Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Seuffert hat in diese Debatte einige Akzente durch Ausführungen gebracht, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Herr Seuffert, es ist von unserer Seite völlig klar erkannt worden, daß die Enteignung des über 10 000 Dollar hinaus vorhandenen Vermögens im Staatsvertrag vorgenommen worden ist, nicht in diesem Vertrag. Das ist völlig klar, das wissen wir; das brauchten Sie uns nicht noch einmal zu sagen. Die Enteignung des höheren Vermögens ist dort vorgenommen worden, und dieser Vertrag sieht eine Regelung der Rückgabe des kleineren Vermögens vor, die wir begrüßen.
Zweitens. Wir haben niemals — ich jedenfalls nicht - Angriffe gegen die österreichische Regierung gerichtet. Meine Vorwürfe haben sich gegen die deutsche Regierung gerichtet. Ich erkenne durchaus an, daß sich die Österreicher bei der Regelung der Rückgabe der kleinen Schulden großzügig gezeigt haben, daß sie uns eine Reihe von Vergünstigungen gewährt haben, zu denen sie nach dem Wortlaut des Staatsvertrages nicht verpflichtet waren. Das ist heute absolut geklärt.
Ich will noch ein drittes Moment erwähnen, hinsichtlich dessen ich einen falschen Akzent bemerkt habe: die Dringlichkeit. Auch wir sind der Meinung, daß es im Interesse der großen Zahl der Personen — 90 %, ist gesagt worden —, die Vermögen zurückerhalten, eilig ist, mit diesem Vertrag zu Rande zu kommen. Aber der Vorwurf mangelnder Eile darf dann doch nicht gegen uns erhoben werden. Der Vertrag ist im Juni 1957 abgeschlossen worden, und wir sind jetzt im Mai 1958. Jetzt kommt es auf acht Tage an?! Monatelang, fast ein Jahr lang ist das Parlament nicht mit dieser Sache beschäftigt worden, und jetzt ist es dringend! Mindestens ein halbes Jahr hat dazwischen gelegen. Diese Dringlichkeit kann ich also nicht anerkennen.
1594 Deutscher Bundestag — 3, Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1958
Dr. Atzenroth
Unser Antrag auf Rückverweisung beinhaltet keineswegs, daß von der österreichischen Regierung unter allen Umständen gefordert werden soll, wegen einer Änderung des Vertrages mit uns noch einmal in Verbindung zu treten. Das ist vielleicht — aber das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung aus dem Klima der Verhandlungen selber treffen muß — nicht mehr möglich. Aber deswegen ist die Rückverweisung immer noch begründet.
— Warum? In diesem Ausführungsvertrag mußte, wie Herr Kollege Seuffert richtig gesagt hat, die Bundesregierung geben und nehmen. Das Geben hat sie aber zu Lasten eines bestimmten Kreises deutscher Personen getan, und dazu war sie nicht berechtigt. Sie mußte, wenn sie in den Verhandlungen über diesen Vertrag zu der Überzeugung kam: wir müssen etwas geben!, dieses Hingeben so gestalten, daß es eben die Bundesregierung belastet und nicht einen aus irgendwelchen Gründen zufällig erfaßten kleinen Kreis von Betroffenen. Diesen Fehler können wir bei einer Rückverweisung reparieren.
Herr Pelster unterstellt mir immer wieder, ich hätte Interesse an diesen Firmen. Ich kenne keine dieser deutschen Firmen, ich habe keine einzige Verbindung mit Österreich, sondern ich trete hier nur für das Recht am Privateigentum ein, ganz gleichgültig, wem es gehört, ob es Große oder Kleine sind. Die Bundesregierung kann nicht in einem Vertrag einen Verzicht zugunsten eines bestimmten Teils des Privateigentums leisten. Sie muß vielmehr diesen Verzicht dann zu Lasten der Allgemeinheit aussprechen, und so müßten wir den deutschen Teil des Vertrages gestalten.
Das heißt noch immer nicht, daß wir alle diese Personen von ihren Verpflichtungen entbinden wollen. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, daß nach seiner Meinung eine Verletzung des Grundgesetzes hier nicht vorliege; die deutschen Schuldner seien durch den Staatsvertrag nicht befreit, der österreichische Gläubiger habe durch den Staatsvertrag seinen Anspruch verloren. — Gut, aber heute machen die österreichischen Gläubiger ihre Ansprüche geltend, und das müssen Sie im innendeutschen Recht ausgleichen. Nach Ihrer Meinung darf der österreichische Gläubiger keine Ansprüche mehr an den deutschen Schuldner stellen. Sie könnten theoretisch in das deutsche Gesetz einsetzen: Der deutsche Schuldner hat an die deutsche Regierung zu leisten, um das wieder auszugleichen, wozu die deutsche Regierung sich in dem Staatsvertrag bereit erklärt hat. Dann haben Sie es in der Hand, nach deutschen Gesetzen unter Beachtung des deutschen Grundgesetzes die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu wahren. Diese Änderung können wir heute, können wir in der nächsten Woche noch in dem Gesetz vornehmen, und dann ist ein großer Teil der Bedenken, die wir vorgebracht haben, behoben.
Es ist also nicht so, daß ich alle diese deutschen Schuldner freistellen wollte, obwohl sie durch den Staatsvertrag nicht freigestellt worden sind — das
ist die Erklärung, die der Herr Staatssekretär gegeben hat —; aber sie gegenüber dem österreichischen Gläubiger freizustellen, das ist unser Recht, sogar unsere Pflicht. Wir können dann nach innerdeutschem Recht entscheiden, was die deutschen Schuldner noch leisten müssen, um wenigstens einen Teil der Kasten aufzubringen, die die deutsche Bundesregierung gegenüber Österreich in diesem Vertrag übernommen hat.
Der Herr Berichterstatter — ich glaube wenigstens, er war es — hat davon gesprochen, der Staatsvertrag habe 90 % der Betroffenen das Eigentum erhalten bzw. wiedergegeben. Ich möchte hier nur klarstellen, damit keine Verwirrung entsteht, daß die Zahl von 90 % natürlich nicht die Summen betrifft.
— Richtig, Herr Professor Schmid. Ich übe ja keine Kritik daran, ich will nur klarstellen. Die großen Vermögen sind enteignet, und ich habe in diesem Zusammenhang gar nicht gegen die Enteignung gesprochen. Grundsätzlich bin ich gegen diese Enteignung, aber sie ist im Staatsvertrag ausgesprochen worden; Deutschland hat nur eine geringe Einwirkungsmöglichkeit gehabt. Das gebe ich alles zu. Ich möchte nur eine Klarstellung bringen gegenüber Vorwürfen, in denen uns solche Tendenzen unterstellt werden.
Die Schlichtungsausschüsse, die der Herr Berichterstatter hier noch einmal erwähnt hat, haben weniger Rechte, als dargelegt warden ist. Sie müssen sich im Rahmen dieses Vertrages halten. Sie müssen die Bestimmungen dieses Vertrages zur Grundlage ihres Gutachtens machen. Damit sind sie so eingeengt, daß wir bestimmte deutsche Rechtsgrundsätze nicht mehr zur Geltung bringen können, wie das sonst vielleicht möglich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns wirklich dazu aufraffen, diese Frage noch einmal in den Ausschüssen zu untersuchen. — Das kann innerhalb einer Woche geschehen. Dann könnten wir vielleicht zu der Lösung kommen, die im Prinzip der Herr Staatssekretär ja beinahe zugegeben hat. Er hat nur nicht die Vollmacht, die schließlich allein der Bundesregierung, dem Minister vielleicht, zusteht. Aber das können wir in einer nochmaligen Beratung in den Ausschüssen vielleicht doch noch erreichen.