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ID0303100800

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    Deutscher Bundestag 31. Sitzung Bonn, 13. Juni 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr (SPD) (Drucksache 303) — Zweite Beratung — Metzger (SPD) 1695 B Dr. Schröder, Bundesminister . 1708 D, 1742 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 1712 D Dürr (FDP) . . . . . . . . . 1717 A Euler (DP) 1718 D Dr. Mommer (SPD) 1721 B Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 1734 A Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1737 A Dr. Arndt (SPD) . . . . . . . . 1738 A Erler (SPD) 1743 D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 1746 A Namentliche Abstimmung 1746 C Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung gegen die Regierung des Landes Hessen wegen Verletzung der Pflicht zur Bundestreue; Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 437); Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Bundesregierung auf verfassungsrechtliche Prüfung des hamburgischen Gesetzes betr. die Volksbefragung über Atomwaffen; Mündlicher Beruht des Rechtsausschusses (Drucksache 438) Hoogen (CDU/CSU) 1748 A Wittrock (SPD) 1748 B Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 1749 D Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1750 B Nächste Sitzung 1752 C Anlage 1753 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1695 31. Sitzung Bonn, den 13. Juni 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Graf Adelmann 30. 6. Bading 13. 6. Dr. Bärsch 15. 6. Baur (Augsburg) 13. 6. Berendsen 13. 6. Berger 13. 6. Frau Berger-Heise 30. 6. Bergmann 13. 6. Birkelbach 13. 6. Dr. Birrenbach 14. 6. Fürst von Bismarck 13. 6. Dr. Bucerius 13. 6. Burgemeister 3. 7. Demmelmeier 13. 6. Dr. Deist 13. 6. Deringer 13. 6. Frau Döhring (Stuttgart) 21. 6. Döring (Düsseldorf) 13. 6. Eilers (Oldenburg) 13. 6. Etzenbach 13. 6. Frehsee 13. 6. Dr. Frey 21. 6. Dr. Friedensburg 13. 6. Dr. Furler 21. 6. Gaßmann 21. 6. Geiger (München) 14. 6. Glüsing (Dithmarschen) 13. 6. Dr. Gossel 13. 6. Hackethal 13. 6. Häussler 30. 6. Dr. Dr. Heinemann 13. 6. Hübner 13. 6. Illerhaus 13. 6. Jahn (Marburg) 14. 6. Kalbitzer 13. 6. Dr. Kempfler 13. 6. Dr. Königswarter 13. 6. Dr. Kopf 13. 6. Frau Dr. Kuchtner 14. 6. Kühlthau 16. 6. Kühn (Köln) 13. 6. Kunze 15. 6. Leber 13. 6. Lenz (Brühl) 13. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 6. Dr. Maier (Stuttgart) 13. 6. Margulies 13. 6. Marx 16. 6. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Maxsein 13. 6. Mensing 28. 6. Frau Meyer-Laule 14. 6. Müller-Hermann 14. 6. Nieberg 13. 6. Frau Niggemeyer 12. 7. Oetzel 13. 6. Ollenhauer 14. 6. Frau Dr. Pannhoff 14. 6. Paul 14. 6. Peters 13. 6. Pietscher 16. 6. Frau Pitz-Savelsberg 15. 6. Dr. Preiß 30. 6. Pütz 13. 6. Ramms 21. 6. Rasch 25. 6. Frau Dr. Rehling 13. 6. Ruf 30. 6. Sander 20. 6. Scheel 13. 6. Dr. Schellenberg 14. 6. Scheppmann 13. 6. Dr. Schmid (Frankfurt) 13. 6. Schneider (Hamburg) 13. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 13. 6. Schoettle 19. 7. Dr. Schranz 13. 6. Schultz 13. 6. Dr. Serres 13. 6. Seuffert 13..6. Siebel 20. 6. Simpfendörfer 13. 6. Spies (Brücken) 13. 6. Dr. Starke 13. 6. Stauch 13. 6. Stierle 13. 6. Dr. Storm (Duisburg) 13. 6. Storm (Meischenstorf) 13. 6. Sträter 30. 6. Struve 30. 6. Wagner 13. 6. Dr. Wahl 13. 6. Walpert 13. 6. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 13. 6. Weber (Georgenau) 13. 6. Dr. Weber (Koblenz) 13. 6. Wehner 14. 6. Weimer 17. 6. Dr. Werber 13. 6. Dr. Winter 13. 6. Dr. Wolff (Denzlingen) 13. 6. Zoglmann 13. 6.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Für diesen Zweck benutzt die Kommunistische Partei Hilfsorganisationen, die bestimmte Aufgaben auf einzelnen Interessengebieten erfüllen sollen, z. B. Friedensarbeit, Kulturarbeit und Frauenarbeit.

    (Zuruf von der SPD: Welche Organisationen?)

    Eine der wichtigsten und wirksamsten Organisationen dieser Art ist seit Jahren die kommunistische Weltfriedensbewegung, die den aufrichtigen Wunsch aller Menschen nach einem dauerhaften Frieden für kommunistische Zwecke ausnutzt und deshalb auch zuerst als Träger des Kampfes gegen die atomare Rüstung außerhalb Deutschlands vorgeschoben worden ist. Schon 1950 hat der kommunistische „Weltfriedensrat" eine großangelegte Kampagne für das Verbot der damals nur in amerikanischen Händen befindlichen Atomwaffen begonnen. Etwa gleichzeitig sind in fast allen Ländern der freien Welt nationale kommunistische Friedenskomitees entstanden, die sich dieser ersten Atomkampagne anschlossen. In der Bundesrepublik handelte es sich um das „Westdeutsche Friedenskomitee", später „Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland" genannt. Diese kommunistische Friedensbewegung bezweckte, die kommunistischen Aggressionsabsichten zu tarnen und die westliche Abwehrbereitschaft zu schwächen. In Wahrheit lehnt die kommunistische Ideologie den Pazifismus — man muß hier betonen: im eigenen Machtbereich — als reaktionär ab. Die kommunistische „Weltfriedensbewegung" führte mehrere große Unterschriftensammlungen durch, die sich für das absolute Verbot aller Atomwaffen einsetzten. So die Appelle von Stockholm am 19. März 1950, von Berlin am 26 Februar 1951 und von Wien am 19. Januar 1955. Der kommunistische „Weltfriedensrat" veranstaltet im nächsten Monat in Stockholm einen „Kongreß für Abrüstung und internationale Zusammenarbeit". Dem Vorbereitungsausschuß dieser Stockholmer kommunistischen Veranstaltung gehört bedauerlicherweise ein evangelischer Kirchenpräsident aus der Bundesrepublik an.

    (Abg. Dr. Menzel: Namen nennen!)

    Ab 1950 haben die Kommunisten die Frage der deutschen Wiederbewaffnung zu einem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gemacht. Ausgerichtet auf die Linie der sowjetischen Außenpolitik und Propaganda sind auf allen Kongressen des Weltfriedensrats besondere Resolutionen gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik gefaßt worden. In diesem Sinne betätigte sich neben dem „Weltfriedensrat" die „Internationale kommunistische Wider-
    1710 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958
    Bundesminister Dr. Schröder standskämpferbewegung" FIR. Die kommunistischen Hilfsorganisationen in der Bundesrepublik bildeten 1951 den sogenannten „Hauptausschuß für Volksbefragung". Dort wurden führende Funktionäre und zahlreiche Mitglieder der kommunistischen Hilfsorganisationen der Bundesrepublik zusammengefaßt. Aus der Sowjetzone wurde diese Organisation mit allen möglichen Mitteln unterstützt.
    Meine Damen und Herren, ich habe bereits in der Bundestagsdebatte vom 24. April darauf hingewiesen, daß sich der Bundestag, dieses Hohe Haus schon vor fast genau sieben Jahren, nämlich am 26. April 1951 mit dieser kommunistischen Volksbefragungsaktion zu befassen gehabt hat. Ich habe damals vor allem den SPD-Abgeordneten Wehner zitiert, der 1951 die Ablehnung der KP-Aktion durch die SPD mit den Worten begründet hat: „Sehen Sie, eine Regierung ist doch verpflichtet, Leute, die Panik kaltblütig organisieren, in die Schranken zurückzuweisen."

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Damals, meine Damen und Herren, lebte allerdings Dr. Schumacher noch.
    Im Jahre 1954 hat der damalige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die führenden Funktionäre des Hauptausschusses zu Gefängnisstrafen verurteilt.
    Als nun 1957 die Diskussion über eine mögliche atomare Bewaffnung der Bundeswehr begann, war das für die Kommunisten der Anlaß, mit all ihren Tarn- und Hilfsorganisationen eine großangelegte Agitation zu beginnen. Sie lief wieder parallel zu sowjetischen Erklärungen. Auf der 33. Tagung des ZK der SED im Oktober 1957 forderte Grotewohl dazu auf, eine Volksbewegung gegen die Atomrüstung zu gründen. Er erklärte:
    Von unaufschiebbarer Dringlichkeit ist die Entfaltung einer umfassenden Friedensbewegung, einer Volksbewegung gegen die atomare Aufrüstung. Dabei müssen die fortschrittlichen Arbeiter, alle Funktionäre und Organisationen der Arbeiterklasse in Westdeutschland die Initiative ergreifen. Und die Arbeiterklasse darf ein gebührendes und für den Erfolg entscheidendes Gewicht in dieser großen Kampfbewegung für die Sicherheit des Friedens einnehmen. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen sich entfaltenden fortschrittlichen Kräften der Arbeiterklasse bei dieser Entwicklung zu helfen, sie zu kräftigen und zum Kampf zu befähigen.
    Die gleichen Forderungen wurden auf der 34. Tagung des Zentralkomitees der SED am 27. Dezember 1957 erhoben.
    Das Zentralkomitee der illegalen KPD rief am 18. Januar 1958 zu einer Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung auf. Am Vorabend der Bundestagsdebatte vom 23. Januar 1958 forderte Grotewohl zu einem Volksentscheid darüber auf, ob beide Teile Deutschlands einer atomwaffenfreien Zone angehören sollten. Max Reimann, der erste Sekretär des ZK der illegalen KPD erklärte am
    24. .Januar 1958 über den „Freiheitssender 904", die illegale KP werde diesen Vorschlag unterstützen, die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik lasse sich nicht mehr allein durch parlamentarische Mittel verhindern.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Am 2. Februar hieß es im sogenannten Deutschlandsender:
    Es ist zweifellos zu erwarten, daß die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften ... gegen die Atomtodpolitik ... in allen Städten und Dörfern Sturm laufen und einen Volksentscheid organisieren.
    Auf der 35. Tagung des ZK der SED im Februar 1958 wurde erneut betont, daß die Organisationen der SBZ die „friedliebenden Kräfte" der Bundesrepublik dabei unterstützen müßten, eine Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung herbeizuführen.
    Die Losung „Volksentscheid" nahm in der kommunistischen Propaganda an die Adresse der SPD und der Gewerkschaften einen immer größeren Raum ein.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    In einem von der illegalen KP-Organisation in Düsseldorf herausgebrachten Flugblatt an die SPD wird bereits am 5. Februar 1958 eine örtlich begrenzte Volksbefragung angeregt. Von Ende Februar 1958 an griff die kommunistische Hetzaktion auf Industriebetriebe über. An verschiedenen Orten gab es kurze und wilde Streiks. Als Anstifter solcher Streiks konnten bei Henschel in Kassel, bei Büssing in Braunschweig und in einem Teilhafengebiet von Hamburg einwandfrei die dort tätigen illegalen KP-Betriebsgruppen festgestellt werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wie wir wissen, meine Damen und Herren, ist vom Zentralkomitee der SED die grundsätzliche Weisung für die Führung dieser Kampagne ergangen, alle kommunistischen Hilfsorganisationen im Bundesgebiet hätten die Koordinierung der „Friedenskräfte" der Sowjetzone mit dem „Arbeitsausschuß Kampf dem Atomtod" der sozialdemokratischen Opposition sowie mit den von den kommunistischen Hilfsorganisationen gegründeten Aktionsgemeinschaften anzustreben. Neue derartige Aktionsgemeinschaften sollten auf Landes-, Kreis- und Ortsebene in der Bundesrepublik gebildet werden, damit — und das ist nun der politisch relevante Gesichtspunkt — „der Mann auf der Straße" nicht mehr zwischen den von der parlamentarischen Opposition und den von den kommunistischen Hilfsorganisationen gegründeten Ausschüssen unterscheiden könne.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Im Sinne dieser Weisung verstärkten seit Dezember 1957 alle kommunistischen Hilfsorganisationen ihre Agitation gegen eine atomare Bewaffnung der Bundesrepublik und bemühten sich, insbesondere Verbindungen zu den Sozialdemokraten, zu den Gewerkschaften aufzunehmen. Die von diesen Kräften
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1711
    Bundesminister Dr. Schröder
    eröffnete oder unterstützte Kampagne „Kampf dem Atomtod" sowie den Ende Februar 1958 veröffentlichten Appell von 44 Universitäts- und Hochschulprofessoren der Bundesrepublik an die Gewerkschaften versuchten die Kommunisten ihren Zielen nutzbar zu machen.
    Die am 30. März 1958 vorgenommene Gründung der „Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik" durch den „Fränkischen Kreis" ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben. Andere kommunistische Hilfsorganisationen riefen im Laufe der Monate April und Mai ähnliche Ausschüsse ins Leben. Die soeben erwähnte „Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik" wurde vom „Fränkischen Kreis" Ende März in Frankfurt gegründet. Der „Fränkische Kreis" ist eine von dem kommunistischen „Demokratischen Kulturbund Deutschlands" (DKBD) finanzierte und gesteuerte Nebenorganisation.

    (Zuruf von der SPD: Wieviel Mitglieder haben denn die?)

    Nach außen hin zeichnet für diesen Kreis der Würzburger Universitätsprofessor Dr. Franz Paul Schneider, führendes Mitglied verschiedener kommunistischer Hilfsorganisationen, u. a. des „Weltfriedensrates". Um der Neugründung den Anschein politischer Neutralität und zugleich eine möglichst breite Grundlage zu geben, gewann man die Initiatorin des Appells der 44 Professoren an die Gewerkschaften, Professor Dr. Renate Riemeck, zur Mitarbeit. An der Gründungskonferenz nahmen 66 Personen teil. Die Hälfte davon wurden als Gewerkschaftsfunktionäre bezeichnet. Dem „Fränkischen Kreis" gelang es damit, seinen bisherigen Wirkungskreis — in Kreisen der Intelligenz — zu erweitern und auf die Arbeiterschaft auszudehnen, was ein alter Wunsch seiner kommunistischen Funktionäre war.

    (Zuruf von der SPD: Wieviel Mitglieder hat er?)

    Die Mitgliederliste des „Zentralen Arbeitsausschusses", der von der Aktionsgemeinschaft gebildet wurde, zeigt, daß es dem „Fränkischen Kreis" gelungen ist, namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie ich annehme, irrezuführen. Die „Aktionsgemeinschaft" fungiert im übrigen als Träger des „Ständigen Kongresses gegen die Atomaufrüstung", der, wie es heißt, Intellektuelle, Betriebsräte, Bauern, Frauen und Jugendliche zu einer Tagung eingeladen hat, die am 14. und 15. dieses Monats in Gelsenkirchen stattfinden soll.
    Wie weit die Verwirrung gediehen ist, zeigt, daß das führende Blatt der Sozialdemokraten, der „Vorwärts", in seiner Ausgabe von heute in einem Aufsatz, der überschrieben ist „Aufstand des Gewissens" und sich auf Seite 5 findet, harmlos auf diese Veranstaltung hinweist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Entsprechend den kommunistischen Absichten, zahlreiche neue Aktionsgemeinschaften zu bilden, damit nicht mehr zwischen den Arbeitsausschüssen, die die Sozialdemokraten gegründet haben, und den kommunistischen Organisationen unterschieden werden könne, wurden ins Leben gerufen: am 20. April 1958 in Hannover ein „Komitee Volkskunstschaffender gegen den Atomtod", Ende April in Köln, Düsseldorf, Duisburg und anderen Orten „Arbeitsgemeinschaften gegen die atomare Aufrüstung" vom „Bund der Deutschen", am 27. April die „Arbeitsgemeinschaft Bayern-Kampf dem Atomtod" vom kommunistischen Landesfriedenskomitee Bayern.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ebenso wie die kommunistischen Hilfsorganisationen sind auch die kommunistisch beeinflußten neutralistischen und nationalistischen Kreise in die Aktion eingeschaltet. So führt zum Beispiel der „Deutsche Klub 1954" eine „Antiatomkampagne". Er hat nach dem Anlaufen der Aktion „Kampf dem Atomtod" seine Bemühungen verstärkt. Als Geschäftsführer ist Karl Graf von Westfalen und als Hilfskräfte sind die ehemaligen Funktionäre Paul Neuhöfer vom „Bund der Deutschen" und Hans Blank von der Kommunistischen Partei tätig. Der „Deutsche Klub 1954" wendet sich vor allem an bestimmte bürgerliche und kirchliche Kreise.
    Der unter sowjetzonalem Einfluß stehende und im wesentlichen auch von sowjetzonalen Stellen finanzierte „Bund für deutsche Einheit e. V.", der seinen Anhang hauptsächlich in nationalistischen Kreisen sieht, unterstützt seit April 1958 offen die Aktion „Kampf dem Atomtod".
    An der kommunistisch gesteuerten Atomtodkampagne beteiligen sich ferner die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)", das „Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland" — Herausgeber des weit gestreuten Blaubuchs gegen die Atomrüstung in Westdeutschland —, die „Westdeutsche Frauenfriedensbewegung" und der eben erwähnte „Bund der Deutschen" . Hinzu kommt eine große Anzahl von Neugründungen — Komitees, Arbeitsgemeinschaften, Ausschüsse usw. — auf Bundes-, Landes- und Kreisebene.
    Vor dem Hintergrund dieser kommunistisch gelenkten Großaktion gewinnt ein kleiner Einzelfall symptomatische Bedeutung. Die Gemeindevertretung in F. — ich begnüge mich mal mit dem Anfangsbuchstaben des Ortes — hat beschlossen, eine Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung unter allen Umständen durchzuführen, und zwar auch gegen anderslautende Weisung der Aufsichtsbehörde; ein Verhalten, das zeigt, wie sich die kommunistischen Aufstandsparolen auszuwirken beginnen. Es wurde festgestellt, daß der Anstoß zu diesem Vorgehen von einem örtlich bekannten Kommunisten ausgegangen ist.

    (Zuruf von der SPD: Wieviel Prozent hatten denn die Kommunisten bei den letzten Wahlen? — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Bemerkenswert ist ferner, daß, nachdem Max Reimann am 24. März 1958 im „Freiheitssender 904"
    ausgerufen hatte: „Der nationale Notstand gebietet
    1712 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958
    Bundesminister Dr. Schröder
    den nationalen Widerstand", die Opposition im Bundestag — —

    (Abg. Dr. Menzel: Nennen Sie doch mal die Gemeinde! — Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    — Es tut mir leid, den Satz muß ich wiederholen, weil er leider wegen der Störungen nicht allgemein verständlich war.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bemerkenswert ist ferner, daß, nachdem Max Reimann am 24. März 1958 im „Freiheitssender 904" ausgerufen hatte: „Der nationale Notstand gebietet den nationalen Widerstand", die Opposition am 25. März eine Regierung des nationalen Notstands forderte.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Wiederum einen Tag später, am 26. März, schrieb der SPD-Pressedienst: „Das . . . Ja zur atomaren Bewaffnung ... ist der nationale Notstand".

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend folgendes feststellen:
    1. Der Kommunismus hat seit langem seine Absicht erkennen lassen, durch Verbreitung von atomarer Massenangst das Ordnungsgefüge der Bundesrepublik zu erschüttern und den Freiheitswillen unserer Bevölkerung zu lähmen. Die von den Kommunisten erdachten Schlagworte und Parolen werden nicht dadurch ungefährlich, daß sie auch von legalen Gegnern der Bundesregierung verwendet werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer, meine Damen und Herren, ob bewußt oder unbewußt, gutgläubig oder bösgläubig, mit seinem Willen oder ohne seinen Willen in diese Kampagne verstrickt wird, spielt das Spiel unserer gemeinsamen Gegner.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Beifall, den die Volksbefragungskampagne im kommunistischen Machtbereich findet, muß doch ein Warnsignal für uns alle sein.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    2. Die Bundesregierung wehrt sich entschieden dagegen, daß durch die Volksbefragungsaktion eine Demontage der Verfassung durch die Hintertür eingeleitet wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Versuch, diese Aktion dahin zu verharmlosen, daß es sich ja nur um statistische Feststellungen —das ist in Hamburg gesagt worden - oder gar um demoskopische Meinungsforschung handele, muß als Irreführung abgelehnt werden.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    In der gefährdeten Lage, in der sich unser Vaterland befindet, gibt es kaum ein wichtigeres Gebiet als das der Stabilisierung der parlamentarischen Demokratie,

    (erneute Zustimmung in der Mitte)

    und zwar in der vom Grundgesetz geprägten repräsentativen Form.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Zerstörung der Autorität des gewählten Parlaments beschwört Entwicklungen herauf, denen wir unser junges Staatswesen unter keinen Umständen aussetzen dürfen.
    Deshalb richte ich noch einmal an diejenigen Träger der Volksbefragungsaktion, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und sich mit uns für die Verteidigung der grundgesetzlichen Ordnung verantwortlich fühlen, mit allem Ernst den Appell, die Volksbefragungskampagne einzustellen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gibt in unserem Rechtsstaat genügend verfassungsmäßige Mittel der politischen Willensbildung und der Durchsetzung des politischen Willens in den vorgeschriebenen parlamentarischen Bahnen. Die Volksbefragungsaktion gehört aber nicht dazu.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Hier gilt es, den Anfängen zu wehren. Ich bitte das Hohe Haus, die Bundesregierung bei ihrer Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung mit aller Kraft zu unterstützen.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Metzger hat seine Rede damit begonnen, daß er sagte, die Anti-Atomkampagne der Opposition habe keinerlei parteitaktischen Hintergrund. Ich möchte Herrn Kollegen Metzger an das erinnern, was unlängst auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Stuttgart gesagt worden ist. Mir liegt der gedruckte Bericht mit der Rede des verehrten Kollegen Professor Carlo Schmid vor. Das, was er dort gesagt hat, entkräftet nicht nur das, was Herr Metzger hier vorgetragen hat, sondern beweist das Gegenteil, daß es nämlich einen parteipolitischen Hintergrund Ihrer Absichten gibt.
    Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten dieses Zitat verlesen. Professor Carlo Schmid sagt:
    Man kann nicht zu jeder Zeit jedes Ding zum Problem erheben, das heute zu lösen ist. Heute gibt es ein Problem Nr. 1, und das heißt: Wie bringt man die Atombombe zum Verschwinden? Demgegenüber sind die anderen Dinge zweitrangig. Und wenn wir darauf den rechten Akzent legen, werden wir die Massen hinter uns bringen. Dann werden auch Leute, die mit diesem oder jenem in unserem Programm vielleicht nicht einverstanden sind, sagen: Entscheidend ist, daß die Sozialdemokraten die Partei werden, die regiert.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1713
    Dr. Barzel
    Der Herr Kollege Metzger hat zum zweiten den furchtbaren Satz gesprochen, daß die atomare Ausrüstung der Bundeswehr lebensgefährlich sei. Ich frage die Opposition, ob nicht vielmehr ihr Nein in der Wehrfrage lebensgefährlich für unser Volk ist.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Warum reden Sie nicht von der Gefährlichkeit der Waffen und der Absicht der Sowjetunion?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Antiatomkampagne der Opposition trägt doch nicht nur innenpolitisch. Unordnung und Unruhe in unser Volk. Die Antiatomkampagne vollzieht sich nicht nur, wie wir eben gehört haben, in bedenklicher Nähe der Kommunisten. Die Antiatomkampagne schwächt doch auch den Verteidigungswillen unseres Volkes, und sie schwächt damit die Aussichten für Abrüstung und Wiedervereinigung.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Glaubt denn die Opposition, daß Moskau noch bereit sein würde zum Gespräch über die internationale kontrollierte Abrüstung — die wir doch alle wollen —, wenn wir ihren Weg gehen, also einseitig und ohne Gegenleistung auf die zur Kriegsverhinderung notwendigen Waffen verzichten?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mommer: Was Sie sich über die Rolle der Bundesrepublik einbilden! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Die östliche Politik in dieser Frage läßt sich doch in einem Satz zusammenfassen. Herr Chruschtschow ruft uns im Grunde nichts anderes zu als dies: Warum wollt ihr eigentlich moderne Waffen, wo wir Sowjets doch davon schon genug haben?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

    Wir sichern den Frieden und die Freiheit nicht durch einseitigen Verteidigungsverzicht. Ganz im Gegenteil, wer jetzt einseitig und ohne Gegenleistung abrüstet, zerstört nicht nur die Einheit des Westens, sondern gefährdet damit zugleich die Abrüstung, die Entspannung und die Wiedervereinigung.
    Dieser Auffassung sind nicht nur wir. Sie haben gelesen, was in der Schweiz durch Ihre Kollegen, durch die Schweizer Sozialisten, verlautbart worden ist. Für den Fall, daß Sie es nicht gelesen haben, darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vielleicht einige Sätze daraus vortragen

    (Zuruf von der SPD: Zitieren Sie auch Bevan!)

    — ich komme gleich auf das Labour-Weißbuch zu sprechen —:
    Mit großer Sorge nehmen wir zur Kenntnis, daß sich in unserem Land eine Richtung abzeichnet, welche in Verkennung aller Realitäten und in leider nur allzu deutlicher Imitation der innenpolitisch bedingten Kampagne in der deutschen Bundesrepublik eine Bewegung gegen den Atomtod einleitet, die nichts anderes sein
    kann als ein Versuch zur Wehrlosmachung der freien Völker. Dabei ist festzustellen, daß die kommunistischen Mächte vor konventionellen und Kernwaffen strotzen. Die Erfahrungen lehren uns, daß die völkerunterdrückenden und weltherrschaftslüsternen Kommunisten nur dann verhindert werden, neue Aggressionen auszulösen, wenn ihnen in der freien Welt ein mindestens gleichwertiges Kernwaffenpotential gegenübersteht. Wir müssen es als ein Verhängnis betrachten, wenn die Geschlossenheit der schweizerischen Arbeiterschaft durch eine Bewegung gestört würde, die sich in ihrer defaitistischen Wirkung einseitig gegen den Westen richtet und dadurch jene Gefahren erst recht heraufbeschwören hilft, die sie irrtümlicherweise zu bannen vermeint.
    So weit die Schweizer Sozialdemokraten.
    Ich bin soeben nach der Stellungnahme der Labour Party gefragt worden. Sie wissen, daß die Labour Party ein Weißbuch herausgegeben hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Satz daraus zitieren. Es heißt dort:
    So sehr jeder vernünftige Mensch die Wasserstoffbombe verabscheut, so ist doch das britische Volk durchaus gewahr, daß Großbritannien seine eigene atomare Abschreckung bis zu dem Zeitpunkt nicht ausrangieren kann oder darf, bis alle anderen Nationen das gleiche tun.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Eschmann: Es gibt auch noch andere Stellen in dem Weißbuch!)

    — Ich würde Ihnen empfehlen, verehrter Herr Kollege Eschmann, einen Artikel nachzulesen, dén der Schweizer Theologe Dr. Emil Brunner kürzlich unter der Überschrift geschrieben hat: „Pazifismus als Kriegsursache."

    (Abg. Eschmann: Zitatsammlung!)

    — Ich habe dieses Zitat deshalb so gut gefunden, weil es mich an das Wort von Kurt Schumacher erinnerte, das da heißt: „Schwäche ist Kriegsanziehung".

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Eschmann: Das haben wir doch schon einmal erlebt!)

    Herr Kollege Metzger hat hier ausgeführt, daß die Sozialdemokraten kein Vertrauen zu dem Herrn Innenminister haben könnten. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition: Das wissen wir. Aber darauf kommt es doch gar nicht an! Entscheidend ist: Wir haben das Vertrauen zu dem Herrn Innenminister, und wir sind ihm dankbar für diese klare Sprache.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Der Herr Kollege Metzger hat den Herrn Bundeskanzler als einen „niedrigen Parteipolitiker" und als ein „Unglück" für unser Volk bezeichnet.

    (Pfui-Rufe und Rufe: Unerhört! von der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Er hat es ja begründet!)

    1714 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. 'Juni 1958
    Dr. Barzel
    Wir glauben, daß diese Rede des Kollegen Metzger
    niedrige Parteipolitik und ein Unglück für unser
    Volk war. Unser Bundeskanzler ist ein Staatsmann,

    (Abg. Dr. Mommer: „Gröfaz" !) bitte? —


    (Abg. Dr. Mommer: „Gröfaz" !)

    den die Welt anerkennt und um den sie uns beneidet; und Ihr ganzer Ärger geht ja nur darum, daß Sie nicht eine so überzeugende Persönlichkeit vorzuzeigen imstande sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Kollege Metzger hat weiter geglaubt ausführen zu sollen, bei der Bundestagswahl sei das deutsche Volk getäuscht worden. Diese These ist schon in der ersten Lesung widerlegt worden. Sie empfinden es also als eine Täuschung, wenn unser Volk über Ihre sozialistischen Absichten klar sieht und deshalb zu Ihrer Politik nein und zu unserer Politik ja sagt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das ist eine Fortsetzung der Beleidigung der Mehrheit unseres Volkes. Mir liegt hier der „Vorwärts" vom 16. Mai vor, in dem in bezug auf die Bundestagswahl der Satz steht: „Die Mehrheit des Volkes hatte es jedoch offenbar vorgezogen, andere denken zu lassen." Das ist eine Beleidigung der Mehrheit unseres Volkes, das genau gewußt hat, wen und was es wählte.

    (Zuruf von der DP: Wiegelei ist das!)

    Herr Kollege Metzger hat dann einige Rechtsausführungen gemacht. Er hat zunächst auf die Verfassungsverhältnisse in Norwegen hingewiesen. Wir legen Wert darauf, festzustellen, daß wir in Deutschland sind, wo unser Grundgesetz gilt. Norwegen hat eine Verfassung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist eine konstitutionelle Monarchie. Der Kampf um die Erweiterung und Demokratisierung dieser Verfassung ist noch nicht am Ende. Außerdem hat Norwegen nicht unsere Erfahrungen Ich würde Ihnen gerne — ich will es aber nicht tun, weil die Zeit heute morgen nicht zu lange in Anspruch genommen werden soll — etwas über die Erfahrungen vorlesen, z. B. das, was der verehrte frühere preußische Innenminister Severing in seinen Lebenserinnerungen über die Erfahrungen mit diesen Dingen geschrieben hat.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Kollege Metzger hat dann behauptet, der Herr Innenminister lege die Verfassung je nach seinem Bedarf aus. Ich will gar nicht sagen, daß das eine unglaubliche Behauptung ist. Aber ich sage: Ihr Vorwurf trifft genau das, was Sie selbst tun. Sie haben einen Grundsatz bei allen Argumenten in der ersten Lesung und auch heute wieder angewandt; ich stelle allerdings fest, der Herr Kollege Dr. Arndt hat sich in der ersten Lesung davon distanziert. Sie haben im Grunde in Übereinstimmung mit dem, was der Kollege Bucher gesagt hat ausgeführt, was nicht verboten sei, das sei erlaubt. Sie haben also aus der Fülle des Gemüts

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    eine Bundeskompetenz behauptet. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einer gutachtlichen Stellungnahme der SPD-Fraktion vom 18. Oktober 1952, einer gutachtlichen Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht, einige Sätze verlesen, die Sie wahrscheinlich darüber aufklären werden, daß Sie heute eine andere Stellung als früher beziehen:

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.) Letzten Endes.

    — heißt es dort —
    bedeutet dies nichts anderes als die simple These, dem gesetzgebenden Organ sei alles erlaubt, was ihm die Verfassung nicht verbiete. Ein Satz, der im demokratischen Verfassungsstaat mit Recht für den Bürger gilt, wird hier zu Lasten und zum Nachteil des Bürgers auf ein Staatsorgan übertragen. Das fundamentale Prinzip des demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassungsstaates ist jedoch das entgegengesetzte. Dem Verfassungsorgan und auch dem gesetzgebenden
    — das ist hier gesperrt gedruckt —
    ist nur zu tun erlaubt, wozu sie von der Verfassung ermächtigt sind. Heinrich Triepel hat dieses Prinzip durch die berühmte Formulierung ausgedrückt, daß eine jede Kompetenz an der. Hand des Rechtes bewiesen werden muß, andernfalls auch die gesetzgebende Gewalt einen Staatsstreich unternimmt.
    Ich möchte diese Sätze in die Erinnerung der sozialdemokratischen Verfassungsjuristen zurückrufen.

    (Abg. Hoogen: „Gezeichnet: Ollenhauer"!)

    Als auf ein weiteres Argument ist hier auf Castrop-Rauxel hingewiesen worden. Wir haben diese Vorgänge geprüft. .Der Herr Innenminister hat schon während der ersten Lesung vorgetragen, daß er diesen Vorgang beanstandet haben würde, wenn er damals im Amt gewesen wäre. Es war eine örtliche, von der Europäischen Bewegung veranstaltete Maßnahme, der die örtlichen Instanzen hilfreich und sympathisch gegenüberstanden. Es war also keine Volksbefragung, die amtlich im ganzen Bundesgebiet durchgeführt worden ist. Gegenstand der Befragung war nicht eine vom Bundestag getroffene und zwischen den Parteien strittige Entscheidung. Der Vorgang ist also gar kein Präjudiz, ganz abgesehen davon, daß unsere Verfassung sicher nicht aus Präjudizien insbesondere nicht aus eventuell verfassungswidrigen — entwickelt werden kann.
    Eine dritte Gruppe von Argumenten hat die Opposition heute wie auch in der ersten Lesung aus einer Vermischung der Begriffe Volksentscheid, Volksbegehren, Volksbefragung und Meinungsforschung entwickelt. Wir legen deshalb heute Wert darauf, diese Begriffe noch einmal ganz kurz klarzulegen.
    Der Volksentscheid ist nach unserem Grundgesetz eine Abstimmung des Volkes, durch die unmittelbar eine Frage geregelt wird. Der Volksent-
    Deutscher Bundestag — 3 Wahlperiode — 31. Sitzung, Bonn, Freitag, den 13. Juni 1958 1715
    Dr. Barzel
    scheid ist nur für die Fragen der innergebietlichen Neuordnung vorgesehen.
    Das Volksbegehren ist nach unserem Grundgesetz das Auslösen einer Initiativeunmittelbar durch das Volk selbst; es ist wiederum nur für die Fragen der innergebietlichen Neuordnung vorgesehen.
    Diese beiden Rechtsinstitute galten in der Weimarer Verfassung auch. Sie hatten einen weiteren Anwendungskreis.
    Dagegen ist die Volksbefragung — wir haben das in der ersten Lesung ausführlich vorgetragen — von Hitler in Deutschland eingeführt worden. Art. 118 des Grundgesetzes sieht sie für einen Ausnahmefall der innergebietlichen Neuordnung vor. Dieser Art. 118 ist vom Bundesgesetzgeber ebenso wie vom Bundesverfassungsgericht — das hat der Herr Kollege Metzger eben nicht gesagt - immer als ein Volksentscheid angesehen worden, weil in der Demokratie das Volk der Souverän sei, und der Souverän entscheide, wenn immer er sich äußere.
    Die Volksbefragung im Sinne des Gesetzentwurfs der SPD — also die unverbindliche —, die sogenannte unverbindliche informatorische Befragung des Volkes über eine politische Grundsatzfrage — dieses Rechtinstitut gibt es nach dem Grundgesetz aus guten Gründen nicht.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ob es durch Ergänzung des Grundgesetzes eingeführt werden könnte, ist in der Staatslehre strittig. Aber ein solcher Antrag liegt nicht vor.
    Etwas ganz anderes als die amtliche Volksbefragung, das Volksbegehren und der Volksentscheid — das wird von Ihnen bewußt durcheinander gebracht sind die privaten Maßnahmen der Meinungsforschung. Die Tätigkeit der demoskopischen Institute ist nicht amtlich. Sie ist in der Zahl der Befragten beschränkt und in der Methode und der Zielsetzung grundverschieden vom Vorhaben der Opposition. Der Entwurf der Opposition will eine amtliche Äußerung des ganzen Staatsvolkes nach vorangegangener Kampagne. Die Demoskopie will eine private Äußerung einzelner Staatsbürger ohne vorhergegangene politische Kampagne. Der Entwurf der Opposition will Meinung machen, Meinung beeinflussen, und am Schluß soll diese Meinung, wie wir eben wieder gehört haben, auch moralische und politische Folgerungen haben. Die Demoskopie will vorhandene Meinungen feststellen. Das sind grundsätzliche Unterschiede.
    Deshalb sagt Theodor Eschenburg meines Erachtens mit Recht — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:
    Wer das Volk auf diese Weise befragt, will nicht eine Information, sondern trachtet nach einer wirksamen Entscheidung des Volkes. Das aber will das Grundgesetz gerade nicht. Die Volksbefragung über politische Grundsatzfragen ist das Trojanische Pferd der Kommunisten.
    Deshalb stellen wir heute erneut fest: Dieser Entwurf ist nicht nur verfassungswidrig, weil das
    Grundgesetz uns kein Recht gibt, ihn zu verabschieden. Ich frage die Opposition, wo konkret eine Verfassungsnorm steht, an Hand deren Sie die Zuständigkeit zum Erlaß dieses Gesetzes dartun können. Dieser Entwurf ist aber auch verfassungswidrig, weil seine Absicht verfassungswidrig ist, nämlich die Bundesregierung zu stürzen außerhalb des konstruktiven Mißtrauensvotums, durch Kampagnen, durch Aufwiegelung und gegebenenfalls . durch Streik.
    Ich möchte nun noch einige wenige Sätze über das sagen, was in der Zeit zwischen der ersten und zweiten Lesung passiert ist. Das, was passiert ist, gibt uns doch allen Anlaß zu sagen: Hände weg von dieser bedenklichen Aktion!

    (Beifall in der Mitte.)

    Da sind zunächst in drei hessischen Gemeinden, in den Gemeinden Blessenbach, Niedershausen und Odersbach, Volksbefragungsaktionen durchgeführt worden. Wir haben das einmal nachgeprüft und festgestellt, daß in keiner dieser drei Gemeinden eine Abstimmung nach den Bestimmungen von Wahlgesetz und Wahlordnung durchgeführt wurde;

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    es gab keine Wahllokale, in denen geheim hätte abgestimmt werden können.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die Gemeindevertretungen hatten vielmehr den Wahlberechtigten vor der Abstimmung ein Rundschreiben ins Haus geschickt, in dem sie aufgefordert wurden, sich im Stadthaus in eine Liste einzuzeichnen, um dadurch die Unterstützung dieser Aktion kundzutun. Als sich nur wenige Prozent eintrugen, wurde ein neuer Beschluß gefaßt. Beauftragte des Herrn Bürgermeisters gingen dann in die Wohnungen der Wahlberechtigten, um die Unterschriften zu sammeln.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Das, meine Damen und Herren, ist ein Vorgeschmack von „freien, geheimen" Vorgängen. Von der Wahrung unserer Verfassung in diesem Zusammenhange — —