Rede:
ID0302606900

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3026

  • date_rangeDatum: 25. April 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:50 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Becker: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 12 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 12
    1. Meine: 1
    2. Herren,: 1
    3. ich: 1
    4. muß: 1
    5. jetzt: 1
    6. dringend: 1
    7. bitten,: 1
    8. bei: 1
    9. der: 1
    10. Sache: 1
    11. zu: 1
    12. bleiben.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 26. Sitzung Bonn, den 25. April 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr (Drucksache 303) — Fortsetzung der Ersten Beratung — Dr. Greve (SPD) 14F° B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 1467 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 1476 D Dr. Schröder, Bundesminister 1480 D, 1503 A, 1506 C Dr. Arndt (SPD) 1489 A Heiland (SPD) 1505 A Ollenhauer (SPD) 1506 D Dr. Mommer (SPD) 1508 B Hoogen (CDU/CSU) 1508 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Viehzählungsgesetzes (Drucksache 298) — Erste Beratung — 1509 B Entwurf eines Gesetzes über Bodenbenutzungserhebung und Ernteberichterstattung (Drucksache 323) —Erste Beratung— 1509 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Dr. Schmidt [Wuppertal], Ruhnke, Margulies, Dr. Elbrächter u. Gen.) (Drucksache 301) — Erste Beratung — 1509 D Entwurf eines Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 318) — Erste Beratung — . . . . 1509 D Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Drucksache 317) — Erste Beratung — 1510 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. 9. 1956 mit dem Königreich Belgien über eine Berichtigung der deutschbelgischen Grenze und andere die Beziehungen zwischen beiden Ländern betreffende Fragen (Drucksache 315) — Erste Beratung — 1510 B Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 324) — Erste Beratung — 1510 B Schreiben des RA Josef Jösch, Frankfurt am Main betr. Genehmigung des Strafverfahrens gegen den Abg. Vogt; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 286) und Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Dr. Fritz Rauhut, Würzburg; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 176) Jahn (Marburg) (SPD), Berichterstatter 1510 C Schreiben des Bundesministers der Justiz betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. von Brentano; Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses (Drucksache 287) Ritzel (SPD), Berichterstatter . . 1511 C Nächste Sitzung 1511 D Anlage 1512 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958 1459 26. Sitzung Bonn, den 25. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 31. 5. Altmaier 26. 4. Bauer (Wasserburg) 26. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Bechert 26. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 25. 4. Frau Berger-Heise 3. 5. Birkelbach 25. 4. Dr. Birrenbach 25. 4. Frau Bleyler 26. 4. Blöcker 25. 4. Dr. Böhm 26. 4. Brese 25. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dehler 25. 4. Dr. Deist 25. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 30. 4. Dr. Dittrich 26. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Eilers (Oldenburg) 25. 4. Dr. Elbrächter 25. 4. Engelbrecht-Greve 26. 4. Erler 25. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Gaßmann 26. 4. Geiger (München) 26. 4. Frau Geisendörfer 23. 5. Geritzmann 25. 4. Gontrum 25. 4. Dr. Gülich 26. 4. Hahn 25. 4. Hamacher 25. 5. Dr. von Haniel-Niethammer 26. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Heix 25. 4. Frau Herklotz 1. 5. Höcherl 10. 5. Höcker 25. 4. Dr. Hoven 25. 4. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 26. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobs 25. 4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 25. 4. Kalbitzer 25. 4. Keuning 25. 4. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Frau Korspeter 26. 4. Dr. Kreyssig 25. 4. Kriedemann 25. 4. Kunze 15. 5. Kurlbaum 25. 4. Leber 25. 4. Dr. Leverkuehn 25. 4. Dr. Lindenberg 25. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 6. Ludwig 25. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Margulies 25. 4. Mattick 26. 4. Frau Dr. Maxsein 25. 4. Mellies 23. 5. Memmel 25. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 25. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Priebe 25. 4. Frau Dr. Probst 25. 4. Rademacher 25. 4. Rasch 25. 4. Frau Renger 10. 6. Richarts 25. 4. Frau Rösch 26. 4. Ruf 25. 4. Scharnberg 26. 4. Scharnowski 26. 4. Scheel 25. 4. Scheppmann 2. 5. Schlee 25. 4. Dr. Schmid (Frankfurt) 26. 4. Schneider (Hamburg) 25. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 25. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 25. 4. Seidl (Dorfen) 25. 4. Dr. Seume 25. 4. Dr. Starke 25. 4. Storch 25. 4. Sträter 31. 5. Frau Strobel 25. 4. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Wegener 25. 4. Weimer 31. 5. Dr. Zimmer 26. 4. b) Urlaubsanträge Rasner 25. 5.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich stehe Ihnen ja auch nicht als Minister gegenüber.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

    Herr Präsident, ich werde jetzt ganz präzise auf die verfassungspolitischen Bedenken zu sprechen kommen und darauf, daß man gesagt hat, daß wir uns an der Grenze einer staatsfeindlichen Partei bewegten oder daß wir nahezu im Begriffe seien, in die Illegalität überzugehen. Zu den verfassungspolitischen Bedenken im wesentlichen ein Wort auch zur Steuer der geschichtlichen Wahrheit, zur Ehre des deutschen Volkes und zur Ehrenrettung der Weimarer Demokratie: Nicht das deutsche Volk hat jemals Hitler die Mehrheit gegeben, auch nicht bei den wegen schwersten Terrors schon unfreien Wahlen vom 5. März 1933,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern es sind Parlamentarier gewesen, die den legalistischen Schein über Hitlers Gewaltherrschaft gebreitet haben. Das muß doch einmal ausgesprochen werden.

    (Abg. Majonica: Und die heute bei der SPD Minister sind, Herr Arndt!)

    — Nun, Herr Majonica-Formosa, seien Sie da etwas vorsichtig.

    (Abg. Majonica: Wenn wir immer bei Herrn Wehner „Moskau" sagten, was würden Sie dazu sagen, Herr Arndt! Ich glaube, das wird langsam zuviel, immer diese blöde Anspielung! Das muß ich Ihnen einmal sagen! Beim hundertsten Mal wird es langweilig! — Beifall bei der CDU/CSU.)

    — Herr Majonica, es gibt einen Unterschied. Herr Wehner bestreitet gar nicht, in Moskau gewesen zu sein. Herr Wehner ist in Moskau gewesen, lange vor Schluß des zweiten Weltkrieges. Aber Sie haben durch die Art Ihres Auftretens dort als Abgeordneter der demokratischen Bundesrepublik Deutschland allerlei auf das Spiel gesetzt, und das müssen Sie sich dann auch gelegentlich vorhalten lassen.

    (Abg. Majonica: Dort gibt es mehr Freiheit, als Sie uns zubilligen würden!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Herren, ich muß jetzt dringend bitten, bei der Sache zu bleiben.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Arndt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Also das verfassungspolitische Bedenken erscheint mir sehr unbegründet. Denn das Entscheidende dabei ist, ob der Bundestag so handeln kann und darf, daß er am deutschen Volk und seiner Meinung vorbeigeht. Ich halte es auch für gar nicht witzig, was Herr Jaeger hier mit dem Interview getan hat, das mein Freund Helmut
    1500 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 26. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958
    Dr. Arndt
    Schmidt der Zeitschrift „Kultur" gegeben hat. Aber wir verstehen uns darin nicht, wenn Sie legalistisch denken. Wir denken in der Kategorie des Legitimen. Herr Schmidt ist gefragt worden, ob er einen Generalstreik als legitim ansehen würde. Er hat nicht einen Generalstreik ausgerufen. Das wäre auch gar nicht seine Sache. Denn über den Generalstreik zu entscheiden ist Sache des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das wissen wir. Er hat gesagt — etwas, was ich mit ihm sage, damit Sie es wissen, und wovon ich glaube, daß meine ganze Fraktion es sagt —, daß auch die Arbeitsniederlegung ein legitimes Mittel der Demonstration und des Ausdrucks der freien Meinung ist.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schütz [München]: Generalstreik! — Abg. Pelster: Das wollen wir festhalten für die Zukunft!)

    — Ach, Herr Schütz, Sie reden immer von Generalstreik. Sie haben doch so gern zu Füßen des Herrn Spaak gesessen, und das ist doch nun der Mann, der an der Spitze eines Generalstreiks einen Thronwechsel in Belgien herbeiführte!

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Der ist ja Sozialist, oder nicht?)

    Nein, ich halte es nicht für gut, daß wir uns hier gegenseitig Illegalität vorwerfen. Da stimme ich dem zu, was Herr Jaeger sagt: es ist nicht gut, daß man sich manches von 1933 — so wie es hier in der letzten Zeit geschehen ist — immer so unterschiebt. Also mit der Illegalität — da sollte man vorsichtig sein.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Sie haben es doch eben gerade wieder getan!)

    — Nein, Herr Weber; ich habe geagt: Ich muß zur Ehrenrettung des deutschen Volkes und zur Ehrenrettung der Demokratie sagen, daß nicht das deutsche Volk dem Hitler die Mehrheit gegeben hat, sondern daß es Parlamentarier gewesen sind; wobei ich gar nicht bestreite, Herr Weber, daß unter diesen Parlamentariern eine ganze Reihe gewesen sind, die es in bester Absicht gemacht haben.
    Ich habe im Jahre 1946 ein Rechtsgutachten gemacht, in dem ich dargelegt habe, daß Herr Reinhold Maier — bei dem die Frage damals aufkam durch einen öffentlichen Ankläger, „Meyer gegen Maier" — in der besten Absicht dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt habe und daß ihm daraus kein Vorwurf zu machen sei. Diesen Standpunkt habe ich im Jahre 1946 in einem Rechtsgutachten eingenommen. Und ich weiß, daß es damals Frauen und Männer gegeben hat, denen das Herz blutete, als sie das glaubten tun zu müssen oder tun zu sollen. Aber es dient einfach der geschichtlichen Wahrheit, daß man sagt: es ist das Parlament gewesen, das umfiel; und es ist nicht das deutsche Volk gewesen, das umfiel.

    (Abg. Müller-Hermann: Und in derselben Weise bereiten Sie den Weg für die SED!)

    — Ach, Herr Müller-Hermann, da irren Sie sich. Was ist denn das für eine lausige Ausdrucksweise! Daß Herr Ulbricht natürlich seine dreckigen Finger
    überall hineinsteckt, um darin herumzumogeln — das geht Ihnen so und das geht uns so. Beim Südweststaat hat die KPD mit Ihnen mitgemacht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf das Maß kommt es an!)

    Also das ist doch unter anständigen Demokraten kein Argument, daß der Ulbricht seine dreckigen Finger hineinsteckt und daß er versucht, sein Süppchen, sein schmutziges Süppchen da auch zu kochen. Das sollten Sie doch endlich wissen.
    Ich habe gesagt — Sie unterbrechen mich mit Ihren Zwischenrufen, und ich gehe gern darauf ein —, wir wollten uns die Illegalität nicht gegenseitig vorwerfen. Aber ich kann das nicht stehenlassen, was der Herr Bundesinnenminister hier gesagt hat über die Illegalität und mit seinem, ich muß schon sagen, Trickzitat aus Schwarzenberger. Denn Schwarzenberger hat sich ja nur über das Herstellen und das Besitzen der atomaren Waffen an der uns vorgelesenen Stelle ausgelassen, aber nicht über ihre Anwendung.

    (Bundesminister Dr. Schröder: Repressalien!)

    — Ja, eben; die Anwendung geht nur in der Retorsion. Was aber hat man uns hier in der letzten außenpolitischen Sitzung erzählt? Da hat man gesagt, man müsse die atomaren Waffen haben, weil der mögliche Aggressor mit so überlegenen konventionellen Streitkräften angreifen könne. Ist das denn eine Retorsion, oder ist das gerade die Vorbereitung auf den atomaren Einsatz in einem Falle, wo er nicht einmal völkerrechtlich zulässig ist?

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Und vor diesem Angriff mit konventionellen Waffen soll doch gerade die atomare Aufrüstung schützen!)

    — Aber sie kommen doch um eines nicht herum: daß die Anwendung der atomaren Waffen — und darum geht es, und Herr Kiesinger hat an einer etwas versteckten Stelle seiner letzten Rede gesagt. Sie hätten sich über die Anwendung der atomaren Ausrüstung lange Gedanken gemacht; also über die Anwendung! — keine Verteidigung mehr ist, sondern Massenselbstmord eines ganzen Volkes, restlos und für alle Zeit, und daß das sowohl den Artikel 25 als auch den Artikel 26 berührt.
    Wenn ich jetzt Gleiches mit Gleichem vergelten wollte, wie es der Herr Bundesinnenminister hier in seiner Erhabenheit getan hat, dann würde ich Ihnen sagen: dieser Schritt in die atomare Ausrüstung ist ein Schritt in die Illegalität.

    (Abg. Kiesinger: Das werfen Sie also den Amerikanern und den Engländern vor! Allen westlichen Staaten, die diesen Schritt getan haben, werfen Sie einen Schritt in die Illegalität vor!)

    — Aber, Herr Kiesinger, die Amerikaner haben weder den Art. 25 noch den Art. 26 in ihrer Unionsverfassung.

    (Oho-Rufe bei der CDU/CSU.)

    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 28. Sitzung, Bonn, Freitag, den 25. April 1958 1501
    1 Dr. Arndt
    — Sie haben ihn nicht! Und dann lassen Sie doch einmal diese ewigen falschen Vergleiche mit den Amerikanern! Die führen doch zu nichts. Aber ich will darauf eingehen. Ich habe in meiner letzten Bundestagsrede gesagt, daß es uns nicht ziemt, den Amerikanern Ratschläge zu geben, und das bleibt auch heute meine Meinung. Aber da Sie immer solche falschen Vergleiche anstellen, will ich doch einmal versuchen, es Ihnen auseinanderzusetzen.
    Zunächst gibt es faktische Unterschiede, die auch von sittlicher Bedeutung sind, nämlich daß die Bundesrepublik einer der kleinen Staaten und ein geteilter Staat und ein zum Teil noch besetzter Staat ist

    (Abg. Kiesinger: Gut, das sind alles Zweckmäßigkeitsargumente!)

    — nein, das ist kein Zweckmäßigkeitsargument, und ich komme gleich darauf —, die Vereinigten Staaten jedoch eine Hegemonialmacht sind, bei der auch der Inhalt der Verantwortung ein anderer ist als bei uns. Aber vor allen Dingen — und das dürfen Sie doch in Ihren logistischen Interpretationen nicht übersehen — handelt es sich bei uns darum, ob wir die atomare Ausrüstung, die wir noch nicht haben, erstmals in die Hand nehmen, während es sich bei den Amerikanern darum handelt, daß sie die atomare Ausrüstung haben, daß sie dazu gekommen sind, wie man zu ihren Gunsten annehmen darf, ohne zu wissen, was das ist. Den Amerikanern stellt sich nach meiner laienhaften Meinung — ich bin nicht befugt, den Amerikanern Ratschläge zu geben — die sittliche Frage heute so, daß sie die atomare Ausrüstung weder behalten noch sich ihrer ohne weiteres entledigen dürfen und können, wobei Sie nicht vergessen dürfen, daß die Amerikaner auch tatsächlich gar nicht in der Lage sind, diese irrevisible Entscheidung zu widerrufen. Denn selbst wenn die Amerikaner auch den letzten atomaren Sprengkörper an der tiefsten Stelle des Pazifischen Ozeans versenken sollten, blieben sie atomare Macht. Wer einmal gewußt hat, wie man atomare Sprengkörper herstellt, und wer unter den Seinen Herrn Teller und Herrn Oppenheimer hat und sie nicht ermordet, der bleibt potentiell Atommacht. Das ist der furchtbare Schatten, der auf den Amerikanern liegt.

    (Abg. Müller-Hermann: Das hat nichts mit moralischen und sittlichen Werten zu tun!)

    Für die Amerikaner ist die sittliche Entscheidung also eine völlig andere, weil sie die atomare Ausrüstung haben und weil sie sie weder behalten dürfen noch ohne weiteres ablegen können, zumal sie die Verantwortung auch für den Anfang besitzen und dafür, daß die atomare Waffe in der Welt ist, auch bei den Russen in der Welt ist. Das ist eine amerikanische Mitverantwortung, daß sie sich in der Welt ausgebreitet hat. Sie haben sie zuerst entwickelt und sogar geworfen. Sie, Herr Kiesinger, haben neulich gesagt, die Amerikaner hätten niemals von der atomaren Sprengkraft Gebrauch gemacht. Sie haben auf Hiroschima und auf Nagasaki geworfen; vergessen Sie das nicht! Aber mir liegt es fern, hier etwa pharisäerhaft den Amerikanern
    irgendeinen Vorwurf zu machen; denn wir alle wissen, wie es gekommen ist. Wir alle wissen, daß ein Mann von der Unantastbarkeit eines Albert Einstein gesagt hat: Ihr müßt es, weil ihr sonst zu befürchten habt, daß Hitler es tut.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Also die Amerikaner wußten nicht, was sie damit anrichteten. Es liegt mir fern, ihnen einen Vorwurf zu machen. Aber die sittliche Frage dessen, der sie nun hat und der sich nicht mehr gewissermaßen unschuldig machen kann, der sie also weder aus der Hand legen darf noch behalten darf, ist eine völlig andere als die unsrige. Er kann nur auf einem dritten Wege heraus, indem er wirklich politisch und rechtlich und sittlich das Menschenmögliche tut, um das, was hier an Teufelswerk in die Welt gekommen ist, zu bändigen, zu entschärfen, ihm das Verhängnisvolle zu nehmen.
    Aber unsere Lage ist doch nicht die der Amerikaner, und darum ist es, entschuldigen Sie, nicht redlich, wenn Sie dauernd sagen: Was den Amerikanern erlaubt ist, muß uns auch erlaubt sein. Denn wir haben die Atomwaffen noch nicht, wir sind in dem Stand, daß wir die Hand nach der atomaren Ausrüstung nicht auszustrecken brauchen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

    Die Amerikaner sind das nicht mehr, das ist der Unterschied, und darum geht es in Deutschland.