Meine Damen und Herren, ich wehre mich dagegen, daß dort von dem Kollegen Dürr wenn ich nicht irre, dem Vorsitzenden der Jungdemokraten, wie ich gerade im Handbuch gesehen habe,
— lassen Sie mich zu Ende sprechen! —, der Vorwurf erhoben wird, wir machten unwürdige Unterstellungen gegen die SPD, und daß er eine Art Ehrenerklärung für die SPD glaubt abgeben zu müssen. Die SPD mag sich selbst überlegen, ob sie das nötig zu haben glaubt.
Aber dann kommt Herr Kollege Mommer her und wirft mir nach dieser unerhörten Serie von Angriffen, die zunächst der Herr Kollege Metzger gestartet hatte, vor, ich vergösse hier Krokodilstränen um das Grundgesetz. In demselben Atemzug wird gesagt, es sei eine Dummheit, eine verfassungswidrige Partei in die Illegalität zu treiben. Herr Kollege Mommer,
das sind dieselben Leute, die das Nichteinhalten der Verfassung glauben kritisieren zu können. Die KP ist eine illegale Partei gewesen, eine verfassungswidrige Partei.
Dann machen Sie sich bitte die Mühe, wenn Sie mich kritisieren, den Art. 21 des Grundgesetzes zu lesen, was da über verfassungswidrige Parteien steht, und bezeichnen Sie nicht einen Spruch des Bundesverfassungsgerichts als eine Dummheit, durch die eine Partei in die Illegalität gedrängt worden sei!
Sie haben hier im Grunde gegen zwei Reden oder Aufsätze von mir polemisiert. Beide liegen Ihnen im Wortlaut vor. Der Aufsatz, den ich gestern im Bulletin der Bundesregierung veröffentlicht habe, ist weit davon entfernt, parteipolitische Propaganda darzustellen.
Das kann nur jemand sagen, der ihn nicht von Anfang bis Ende gelesen hat. Ich bin berechtigt und verpflichtet, den Scheinwerfer auf die sehr gefährliche, ich sage das offen, die sehr gefährliche Entschließung zu richten, die Sie auf Ihrem Parteitag in Stuttgart gefaßt haben.
Das hat mit Parteipolitik überhaupt nichts zu tun.
— Hoffentlich wissen Sie überhaupt, von welcher Entschließung ich spreche, meine Damen und Herren.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es ein Verbrechen wäre — ich gehe so weit, dies zu sagen —, die Wiedervereinigungsfrage mit parteipolitischen Akzenten zu versehen. Dagegen wehre ich mich. Leider ist das in der Entschließung geschehen, die Sie dort gefaßt haben.
Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich doch die Mühe machten, meine sehr sorgfältig erwogenen Ausführungen darüber zu lesen.
Dann kommen wir vielleicht dazu, sie zu diskutieren, und dann werden Sie einsehen, daß hinter diesen Ausführungen die ganz, ganz große Sorge steckt, die mich treibt, daß wir dieses Anliegen, das wir überhaupt nur gemeinsam und nicht durch eine Kapitulation in Raten erreichen können, dadurch kaputtmachen und gefährden, daß wir es parteipolitisch akzentuieren.
Sie haben zweitens gegen meine Rede polemisiert. Zu meinem Bedauern muß ich feststellen, daß Sie diese Rede gar nicht gehört haben. Ich war vorhin erst beim dritten oder vierten Satz, da glaubten Sie schon den ganzen Inhalt der Rede zu kennen.
— Hellseherische Begabung, Herr Kollege Heiland, ist eine großartige Sache. Ich habe sie nicht. Sollte sie in Ihren Reihen stärker verbreitet sein, kann ich nur sagen: herzlichen Glückwunsch!
Es mag sein, Herr Kollege Mommer, daß Sie die Rede ganz gehört haben; das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber ich bitte die anderen, die dann in dieser harten Weise polemisieren, sie einmal Wort für Wort nachzulesen. Seien Sie sicher, sie ist Wort für Wort sehr sorgfältig überlegt.
- Das kann nur jemand sagen, Herr Kollege Wittrock, der sie nicht gehört hat, auf dem Flur konnten Sie sie nicht hören.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1733
Bundesminister Dr. Schröder
Darin steht, daß wir jede Auseinandersetzung in den Formen der parlamentarischen Demokratie, die bei uns eine repräsentative Prägung hat, ertragen können und ertragen müssen, daß aber das Allergefährlichste, was es für ein Staatswesen gibt, das gerade erst dabei ist, sich in einer ungeheuer gefährdeten Welt einigermaßen zu stabilisieren, ist, von den geschriebenen Formen des Rechts abzuweichen. Soll ich in diesem Augenblick noch einmal den Blick auf unser Nachbarland richten? Meine Damen und Herren, wenn es erst gelungen ist, durch außerparlamentarische Aktionen die Autorität des gewählten Parlaments zu zerstören, dann ruft das Volk nach neuen Autoritäten; das haben wir gerade erlebt.
Der Kollege Mommer hat sich zu der Formulierung verstiegen, die CDU lebe im Machtrausch — er meinte wohlgemerkt nicht im Parteimachtrausch, sondern im nationalen Machtrausch —, und Westdeutschland sollte nach unserem Willen atomare Großmacht werden. Ich weiß nicht, worauf Herr Mommer eine solche Auffassung glaubt stützen zu können.
— Die neun Jahre, Herr Kollege Mommer, sollten Ihnen einen wesentlich bescheideneren Eindruck von den deutschen Möglichkeiten und den deutschen Ambitionen vermittelt haben.
Das deutsche Volk ist noch nie in seiner Geschichte so schwer geschlagen gewesen wie wir 1945.
Ich sage Ihnen sehr offen, daß ich häufig darüber nachdenke, ob wir überhaupt in der Lage sind, die Doppelaufgabe zu erfüllen, die uns in unserer Zeit vom Schicksal gestellt ist, hier einen parlamentarisch-demokratischen Staat zu etablieren und zu festigen — das hat es nämlich, wie Sie vielleicht wissen, in Deutschland mit Festigkeit noch nicht gegeben — und gleichzeitig trotz eines Vielparteienstaates, trotz des ungeheuren Parteihaders, der natürlich seine hohen Wogen auch in dieses Haus wirft, das Maß von Einigkeit und Festigkeit aufzubringen, das für die Lösung der nationalen Schicksalsaufgabe — nämlich Deutschland seine alte Gestalt wiederzugeben — erforderlich ist.
Ich sage Ihnen nochmals: diesem Ziel werden Sie nicht dadurch dienen, daß Sie uns vorwerfen, wir täuschten das Volk, wir begingen Untreue an Steuergeldern, wir begingen Betrug, sondern dieser Aufgabe werden Sie bei aller Notwendigkeit parteipolitischer Auseinandersetzungen nur dienen können, wenn Sie sich auf jenes Minimum nationaler
Gemeinsamkeit mit uns nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zusammenfinden.
Dazu gehört eins: das ist die Nichtgefährdung der parlamentarischen Demokratie, das ist die Stabilisierung des Grundgesetzes, das wir zu verteidigen haben, und das ist die Nichtzerstörung der Ausgangsposition.
Ich sage Ihnen noch einmal: lassen Sie sich in eine Kampagne ein, deren Generalstabsplan in anderen Köpfen längst vorgedacht ist, lassen Sie sich in eine solche Kampagne verstricken, dann dienen Sie nicht dem Ziele der Stabilisierung der deutschen Ausgangsposition, die die einzige — die einzige! — Hoffnung aller Deutschen ist. Deswegen schließe ich damit, daß ich Ihnen sage: lassen Sie ab von der Volksbefragungskampagne!