Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Aber Herr Kiesinger, der Wähler will doch nichts wissen — was weiß ich — vom Tag des Knusperhäuschens oder vom Sankt-Ninimerleins-Tag! Er will reinen Wein haben: wie denken die Parteien über die Frage der atomaren Bewaffnung?
Es sind ganz klare Antworten: Die Bundeswehr wird ohne Atomwaffen ausgerüstet,
und es wird auch noch begründet: Deshalb brauchen wir die von den verfluchten Sozialdemokraten abgelehnte allgemeine Wehrpflicht, denn wir wollen nur konventionelle Waffen, und wir müssen deshalb eine so große Streitmacht haben, die größer ist als in anderen Ländern. Wir — so steht da —können uns das nicht leisten wie Großbritannien, das umrüstet, das die allgemeine Wehrpflicht abschafft, weil es eben die atomare Ausrüstung seiner Streitkräfte durchführt. Wir CDU-Leute — so steht da — wollen keine atomare Ausrüstung der Bundeswehr, wir streben sie nicht an; das ist sozialdemokratischer Schwindel — das steht doch hier deutlich —, und weil wir für die Wehrpflicht sind, müssen wir für die konventionellen Waffen sein und sind gegen die atomare Bewaffnung.
Ich bedauere, daß Herr Dr. Jaeger nicht da ist; aber ich muß es auch in seiner Abwesenheit sagen, und ich sage es ihm auf den Kopf zu. Herr Dr. Jaeger und ich haben in München kurz vor der Wahl im Großen Hörsaal der Universität eine Diskussion über die beiderseitigen Sicherheitsvorstellungen gehabt. Ich denke gern daran; denn es war, wie ich glaube und wie wohl auch sein Eindruck war, von beiden Seiten her eine faire Diskussion. Es waren weit über tausend Studenten und Professoren da. In dieser Diskussion hat Herr Jaeger — und das sage ich ihm hier auf den Kopf zu; denn es waren eben über tausend Zeugen da, darunter Herr Dr. Müller-Meiningen, der die Diskussion geleitet hat – nicht ein Wort, nicht eine Silbe, nicht eine Sterbenssilbe davon gesagt, daß die atomare Ausrüstung der Bundeswehr auch nur in Erwägung gezogen werde.
Alle diese Dinge haben Sie doch nach der Wahl gemacht! Aber darauf komme ich noch. Ich muß erst ein Fazit ziehen.
Neuerdings ist Herr Professor Thielicke hier bei Ihnen so beliebt geworden. Nun, ich weiß manches darüber. Es hat nach der Abfassung dieses Artikels eine Zusammenkunft stattgefunden, in der sich z. B. Herr Professor Thielicke beklagt hat, er habe von Ihnen nie eine Antwort auf seine Frage auf Ihrem Parteitag bekommen, ob hinter dem jetzigen Umschwenken zur atomaren Ausrüstung etwa nur finanzielle und materialistische Erwägungen stünden. Er hat von Ihnen auch nie eine Antwort auf seine auf Ihrem Parteitag gemachte Äußerung bekommen, daß es im atomaren Zeitalter keinen gerechten Krieg mehr gebe — eine Frage, die nun wirklich jedem an Herz und Nieren gehen sollte. Es gibt auch noch manches andere, was ihm unbeantwortet geblieben ist, aber worüber zu reden ich mich nicht für befugt halte.