ganz besonderen Wert. In der amerikanischen Haushaltsordnung ist die Stellung des Haushaltsreferenten des Verteidigungsministeriums angesichts der ungeheuren Summen, die unter seiner Kontrolle stehen, besonders im Gesetz verankert, und ich glaube,



    Dr. Vogel
    das geschah nicht ohne Grund. Auch wir werden in der kommenden Haushaltsordnung — ich komme noch darauf zu sprechen — wahrscheinlich auf diesen Punkt besonders zurückkommen müssen.
    Lassen Sie mich jetzt auf etwas eingehen, was uns bei den Haushaltsberatungen besonderes Kopfzerbrechen machte. Es ist die Endrechnung, die wir aufstellen mußten, bevor wir das Haushaltsgesetz selbst berieten, das Defizit von 947 Millionen, das sich plötzlich vor uns auftat. Es ist doch eine sehr erhebliche Abweichung von der Regierungsvorlage, wenn am Schluß der Haushaltsberatungen ein Defizit in einer Größenordnung von fast einer Milliarde plötzlich zu decken ist.
    In den vergangenen Jahren hatten wir fast immer erhebliche Mehrausgaben vor uns und mußten uns bemühen, auf der anderen Seite Mehreinnahmen zu schaffen. Diesmal lag das Problem umgekehrt. Wir sahen plötzlich infolge der neuen Steuergesetze eine erhebliche Mindereinnahme vor uns, die dann durch den Wegfall des Mehrsteuerbetrages von 300 Millionen, der einfach nicht mehr zu begründen war, noch unhaltbarer gemacht worden ist, und darüber hinaus die drohende Gefahr, daß die Steuereinnahmen im Laufe dieses Jahres nicht das gesetzte Soll erreichen würden. Wenn Sie sich die Berichte des Bundesfinanzministeriums für die ersten Monate dieses Jahres vor Augen führen, werden Sie feststellen, daß allein in den beiden ersten Monaten, in den Monaten April und Mai, schon ein Defizit von nicht weniger als 1,1 Milliarden gegenüber dem Soll zu verzeichnen ist.
    Schon das allein erlaubt keine sehr günstige Prognose für den weiteren Fortgang des Haushaltsjahres, und ich darf Sie noch einmal mit allem Nachdruck daran erinnern, daß der Ausgleich dieses Haushalts schon in der Regierungsvorlage nur durch die Einsetzung von 3 Milliarden DM als Dekkungsmittel aus dem Kassenbestand am 1. April 1958 möglich war. Dann hat zusätzlich noch die Haltung der Länder den Bundesfinanzminister und das Hohe Haus mehr oder weniger gezwungen, sich auch hier nachgiebig zu erweisen und — Wegfall des Notopfers Berlin und Einbau in die Körperschaftsteuer — einen erneuten Verzicht auf Einnahmen auszusprechen. Auf dieses jetzt in ein neues Stadium getretene finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern wird mein Freund und Kollege Niederalt nachher noch besonders eingehen.
    Mit der bereits im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erlassenen vorläufigen Steuergesetzgebung und insgesamt durch das sogenannte „Spaltungsverfahren" — ich will den amerikanischen Ausdruck dafür hier absichtlich vermeiden — ist eine Steuersenkung in einer Größenordnung von 2,1 Milliarden DM innerhalb von eineinhalb Jahren eingetreten. Nicht nur dieses Hohe Haus, sondern auch die gesamte Öffentlichkeit sollte sich einmal vor Augen halten, was es heißt, in einem Haushalt eine solche Steuersenkung eintreten zu lassen, wenn man gleichzeitig die Deckung nur dadurch beschaffen kann, daß man einen Kassenbestand am 1. April zur Deckung einstellt.
    Automatisch erhebt sich die Frage, ob das durchzuhalten sein wird. Das ist eine Frage, die alle Finanzwissenschaftler von Rang immer dringlicher stellen, eine Frage, die sich bei der Aufstellung des Haushalts 1959 unausweichlich in erhöhtem Maße erheben wird.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch an den Mittelstand einmal [die Frage richten — ich komme auf ihn jetzt besonders zu sprechen —, ob nicht diese Steuersenkung von 2,1 Milliarden DM gern hingenommen worden ist — denn sie kommt zu einem sehr großen Teil gerade dem Mittelstand zugute-, daß man sie aber auf der anderen Seite allzu schnell vergißt, um sofort die Hände wieder nach neuen Steuersenkungen aufzuhalten. Dann kommen wir an den Punkt, wo immer neue Forderungen auf der anderen Seite nur mit Mehreinnahmen begegnet werden kann. Und woher sollen dann Mehreinnahmen kommen, wenn sie nicht durch neue Steuern erhoben werden sollen?
    Unbestreitbar hat das bisherige Steuersystem in vieler Hinsicht die Konzentration in der Wirtschaft, vor allen Dingen in der Großwirtschaft, begünstigt und hat auch da einige Auswirkungen erzeugt, die auch wir mit kritischen Augen zu betrachten allen Anlaß haben. Zwei Grundanliegen werden im Zusammenhang mit einer zielbewußten Förderung der mittleren und kleineren Unternehmungen, wie sie sich meine Freunde vorgenommen haben, hier im Mittelpunkt zu stehen haben: Erstens die erneute Prüfung der Frage der Organschaft und die Herstellung der Steuerneutralität gegenüber der Rechtsform des Unternehmens, und zweitens der vom Bundesfinanzminister bereits angekündigte Umbau der Umsatzsteuer im Sinne einer verbesserten Wettbewerbsneutralität. Wir begrüßen die Fertigstellung des Entwurfs einer Umsatzsteuerreform durch den Bundesfinanzminister und sind auf seinen Inhalt sehr gespannt. Daß eine Umsatzsteuerreform angesichts der gewaltigen Minderungen des Steueraufkommens auf dem Gebiet der Einkommen- und Körperschaftsteuer keinen neuen Steuernachlaß bringen kann, sondern nur eine Verlagerung innerhalb der jetzt schon vorhandenen Masse, das allerdings sollte man sich beim Beginn einer derartigen Reform rechtzeitg klarmachen, damit nicht von vorherein trügerische Hoffnungen erweckt werden. Jede Reform der Umsatzsteuer ist in der gegenwärtigen Situation ein überaus gewagter und angesichts der voraussehbaren Erschöpfung der letzten Kassenreserven des Bundes doppelt riskanter Schritt.
    Wir möchten nicht versäumen, bei dieser Gelegenheit auch auf die leider infolge einiger personeller Ereignisse steckengebliebene Reform der Reichshaushaltsordnung mit Nachdruck hinzuweisen. Seit Jahren bereits arbeitet eine Arbeitsgemeinschaft — Bundesfinanzministerium und Bundesrechnungshof — an diesem überaus notwendigen und auch inhaltsschweren Werk. Aus zwei Gründen wünschen wir, daß diese Arbeiten jetzt wieder mit Nachdruck aufgenommen werden und daß ihr Ergebnis möglichst bald dem Hohen Hause vorgelegt wird.



    Dr. Vogel
    Der eine Grund ist der, daß wir das Kalenderjahr als Haushaltsjahr eingeführt sehen möchten. Meine Freunde von der Koalition haben hierzu schon einen Antrag eingebracht. Der zweite Grund ist der, daß wir eine Reform der Vermögensrechnung des Bundes wollen, die dringend notwendig ist. Auch hierzu werden Sie am Schluß der Beratungen durch meinen Freund Hellwig eine Entschließung vorgelegt erhalten.
    Eine weitere Forderung, die vor allem von seiten der Opposition immer wieder erhoben worden ist und die stets zu erheben Herr Kollege Schoettle als Vorsitzender des Haushaltsausschusses nicht müde wurde, ist die einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, Herrn Dr. Fürst , an dieser Stelle einmal unseren Dank dafür auszusprechen, daß er die Vorarbeiten für eine solche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung schon recht weit vorangetrieben hat und daß wir infolgedessen hoffen können, innerhalb der nächsten zwei Jahre hier zu einem konkreten Ergebnis zu gelangen. Allerdings haben Herr Dr. Fürst und die um ihn versammelten Sachverständigen und Gelehrten schon im vorhinein gewarnt und dargelegt, daß eine derartige Rechnung, wenn sie sauber und gründlich durchgeführt worden ist, zwar eine gute Planungsunterlage sein kann, aber diesem Hohen Hause und den politischen Parteien niemals eine politische Entscheidung abnehmen kann. Ich glaube, daß man auch das rechtzeitig vorher sehen und nicht allzu große Hoffnungen auf die Arbeiten der Wissenschaftler setzen sollte. Das, was wir in den skandinavischen Ländern, z. B. in Schweden, auf diesem Gebiet bis jetzt gesehen haben, erweist nur die Richtigkeit dieser Voraussage von Präsident Dr. Fürst.
    Ein weiteres Problem, und zwar eines der schwersten, die uns Kummer und Sorgen genug im Haushaltsausschuß bereitet haben, ist das Problem der Haushaltsreste. Wenn wir in diesem Haushaltsjahr bei einem Haushalt von rund 37 Milliarden DM Reste in Höhe 8,3 Milliarden DM zu verzeichnen haben, dann ist allen Ernstes die Frage aufzuwerfen, ob hier nicht schon zu viel in den Haushalt hineingetan worden ist. Denn an einem Haushalt, der nicht vollzogen wird, ist etwas falsch.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir sollten deshalb lieber das Haushaltsvolumen in engeren Grenzen halten, als daß wir der Verwaltung durch die Bewilligung hoher Summen Aufgaben auf den Hals packen, die auszuführen sie beim besten Willen nicht in der Lage ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das muß ich vor allen Dingen im Hinblick auf zwei Sonderprobleme feststellen, die uns aufgefallen sind. Es handelt sich einmal um den riesigen Haushaltsrest von annähernd 1 Milliarde DM beim Wohnungsbau und zum zweiten um den Haushaltsrest von rund 240 Millionen DM beim Straßenbau. Hier hat sich besonders deutlich die Grenze der Leistungsfähigkeit der Verwaltung der Länder ergeben. Wir werden daraus Konsequenzen ziehen müssen.
    Die Bildung von Resten ist nicht nur ein Problem des Bundeshaushalts, sondern sie ist heute auch eines der Länderhaushalte geworden. Ich denke zum Beispiel an die Summe — ich will sie hier nicht nennen —, die sich in dem Haushalt des größten deutschen Bundeslandes aus Haushaltsresten aufzutürmen beginnt. Die Länder werden allen Grund haben, auch ihrerseits in eine Prüfung dieser Entwicklung einzutreten. Aber ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit auch die Warnung an Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, zu richten, nicht jetzt durch neue zusätzliche Anträge an den Stellen, wo offensichtlich die Verwaltung der Länder nicht Schritt halten kann, den Ausweitungsprozeß des Bundeshaushalts noch zu beschleunigen.
    Lassen Sie mich zu dem zweiten Problem etwas sagen, dem Problem der Bindungsermächtigung. Dieses Problem hat uns naturgemäß besonders im Verteidigungshaushalt beschäftigt, wo wir es ja mit einer Größenordnung von 15 Milliarden Bindungsermächtigungen zu tun haben. Wir haben mit ganz besonderem Interesse Kenntnis von den Plänen genommen, wie diese Bindungsermächtigungen in irgendeiner Form zu bändigen sind: diesen Ausdruck möchte ich schon beinahe gebrauchen, weil er mir angesichts der Größenordnung angebracht erscheint. Mein sehr verehrter Kollege Lenz hat bereits in seinem Schlußwort als Berichterstatter von diesem Problem und von den Plänen gesprochen. die sowohl von den Haushaltsreferenten des Bundesverteidigungsministeriums wie denen des Bundesfinanzministeriums vorgetragen worden sind.
    Wir werden im kommenden Haushaltsjahr vor der Frage stehen, wie wir einen Teil dieser Bindungsermächtigungen auf irgendeine Weise verkleinern können, sei es nun, daß man die Reste direkt streicht oder daß man sie neu verausgabt. Dieses Problem erster Ordnung werden wir im kommenden Haushalt vorrangig zu behandeln haben. Sicher ist, daß wir uns alle, quer durch alle Fraktionen, über die Notwendigkeit der Verminderung dieser Bindungsermächtigungen klar sind, und wir meinen, daß darunter die Aufgabe selbst, die notwendigen Leistungen für die Verteidigung aufzubringen, nicht Schaden zu leiden braucht.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang noch von einem Problem sprechen, das wahrscheinlich mein Freund Niederalt noch besonders vertiefen wird, dem Problem des Zwei-Jahre-Haushaltes für die Verwaltungsausgaben.
    Meine Damen und Herren! Die Verwaltungsausgaben machen in diesem Riesenhaushalt von 38,7 Milliarden zwar nur eine Summe von vielleicht 3 bis 4 Milliarden aus, nehmen aber erfahrungsgemäß bei der Behandlung rund 80 % der kostbaren Zeit des Haushaltsausschusses in Anspruch. Wenn es uns gelänge, einen Zwei-Jahre-Haushalt für die Verwaltung - sowohl für Personalausgaben, Sachausgaben wie Allgemeine Ausgaben — aufzustellen, dann würden wir zumindest in einem Jahr die



    Dr. Vogel
    Zeit frei machen können für die notwendige Durchleuchtung der großen allgemeinen Bewilligungen und der großen Sachtitel, und dann könnten wir uns dem Haushalt mit der Intensität widmen, wie er es angesichts der Größenordnungen verdient.
    Wir haben uns noch eine Reihe anderer Probleme gemeinschaftlich vorgenommen, unter anderem das Problem der Bevorratung, das angesichts der neuen großen Leistungen für den zivilen Notstand eine besondere Bedeutung gewinnt. Hier zeigt sich bereits die Überschneidung auch mit der Vorratspolitik des Bundesernährungsministeriums. Wir werden uns mit dem Problem des zivilen Luftschutzes besonders befassen müssen, aber noch mehr mit dem Problem von Forschung und Entwicklung im Verteidigungshaushalt. Hier zeigte sich während der Beratungen vor der zweiten Lesung deutlich, wie groß bereits jetzt die Überschneidungen der einzelnen Ressorts gerade bei der Forschung sind, und wie groß infolgedessen aber auch die Aufgabe des neu geschaffenen Wissenschaftsrats sein wird, hier zu einer guten und gründlichen Koordination zu gelangen.
    Ein weiteres Problem ist das Problem der Nachwuchsförderung durch die einzelnen Ressorts. Wir sehen heute schon nebeneinander das Bundesinnenministerium, das Atomministerium und das Verteidigungsministerium, von Post und Bundesbahn ganz zu schweigen, alle um dasselbe Problem bemüht. Auch hier wird sich eine Koordination als überaus nützlich erweisen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Nun ein besonders wichtiges Problem, von dem hier zu sprechen ist. Wir haben während der Beratungen wiederholt festgestellt, daß die einzelnen Bundesminister als die federführenden Minister bei den supranationalen Behörden, aber auch bei den großen internationalen Organisationen Bindungen finanzieller Art eingehen, von denen das Hohe Haus zunächst nichts weiß, die es erst später gemerkt, wenn der Haushalt gedruckt vorliegt; manchmal sehen wir es erst in irgendeiner Vorlage des Finanzministeriums. Aber dann bleibt dem Haushaltsausschuß eigentlich nichts weiter als die berühmte Rolle des Chors im griechischen Drama, der den Gang der Ereignisse beweint, ohne ihn ändern zu können. Das ist, glaube ich, eine Rolle, die ihm auf die Dauer nicht zugemutet werden sollte. Die Herren Ressortminister täten auch gut daran, bevor sie sich zu derartigen Konferenzen begeben und bevor sie dort sehr weitreichende Bindungen eingehen in bezug auf die Gehälter z. B. bei den supranationalen Behörden, auf die Ausdehnung dieser Behörden und auf die Größenordnung der Beiträge, die zu sehr großen Bauten dort geleistet werden —siehe NATO-Verträge usw. —, sich auch einmal mit dem Haushaltsausschuß und mit den anderen Ausschössen zu beraten.

    (Beifall.)

    Wir haben uns gemeinschaftlich mit dem Ausschuß für Verteidigung und mit dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung für den Herbst eine Reihe von Aufgaben vorgenommen, so die Erprobungsstellen beim Verteidigungsministerium, eine Reihe großer Bauten, vor allen Dingen Kasernen- und Depotbauten; die letzten sind ein Problem von ganz außerordentlicher und von der Öffentlichkeit gar nicht richtig begriffener Bedeutung für die gesamte Verteidigung. Denn was nutzt die beste Division, die aufgestellt wird, wenn sie nicht genügend bevorratet und ihre laufende Versorgung in der Zukunft nicht sichergestellt ist? Auch dieser Fragen wollen wir uns besonders annehmen.
    Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, daß wir dem Bundesrechnungshof gemeinschaftlich einen Sonderbeitrag von 100 000 DM zur Verfügung gestellt haben, damit er in die Lage versetzt wird, sich derjenigen Sachverständigen zu bedienen, deren er bedarf, um bestimmte große Probleme — wir denken vor allem an Betonbauten, an den Wohnungsbau usw. — zu durchleuchten, weil wir hier Ersparnismöglichkeiten in einer erheblichen Größenordnung sehen. Ich darf diese Gelegenheit einmal nutzen, um auch dem Bundesrechnungshof, ich glaube, unser aller Dank für seine ganz besonders intensive Mitarbeit an dieser Aufgabe auszusprechen.

    (Beifall.)

    Lassen Sie mich einen Ausblick auf das vor uns liegende Haushaltsjahr 1959 wagen. Ich sprach bereits von dem Nichterreichen der Sollziffern, das schon in den ersten Monaten, also im April, Mai und Juni, erkennbar geworden ist. Obwohl wir auf der einen Seite in den beiden ersten Monaten ein Weniger von 1,1 Milliarden DM ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen — vor unseren Augen haben, erhebt sich bereits eine Lawine neuer Forderungen, die schon konkrete Gestalt angenommen haben.
    Ein so erfahrener Berichter in der „Gegenwart" wie Rudolf Haerdter hat in einem überaus lesenswerten Aufsatz sich die Mühe gemacht, einen Teil dieser Neuanforderungen zusammenzustellen. Er hat noch nicht alle Wünsche zur Kenntnis genommen. Aber lassen Sie mich einmal einen Rundgang unternehmen.
    Da sind zunächst die neuen Forderungen, die von seiten der Landwirtschaft erhoben worden sind. Wir wissen, was das Wort „Disparität" beinhaltet und was sich auf diesem Gebiet unter Umständen zusammenballen kann. Wir kennen den Zehnjahresplan zur Umwandlung der landwirtschaftlichen Struktur in einer Größenordnung von 40 Milliarden DM, wie er bereits in der Öffentlichkeit genannt worden ist. Ich gehe hier gar nicht einmal auf Einzelheiten ein. Ich spreche sie zunächst als Problem an.
    Wir sehen weiter das Schulprogramm vor uns, wie es auf der Lehrertagung in München diskutiert worden ist. Es ist ein sich über zehn Jahre erstrekkendes Programm von zusammen 8 Milliarden DM. Dabei hat man — ich muß das wirklich loben —vernünftigerweise gesagt: Aber wir wollen zunächst einmal den Wohnungsbau etwas abklingen lassen, ehe wir uns an die Schulbauten heranmachen. Ich halte das für eine sehr realistische und sehr lobenswerte Einstellung.



    Dr. Vogel
    Dabei möchte ich es nicht unterlassen, auch einmal auf die Schulprobleme anderer Länder hinzuweisen. Ich habe mich selber davon überzeugt —auch mit einigen Senatoren, die an diesen Fragen interessiert sind, diskutiert —, daß selbst in einem Lande wie den Vereinigten Staaten, das weiß Gott keine finanziellen Sorgen in der Größenordnung, wie wir sie haben, kennt, heute 80 000 Schulräume fehlen. Auch in anderen Ländern sieht das Schulproblem ähnlich aus. Angesichts dessen sollten wir nicht immer glauben, wir allein in der Welt hätten es mit einem Schulproblem zu tun. Tatsächlich besteht dieses Problem fast überall.
    Die dritte große Forderung, die an uns herangetragen wird, betrifft Wissenschaft und Forschung. Dabei sollte nicht verkannt werden, daß in diesem Haushaltsjahr dafür beträchtlich mehr ausgeworfen ist als in den vergangenen Jahren. Nach Schaffung des Wissenschaftsrates werden wir hoffentlich recht bald vorher geklärte Vorstellungen über die Größenordnung der Summen, die in den kommenden Haushalten stehen sollen, bekommen.
    Weiterhin nenne ich das Problem der Studienförderung. Herr Haerdter hat nicht ohne Ironie von einer „Verrentung des Daseins" gesprochen, wie mir scheint, ein recht zutreffender Ausdruck. Ich denke hier vor allen Dingen an die wachsenden Bestrebungen, unseren Herren Studenten — zum Teil auch ohne Rücksicht auf die Einkommen der Eltern — auch in den Semesterferien die Zuschüsse zu gewähren, auf die sie meiner Überzeugung nach nur während ihres Studiums selbst einen Anspruch haben. Dabei wollen wir die Gefahr nicht außer acht lassen, daß die Dozenten und insbesondere die ordentlichen Professoren infolge ihrer Überlastung nicht mehr in dem erforderlichen Maße die Leistungen prüfen können und daß sie aus Mitleid und sonstigen edlen Regungen heraus die Dinge treiben lassen. Auf diese Weise steht dann nicht mehr das eigentliche Honnefer Modell, nämlich die Förderung der Begabung, im Vordergrund, sondern nur noch das soziale Moment. Da erhebt sich die Frage, mit welchem Recht solche Studenten gegenüber den anderen Teilen der Jugend bevorzugt werden.

    (Beifall.)

    Lassen Sie mich weiter das Problem der Krankenhäuser und ihrer Sanierung, auf das gerade in jüngsten Tagen aufmerksam gemacht worden ist, kurz ansprechen. Hier ist ein Bedarf von rund 1 Milliarde DM für die Schaffung der 30 000 fehlenden Krankenhausbetten und ein Rationalisierungsbedarf von rund 12 bis 13 Milliarden DM angemeldet worden, von dem Problem der Aufbringung der Pflegesätze ganz zu schweigen.
    Ferner sind die neu aufgetretenen Forderungen im Zusammenhang mit der Regelung der Wasserwirtschaft zu nennen. Wir wissen, daß wir es hier mit einer Größenordnung von rund 4 Milliarden DM zu tun haben und daß dieses Problem einfach unausweichlich auf uns zukommt, wenn wir der Verschmutzung unserer Gewässer Einhalt gebieten wollen und wenn wir auf der anderen Seite gleichzeitig auch die Schaffung eines hinreichenden Wasservorrates für die weitere Industrialisierung sichern wollen.
    Ein weiteres Problem ist das der Atomenergie und der Bundesbeteiligungen an der künftigen Schaffung von Energiezentralen. Wir sind da in den Erläuterungen des Atomministeriums auf Größenordnungen von 1 Milliarde DM bereits für die nächsten zwei bis drei Jahre gestoßen.
    Dann das bereits sattsam diskutierte Problem des Straßenbaues! Der Herr Bundesverkehrsminister, der ,es überhaupt mit Größenordnungen zu tun hat, um die wir ihn nicht beneiden, hat die Summe von 88,5 Milliarden DM für einen Zehnjahresplan aller Straßen — der Wasserstraßen, der Seestraßen, der Bundesstraßen zu Lande und der Bundesbahn — in die Debatte geworfen. Wenn so große Summen in der Öffentlichkeit genannt werden, habe ich manchmal die Sorge, daß da Hoffnungen geweckt werden, die in den nächsten zehn Jahren unter keinen Umständen erfüllt werden können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Dabei kommt ,das immer dringender an uns herangetragene Problem des europäischen Straßennetzes auf uns zu. Auch hierzu werden Sie am Schluß der dritten Beratung Entschließungen vorfinden, die ich schon jetzt Ihrer Beachtung empfehlen möchte.
    Mit Sicherheit werden wir im Haushaltsjahr 1959 300 Millionen DM mehr für die Rentenreform einstellen müssen, und im Haushaltsjahr 1960 wird es wieder etwas mehr sein. Leider ist im Haushalt 1958 die schon jetzt mit Sicherheit auf uns zukommende Summe von 51 Millionen DM für die Knappschaftsversicherung nicht untergebracht. Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, sie steht noch nicht im Haushalt.
    Ich denke an den erneuten Ansturm des Auslandes auf die natürlich sehr verlockende Gold- und Devisenreserve der Bundesnotenbank der Bundesrepublik. Meine Damen und Herren! Manchmal, muß ich sagen, sind wir doch recht erstaunt, z. B. wenn Staatsmänner vom Format des britischen Premiers MacMillan aus Washington zurückkommen und wenn dann der Bundesrepublik sehr vielsagend zugerufen wird, sie möge sich doch den seit zwei Jahrhunderten erprobten Bankiererfahrungen Englands anvertrauen und dort die Goldvorräte England sozusagen zur bankmäßigen Bewirtschaftung übergeben, das dies doch traditionell besser könne als ,die Bundesrepublik Deutschland.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren! Da kann ich nur sagen, wir haben volles Verständnis für einen solchen Wunsch, aber auf der anderen Seite glauben wir doch, dieser Aufgabe selbst einigermaßen gewachsen zu sein.
    Ich möchte mich hier vor diesem Hohen Hause voll und ganz hinter die Antwort des Bundesnotenbankpräsidenten Blessing stellen, der mit allem Nachdruck darauf hingewiesen hat, daß diese Gold- und Devisenvorräte nicht etwa ein Ausdruck des deutschen Kapitalreichtums sind, sondern umgekehrt ein Ausdruck der deutschen Kapitalarmut.



    Dr. Vogel
    Eine weitere kleine Lawine, die auf uns zurollt: wie steht es mit der Vorfinanzierung der Entschädigung der Heimatvertriebenen? Wie steht es weiter mit den Forderungen der Auslandsgeschädigten, die im Londoner Schuldenabkommen eine Rolle gespielt haben und dort verbrieft sind? Um wieviel werden die Leistungen für die Wiedergutmachung über die hier im Bundestag veranschlagten 8 Milliarden DM hinausgehen? Und dann weiter: Wir hören jetzt von Sozialisierungsplänen, wie sie die IG Bergbau vorgetragen hat. Woher soll die Masse an Kapital zur Entschädigung aufgebracht werden? Der Rundgang durch diese Forderungen wird beinahe zu einer Wanderung in ein Dunkel hinein, das niemand von uns im voraus zu durchdringen und zu überblicken vermag.
    Eines möchte ich hier noch vor allen Dingen an die Adresse auch der Entwicklungsländer sagen. Wir haben uns im Haushaltsausschuß zweimal über die Ausleihungen der Bundesrepublik an die Entwicklungsländer unterrichten lassen. Das sind viele Milliarden. Wir wissen, wie prekär die finanzielle Situation in sehr vielen dieser Schuldnerstaaten geworden ist. Wir wissen auch, welch außergewöhnliche Maßnahmen die Bundesrepublik ergreifen mußte, um diesen Ländern finanziell unter die Arme zu greifen. Aber auf der anderen Seite möchte ich mich mit allem Nachdruck hinter die Forderung stellen, die gerade die deutschen Bankiers auch international zur Geltung gebracht haben. Wenn auf der einen Seite die Entwicklungsländer aus sehr guten Gründen an uns herantreten und
    uns bitten, ihre vielen großen Vorhaben zu finanzieren, dann dürfen wir und mit uns auch die anderen Gläubigerländer mit Recht eine größere Anstrengung als bis jetzt in der Sicherung unseres privaten Eigentums im Ausland erwarten; denn von uns Leistungen aus unserem Volksvermögen, aus unseren Ersparnissen heraus zu erwarten, ohne uns auf der anderen Seite ,die Gewähr der Sicherung dieser Ersparnisse bei Ausleihung zu geben, das ist nicht vertretbar.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang, weil ich gerade von dem Problem der Sozialisierungsforderung gesprochen habe, ein persönliches Wort sagen. Es sind in letzter Zeit im Haushaltsausschuß Bemerkungen gemacht worden über eine angeblich bevorstehende Sozialisierung der Hibernia, der PREUSSAG und möglicherweise auch der Saargruben. Ich kann hier für meine Person und wohl auch für sehr viele meiner Freunde sagen, daß davon gar nicht die Rede sein kann.

    (Zurufe von der Mitte: Sehr richtig!)

    Dagegen möchte ich noch einmal mit Nachdruck herausstellen: Im Bundesvermögen befinden sich Hunderte von kleinen Gesellschaften, deren Existenz in Bundeshand im Grunde keine Bedeutung hat und von denen sich der Bund sehr gut trennen könnte und auch schnell trennen sollte, sofern er ernste Angebote erhält und nicht solche von jenen zahllosen, die glauben, sich auf Kosten des Bundes sehr schnell bereichern zu können. Aber diese Aufgabe kann, glaube ich, mit Erfolg von dem neuen Ministerium Lindrath bearbeitet werden.
    Ich möchte jetzt noch einen Blick auf den Konzentrationsprozeß in der Schwerindustrie werfen. Dieser Prozeß greift heute schon auf die weiterverarbeitende Industrie über. Er ist durch unsere jetzige Steuergesetzgebung unbestreitbar begünstigt worden und bereits an einem Punkt angelangt, wo wir uns ernsthaft fragen müssen, ob eine noch stärkere Zusammenballung im volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse liegt.
    Ich sehe hier zwei Parallelentwicklungen vor mir, die zu einer ernsthaften Bedrohung gerade des Rückgrates der deutschen Wirtschaft, nämlich der mittleren und kleineren Unternehmungen, führen, und diese Unternehmungen sind immer noch der Kern der deutschen Wirtschaft; das möchte ich ausdrücklich betonen. Wenn man z. B. auf der einen Seite sieht, wie die mittleren und kleinen Betriebe von oben herunter aufgekauft werden, wie sich aber auf der anderen Seite ein paralleler Prozeß von unten herauf entwickelt, wird man ernstlich besorgt sein müssen. Nehmen Sie z. B. Verbände, die die Organisation des Einkaufes für den Kleinhandel in die Hand genommen haben, und zwar mit Erfolg; eine durchaus wünschenswerte Aufgabe! Aber was zeitigt sie häufig? Diese großen Einkaufsverbände gehen doch mehr oder weniger zu einer Typenbereinigung über. Sie kaufen bei immer weniger Firmen, und bei je weniger Firmen sie kaufen, desto stärker fördern sie gerade die Konzentration, die im Interesse des Mittelstandes gar nicht erwünscht ist.
    Nun noch ein Wort zu unserer Konjunkturlage, die wir stets beachten. Wir setzen unsere gesamten Hoffnungen auch bei der Durchführung des Haushaltsplans 1958 und mehr noch des Haushaltsplans 1959 auf den Fortgang der Konjunktur. Ich glaube, daß wir alle uns in dieser Beziehung völlig einig sind.
    Eine Bemerkung jedoch zu den Verlagerungen innerhalb der deutschen Haushalte. Das ist ein Problem, das eine immer größere Bedeutung gewinnt. Aus den letzten Mitteilungen, die wir über die Entwicklung der Ausgaben des durchschnittlichen Vier-Köpfe-Haushaltes in Deutschland erhalten haben, haben wir festgestellt, daß im Jahre 1957 die Ausgaben für Ernährung um 4,4 % gegenüber 1956 gestiegen sind, die Ausgaben für Bildung und Unterhaltung um 14 %, die Ausgaben für Hausrat um 19 % und die Ausgaben für Reisen um 35 %.
    Hier, meine Damen und Herren, sehen Sie einen Trend, mit dem wir alle uns in Zukunft ernstlich befassen müssen.
    Aber inmitten dieser gesamten Entwicklung, die uns manchmal mit großer Sorge erfüllt, gibt es in der weiteren Steigerung der Ersparnisse einen sehr erfreulichen Lichtblick. Die Tendenz, die sich im Vorjahr angebahnt hat und die zu einer so erstaunlichen Steigerung des Sparkapitals geführt hat, hat nach dem Monatsbericht der Bundesnotenbank im ersten Halbjahr 1958 weiter angehalten. Zwar liegen die Prozentsätze der Sparbeträge noch nicht so hoch wie in England, aber sie sind nahe daran. Der



    Dr. Vogel
    Diskontsatz ist jetzt auf 3 % herabgesetzt worden. Wir haben jetzt einen 6%igen Pfandbrief, und wir sehen die reibungslose Unterbringung der Anleihen nicht nur der Industrie, sondern auch der Bundesbahn, der Bundespost, der Kommunen und der Länder.
    Auf der anderen Seite wollen wir uns keineswegs einer Steigerung des Bargeldumlaufs in Deutschland verschließen. Damit komme ich zu einem der wichtigsten Probleme, das überhaupt im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt anzusprechen ist. Dieser Umlauf einschließlich der Sichteinlagen wuchs 1956 nur um 2,2 Milliarden DM, 1957 aber um über 4 Milliarden DM, und sein Wachstum hält im Jahre 1958 weiter stark an. Das ist eine Angelegenheit, die wir niemals aus dem Auge verlieren dürfen. Wenn sich zwischen dem wachsenden Verbrauch auf der einen Seite und der Leistung pro Arbeitsstunde und pro Beschäftigten auf der anderen Seite langsam, aber sicher eine Schere öffnet, dann werden für die Stabilität der Währung, völlig unabhängig von noch so energischen Maßnahmen der Bundesnotenbank und des Bundesfinanzministers, Gefahren ausgelöst, auf die führende Finanz- und Währungsexperten in immer eindringlicherer Form bereits hingewiesen haben.
    Die Aufrechterhaltung der Stabilität der Währung liegt heute nicht mehr allein hei der Bundesnotenbank oder beim Bundesfinanzminister, sondern sie liegt ebenso stark auch in den Händen der Sozialpartner.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte hier einen Aufsatz unseres verehrten Kollegen Professor Baade ansprechen. den er in Nr. 12 der „Versicherungswirtschaft" aus Anlaß des Zehnjahrestages der Währungsreform unter der Überschrift „Die Verantwortung der Sozialpartner für die Stabilität der Währung" geschrieben hat. Er hat hier einige goldene Worte zu diesem Problem gesagt. Ich möchte sie dem Hohen Hause nicht vorenthalten:
    Wenn man das alles richtig wertet,
    - ich komme darauf noch zu sprechen —kann kein Zweifel daran sein, daß das stärkste Wachstum des Sozialprodukts und damit das stärkste Wachstum des Reallohns erzielt werden kann, wenn die Gewerkschaften aus eigener Einsicht eine Lohnpolitik betreiben, die eine lohninduzierte Inflation vermeidet, d. h. wenn sie auf Lohnsteigerungen verzichtet, die über das hinausgehen, was aus der Steigerung der Produktivität ohne Preissteigerung verkraftet werden kann. Ein von dieser Einsicht geleitetes Verhalten würde entscheidend dazu beitragen, das aufstiegdrosselnde Instrument der Verteuerung der Kredite entbehrlich zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich empfehle diesen Aufsatz Ihrer aller Beachtung, da in ihm gerade auch eine Reihe von Prämissen enthalten sind, die das Verhalten der Gewerkschaften stützen sollen.
    Ich kann jedoch mit vielem, was Herr Professor Baade weiter ausgeführt hat, nicht einig gehen, vor allen Dingen seine alte Theorie nicht annehmen, daß auch die Auflösung des sogenannten Juliusturms zu einer Geldwertminderung geführt habe, denn angesichts eines Sozialprodukts von über 200 Milliarden DM macht die auf drei Jahre verteilte langsame Auflösung der Kassenreserven wirklich nicht das aus, was man ihr häufig in die Schuhe schiebt.
    Außerdem scheint mir ein anderes Verfahren, das hier empfohlen worden ist, nämlich die Bildung von neuen Budgetüberschüssen — England und die Vereinigten Staaten sind ein Beispiel dafür —, in Deutschland kaum praktikabel zu sein, ganz abgesehen davon, daß eine solche Finanzpolitik auch in diesen Ländern eine Stabilität der betreffenden Währungen nicht gewährleistet hat.
    Aber nun komme ich zu einem entscheidenden Argument. Was wird uns denn als Ausgleich, auch als Begründung für die Anträge der Opposition, empfohlen? Es ist doch einfach die Kürzung des Verteidigungshaushalts. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allen Dingen auch von der Opposition, warten Sie bitte einmal ab, mit welchen neuen Forderungen unsere Bündnispartner im Laufe dieses Jahres und der nächsten Jahre an uns herantreten werden!

    (Zurufe von der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, man kann nicht bei internationalen Verträgen mithaften, wenn man nicht auf der anderen Seite bereit ist, sie auch dann zu erfüllen, wenn es sehr unangenehm ist, sie zu erfüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man kann nicht erklären: wir stehen zu diesen Verträgen, und diese Verträge sind „kein Fetzen Papier" — um es wörtlich zu zitieren —, ohne daß man auf der anderen Seite bereit ist, die Konseguenzen daraus zu ziehen, mögen sie für uns und unseren Haushalt auch noch so unangenehm sein.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. - Zuruf von der SPD: Übertreibung!)

    — Über die Verteilung können wir miteinander sprechen; darüber reden wir jetzt schon seit Jahren. Aber zu sagen, daß die jetzigen Ausgaben eine Übertreibung gewesen seien. meine Damen und Herren, das nimmt Ihnen doch international niemand ab.

    (Wiederholter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir kommen auch nicht umhin, uns bei der Betrachtung dieses Problems einmal in der Welt etwas zu orientieren. Es wird wohl niemanden, der in der Außenpolitik ernst genommen werden will, mehr geben, der behauptet, die „Tauwetterperiode im Osten" halte heute noch an. Wer z. B. die Aufsätze eines solchen Kenners wie Hermann Pörzgen in der FAZ in letzter Zeit gerade aus Anlaß der Bluturteile in Ungarn gelesen hat, der findet dort ein Material zusammengetragen, an dem niemand von uns vorbeigehen kann. Längst bevor diese Schrekkensurteile in Ungarn bekannt wurden. erfuhren wir, daß bereits am 25. Mai acht führende Funktionäre in Rotchina wegen ,.Abirrung von dem rechten Wege" hingerichtet worden waren, trotz der Hun-



    Dr. Vogel
    dert-Blumen-Rede eines Mao Tse-tung, die wir vorher gehört hatten. Immer mehr gewinnt in uns die Vermutung Boden, daß die ganze antistalinistische Rede Chruschtschows ebenso wie das Vorgehen von Mao Tse-tung — von dem wissen wir es — vielleicht überhaupt nur dazu gedient hat, unvorsichtige, aber charaktervolle Kritiker aus ihrer Reserve herauszulocken, um sie nachher desto kaltblütiger liquidieren und das rote diktatorische System verankern zu können. Jedenfalls. können wir das auf keinen Fall von der Hand weisen. Wenn es aber so ist, dann wird das Problem der Sicherung unserer Bundesrepublik nach wie vor das entscheidende Problem sein, mit dem wir es hier zu tun haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich kann mir in diesem Zusammenhang eine weitere Frage nicht verkneifen. Kann es sich die Sowjetunion, gerade nach den Armeemanövern an der polnischen Grenze — wir hörten nachher die erneute Rede von Gomulka —, leisten, die Satellitenstaaten atomar auszurüsten, ohne Gefahr zu laufen, daß ihre Panzerarmeen von heute auf morgen entwertet werden, wenn einmal atomare Waffen bei diesen Armeen gelagert sind? Ich will hier nicht näher auf die Geschichte mit Richard Crossman eingehen, die neulich in der „Welt" erwähnt worden ist. Ich will auch nicht sein Dementi näher prüfen, darf aber vielleicht den Satz zitieren, den die polnische Zeitschrift „Kultura" in Paris — nicht etwa bei uns — gedruckt hat. Dort war die Rede davon, daß Chruschtschow zu Richard Crossman gesagt habe, mit einer Bundesrepublik mit einer atomar aufgerüsteten Bundeswehr müsse sehr gründlich verhandelt, selbst auf Kosten großen Entgegenkommens verhandelt werden. Ich will das hier nicht näher erörtern; aber nach den jüngsten Informationen, die ich erhalten habe, scheint es doch so zu sein, als ob dieses Dementi von Grossman ein politisches Dementi gewesen ist. Wir sollten dieser Sache noch einmal nachgehen. Aber wie dem auch sei, die Tauwetterperiode ist vorbei.
    Die 11 Milliarden DM, die im Bundeshaushalt für Verteidigung stehen, werden so oder so, jedenfalls in den nächsten Haushaltsjahren, nicht zur Deckung irgendwelcher anderen Ausgaben herangezogen werden können, seien sie auch noch so begründet und noch so anerkannt, auch von unserer Seite.
    Ich habe hei der Einbringung dieses Haushalts bereits einmal an die Opposition die Bitte gerichtet, man möge sich doch auf dem Stuttgarter Parteitag definitiv darüber klarwerden, wie die Haltung der Opposition zum Verteidigungsproblem überhaupt sei.

    (Abg. Jacobs: Wir sind nicht so wankelmütig wie Adenauer!)

    — Herr Jacobs, wir haben von Ihrer Seite ein Ja zur Verteidigung gehört, aber das, was vorher in der Presse angekündigt worden war und was wir wirklich ehrlich erhofft hatten, nämlich ein dezidiertes Programm mit Zahlenangaben, das haben wir in Stuttgart auch diesmal nicht gehört.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich glaube, es genügt nicht, die Verteidigung als solche zu bejahen, sondern es ist die staatspolitische Pflicht einer .großen Partei — und Sie sind eine große Partei —, dem deutschen Volk zu sagen, was diese Partei dafür bewilligen will. Das ist ein Problem, das einfach auf die Dauer nicht umgangen werden kann. Denn die Bundeswehr — das ist unser aller Überzeugung — muß sich jenseits der Parteien auf dem gemeinschaftlichen Willen des ganzen deutschen Volkes aufbauen, wenn sie einen Sinn haben soll.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich möchte das Problem nicht vertiefen, ohne gleichzeitig die Frage nach der Autorität, die die Bundesrepublik sich in den letzten Jahren schaffen konnte, und nach der Entwicklung dieser Autorität aufzuwerfen. Ich habe nicht ohne großes Interesse einen Aufsatz des nicht bei uns stehenden früheren Ministers Dr. Rudolf Zorn gelesen, der die bezeichnende Überschrift trug: „Auch 'die Demokratie braucht Autorität".

    (Beifall in oder Mitte.)

    Wir haben gemeinschaftlich eine Verfassung beschlossen.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben die Verfassung mit beschlossen, nicht nur wir allein! In dieser Verfassung ist für eine stabilere Regierung als in vielen anderen Ländern Sorge getragen worden. Aber es kommt nicht allein auf die Stabilität der Regierungen an, es kommt in gleicher Weise darauf an, ob jede derartige Regierung sich auch im Volk die notwendige Autorität verschaffen kann. Ohne eine solche Autorität kann eine parlamentarische Demokratie auf die Dauer gesehen nicht existieren.
    Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren von der Opposition, noch eine kleine Zwischenbemerkung. Sie haben sich in der vergangenen Woche mit einem Eifer, der einer größeren Sache würdig gewesen wäre, bemüht, bei der Beratung des Einzelplanes des Bundeskanzlers dem Herrn Bundeskanzler einen Zahn zu ziehen. Ich vermute, es sollte der Weisheitszahn sein, an den Sie sich da herangemacht haben. Ob es nun der Kollege Kühn war, der sich mit einer kunstvoll geschürzten Roßhaarschlinge an die Arbeit machte, oder Herr Kollege Arndt mit einer präzise gehandhabten elektrischen Bohrmaschine oder am Schluß Herr Kollege Neumann mit einem Brecheisen — stand dieser Aufwand, vier Stunden hindurch, tatsächlich in irgendeinem Verhältnis zu dem Gegenstand, um den es sich hier gehandelt hat?

    (Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren! Auch der deutsche Bundeskanzler und seine Autorität sind Dinge, die man nicht ohne Not in den Augen des deutschen Volkes herabsetzen sollte.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Dr. Vogel
    Denn dieses Volk bedarf dringender denn je einer
    Autorität und eines klaren, zielbewußten Willens.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Mommer: Der Bundeskanzler setzt selbst seine Autorität herab durch seine Methoden!)

    Ich möchte 'das hier nur einmal als Zwischenbeispiel aufgerufen haben, wir wollen den Fall nicht vertiefen. Aber, Herr Kollege Mommer, es besteht aller Anlaß dazu, auch von Ihrer Seite sich zu überlegen, wie notwendig es auch für eine Partei wie die Ihre ist, Autorität zu gewinnen, nicht nur für uns.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.-Zuruf von der SPD: Sagen Sie das Ihrem Kanzler für die Wahlversammlungen!)

    — Ja, in Wahlzeiten haben wir unsere Sonderprobleme, auch in diesem Hause, und nicht nur von unserer Seite aus, sondern genauso von Ihrer Seite aus.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, auf einige wirkliche Probleme zu sprechen kommen, mit denen auch die Regierung Adenauer zu kämpfen hat, auf echte Probleme und nicht derartige, ich möchte sagen, Lappalien, mit denen uns hier vier Stunden lang die Zeit genommen worden ist. Lassen Sie uns einmal auf das Problem des Nebeneinander der Ressorts eingehen. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik; aber seine Ressortminister haben eine Selbständigkeit, die, glaube ich, in der deutschen Öffentlichkeit im allgemeinen nicht so beachtet wird, wie sie in der Verfassung verankert ist. Man macht den Herrn Bundeskanzler als den die Richtlinien der Politik Bestimmenden häufig genug für Dinge haftbar, für die er gar nicht persönlich haftbar gemacht werden kann. Die Frage der Koordinierung auch innerhalb der Bundesregierung ist eine sehr ernste Frage, sie sollte uns jenseits des Parteienstreites beschäftigen. Wir möchten den Wunsch aussprechen, daß sich der Herr Bundeskanzler mit seiner staunenswerten Energie auch an die Lösung dieses Problems heranmacht und daß wir hier zu einer Lösung von Fragen kommen, die wir in einer ganzen Reihe von Einzelaspekten bis jetzt als nicht befriedigend gelöst angesehen haben. Ich nenne z. B. nur das Problem der Wasserwirtschaft, ich nenne das Problem des Verhältnisses zu den europäischen Behörden, der Federführung der einzelnen Ressorts, um nur die wichtigen Probleme herauszugreifen.
    Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben von jeher auf dem Standpunkt gestanden, daß im Gegensatz zu anderen Ländern die Bundesregierung nicht ein Exekutivausschuß der Mehrheitsparteien dieses Hohen Hauses ist. Die Regierung ist nach der Verfassung mehr. Die Scheidung zwischen Exekutive und Legislative ist im Grundgesetz klar ausgesprochen. Aber wenn das so ist, dann muß das Bewilligungsrecht der Legislative gegenüber der Exekutive auch von seiten der Exekutive völlig unangefochten bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Der Haushaltsausschuß insbesondere ist dankbar, daß er als der wichtigste Exponent dieses unabdingbaren Bewilligungsrechtes dabei das ganze Hohe Haus hinter sich weiß. Der Haushaltsausschuß muß die Kraft und den Willen zu einem eigenen Urteil gegenüber der Verwaltung aufbringen. Resignieren wir bei dieser Aufgabe, dann streckt das Parlament die Waffen vor der Verwaltung.


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es kommt mir wirklich darauf an, bei dieser Schlußbetrachtung in der dritten Lesung des Haushalts als eines Kernstücks der parlamentarischen Arbeit nicht nur das herauszustellen, was uns trennt, sondern auch das herauszustellen, was, wie ich glaube, uns alle in diesem Hause eint. Unsere Arbeit wäre vergebens gewesen, wenn die nach uns kommende Generation, wenn die Jugend nicht das Gefühl hätte, daß sie auch mit dem Herzen, nicht nur mit dem Verstande zu diesem von uns hier aufgebauten Staate stehen könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sollten uns, glaube ich, ein wenig mehr auch bei den Beratungen hier vor Augen halten, daß es nicht so sehr darauf ankommt, wogegen man diese Jugend beeinflussen soll, sondern daß man ihr beibringen sollte, wofür sie sich einsetzen soll.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das furchtbar zynische Wort von Karl Bednarik, der nicht einer von den Unseren ist, steht im Raum, daß die deutsche Jugend angeblich nur auf die Barrikaden zu gehen entschlossen wäre, wenn „die Kinos einmal geschlossen würden". Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinschaftlich dafür sorgen, daß dieses Wort niemals Wirklichkeit wird. Lassen Sie uns gemeinschaftlich dafür sorgen, daß die nach uns Folgenden den Eindruck haben: die großen Opfer, die hier gebracht worden sind, sind nicht vergeblich gebracht worden. Es fällt mir wahrlich nicht leicht, angesichts dieses weißen Nelkenstraußes, auf dem Pult vor mir heute als erster zu sprechen, wenn jeder von uns weiß und sich vor Augen hält, daß unter Umständen das, was hier an Kraft, an Gesundheit und an Lebensdauer geopfert worden ist, vielleicht einmal umsonst geopfert sein könnte. Geben wir unserem Volke — und damit möchte ich schließen — Hoffnung und bemühen wir uns nicht, die ohnehin schon zutiefst verankerte Daseinsangst in diesem Volke noch weiter zu vertiefen, durch welche Aktion es auch immer sein mag.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein Volk, das seine politische Existenz auf Angst aufbaut, kann inmitten der Gefahren der Zukunft keinen Existenzkampf führen. Deswegen mein Appell an Sie und an das ganze Hohe Haus: Sorgen Sie dafür, daß wir stetig, aber nicht stur, diesen Weg der Hoffnung und der Zuversicht gemeinsam weitergehen, damit wir denen, die nach uns folgen, einen geordneten und sicheren Staat hinterlassen können.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Vogel sprach am Schluß seiner Darlegungen von dem, was uns eint. Ich kann bestätigen, daß uns Mitglieder aller Fraktionen im Haushaltsausschuß geeint hat der Wille zum gemeinsamen Dienst am gemeinsamen Wohl und die Bereitwilligkeit, alle Kraft einzusetzen und hinzugeben, um das zu tun, was Volk und Staat von uns verlangen können. Aber auch mir geht es angesichts des Blickes auf diesen Abschiedsstrauß für einen der Unseren so wie Herrn Dr. Vogel. Ich möchte sagen: die Toten mahnen. Wir können uns übernehmen, und wir übernehmen uns; wir haben uns schon übernommen. Wenn ich allein die Liste der Kranken des Haushaltsausschusses betrachte, an der Spitze unser Vorsitzender Herr Kollege Schoettle, wenn ich daran denke, daß auch unser erster Assistent gegen Ende der Etatberatungen zusammengebrochen ist und sich in einem sehr ernsten Zustand befindet, wenn ich um die Schwierigkeiten gesundheitlicher Art weiß, die den einen oder anderen jetzt schon überkommen und überfallen haben, dann weiß ich um den Ernst der Situation.
    Aber Herr Dr. Vogel sprach auch von dem Wunsch, daß wir — wir, die Jetzigen — unseren Nachkommen einen Staat der Ordnung und einen Staat überlassen, dessen Finanzen in Ordnung sind Meine Damen und Herren, hier trennen sich unsere Wege in der Betrachtung dessen, was ,der eine oder der andere unter Ordnung versteht; hier trennen sich unsere Wege ebenso wie in ,der Beurteilung, Herr Kollege Dr. Vogel, der anderen Frage. Sie sagten, daß eine Autorität auch im demokratischen Staat notwendig sei. Im Grunde bejahen wir das, aber es handelt sich nicht allein um das Vorhandensein einer Autorität. Es handelt sich auch um den Willen der Autorität, sich der notwendigen Kontrolle durch die Volksvertretung zu unterziehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das zu betonen ist das Recht der Opposition, das zu verlangen ist das Recht des ganzen Volkes. Ich habe seit vielen Jahren den Eindruck, daß der für die Führung der Politik in ,der Bundesregierung verantwortliche Herr Bundeskanzler in Fragen der Autorität oftmals — und wenn man ein feines Ohr hat, hört man auch das leise Stöhnen aus Ihrer Fraktion — nicht nur das Parlament und vor allem uns in der Opposition überfordert, sondern auch seine Freunde, und ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler das selber sehr, sehr deutlich weiß und spürt.
    Nun, was uns eint und was uns trennt, zeigen die Auseinandersetzungen, die sich im Laufe der Etatberatungen schon entwickelt haben und die sich in der dritten Beratung noch weiter entwickeln werden.
    Meine Damen und Herren, wir haben jetzt über einen sogenannten Überrollungshaushalt zu entscheiden, einen Haushalt, der in seiner ganzen Aufmachung und nach dem ganzen Tempo, in dem er erledigt wurde, praktisch eine Schmälerung der Rechte des Parlaments darstellt. Darüber kann es für jeden Gutgläubigen und Gutwilligen in der Beurteilung der Situation überhaupt keine Zweifel geben. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Was sich an Schmälerung der Rechte des Parlaments aus dieser Haushaltsberatung praktisch ergeben hat, bedeutet eine Stärkung der Rechte der Bürokratie, der hohen Bürokratie. der Herren Minister und ihrer nächsten Mitarbeiter. Das zeigt sich auch hier. Betrachten Sie den Verlauf der zweiten Beratung, betrachten Sie den Zeitplan für die dritte Beratung, dann erkennen Sie, daß auch das Plenum unter dem Diktat einer Zeitnot steht, die der Sache nicht gut bekommt und letzten Endes der Sache auch nicht würdig ist. Wie richtig wäre es, wenn wir Position für Position kapitelweise in den einzelnen Haushalten kritisch beleuchteten! Ich bin überzeugt davon, daß dann mehr noch als im Haushaltsausschuß manches, gerade weil es öffentlich erörtert würde, dem Rotstift zum Opfer fiele, und das bekäme der Endsumme des Haushalts sehr gut. Jeder Bauer weiß, auch Kleinvieh macht Mist.
    Die Frage dieses Überrollungshaushalts führt zu dem Problem zurück, ob die Art überhaupt richtig ist. Da man nach Jakob Burckhardt aus der Erfahrung für das nächste Mal klüger werden soll, möchte ich die Frage aufwerfen, ob wir — hoffentlich kommt es nie wieder so — nicht schon für den Haushalt 1958 klüger getan hätten, den. Haushalt 195'7 zur Gänze zu überrollen und 1958 die notwendigen Änderungen in einem Nachtragshaushalt auszubringen. Herr Kollege Dr. Vogel hat zu Recht das, worüber wir schon früher gesprochen haben — ich darf an die Ausführungen des Kollegen Schoettle erinnern —, hier zur Sprache gebracht: den Zweijahreshaushalt und die Angleichung des Haushaltsjahres vom 1. April bis zum 31. März an das Kalenderjahr. Die Regierung müßte sich verpflichtet fühlen, dem Haushaltsausschuß über diese Fragen nach Anhörung der Länder in aller Gründlichkeit tatsächlich eine Vorlage zu machen, damit wir dann das Für und Wider eingehend durchsprechen und zu einem Beschluß des Plenums kommen können.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat sich in seiner Rede vor dem Hohen Hause am 16. April der schönen Hoffnung hingegeben — ich zitiere aus dem Protokoll —:
    Damit wären wir dann wieder im normalen Rhythmus der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes.
    Er meinte, das wäre der Fall, wenn der Haushalt. 1959 so vorgelegt wird, wie er es angekündigt und in Einzelheiten vor dem Haushaltsausschuß dargelegt hat. Meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister irrt. Das ist kein ordnungsgemäßer Rhythmus. Es ist zwar ein Rhythmus, aber ein falscher Rhythmus. Wenn wir den Haushalt erst im Dezember hier zu ersten Beratung bekommen und wenige Tage vor Weihnachten mit tier Beratung im Haushaltsausschuß beginnen können, dann ist das kein normaler Rhythmus, dann ist das keine Garantie für die im Grundgesetz vorgeschriebene ordnungsgemäße Verabschiedung des Haushalts für das kommende Jahr zur rechten Zeit.



    Ritzel
    Um nun hier zu helfen, möchte ich — ohne Anspruch darauf zu erheben, daß das der Weisheit letzter Schluß sei — der Regierung für den Haushalt des Jahres 1959 eine Anregung geben. Ich könnte mir gut vorstellen, daß es möglich wäre, vorbehaltlich gewisser Korrekturmöglichkeiten im Haushaltsentwurf für 1959 lediglich die sachlichen Titel neu zu bestimmen und die persönlichen Titel — also in jedem Einzelplan die Titel von Tit. 101 an — aus dem Haushalt 1958 unverändert in den Haushalt 1959 einzusetzen, also zu überrollen, aber noch vor dem 1. Juli 1959 einen Nachtragshaushalt mit den erforderlichen Änderungen auf dem Gebiet der Personaltitel einzubringen. Damit wäre gar kein Unglück geschehen, es wäre aber eine saubere und glatte Möglichkeit einer rechtzeitigen Verabschiedung des Haushalts 1959 durch den Haushaltsausschuß und das Hohe Haus gegeben, und es wäre ohne Schädigung irgendwelcher Interessen die dann folgende Beratung eines Nachtragshaushalts in der Zeit zwischen den Osterferien und dem 1. Juli möglich. Ich glaube, das ist ein Vorschlag, der der Überlegung wert wäre.
    Nun zu dem heute zur Debatte stehenden Haushalt selber. Ich kann Herrn Kollegen Dr. Vogel nicht folgen, wenn er - er hat es nicht so formuliert — die Meinung vertrat, es handele sich, abgesehen von den 3 Milliarden DM, die aus Resten hineinkamen, im übrigen um einen akzeptablen Haushalt. Es handelt sich vor allem um keinen Haushalt der Stabilität. Man hat diesen Haushalt ja wiederholt hier und in der Presse einen „Haushalt am Rande des Defizits" genannt. Wenn wir ehrlich sind, meine Damen und Herren, dann müssen wir sagen: Es ist ein Haushalt des Defizits, es ist ein defizitärer Haushalt. Ich möchte die Regierungsparteien und die Regierung auch vor einer ständigen Wiederholung der Außerkraftsetzung des § 75 der Reichshaushaltsordnung im Haushaltsgesetz warnen.
    Wenn wir von der Opposition zu dem Haushalt Stellung zu nehmen haben, dann geschieht das natürlich auch von einer anderen Warte aus, als Sie von der Koalition es tun. Wir empfinden den Haushalt in weiten Teilen nicht als gerecht, wir empfinden ihn auch in weiten Teilen nicht als wahr und in weiten Teilen nicht als klar. Das wird der Verlauf der dritten Beratung — ab heute — wohl noch zeigen. Ich darf Sie, was mangelnde Klarheit und mangelnde Wahrheit angeht, nur an die sehr, sehr lückenhafte Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion über die finanziellen Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt, Drucksache 195, erinnern. Dort sind Fragen wie die der Kosten für die atomare Aufrüstung, wie die der Kosten für ausreichende Vorräte für den Kriegsfall, wie die der Kosten für den Luftschutz und sonstige Notstandsmaßnahmen durchaus offengeblieben, um zu einer nicht zutreffenden Summe der Aufwendungen von damals angegebenen 52 Milliarden DM zu kommen. Für uns sind zahlreiche Ansätze im neuen Haushalt ungenügend. Ich nenne Ihnen als Beispiel die Tatsache, daß man die unabweisbare Steigerung der
    Leistungen der Kriegsopferversorgung im Haushalt umgeht. Man hat sogar mit Rücksicht auf die durch Todesfälle und durch Wegfall von Waisenrenten naturnotwendig eintretende Verringerung der Zahl der Bezieher von Kriegsopferversorgung die Mittel reduziert. Ich erinnere Sie an unser Unbefriedigt-sein in bezug auf den ungenügenden Schutz der zivilen Bevölkerung, auch den Schutz vor radioaktiven Strahlen. Ich erinnere Sie — wir werden Gelegenheit haben, in der dritten Beratung dazu trotz allem noch einmal Stellung zu nehmen — an unser Unbefriedigtsein über den Mitteleinsatz des Bundes zur Bekämpfung der Schulraumnot, zur Überwindung der Schulraumnot als einer Kriegsfolge, die ja nach dem Grundgesetz vom Bund zu tragen, mindestens mitzutragen sind. Ich erinnere Sie an das Problem der Krankenhäuser im Rahmen der zivilen Notstandsplanung. Ich erinnere Sie an den Wohnungsbau. Was hat dieses Haus in den zwei Jahren sich an Ablehnungen auf diesem Gebiet geleistet! Sie können von uns nicht verlangen, daß wir mit dieser Mehrheitsentscheidung zufrieden sind, daß wir einverstanden sind, daß wir einem solchen Haushalt unsere Zustimmung geben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich möchte in einer Spezialangelegenheit an dieser Stelle eine nicht neue Frage an den Herrn Bundesfinanzminister richten. Ich habe diese Frage schon einmal gestellt. Ich bin mit ihrem Verhalten, Herr Bundesfinanzminister, unzufrieden. Sie haben in der zweiten Beratung diese Frage unbeantwortet gelassen. Ich frage erneut: Herr Bundesfinanzminister, werden Sie in der Lage sein, die in den außerordentlichen Haushalt verwiesenen Straßenausgaben aus dem außerordentlichen Haushalt zu bedienen? Ich frage Sie erneut, Herr Bundesfinanzminister, und ich bitte heute um eine Antwort: sind Sie bereit, die bis jetzt auf 6 % — in Kürze vielleicht auf mehr bestimmte Kürzung aller Ausgaben durch das Haushaltsgesetz bei den Straßenausgaben nicht in Anwendung zu bringen? Ich glaube, die Öffentlichkeit hat ein sehr lebhaftes Interesse an einer positiven Antwort des Herrn Bundesfinanzministers auf diese Fragen. Noch eine dritte Frage, Herr Bundesfinanzminister, auf die in der zweiten Beratung keine Antwort gegeben wurde: Sind Sie bereit, mit Klauen und Zähnen zu verteidigen, daß gegenüber dem Verteidigungsministerium der Rückverrechnungstitel unter 222 der einzelnen Haushalte aufrechterhalten bleibt, damit nicht andere Haushalte noch überdies für die Zwecke und Bedürfnisse des Verteidigungshaushalts herhalten müssen?
    Der Herr Kollege Vogel sprach im Zusammenhang mit den Problemen „Reste, Bildungsermächtigungen und Kontrolle" von einer notwendigen Warnung — so habe ich es aufgefaßt — an die Opposition, nicht durch Anträge die Dinge noch weiter zu erschweren. Ich glaube nicht, Herr Kollege, daß unsere Anträge dazu geeignet sind, die Lösung der Frage der Kontrolle oder der Bindungsermächtigungen — von den Resten in dem Zusammenhang ganz zu schweigen — irgendwie dann zu gefährden und zu erschweren, wenn auf dem Ge-



    Ritzel
    biete des Willens und der Organisation genügend Garantien gegeben sind, um einem von uns erhofften Beschluß des Hohen Hauses Achtung zu verschaffen. Sie können die Dinge auf dem Gebiet der da und dort zu beobachtenden Leistungsunfähigkeit einzelner Landesverwaltungen — beispielsweise auf dem Gebiet der Straßen — nicht verallgemeinern und als Warnzeichen gegenüber Anträgen der Opposition benutzen, die sich nun einmal aus der Einstellung der Opposition zu Ihrer Etatpolitik, meine Damen und Herren von der Koalition, zwangsläufig ergeben müssen.
    Sie haben davon gesprochen, daß wir 8,3 Milliarden DM Reste haben. Von diesen 8,3 Milliarden DM Reste entfallen allein auf den Einzelplan 14, den Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums, 5,4 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Solange der Juliusturm bestand, waren die vom Parlament bewilligten, von der Verwaltung aber nicht ausgegebenen Mittel, also die Reste, tatsächlich vorhanden; aus ihnen konnten dann noch Ausgaben erfolgen.
    Inzwischen hat sich einiges geändert. Inzwischen wurde der Kassenbestand in seiner vollen Höhe für andere Zwecke verwendet, ,so daß jetzt Reste ohne Gegenwert, also ohne Deckung vorhanden sind, und zwar in der vorhin angegebenen Höhe von 5,4 Milliarden beim Verteidigungshaushalt und von 8,3 Milliarden im gesamten Haushalt. Diese Reste zu liquidieren, zu töten, wie die Sprachregelung im Finanzministerium lautet, ist nach unserer Auffassung eine wichtige Voraussetzung — darin sind wir mit Ihnen einer Meinung — für eine gesunde und verantwortungsbewußte Haushaltsführung. Dieses Töten der Reste ist um so leichter, als die allein im Verteidigungshaushalt enthaltenen 5,4 Milliarden Ausgabereste zum größten Teil aus globalen Bewilligungen datieren, für die in erheblichem Umfang noch keine Verpflichtungen eingegangen sind, wobei die Gefahr besteht, daß sie möglicherweise für andere Zwecke ausgegeben werden als die, für die sie bewilligt wurden. Die Forderung, die wir erheben, ist, daß die Ansätze im Verteidigungshaushalt neu veranschlagt und beschlossen werden, daß also die in nicht verbrauchten Resten enthaltenen Ausgabeansätze gestrichen werden.
    In der Frage der Bindungsermächtigungen vertreten wir eine ähnlich zurückhaltende Auffassung, wie sie Herr Kollege Dr. Vogel vorgetragen hat. Ich darf darauf hinweisen, daß nach Erfüllung gewisser Ausgaben neue Bindungsermächtigungen in diesem Rechnungsjahr hinzugekommen sind, so daß wir Bindungsermächtigungen in Höhe von mehr als 15 Milliarden im Hushalt haben. Meine Damen und Herren! Die Schöpfer der Reichshaushaltsordnung und der Reichstag als der damalige Gesetzgeber haben sich, als sie in der Reichshaushaltsordnung den Begriff der Bindungsermächtigung schufen, bestimmt keine derartigen Größenordnungen vorgestellt. Das war damals eine harmlose Angelegenheit.

    (Abg. Schröter [Berlin] : Das kann man wohl annehmen!)

    Die Betrachtung war einfach und schlicht. Heute wird aus dieser Bestimmung der Reichshaushaltsordnung ein Monstrum von unsolider und nicht zu verantwortender Finanzpolitik!

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Die Bindungsermächtigungen sind ihrem Charakter nach ein politischer Vorgriff, sie sind eine Verpflichtung, die aus den Haushaltsmitteln des laufenden Rechnungsjahres nicht bestritten werden muß, sondern gegebenenfalls erst im kommenden Jahre zu decken ist. Praktisch bedeuten sie einen Turm ,an Verpflichtungen. Sie sind im einzelnen letzten Endes parlamentarisch unkontrollierbar und damit eine Verringerung der Rechte des den Haushalt bewilligenden Parlaments durch Einengung seiner Möglichkeiten.
    Diese Dinge — Resteverwertung und Bindungsermächtigungen — zeigen im Zusammenhang mit dem, was Herr Kollege Dr. Vogel zum Schluß ansprach — Autorität der Bundesregierung —, und dem, was ich ergänzte — demokratische Kontrolle —, das ganze Schwergewicht der Problematik, mit der wir uns hier auseinanderzusetzen haben.
    Der Begriff der parlamentarischen Kontrolle ist eine Selbstverständlichkeit. Das Parlament im ganzen ist zu einer Art von gesundem Mißtrauen gegenüber den Maßnahmen der Regierung verpflichtet. Sie werden verstehen und uns nicht verübeln, wenn wir ein gesteigertes Mißtrauen gegenüber der Regierung, gegenüber ihren Methoden und insbesondere gegenüber den Geheimfonds Ihrer Regierung hier wiederholt bekundet haben.
    Die Reichshaushaltsordnung kennt in § 89 die Zulässigkeit einer nicht nur dem Bundesrechnungshof zu übertragenden, sondern auch vom Parlament auszuübenden Kontrolle. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter oder als Chef seiner Verwaltung kann eine derartige Kontrolle nie ersetzen; er kann niemals eine politische Kontrolle, wie sie die Aufgabe eines Parlaments und von Parlamentsausschüssen sein müßte, von sich aus ersetzen und ausüben.
    Meine Damen und Herren, ich habe hier vor Jahren schon einmal Gelegenheit genommen, auf das Problem der Kontrolle nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung und auf den Kommentar hinzuweisen. Ich empfehle Ihnen die auf den Seiten 40, 41 und 44 enthaltene sehr interessante Kommentierung — ich will sie nicht noch einmal verlesen der Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle bei derartigen Geheimfonds.
    Nun haben wir Ihnen, meine Damen und Herren, in 'diesem Jahre den Vorschlag unterbreitet, keinen besonderen Ausschuß einzusetzen. Wir haben einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses, den Rechnungsprüfungsausschuß, dem die Rechnungen zur Prüfung vorgelegt werden. Aber wann? Nach Jahr und Tag! Wir wünschen, daß dieses Organ des Parlaments dazu verwendet wird, wirklich eine frühzeitige parlamentarische Kontrolle solcher Geheimtitel auszuüben. Man kann nach Bedarf, wie das oft in den Ausschüssen .des Parlaments geschieht, notfalls die Verhandlungen als vertraulich



    Ritzel
    erklären, aber man sollte nicht die Kontrolle durch einen Parlamentsausschuß weiterhin so ausschließen, wie Sie es leider getan haben.
    Meine Damen und Herren, warum kommen wir denn zu dieser Forderung? Wir würden gern bereit sein, dem Herrn Bundeskanzler gewisse Mittel ohne unsere Kontrolle, nur kontrolliert durch den Herrn Bundesbeauftragten für die Sparsamkeit in der Verwaltung, zuzugestehen.
    Der Herr Bundeskanzler sollte sich in seinen Forderungen etwa an dem berühmten Muster der Forderungen der früheren Reichskanzler orientieren. Herr Bundeskanzler, ich habe mir einmal die Etats der Jahre 1929, 1931 und 1933 — letzterer war, Idas muß ich zur Vermeidung von Irrtümern sagen, wohlgemerkt ein Etat, der nicht von Hitler verabschiedet worden ist — angesehen. Darin stand im Einzelplan III Kap. 1 ein Tit. 23 zur Verfügung des Reichskanzlers zu allgemeinen Zwecken. Die Jahresrechnung darüber unterlag der alleinigen Prüfung des Präsidenten des Rechnungshofes, welcher auch die Entlastung erteilte. Mit der Höhe der Summe konnte man einverstanden sein. Der Ansatz betrug laut Haushaltsgesetz im Jahre 1929 240 000 Mark, im Jahre 1931 180 000 Mark und im Jahre 1933 150 000 Mark. Heute beträgt der vergleichbare Titel — es ist Kap. 04 01 Tit. 300 — 200 000 DM. Aber wenn wir den anderen Titel, der hier im Brennpunkt des Interesses stand und steht, den Titel beim Presse- und Informationsamt Kap. 04 03 „zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens" mit seinem heutigen Ansatz von 12,2 Millionen DM mit berücksichtigen — es handelt sich um Gelder der Steuerzahler, Herr Bundeskanzler —, dann muß man fragen: Wollen Sie wirklich auch weiterhin nicht gestatten, daß bei dieser Größenordnung eine Parlamentskontrolle durch einen ordnungsgemäß bestellten Parlamentsausschuß einsetzt?
    Nun ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben am Ende der zweiten Beratung eine schlechte Tradition Ihres Vorgängers fortgesetzt. Sie haben der Opposition die Endsumme der in ihren Anträgen aufgestellten Forderungen vorgerechnet.

    (Zuruf von der Mitte: Dais war eine gute Tradition!)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat dabei übersehen, — was er allerdings auch noch gar nicht wissen konnte —, daß die gleiche „böse Opposition" die an sich nicht vorgeschriebenen Deckungsvorschläge noch gar nichtgemacht hatte. Er hat weiterhin übersehen, daß auch die Koalition, der er solches nicht vorgerechnet hat, Anträge gestellt hat — deren Verwirklichung ebenfalls Geld kostet —, ohne daß eine zureichende Deckung vorhanden ist. Schließlich ist das Weisen einer Haushaltsberatung anders als das Wesen der nach § 96 (neu) der Geschäftsordnung zu behandelnden Finanzvorlagen.

    (Abg. Dr. Conring: 2,4 Milliarden sind etwas anderes als 6 Millionen!)

    Schließlich hat der Bundesfinanzminister übersehen, daß er selber in der zweiten Beratung darauf hingewiesen hat, daß das Hohe Haus über die Deckung der in der zweiten Beratung beschlossenen Mehrausgaben noch in der dritten Beratung beschließen müsse.
    Worauf bauen denn unsere Anträge? Sie bauen auf der Tatsache, daß unsere Forderungen einen grundsätzlichen Unterschied gegenüber dem, was Sie, die Mehrheit dieses Hauses, in den Haushaltsplan hineinstecken, aufweisen. Wir sind in weiten Teilen anderer Auffassung als Sie. Nach unserer Meinung muß der ganze Haushalt von dem Willen zur Entwicklung zum sozialen Rechtsstaat getragen sein. Wie weit wir noch davon entfernt sind, zeigt die Betrachtung der sozialen Lage derer, an denen das vielgepriesene Wirtschaftswunder bis heute noch vorbeigegangen ist.
    Für uns ist der Begriff der Sicherheit, den Sie immer militärisch auslegen, in erster Linie der Begriff der sozialen Sicherheit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aus dieser Einstellung resultieren unsere Anträge zum sozialen Wohnungsbau, zum Bau von Schulhäusern, zur Förderung der Wissenschaft und was immer mehr wir verlangt haben. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, opfern dieses Verlangen einer Politik der militärischen Sicherheit, so wie Sie sie verstehen. Wir Sozialdemokraten bejahen — das wissen Sie in der Zwischenzeit auch — die Landesverteidigung, zu der von unseren Sprechern hier oft genug gesprochen worden ist und zu der wir — Sie dürfen dessen versichert sein — auch weiterhin die erforderlichen Aufklärungen geben und Ausführungen vortragen werden. Aber wir wünschen eine Politik, die geeignet ist, unsere Heimat nicht zum atomaren Schlachtfeld zu machen, unsere Heimat nicht der völligen Vernichtung preiszugeben. Eine Politik, diese Gefahr beinhaltet, ist keine Politik der Sicherheit mehr, sie hat mit Verteidigung von Volk und Heimat nichts mehr zu tun.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun möchte ich den Herrn Bundesfinanzminister ernsthaft bitten; uns künftig solche, verzeihen Sie, Milchmädchenrechnungen nicht vorzuhalten, ohne zugleich mindestens auch die Protokolle des Haushaltsausschusses und die Anträge im Plenum zu würdigen, die in sehr erheblichem Umfang Minderausgaben vorsehen.
    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen vorhin gesagt, dieser Haushalt sei für uns kein Haushalt des Vertrauens. Er ist es schon nicht in bezug auf die Ausführung. Wir haben kein Vertrauen zur Bundesregierung; woher sollten wir dieses Vertrauen auch haben? Wie soll bei dem Verhalten der Bundesregierung eine wirkliche Zusammenarbeit ermöglicht werden? Ich glaube, der weitere Verlauf der Beratungen wird einiges auf diesem Gebiet noch sehr deutlich machen.
    Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren so schöne graphische Darstellungen gemacht, und



    Ritzel
    sie wird sie vermutlich in diesem Jahre wieder machen; sie hat ja die entsprechenden Ansätze und Zusammenstellungen bereits in den Vorbemerkungen zum Haushalt niedergelegt. Kollege Schoettle, der heute leider seine Rede hier nicht halten kann, würde sicherlich noch einmal auf das zurückkommen, was er in diesem Hohen Hause wiederholt gesagt hat: daß die Zusammenstellung dessen, was die Regierung und die Regierungsparteien unter dem Begriff „Sozialausgaben" verstehen, nicht korrekt ist und daß der Begriff „Sozialausgaben" weit enger gefaßt werden muß. Ich darf Sie nur an weniges erinnern: Darlehen für den Wohnungsbau, die wieder zurückfließen, sind keine Sozialausgaben; Zahlungen an die 131 er beispielsweise sind keine Sozialausgaben, sie ergeben sich aus beamtenrechtlichen Forderungen der verdrängten Beamten und ehemaligen Berufssoldaten. Wenn Sie diese Beträge, die sehr erheblich sind, abziehen, kommen Sie zu dem Ergebnis, das wir immer vertreten haben: Der weitaus größte Posten, ein Posten von erschütterndem Ausmaß in diesem wie im vorigen Haushalt, ist der Haushalt für das Verteidigungswesen; er beträgt in diesem Jahr 29,7% der Gesamtausgaben. Die wirklichen Sozialausgaben liegen erheblich darunter.
    Wenn Sie nun mit dem Ton nicht berechtigten Stolzes auf die sehr erheblichen tatsächlichen Sozialausgaben hinweisen, so möchte ich Ihnen dazu folgendes sagen. Ich habe einmal mit dem Haushalt des Reiches vom Jahre 1931, den ich dieser Tage in der Hand hatte, verglichen und festgestellt, wie hoch damals die Ist-Ausgabe des Reichshaushalts im ganzen gewesen ist — das waren 9 571,1 Millionen — und wie hoch die echten Sozialausgaben im Jahre 1931 gewesen sind — das waren 3 106,3 Millionen RM, also rund 30 % —.

    (Abg. Dr. Conring: Das war die Zeit der großen Arbeitslosigkeit! — Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Damals war Arbeitslosigkeit!)

    — Das war die Zeit der großen Arbeitslosigkeit, aber es war auch eine Zeit, in der das Sparen auf dem Gebiete der Verwaltung — Herr Kollege Conring, ich erinnere Sie, den ehemaligen preußischen Landrat, daran — etwas größer geschrieben wurde als beispielsweise im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums..

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Ansatz im Haushalt befriedigt uns nach anderen Seiten ebenfalls nicht. Ich habe vorhin schon auf die Streichungen auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung hingewiesen. Ich finde auch, daß der Haushalt in Fragen der Etatklarheit und der Etatwahrheit manche Forderung offenläßt. Wie steht es beispielsweise, Herr Bundesfinanzminister, mit den Erstattungen nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes? Wie steht es mit den Forderungen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger? Warum erfolgt auf diesem Gebiet — es soll sich um einen sehr großen Posten rückständiger Verpflichtungen des Bundes handeln — keine Information des Haushaltsausschusses? Warum erfolgt keine entsprechende Etatisierung?
    Meine Damen und Herren! Ich darf zu einem anderen Kapitel übergehen. Der Herr Bundesfinanzminister hat dem Bundestag am 13. März 1958 eine sehr gute Erkenntnis mitgeteilt. Er hat wörtlich gesagt:
    Die Gemeinschaft kann nicht unbegrenzt geben, weil sie sonst immer unbegrenzter nehmen müßte. Das aber würde bedeuten, die private Sphäre immer mehr einzuengen, das Eigentum immer mehr zu beschränken und schließlich eine freiheitliche Lebens- und Wirtschaftsordnung zu verneinen.
    Ich wäre glücklich, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie diese sehr berechtigte Erkenntnis einmal bei Einzelplan 14 mit aller Gründlichkeit und mit den Methoden des guten Finanzmannes, den ich in Ihnen schätze, anwenden wollten.
    Meine Damen und Herren! Wir leiden doch noch — die Reste zeigen es ja — unter den Auswirkungen einer Politik, die damals schon unverantwortlich genannt werden mußte. Ich erinnere Sie an den globalen Ansatz von 5,2 Milliarden DM für Verteidigungszwecke im Haushalt 1955. Damals wurden mitten im Hochsommer die Mitglieder zweier Ausschüsse aus Kliniken und Sanatorien zusammengetrommelt, um an Stelle des Parlaments einen Nachtragshaushalt ohne zureichende Begründung zu verabschieden. In dieser Hinsicht ist nicht einmal der Herr Bundesfinanzminister a. D. Fritz Schäffer der Vater des Juliusturms, sondern der Vater des Juliusturms heißt in dieser Hinsicht ganz anders; er heißt Blank. Was Herr Blank damals vom Parlament und von den verantwortlichen Ausschüssen gefordert hat, ging über die Hutschnur, ging über das Erträgliche hinaus. Die Konsequenzen haben wir heute mit zu tragen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede und auch bei anderen Gelegenheiten wiederholt darauf hingewiesen, daß im Verteidigungshaushalt wie im Haushalt überhaupt nur die Ausgaben veranschlagt seien, die in diesem Jahr auch tatsächlich ausgegeben würden. Nun sind in diesem Haushalt mit der bekannten Vorbemerkung „soweit Reste verausgabt werden, sind sie an der Summe abzusetzen" 10 Milliarden DM vorgesehen. Ich möchte beinahe — wenn der Herr Bundesverteidigungsminister nicht etwa noch nicht genehmigte atomare Anschaffungen machen sollte — demjenigen einen Preis aussetzen — wenn ich dazu in der Lage wäre —, der nachweisen könnte, daß diese 10 Milliarden im Rechnungsjahr 1958 wirklich ausgegeben werden können.
    Meine Damen und Herren! Wir stehen doch am Beginn der Geburt eines neuen Juliusturms, und wir müssen uns vor den Folgen bewahren, die daraus entstehen. Ich darf Sie an die Geschichte der jüngsten Zeit erinnern. Die Mehrheit des Hauses hat dreimal 9 Milliarden DM in den Verteidigungshaushalt in drei Jahren eingestellt; das sind 27 Milliarden DM. Ausgegeben wurden für diese Zeiträume 9 Milliarden DM, also nur ein Drittel. Selbst wenn Sie noch den Rest von 5,4 Milliarden aus dem Verteidigungshaushalt hinzurechnen — er kann unmöglich umgesetzt werden —, kommen Sie auf



    Ritzel
    etwa die Hälfte der wirklich bewilligten 27 Milliarden DM.
    Dagegen richtet sich auch grundsätzlich unsere Kritik. Es ist kein Haushalt der Klarheit, es ist kein Haushalt der Wahrheit. Mein Freund, Professor Gülich, wird noch näher darauf eingehen, wie die Verteidigungshilfe für Großbritannien in Höhe von rund einer Milliarde DM etatisiert werden soll, und wenn Sie bedenken, was sich an Überlegungen daran knüpft, dann haben wir erst recht keine Veranlassung, einen solchen Haushalt etwa mit Begeisterung zu akzeptieren.
    Die Umrüstung, die uns hier zugemutet wird — das muß bei einer Haushaltsberatung gesagt werden —, übersteigt bei weitem die deutsche Finanzkraft. Ich will keine Unkenrufe in bezug auf die Zukunft der deutschen Währung ausstoßen; aber ich möchte der nüchternen Erkenntnis Ausdruck geben, daß Rüstungsausgaben dieses Formats zur Gefahr für die Währung werden können. Sie nehmen im ordentlichen Haushalt einen erheblichen Teil des zur Verfügung stehenden Raumes ein. Herr Kollege Schoettle gebrauchte in diesem Zusammenhang. das Bild von dem jungen Kuckuck, der die rechtmäßigen Inhaber aus dem Nest wirft. Die Rüstungsausgaben nehmen im ordentlichen Haushalt einen Raum ein, der anderen notwendigen Ausgaben gebührt, die damit in den außerordentlichen Haushalt abgedrängt werden. Dieses Verfahren führt zum Schuldenmachen.
    Der Herr Kollege Vogel zitierte vorhin meinen Freund Baade, und es ist schon der Mühe wert, nachzulesen, was Professor Baade gesagt hat. Aber ich möchte Herrn Vogel entgegnen: Die Rüstung und nicht die Lohnentwicklung ist etatmäßig und währungspolitisch gesehen die Gefahr. Ob Rüstungsausgaben unmittelbar oder mittelbar zum Schuldenmachen veranlassen, ist im Grunde gleich. Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, Sie werden im Prinzip der Feststellung nicht widersprechen, „daß man der Diskussion über die Zusammenhänge von Rüstung, Finanzierung durch Anleihen und deren Gefahren für das Geld nicht ausweichen sollte. Die Geldzerstörungen im 20. Jahrhundert sind nicht durch den programmatischen Sozialismus, nicht durch Lohnforderungen, auch nicht durch Sozialreformen gekommen, sondern durch Rüstungen, Kriege und am meisten durch Kriegsliquidationen, wo sich der Staat durch Geldzerstörungen seiner Schulden entledigte und auch noch die Schulden Privater in diesen Prozeß einbezog — dafür aber die Rolle des Versorgungsstaates übernehmen mußte."

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie von der CDU und von der Deutschen Partei dieser Feststellung widersprechen können. Sie stammt von einem der Ihren, von Herrn Dr. Dresbach. Sie können sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 14. Mai dieses Jahres nachlesen. Wenn Sie aber dieser Feststellung zustimmen, dann ist es Ihre Pflicht, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Das vermissen wir bis jetzt.
    Meine Damen und Herren, ich will nicht von den drohenden Kosten — von denen der Herr Bundesverteidigungsminister bis jetzt in allen Sprachen schweigt — sprechen, von den Kosten, die im Rahmen seiner noch nicht offen zugegebenen Konzeption auf künftige Haushalte zukommen. Ich möchte mich aber im voraus mit dem von Ihnen — das klang auch leise in den Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel an — zu erwartenden Einwand, andere Länder brächten höhere Verteidigungslasten auf, auseinandersetzen.
    Ich halte namens meiner Fraktion dem gegenüber, daß andere Länder, was die soziale Sicherheit angeht, anders gestellt sind. Sie haben keine Spaltung von Volk und Land wie wir in Deutschland, sie haben keine Verluste an Wirtschaftskraft aus diesem Anlaß zu verzeichnen, sie haben keine Mehrkosten auf Grund der Spaltung, sie haben nicht die gewaltigen Kasten des Flüchtlingsproblems, des Lastenausgleichs.
    Ich bedaure sehr, daß die Bundesregierung bis jetzt keine Gelegenheit genommen hat, sich mit dem Hinweis auf derartige Lasten — andere, zum Beispiel die Kriegsfolgelasten, kommen noch hinzu — bei der Bemessung des Verteidigungsbeitrags, den die NATO von uns verlangt und erwartet, durchzusetzen. Im Jahre 1958 ist der Verteidigungshaushalt größer als der ganze Reichshaushalt im Jahre 1931.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Ich frage nun in bezug auf einzelne Punkte: Herr Bundesverteidigungsminister, wissen Sie eigentlich, wie summarisch die Ansätze Ihres Haushalts zustande kamen? Ich habe vorhin das, was Herr Kollege Dr. Vogel über die verfasungsrechtliche Stellung des Etatreferenten Ihres Hauses erwähnt hat, unter der Decke einigermaßen verstanden. Herr Bundesverteidigungsminister, wissen Sie um die Methode, die in Ihrem Hause üblich ist? Ich habe das von keinem verantwortlichen Mitglied Ihrer Verwaltung, aber es stimmt.
    Wenn jemand in einer Abteilung 3 Millionen DM braucht, dann tritt er zuerst mit einer Forderung auf 10 Millionen DM in Erscheinung in der Hoffnung, daß er 5 Millionen DM bekommt. Mindestens diesen Betrag erhält er dann auch. Er braucht aber nur 3 Millionen DM. Daher rühren eben die Reste.
    Oder halten Sie es für richtig, Herr Verteidigungsminister, daß in nicht wenigen Abteilungen bei relativ kleiner Besetzung ein Übermaß an Kosten entsteht, etwa durch die Bereitstellung von Automobilen, zum Beispiel eines Automobils und eines Kraftfahrers für zwei Offiziere verschiedener Rangstufen? Würden Sie nicht gut daran tun, Herr Verteidigungsminister, in Ihrem Hause sehr bald einen gründlichen, vielleicht von altpreußischer Sparsamkeit getragenen Sparkommissar einzusetzen?
    Meine Damen und Herren, wir hätten im Haushaltsausschuß Gelegenheit haben müssen, diesen Milliardenhaushalt Einzelplan 14, Verteidigung, nach allen Seiten hin zu prüfen und zu durchleuch-



    Ritzel
    ten. Wir haben infolge der allen bekannten Zeitnot diese Möglichkeit nicht gehabt. Aber wir möchten einen aktiven Beitrag leisten, Herr Bundesfinanzminister, um die Sparsamkeit im Bundesverteidigungshaushalt zu bewirken, die. nach unserer Auffassung zwingend notwendig ist. Ich darf Ihnen hier ankündigen, daß wir einen Antrag auf Minderung der Ausgaben im Bundesverteidigungshaushalt um den Betrag von 3 Milliarden DM zur dritten Beratung einreichen werden.
    Nun zum Problem des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Wir kennen die wenig erfreuliche Dotationspraxis, die der Bund gegenüber gewissen Ländern treibt. Wir wissen um die Notwendigkeit, die Finanzgebarung als ein Ganzes zu entwickeln. Wir haben Ihnen Anregungen unterbreitet, die Ihren Beifall nicht gefunden haben. Wir sind von der Auffassung ausgegangen, daß Bundeslasten vom Bund getragen werden sollen. Das bezieht sich beispielsweise auf die Bergmannsprämien und auf einen Bruchteil der Leistungen auf dem Gebiete der Berliner Wiedergutmachung.
    Wir und Sie alle kennen die Finanznot der Gemeinden. Wir wissen um die Vorschläge, die von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zur Verbesserung der kommunalen Finanzen gemacht worden sind, und wir hören zu unserer Genugtuung, daß der Herr Bundesfinanzminister sich em 16. April grundsätzlich bereiterklärt hat, den Gemeinden und den Ländern eine Beteiligung an der Umsatzsteuer zuzugestehen. Vielleicht kann der Herr Bundesfinanzminister unsere Sorgen etwas beheben, wenn er uns sagt, wann er damit rechnet, diese Beteiligung der Länder und Gemeinden an der Umsatzsteuer zu realisieren.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat bis -jetzt eine nicht absolut klare Haltung zu einem Problem eingenommen, idas die Kommunalpolitik im ganzen Bund heute und seit langem beschäftigt. Es ist das Problem der Bürgersteuer. Ich weiß, daß in diesem Hause die Bürgersteuer viele Anhänger hat, möchte Ihnen aber sagen, daß sie nach unserer politischen Meinung nicht akzeptabel ist, einmal weil sie unsozial ist, weil sie im Grunde den Armen ebenso stark belastet wie den Reichen, und zum anderen, weil sie die steuertechnischen Schwierigkeiten noch vergrößert, neuen Personalaufwand erfordert, sich auf eine schon besteuerte Quelle des Einkommens stützt und weil ihr Ertrag per Saldo nicht genügen würde, um die vorhandenen Schwierigkeiten zu überwinden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang die sozialdemokratischen Forderungen in Erinnerung bringen: direkter Anteil der Gemeinden an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer, Gewährung einer Grundsteuer-Ausfallentschädigung, solange die Grundsteuerbegünstigungen fortbestehen, und Entschädigung der Gemeinden für die von ihnen getragenen mittelbaren und unmittelbaren Kriegsfolgelasten.

    (bezug auf die enorm übersetzten Spitzengehälter in diesen internationalen Organisationen. Da kommen astronomische Ziffern zustande. Meistens ist es so, daß die dortige Bürokratie den Bedarf festsetzt, und wir haben dann Order zu parieren und zu zahlen. Die Bundesregierung wind gut daran tun, sich gegebenenfalls einmal vorher, quasi interfraktionell, mit den anderen beteiligten Ländern zu verständigen. Dann noch eine Bitte. Man möge doch endlich einmal im Bundeshaushalt haltmachen mit der Finanzierung der Berufseuropäer. Wir haben eine Reihe von Organisationen, die praktisch nichts anderes sind als Propagandaorganisationen für die Politik ides Herrn Bundeskanzlers. Sie bekommen dann aus den berühmten Geheimfonds die entsprechenden Mittel, unid sie vertreten in Wort' und Schrift das, was ihnen befohlen wind, und dafür werden sie honoriert. Dais hat mit wahrhaftem europäischem Bekenntnis und europäischer Gesinnung wirklich wenig zu tun. Zum Schluß möchte ich der Sorge um einen echten Ausgleich des Haushalts, die auch aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Vogel klang, und zugleich der Sorge in bezug auf den Haushaltsausgleich 1959 Ausdruck geben. Rückschläge, die wir alle nicht wünschen, sind nicht unmöglich. Konjunkturschwächungen sind denkbar. Sie führen dann zu steuerlichen Mindereinnahmen. Sie begünstigen die Tendenz zur Inanspruchnahme des Kapitalmarkts. Diesem Prozeß sind natürliche Grenzen gegesetzt. Wenn es nicht gelingt, der Preissteigerungen Herr zu werden, kann, ja muß fast zwangsläufig eine für die Bundesfinanzen gefährliche Lage entstehen. Die mit einer merkwürdigen Begeisterung begrüßte Feststellung, daß der Haushalt sich am Rande des Defizits entwickle, gibt nach unserer Auffassung zu freudiger Genugtung wirklich keinen Anlaß. Wir sind sehr darauf bedacht, daß vermögenswirksame Ausgaben, deren Charakter es rechtfertigt, in den außerordentlichen Haushalt gelangen, aber wir wollen nicht, daß dieser Grundsatz verwischt wird. Wir möchten vor allen Dingen nicht, daß das Bundesvermögen in einem Augenblick verschleudert wird — ich erinnere an die Howaldtwerke; wenn Sie den Auftragsbestand der Howaldtwerke mit dem Kaufpreis vergleichen, kommen Sie zu dem Ergebnis der Verschleuderung —, in dem im Einzelplan 14 nicht unerhebliche Beträge für zwei neu zu errichtende Werften angefordert werden. Im Hinblick auf die unsichere Etatgestaltung für 1959 fragen wir die Regierung, wie sie sich die Entwicklung vorstellt. Anfang Dezember 1957 erklärte der Herr Bundesfinanzminister in einem Schreiben an die Länder: Das sprunghafte AnsteiRitzel gen der Verteidigungsausgaben wird die Verschlechterung der Bundesfinanzen in den nächsten Jahren noch deutlicher hervortreten lassen. Diese sehr nüchterne Erkenntnis des Herrn Bundesfinanzministers kann doch nicht ohne Wirkung, kann doch nicht ohne Maßnahmen und ohne Taten bleiben. Die Regierung und die Regierungsparteien tragen eine schwere Verantwortung, um so mehr, als die Bundesrepublik, wie die Statistiken nachweisen, bisher schon neben England das steuerlich am schwersten belastete Land ist. Meine Damen und Herren! Wir hätten noch viele Wünsche zum Haushalt. Wir stellen sie bis auf wenige Anträge, die wir zur dritten Beratung unterbreiten, zurück, in der Hoffnung, daß bei Ihnen einmal der Wille wächst, mit uns zusammenzuarbeiten. So, wie dieser Haushalt heute aussieht, sind wir nicht in der Lage, ihm unsere Zustimmung zu geben. Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man als Mitglied des Haushaltsausschusses am Schluß einer langen Reihe von arbeitsreichen und manchmal recht sauren Wochen steht, so, glaube ich, darf und soll man sich fragen: ist das Ergebnis dieser langen Arbeit gut, können wir damit zufrieden sein, kann man ihm zustimmen? Diese Frage, gestellt bei der dritten Lesung des Bundeshaushalts, umfaßt natürlich sofort auch die Frage nach der Richtigkeit der Regierungspolitik, und zwar deshalb, weil von . ganz geringfügigen Änderungen abgesehen, die im Haushaltsausschuß beschlossen wurden, der Bundeshaushalt im wesentlichen in der Regierungsvorlage vorliegt und weil der Bundeshaushalt in der Regierungsvorlage doch nichts anderes ist als der in Zahlen zum Ausdruck gebrachte Wille der Bundesregierung zur Fortsetzung ihrer Politik. Es ist deshalb klar, daß die von mir gestellte Frage je nach dem Standpunkt, den man im politischen. Leben einnimmt, verschieden beantwortet wird. Es ist das gute Recht der Opposition, hier an einzelnen Positionen oder insgesamt Kritik zu üben, den einen oder anderen Einzelplan oder den gesamten Haushalt abzulehnen. Herr Kollege Ritzel, niemand von uns erwartet — um Ihr Wort aufzugreifen —, daß Sie diesem Haushalt mit Begeisterung zustimmen. Das können wir nicht erwarten, und das wäre auch schlecht; denn dieser Haushalt drückt unsere Politik aus, und unsere Politik ist eine andere als die Ihre. Wir, die Angehörigen der Regierungsparteien, können den Bundeshaushalt bejahen, weil wir die Regierungspolitik bejahen. Wir bejahen sie auf wirtschaftlichem, auf sozialem Gebiet, weil sie, aufbauend auf der Chance der Entfaltung des freien Individuums, uns aus dem Nichts herausgeführt und dem deutschen Volk einen Lebensstandard verschafft hat, den niemand von uns vor zehn Jahren auch nur erhoffen konnte. Wenn Herr Dr. Deist jüngst sagte: wir müssen eine I Sprache führen, die es ermöglicht, einmal 51 % der Stimmen zu bekommen, so erwidern wir darauf: Die Regierung Adenauer, ihre Wirtschaftsund Sozialpolitik hat Taten gesetzt, die diese 51% erbrachten, und Taten sind immer beweiskräftiger als Worte. Wir bejahen diese Regierungspolitik vor allem auf dem Gebiet der auswärtigen Beziehungen und auf dem Gebiet der Verteidigung, und zwar vor allem deshalb, weil wir wissen, daß die beste Wirtschaftsund Sozialpolitik umsonst und ihr Ergebnis in kürzester Zeit vernichtet ist, wenn wir die Sicherung der Freiheit außer acht lassen, der Freiheit, auf der die Erfolge unserer bisherigen Wirtschaft überhaupt beruhen. Wir müssen für die Sicherung unserer Freiheit auch unpopuläre Forderungen an das deutsche Volk erheben — aus der Verantwortung heraus. Wir müssen dem deutschen Volke hohe Opfer zumuten, Opfer finanzieller und anderer Art, wie sie sich aus der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der freien Nationen ergeben. Man kann nun einmal im Leben nicht Mitglied einer Gemeinschaft sein und dauernd nur die Vorteile aus dieser Gemeinschaft ziehen, man muß schon auch seine Pflichtbeiträge zu dieser Gemeinschaft entrichten; und als Pflichtbeitrag genügen nicht gelegentliche Proklamationen, daß man auch seitens der Opposition die Landesverteidigung bejahe. So gesehen, meine Damen und Heren, können die alljährlich wiederkehrenden Anträge der Opposition auf Erhöhung der sozialen Leistungen, auf Erhöhung der kulturellen Leistungen des Bundes um viele Hunderte von Millionen, immer auf Kosten unserer Verteidigung, also auf Kosten der Sicherung unserer Freiheit, nur als propagandistisch angesehen werden. Denn man wird sich doch auch in den Reihen der Opposition darüber klar sein, daß uns die schönsten Schulhäuser nicht mehr gefallen können, wenn wir unter Umständen Gefahr laufen, daß in diesen Schulhäusern unsere Kinder kommunistisch erzogen werden. Man sollte sich doch endlich zu der Binsenweisheit bekennen, daß es im öffentlichen Haushalt nicht anders ist als im privaten Haushalt: daß zuerst das unabdingbar Notwendige angeschafft und getan werden muß und dann erst das Nützliche kommen kann. Meine Damen und Herren! Wenn wir so die gesamte Politik der Bundesregierung mit dem Bundeshaushalt bejahen, so möchten wir vor allem und ganz deutlich ein uneingeschränktes Ja zu dem Mann aussprechen, der nunmehr seit neun Jahren die Richtlinien dieser Politik bestimmt. Dies sage ich nicht nur als ein weiterer Sprecher der CDU/ Niederalt CSU-Fraktion, sondern dies sage ich vornehmlich und in erster Linie als Sprecher der CSU. Sie wissen es, die CSU ist eine selbständige Landespartei, die einzige Landespartei, die überhaupt im Bundestag vertreten ist. Wir behalten diese Selbständigkeit als Landespartei, weil sie uns gerade im Kampf um die Rechte der Länder notwendig erscheint. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß, abgesehen von dem gemeinsamen politischen Ziel, das die CSU mit der CDU verbindet, die einmalige Persönlichkeit des Bundeskanzlers Adenauer es ist, die diese enge Bindung zwischen CDU und CSU mit trägt. Aus diesem Grunde weisen wir auch die Art und Weise der Kritik, wie sie in der zweiten Lesung beim Etat des Bundeskanzlers von der Opposition vorgetragen wurde, schärfstens zurück. Kein objektiv denkender Mensch wird diese Art der Kritik an Bundeskanzler Adenauer, der in der ganzen Welt höchstes Ansehen genießt, verstehen. Ich sagte es schon: es ist das gute Recht der Opposition, Kritik zu üben, auch am Etat des Bundeskanzlers, meinetwegen sogar scharfe Kritik aber sachliche Kritik! Das ist das Kriterium. Wir können uns auch damit abfinden, wenn die Opposition meint, es sei besonders attraktiv, uralte Ladenhüter immer wieder aus der Schublade zu ziehen. Aber, meine Damen und Herren, etwas können wir nicht hinnehmen, und das ist, wenn hier offen Beleidigungen gegen den Bundeskanzler ausgesprochen werden. Ein solches Verhalten verstößt nicht nur gegen die Würde des Hauses, ein solches Verhalten läßt nicht nur jedes institutionelle Denken vermissen, ein solches Verhalten ist, vor allem wenn es von jungen Kollegen gezeigt wird, ein Mangel an Anstand und an der Kinderstube. Ich glaube — das sage ich vollen Ernstes —, der Opposition würde es sehr gut anstehen, wenn sie in aller Öffentlichkeit von solchen Beleidigungen abrückte. Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen die Frage gestellt: Kann man mit der Vorlage einverstanden sein, können wir zufrieden sein?, und ich habe diese Frage uneingeschränkt in dem Sinne bejaht, daß der Bundeshaushalt die gesamte Regierungspolitik repräsentiert. Es wäre aber nach meiner Meinung eine gefährliche Selbstzufriedenheit, wollte man mit der Bejahung dieser wesentlichen Frage auch sagen: Jawohl, alles, auch die Details, alles ist bestens, alles ist wohlgeraten, alles ist wohlberaten. Das wäre eine gefährliche Selbstzufriedenheit, ich wiederhole es. Von „wohlberaten" kann in diesem Haushaltsjahr schon wegen des geradezu mörderischen Zeitdrucks kaum die Rede sein. Wir werden Ihnen in der dritten Lesung einen Entschließungsentwurf zum Haushaltsgesetz vortragen, von dem wir hoffen, daß er insoweit Wandel schafft. Wir verlangen darin von der Bundseregierung, daß sie bezüglich bestimmter Teile im Haushalt, die erfahrungsgemäß besonders viel Zeit in Anspruch nehmen, zu einem zweijährigen Turnus übergeht. Der vorliegende Haushalt ist in seinen Details, in seinen ungezählten — so muß ich sagen, weil ich nicht weiß, ob es 30oder 40oder 50 000 sind — Titeln und in seinen vielen Kapiteln natürlich da und dort noch diskussionsfähig. Ich will nur einige Probleme herausstellen, die uns in der CDU/CSU-Fraktion und vor allem uns in der CSU besonders am Herzen liegen. Da ist das regionale Förderungsprogramm. Wir haben den Betrag im Haushaltsausschuß um 5 Millionen DM aufgestockt, um dadurch noch einige ganz wenige — es sind insgesamt bloß vier Landkreise hereinzunehmen, die jetzt schon unter dem wirtschaftlichen Niveau der Landkreise liegen, die bisher gefördert wurden. Wenn man da und dort hörte, daß das regionale Förderungsprogramm abgebaut oder eingeschränkt werden soll, so möchten wir an die Adresse der Bundesregierung ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen: Ganz im Gegenteil, meine Herren, es muß noch ausgebaut werden. Wir haben bisher nach unserer Auffassung alle Fragen der regionalen Wirtschaft eher zu stiefmütterlich als zu gut behandelt, soviel auch in den letzten Jahren im einzelnen geschehen ist. Nur durch eine weitere Intensivierung auf diesem Gebiet können wir dem Problem der geballten Wirtschaftsräume mit ihren kaum zu lösenden kommunalen Konsequenzen — man denke an die Probleme, die in den Großstädten auftreten — und mit ihren gefährlichen wirtschaftsund sozialpolitischen Folgeerscheinungen einigermaßen Herr werden. Ich brauche jetzt nicht auf Einzelheiten einzugehen; aber das darf ich sagen: Ich freue mich außerordentlich, daß Sie, Herr Bundeskanzler, in einem Gespräch, das ich vor einigen Tagen mit Ihnen führen durfte, Verständnis für diese Fragen gezeigt haben und daß Sie genau wissen, daß die Fragen der regionalen Wirtschaft in Zukunft intensiviert behandelt werden müssen, und ich danke Ihnen von Herzen für dieses Verständnis. In diesem Zusammenhang steht auch die im Landwirtschaftsgesetz proklamierte und verankerte Forderung der Durchsetzung von verkehrsentlegenen kleinbäuerlichen Gebieten mit gewerblichen Betrieben. Die Regierungsvorlage zum Grünen Plan vom 13. Februar 1958 hat dieses Problem deutlich und klar behandelt. Das Ziel ist erkannt, auch das Problem ist erkannt. In den kleinbäuerlichen Betrieben sind vielfach noch viele Arbeitskräfte nicht genügend ausgelastet. Es besteht die große Gefahr, daß sie abwandern und das Problem der Ballungsräume noch verschärfen. Das Problem ist erkannt, auch das Ziel wird gesehen. Aber, meine Herren von Niederalt der Regierung, es ist leider übersehen worden, für dieses gute Ziel innerhalb des Grünen Plans Mittel einzusetzen. Das wollen wir in Zukunft geändert sehen. Darüber wollen wir uns im nächsten Jahr bei den Debatten über den Grünen Plan und auch im Haushaltsausschuß gründlich aussprechen. Man darf ein Problem nicht bloß ansprechen, sondern man muß dann auch zeigen, daß man eine Änderung herbeiführen will. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß wir uns in diesem Jahr bei den Haushaltsberatungen wieder sehr eingehend und sehr zeitraubend mit dem Personalproblem befaßt haben. Es wäre auch hier vermessen, zu sagen: Alles ist in Ordnung, alles Fist wohlgeraten, alles ist wohlberaten. Nein, es ist noch vieles offen, und auch auf diesem Gebiet ist noch vieles zu tun. Wir haben durchweg einen sehr strengen Maßstab angelegt. Wir sind dafür von der einen Seite gelobt und von der anderen Seite getadelt worden, obwohl uns eigentlich weder an Lob noch an Tadel etwas lag. Wir wollten nur 'der Sache, der guten Sache dienen. Der Erfolg unserer Bemühungen ist nicht überragend. In Zahlen ausgedrückt: Bei den obersten Bundesbehörden — ohne das Bundesverteidigungsministerium — haben wir von insgesamt 609 angeforderten Beamtenund Angestelltenstellen 373 abgelehnt und 236 bewilligt. Soweit, glaube ich, können wir mit unseren Bemühungen zufrieden sein. 373 abgelehnte Beamtenund Angestelltenstellen in den obersten Bundesbehörden bedeuten schon etwas; das ist für meine Begriffe ein handfestes Ministerium. Wesentlich weniger Erfolg hatten wir bei den nachgeordneten Dienststellen. Von 1441 angeforderten Stellen verfielen nur 184 dem Rotstift. Allerdings handelt es sich hier im wesentlichen um untergeordnete Stellen. Im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums wunden im Ministerium von 299 angeforderten Stellen für Beamte und Angestellte 164 Stellen nicht bewilligt und 135 Stellen genehmigt, während auch hier bei vielen nachgeordneten Dienststellenweit mehr Stellen genehmigt als abgelehnt wurden. Ich nenne diese Zahlen nur, um nochmals klar herauszustellen, daß bei noch so großer Strenge des Haushaltsausschusses und bei noch so starker Anwendung des Rotstiftes alle unsere Bemühungen auf 'diesem Gebiet zum Scheitern verurteilt sind, wenn wir nicht an die Wurzel des Übels gehen, wenn wir nicht hier in diesem Hohen Hause uns endlich dazu durchringen, unsere Gesetze nicht immer mehr zu komplizieren und nicht durch neue Gesetze immer mehr neue Aufgaben tauf den Staat zu übernehmen. Im einzelnen will ich dazu im Augenblick nichts mehr ausführen. Ich darf nur noch folgendes erwähnen. Ich habe eine Entschließung ausgearbeitet, und ich bin der Fraktion der CDU/CSU sehr dankbar — ich möchte das hier ausdrücklich feststellen —, daß sie diese Entschließung einmütig angenommen hat. Wir können bei der Beratung der Entschließung noch zu Einzelheiten sprechen. Im vorliegenden Haushalt hat wieder einmal auch das Problem des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern eine große Rolle gespielt. Rund 330 Millionen DM sind durch den Einbau des Notopfers Berlin in die Körperschaftsteuer vom Bund auf die Länder übergegangen. Dadurch wurde ein Weg versperrt, der nach meiner Auffassung das schwierige Problem des Finanzausgleichs vielleicht besser gelöst hätte; es ist dies der Weg der unmittelbaren Finanzhilfe an die finanzschwachen Länder allein. Wir müssen uns klar sein, daß beim Finanzausgleich das Krebsübel darin besteht, 'daß wir Länder mit völlig verschiedener Wirtschaftsstruktur und — daraus resultierend — völlig verschiedener Steuerkraft haben. Wenn wir nicht darangehen, differenzierte Maßnahmen zu ergreifen, werden wir 'dieses Problem niemals lösen. Der Einbau des Notopfers Berlin ist leider Gottes wiederum eine schematisierende Maßnahme. Sicher — das wird gern zugegeben — kommt ein großer Prozentsatz dieser Einnahmen auf dem Wege über den horizontalen Finanzausgleich in erster Linie den schwachen Ländern zugute. Aber der andere Weg wäre mir lieber gewesen, und ich halte ihn nach wie vor für besser. Ich fürchte, daß hier vor allem die finanzstarken Länder einen Pyrrhussieg errungen haben. Ich glaube voraussagen zu dürfen, daß es nun weitergeht wie bisher. Es werden wiederum Forderungen erhoben, weil die armen Länder diese oder jene Aufgabe nicht erfüllen können, — Forderungen auf allen möglichen Gebieten, vor allem auf dem kulturellen Sektor. Man wird verhandeln, man wird da ein Stück zugeben, dort ein Stück ablehnen. Man wird dann beim Bund ein neues Töpfchen aufmachen, um zu helfen, und die Verwaltung wird immer komplizierter, die Übersicht immer geringer, und was mir am meisten wehtut und was die Länder offensichtlich zu wenig bedenken — die verfassungsmäßig gegebene Zuständigkeit der Länder auf dem kulturellen Sektor wird immer mehr ausgehöhlt. Man darf nämlich die Wirkung des alten Wortes: „Wer zahlt, schafft an" nie übersehen. Ich fürchte also, daß die Länder aus einer, wie ich meine, kurzsichtigen fiskalischen Augenblicksbetrachtung heraus eine Chance verpaßt haben. Jedenfalls muß bei künftigen Verhandlungen — ich möchte das immer wieder aussprechen — unser Ziel sein: klare Abgrenzung der Verantwortung und der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern, also klare Verhältnisse. Zum Schluß möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir vom Standpunkt unseres allgemeinen parlamentarischen Lebens sehr wichtig erscheint. In diesen Wochen der Haushaltsberatungen ist wiederholt durch die Presse gegangen, daß die sogenannten Haushaltsexperten der CDU/CSU-Fraktion zu eigenwillig seien, daß die CDU/CSU-Mitglieder des Haushaltsausschusses einen eigenen Weg gingen. Da las man: „Haushaltsausschußmitglieder der CDU/CSU-Fraktion gegen Brentano"; man las: „gegen Generale, gegen Strauß, gegen den Bundeskanzler und seinen von ihm geNiederalt forderten Unterstaatssekretär". Man hatte manchmal den Eindruck, daß die Mitglieder der CDU/CSUFraktion im Haushaltsausschuß auf dem besten Wege seien, so etwas wie einen algerischen Wohlfahrtsausschuß zu bilden. Dem ist nicht so. Diejenigen, die sich darüber gefreut hätten, muß ich enttäuschen, und diejenigen, die vielleicht darüber betrübt gewesen wären, darf ich trösten. Wir Haushaltsleute haben eine ganz nüchterne, sachliche Sprache und bemühen uns, in dieser nüchternen, sachlichen Sprache zu überzeugen. Wir haben überzeugt, und es muß wohl so sein. Auch die Regierungsparteien — das unterstreiche ich doppelt und dreifach — nehmen an der Kontrolle des Parlaments gegenüber der Exekutive teil. Wir müssen uns ab und zu bei diesen Lesungen an gewisse institutionelle Einrichtungen erinnern und aus dieser — ich möchte beinahe sagen — Sonntagsbetrachtung das eine oder andere in den grauen Alltag mit hineinnehmen. Wenn wir den Sinn des Parlaments richtig verstehen, so ist sein Grundrecht das Kontrollrecht. Dieses Kontrollrecht wird vornehmlich im Haushaltsausschuß ausgeübt. Ich sage „vornehmlich", denn es geschieht selbstverständlich auch in den anderen Ausschüssen; es kommt aber vornehmlich im Haushaltsausschuß zum Ausdruck. Daraus ergibt sich ganz automatisch, daß auch einmal Meinungsverschiedenheiten vorkommen. Ich glaube, daß wir uns darüber freuen sollten, denn wir sind keine Ja-Sager, sondern verantwortungsbewußte Parlamentarier, die sich bemühen, zum Wohle der Gesamtheit zu arbeiten. Das Wort hat der Abgeordnete Lenz Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz aller Erfahrungen der letzten Woche stehe ich nicht an, zu erklären, daß die große Mehrzahl dieses Hauses homines bonae voluntatis sind. Diese Menschen guten Willens sind in diesem Augenblick aufgerufen, den Stil dieses Parlaments entscheidend mitzubestimmen; denn ich glaube nicht — gestatten Sie mir diese Vorbemerkung —, daß wir in den Haushaltsberatungen auf der verderblichen Bahn fortfahren können, die wir in der letzten Woche manchmal eingeschlagen haben. Ich stehe weiterhin nicht an, zu erklären, daß der Kollege, dessen Tod wir heute betrauert haben, zu der größten Fraktion dieses Hauses, also zu den hommes bonae voluntatis gehört hat. Ich bin nicht so kleinlich, zu meinen, die alte Tradition solle verschwinden und man könne sich bei den Haushaltsberatungen frisch-fröhlich im ganzen Feld der Politik tummeln. Das kann man durchaus tun. Ich gebe Ihnen zu, daß ich diesen Beratungen mit einem gewissen Neid gefolgt bin, weil ihnen die große Vergünstigung des vollen Hauses vergönnt war, die uns bei der ein wenig nüchtern geführten allgemeinen Aussprache über den Haushalt nicht immer beschieden ist. Es ist sehr bitter, zu bemerken, daß wir in den großen Fragen der Finanzund Haushaltspolitik, wie sie nun in der dritten Lesung angesprochen werden, auch nicht ein einziges Mal das volle Haus gehabt haben wie bei der Aussprache über „Reptilienfonds" und umgestürzte Lautsprecherwagen. Ich muß es sagen und sage es jedes Jahr wieder, daß der Haushalt trotz aller Gewöhnung und trotz der ewigen Wiederkehr eben doch das schicksalhafte Buch der Nation ist und daß dieses schicksalhafte Buch keinen ausreichenden Platz in diesem Hause hat. Einzelplan um Einzeplan wurde früher im Reichstag grundlegend mit einem vielleicht zehnmal größeren zeitlichen Aufwand behandelt. Ich weiß, daß man jene Zeit und die heutige nicht miteinander vergleichen kann. Ich weiß, daß viel Politisches der Haushaltsdebatte entzogen ist, und zwar durch große Anfragen, durch eine andere Geschäftsordnung des Hohen Hauses und anderes mehr. Trotzdem ist man voller Bewunderung, möchte ich beinahe sagen, über die Sorgfalt und die Akribie, mit der der Haushalt im Reichstag in den Jahren 1920 bis 1932 behandelt wurde. Heute flitzen ganze Milliardenpläne wie ein Film an uns vorüber, und es werden im besten Falle Änderungsanträge und nicht der eigentliche Plan behandelt. Ganz zwangsläufig erhalten die Haushaltsdebatten auf diese Weise einen etwas kuriosen Verlauf, und man muß mit der hier seit langem üblichen Resignation feststellen, daß über 99% all dieser Haushaltsansätze nicht in diesem Hause gemacht werden, sondern daß die Entscheidungen anderswo gefallen sind. Deshalb erlaube ich mir in der dritten Lesung, im Namen meiner politischen Freunde einige grundsätzliche Feststellungen zu treffen und dabei den Versuch zu machen, einige Zusammenhänge darzustellen. Der Regierungsentwurf des Haushalts 1958 hat im Haushaltsausschuß und in der zweiten Lesung weder wesentliche noch unwesentliche Änderungen erfahren. Der Bundesfinanzminister hat das Hohe Haus aus diesem Grunde besonders gelobt. Ich habe Zweifel, ob wir uns dieses Lobes freuen dürfen. Ich bin grundsätzlich mißtrauisch, wenn ein Minister das Parlament lobt; dann muß das Haus fragen, was es falsch gemacht hat. (Beifall bei der FDP und der SPD. — Heiterkeit.)





    (Beifall bei der SPD.)