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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3025

  • date_rangeDatum: 24. April 1958

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    Deutscher Bundestag 25. Sitzung Bonn, den 24. April 1958 Inhalt: Abg. Leukert (CDU/CSU) tritt als Nachfolger des Abg. Klausner in den Bundestag ein 1361 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Finanzielle Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt und ihre kassenmäßige Erfüllung (Drucksache 195) — Fortsetzung der Aussprache —. Dr. Schellenberg (SPD) 1361 C, 1379 B, 1382 D Blank, Bundesminister 1368A, 1381 B, 1383 A Frau Schanzenbach (SPD) . . . . 1371 B Dr. Wuermeling, Bundesminister . 1374 B Stingl (CDU/CSU) . . . . . . . 1376 C Seuffert (SPD) 1383 B, 1394 C Krammig (CDU/CSU) 1385 D Etzel, Bundesminister 1388 A Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 1393 C Strauß, Bundesminister 1395 D Wehner (SPD) . . . . . . . 1405 D Entwurf eines Gesetzes zur Volksbefragung wegen einer atomaren Ausrüstung der Bundeswehr (SPD) (Drucksache 303) — Erste Beratung — Dr. Menzel (SPD) 1412 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 1421 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 1430 A Dr. Bucher (FDP) 1433 C Euler (DP) . . . . . . . . . 1437 D Blachstein (SPD) 1441 B Dr. Jaeger (CDU/CSU) 1448 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1456 D Anlage 1457 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 1361 25. Sitzung Bonn, den 24. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr. Vizepräsident Dr. Becker (nach seiner Genesung mit Beifall begrüßt) : Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, für unseren verstorbenen Kollegen Klausner ist mit Wirkung vom 21. April 1958 der Abgeordnete Leukert in den Bundestag eingetreten. Ist der Kollege anwesend? (Abg. Leukert: Ja!) — Dann darf ich ihn herzlich begrüßen. Ich wünsche ihm eine gute Mitarbeit. (Beifall.) Eine weitere amtliche Mitteilung wird ohne VerLesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat mit Schreiben vom 22. April 1958 mitgeteilt, daß sich die Verkündung der vom Bundestag in seiner 16. Sitzung beschlossenen Fünfzehnten Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl — Drucksachen 108, 239 — erübrige. Sein Schreiben wird als Drucksache 346 verteilt. Die Aussprache zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend finanzielle Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt konnte in der gestrigen Sitzung nicht mehr abgeschlossen werden. Auf Vorschlag des amtierenden Präsidenten wurde beschlossen, diesen Gegenstand erneut als Punkt 1 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Ich rufe daher auf: Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Finanzielle Verpflichtungen aus dem Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) und ihre kassenmäßige Erfüllung (Drucksache 195) . Nach § 33 der Geschäftsordnung hat der Präsident darauf zu achten, daß eine sachgemäße Erledigung des Gegenstandes, d. h. auch eine entsprechende Gruppierung der Redner vorgenommen wird. Ich habe deshalb an die Damen oder Herren, die zu diesem Punkt noch sprechen möchten, die Bitte zu richten, sich jetzt schon beim Schriftführer zu meiner Rechten zu melden und dabei mit anzugeben, über welchen Fragenbereich sie sprechen wollen. Ich glaube nämlich, eine gewisse Gruppierung des Stoffs bedeutet eine Erleichterung sowohl für die Presse als auch für das Verständnis aller Zuhörer und gibt den zuständigen Ministern die Möglichkeit, zum richtigen Zeitpunkt in die Debatte einzugreifen. Ich darf also bitten, so zu verfahren. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schellenberg. Dr. Schellenberg (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ausmaß der Rüstungsausgaben hat nicht nur volkswirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen, sondern ist auch von entscheidender Bedeutung für die gesamte Sozialpolitik. Das wissen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, natürlich auch. (Zuruf von der CDU/CSU: Seien Sie vorsichtiger!) — Ich komme noch darauf, darüber werden wir noch sehr eingehend zu sprechen haben, vielleicht mehr, als Ihnen lieb ist. In der gestrigen Debatte haben Sie nämlich versucht, den sozialpolitischen Problemen möglichst aus dem Wege zu gehen. (Abg. Dr. Hellwig: Herr Stingl hat es noch vor!) — Ich komme auch zu Herrn Stingls Verhalten. Die Herren Vogel und Hellwig haben lediglich einige schwungvolle Worte über den Zusammenhang zwischen äußerer Sicherheit und innerer Sicherheit gesagt. (Zurufe von der Mitte.) Das ist für die Probleme, um die es bei diesen Rüstungsausgaben geht, zu wenig. Zur Entschuldigung gestehe ich den Herren Vogel und Hellwig zu, daß ihnen die sozialpolitischen Probleme etwas ferner liegen. (Abg. Dr. Hellwig: Woher wissen Sie?) — Das haben Sie wiederholt bewiesen, Herr Kollege Hellwig. (Beifall bei der SPD.) Es fiel der Name des Kollegen Stingl. Herr Kollege Stingl hat sich gestern zweimal zum Wort gemeldet und zweimal seine Wortmeldung zurückgezogen. Ich weiß nicht, weshalb er das getan hat. (Abg. Rasner: Es lohnte nicht!) 1362 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 Dr. Schellenberg Entweder hielt er die sozialpolitischen Dinge im Rahmen der Aussprache für nicht so wichtig, (Abg. Rasner: Nach Ihnen, Herr Professor!) oder er wollte eine bestimmte Rangordnung in der Rednerfolge erreichen. (Zurufe von der CDU/CSU.) Aber wir haben ja heute keine Life-Sendung. Weshalb dieses Katze-und-Maus-Spiel? Im übrigen kann ich Ihnen sagen — das habe ich hier schon wiederholt unter Beweis gestellt —: Wenn Herr Kollege Stingl oder ein anderer von Ihnen über sozialpolitische Fragen spricht und sie meines Erachtens nicht in das richtige Licht gerückt werden, dann werde ich noch wiederholt dazu das Wort nehmen. (Lachen bei der CDU/CSU.) Dessen können Sie sicher sein. (Zurufe von der CDU/CSU.) Nun haben gestern nicht nur die Vertreter der Regierungsparteien, sondern auch die Herren Vertreter der Regierung gesprochen. Der Herr Bundesarbeitsminister war, soweit ich sah, gestern nicht anwesend. (Abg. Horn: Sie wissen ja, daß er nicht da war!) — Er war nicht anwesend. (Abg. Horn: Sie wissen aber, wo er war!) — Ich weiß nicht, wo er war! Wahrscheinlich hielt er irgendwo eine Rede über die großen sozialen Leistungen der Bundesregierung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.) Also der Herr Bundesarbeitsminister war nicht anwesend, obwohl dem Hause und der Öffentlichkeit bekannt ist, daß zwischen Rüstungshaushalt und Sozialhaushalt sehr weitgehende Beziehungen bestehen. Wir mußten uns also auf Mitteilungen anderer Ressortchefs beschränken, obwohl sicher gerade die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers wegen seiner eingehenden Kenntnis der Beziehungen zwischen Rüstungs- und Sozialausgaben das Haus außerordentlich interessiert hätten. Nun, was hat der Herr Bundesfinanzminister in der Antwort der Regierung erklärt? Er hat wörtlich gesagt: Die Höhe des deutschen Verteidigungsbeitrages . . . wird jährlich neu geprüft und jeweils den veränderten politischen, technischen, finanziellen und militärischen Bedürfnissen angepaßt. Von sozialpolitischen Bedürfnissen hat der Herr Bundesfinanzminister nicht gesprochen. (Abg. Horn: Das war ja auch nicht das Thema des Tages!) — Das war nicht das Thema des Tages. Das gehört zum Thema Rüstungsausgaben, meine Damen und Herren. (Lebhafter Beifall bei der SPD.) Sie können diese Zusammenhänge nicht vom Tisch wegwischen, wenn Sie es vielleicht auch möchten. Aber auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat Erklärungen abgegeben, in denen er die Sozialausgaben zwar nicht ausdrücklich erwähnt, in denen er aber doch in geradezu erschütternder Weise unter Beweis gestellt hat, wie gering sein Verständnis für die sozialen Belange ist. (Zurufe von der CDU/CSU.) Ich möchte das wörtlich zitieren. Ich habe es mir nämlich aufgeschrieben, Sie können es im Protokoll nachlesen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat erklärt: Wir haben zwar das eine oder das andere zurückstellen müssen. Aber niemand ist dabei zu kurz gekommen. — Das wurde wörtlich gesagt, und ich glaube, treffender konnte der Herr Bundeswirtschaftsminister sein mangelndes Verständnis für die sozialen Belange von Millionen Menschen nicht kennzeichnen. (Beifall bei der SPD. — Abg. Horn: Aber, aber! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Diese Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers reihen sich würdig an seine Erklärungen im Zusammenhang mit der Rentenneuregelung. Er hat nämlich gesagt, er werde die Giftzähne aus der Rentenreform herausbrechen. (Zurufe von der CDU/CSU.) Das ist die gleiche Melodie. Meine Damen und Herren, so billig kommen Sie nicht davon! (Abg. Horn: So billig!) Dazu ist die Angelegenheit zu teuer. (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.) — Ich werde das konkret beweisen, Herr Kollege Hellwig, selbstverständlich! Wie ist die Lage im sozialpolitischen Bereich? Bei allen sozialpolitischen Auseinandersetzungen in diesem Hause ging es und geht es im Grundsatz immer darum, welcher Anteil der gesamten Bundesausgaben für Sozialausgaben bereitgestellt wird und welcher Anteil vom gesamten Sozialprodukt auf die Sozialleistungen entfallen soll. Das ist die grundsätzliche Auseinandersetzung, die wir in diesem Hause immer geführt haben. Hierüber gibt es zwischen uns erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Im Gegensatz zu Ihnen waren wir immer der Auffassung, daß in den Bundesausgaben der Anteil an Sozialausgaben zu niedrig ist und daß die Verteilung des Sozialprodukts ungerecht ist. Wir waren und sind der Meinung, daß die Bundesrepublik leider weit entfernt davon ist, ein Sozialstaat zu sein, wie es in Art. 20 des Grundgesetzes festgelegt ist. Sie haben Ihre Auffassungen über die Bundesrepublik als Sozialstaat im wesentlichen auf zweierlei Weise begründet. Sie haben erstens immer erklärt, die Sozialausgaben bildeten den größten Block der Bundesausgaben, und Sie haben zweitens stets die Behauptung aufgestellt, der Anteil der Sozialleistungen wachse laufend mit der Zuwachs- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 1363 Dr. Schellenberg rate des Sozialprodukts. Heute sind Sie im Zusammenhang mit dem Rüstungsaufwand bereit, diese Ihre Konzeption vom Sozialstaat über Bord zu werfen. Ich möchte Ihnen das an Hand Ihrer eigenen Angaben und nicht an Hand meiner Berechnungen beweisen. Die Behauptung, daß die Sozialausgaben der größte Posten im Bundeshaushalt seien, läßt sich auf Grund Ihrer eigenen Zahlenangaben für das Jahr 1958 nicht mehr aufrechterhalten. An dem Trick, den Sozialleistungen die Ausgaben für die 131er und die Ausgaben für die Versorgung der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht hinzuzurechnen, haben Sie in den Vorbemerkungen zum Haushalt teilweise selber nicht mehr festgehalten. Sie haben — lesen Sie nach auf Seite 164! — den Sozialausgaben zwar die Ausgaben für die Kriegsopferversorgung und die Ausgaben für die Umsiedlerhilfe und die Ausgaben für die Kriegsfolgenhilfe hinzugerechnet, aber selbst bei dieser weiten Fassung des Begriffes der Sozialleistungen steht in Ihren Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt schwarz auf weiß, daß die Ausgaben für Sozialleistungen im Rechnungsjahr 1958 um 300 Millionen DM niedriger sind als im Jahre 1957. (Abg. Horn: Ja, was soll das?) — Das ist ein wichtiger Tatbestand! Zum erstenmal seit Bestehen der Bundesrepublik geht im Bundeshaushalt der Anteil der Sozialausgaben auch in der absoluten Höhe zurück. Wir müssen feststellen, daß nach Ihren eigenen Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt zum erstenmal seit Bestehen der Bundesrepublik die Ausgaben für die Rüstung höher als die Sozialausgaben — selbst in dieser weiten Fassung — sind. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ich frage Sie: kann man einen Staat, bei dem die Rüstungsausgaben höher sind als die Ausgaben für soziale Zwecke, als Sozialstaat bezeichnen? (Abg. Horn: Jawohl!) Prüfen Sie das selbst, prüfen Sie das in Ihrem Kämmerlein! Und nun ein Zweites! Sie haben nach harten Auseinandersetzungen zugestanden — auch auf Grund unserer Initiative —, daß der Gedanke des Sozialstaates erst dann verwirklicht sei, wenn auch die Sozialleistungsempfänger laufend am Zuwachs des Sozialprodukts teilnähmen. Das war Ihr zweites Fundament für die Konzeption des Sozialstaats, wie Sie ihn sehen. Diese Konzeption haben Sie in diesem Jahr zum erstenmal aufgegeben. (Zuruf des Abg. Schütz [München].) — Herr Kollege Schütz, Sie haben den Haushalt offenbar nicht gelesen; ich empfehle Ihnen dringend, das über das Wochenende zu tun, bevor Sie weiter in Versammlungen gehen. Bei der Aufstellung des Bundeshaushalts — und das steht auch in der finanzpolitischen Begründung — wurde von einer Zuwachsrate des Sozialprodukts von 7 % ausgegangen. Man kann sich darüber streiten — und das wurde gestern getan —, ob diese Zuwachsrate richtig angesetzt ist. Jedenfalls geht die Bundesregierung von einer solchen Zuwachsrate aus. Dementsprechend müßte sie auch bei den Sozialleistungen die gleiche Zuwachsrate zugrunde legen, wenn die Auffassung aufrechterhalten werden soll, daß die Sozialleistungen nicht hinter der Entwicklung des Sozialprodukts zurückbleiben sollen. Wenn Sie zu den Sozialausgaben des Bundes von 1957 die Zuwachsrate von 7 % hinzurechnen, wie Sie es bei Ihrer gesamten Haushaltskonzeption getan haben, dann müßten im Haushalt 10,7 Milliarden DM und nicht 9,7 Milliarden DM für Sozialausgaben vorgesehen sein. Sie sind also bei den Sozialausgaben, gemessen an der Entwicklung des Sozialprodukts, schon in diesem Rechnungsjahr um 1 Milliarde DM unter den Ansätzen des Vorjahres geblieben. Das bedeutet, daß die Sozialleistungsempfänger nicht an der Entwicklung des Sozialprodukts teilnehmen sollen und von der Kaufkraftverschlechterung betroffen werden. Wo ist diese 1 Milliarde hingewandert? In den Rüstungshaushalt! (Sehr wahr! bei der SPD. — Abg. Schütz [München] : Ist die Freiheit gar nichts wert?) — Darüber wollen wir sprechen! Aber Sie müssen doch erst einmal diesen Tatbestand zugeben und dürfen ihn nicht verschleiern, (Beifall bei der SPD) indem Sie erklären, zu den Sozialausgaben gehörten auch die Leistungen für die 131er und die Versorgung der früheren Soldaten. Wir wollen erst einmal die Tatbestände klären! Ich beziehe mich in meiner Argumentation auf Ihre eigene Konzeption Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Verteilung des Sozialprodukts ungerecht ist. Sie haben erwidert: Wir lassen die Sozialleistungsempfänger an der Entwicklung dos Sozialprodukts teilnehmen. Mit dieser Ihrer eigenen Konzeption brechen Sie heute, und das ist doch ein wichtiger Tatbestand, eine Veränderung der Situation zu Lasten der sozial Schwachen. (Beifall bei der SPD.) Sie stellen die Weichen in eine bedenkliche, um nicht zu sagen in eine gefährliche Richtung. Diese Entwicklung ist um so verhängnisvoller, als die Folgen des vergangenen Krieges in sozialer Hinsicht noch längst nicht überwunden sind, auch wenn 10 000 einen Mercedes 300 fahren, auch wenn Herr Erhard erklärt, es sei niemand zu kurz gekommen. Meine Damen und Herren, Sie werden mir erwidern, Sie hätten im gegenwärtigen Haushaltsjahr keinen Eingriff in das geltende Sozialrecht vorgenommen. Bis jetzt noch nicht; im Augenblick gehen Sie bei den Einschränkungen der Sozialausgaben noch indirekt vor, indem Sie dringend notwendige Ausgaben für soziale, kulturelle und gesundheitliche Aufgaben unterlassen. Im Bundesgebiet fehlen beispielsweise noch 46 000 Klassenräume, weil Sie den Ländern nicht die finanzielle Möglichkeit geben, im Zusammenwirken mit den Kommunen einen solchen Bedarf zu befriedigen. (Zuruf von der Mitte: Reden Sie doch zum Thema!) 1364 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 Dr. Schellenberg — Das ist das Thema der Rüstungsausgaben. (Zuruf von der Mitte: Was wollen Sie denn?) — Sie wollen den Zusammenhang zur Rüstung vertuschen. (Zuruf von der Mitte: Alte Platte!) — Das ist für Sie eine alte Platte! Sie wollen wohl die 46 000 Schulräume ad calendas graecas fehlen lassen. (Zuruf von der Mitte: Sagen Sie mal, was Sie ausgeben wollen!) — Ich spreche dazu, welche Auswirkungen die Rüstung auf die sozialen Aufgaben des Bundes haben wird. Auf diese Frage müssen Sie eine Antwort geben. Mit der allgemeinen Bemerkung: Erst die äußere Sicherheit garantiert die innere Sicherheit, kommen Sie nicht weiter, wenn Sie die Ausgaben für die innere Sicherheit gleichzeitig in so bedenklicher Weise schwächen. (Beifall bei der SPD.) Ein anderes Beispiel! Nach den Mitteilungen der verantwortlichen Krankenhausärzte fehlen 4 Milliarden D-Mark für die Investitionen in den Krankenhäusern. Das ist ein gesundheitspolitisch bedauerlicher Tatbestand. (Zurufe von der Mitte.) Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus dem praktischen Leben nennen. Die Presse ist voll von Berichten über die Erfindung einer Herz-Lungen-Maschine; sie kostet 160 000 DM. In welcher Lage sind wir? Wir müssen gewissermaßen öffentliche Sammlungen veranstalten, damit solche Maschinen beschafft werden können. Das ist eine peinliche Lage. (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stoltenberg: Bewilligen Sie sie doch in Nordrhein- Westfalen!) — Ich habe den Zusammenhang zwischen Bundeshaushalt und Länderhaushalten aufgezeigt, auf den meine Kollegen schon bei der Haushaltsberatung hingewiesen haben. Meine Damen und Herren, Sie unterlassen es nicht nur, dringend notwendige Ausgaben für soziale Zwecke einzusetzen, sondern Sie haben — das ist ein höchst bedenklicher Tatbestand, den Sie sich sorgfältig überlegen sollten — an jeder Position des gegenwärtigen Bundeshaushalts, die soziale Ausgaben betrifft, Kürzungen vorgenommen. So sind beispielsweise die Ausgaben, die für die Kriegsfolgenhilfe, für die Heimatvertriebenen, für die Rückgeführten, für die Flüchtlinge von großer Bedeutung sind, um 72 Millionen D-Mark gekürzt worden; das ist ein Tatbestand. (Zuruf von der Mitte: Warum?) — Sie fragen: Warum? — Wir alle hoffen, daß auf Grund der Repartriierungsverhandlungen die Zahl der Menschen, die aus den Ostgebieten zurückkehren, größer werden wird. Zu diesem Zeitpunkt nehmen Sie eine solche Kürzung von 72 Millionen D-Mark vor; (Hört! Hört! bei der SPD) das ist der Tatbestand. Etwas anderes! Sie haben die Bundeszuschüsse für die Arbeitslosenhilfe um 34 Millionen D-Mark gesenkt. (Zuruf des Abg. Schütz [München].) — Herr Kollege Schütz, sollte Ihnen unbekannt sein, daß die Zahl der älteren arbeitslosen Arbeiter und Angestellten in den Notstandsgebieten noch erschreckend hoch ist? Wollen Sie das leugnen? Statt die Mittel für eine produktive Erwerbslosenhilfe zu belassen und zu erhöhen, nehmen Sie im Haushalt eine Kürzung der .Arbeitslosenhilfe um 34 Millionen DM vor. Herr Kollege Schütz, Sie interessiert ja besonders der Lastenausgleich. Die Zuschüsse des Bundes zum Lastenausgleich sind um insgesamt 94 Millionen DM gekürzt worden. (Zuruf des Abg. Schütz [München].) Das bedeutet doch, daß sich die Abwicklung des Lastenausgleichs zeitlich noch mehr verzögert als ohnehin schon. (Erneuter Zuruf des Abg. Schütz [München]. — Weitere Zurufe von der Mitte.) — Meine Damen und Herren, das sind Tatbestände, an denen Sie nicht vorübergehen können. Sie müssen sich mit dieser Frage im Zusammenhang mit dem Rüstungsaufwand auseinandersetzen. (Abg. Schütz [München] : Das beruht doch auf § 6 des Lastenausgleichsgesetzes!) — Aber kommen Sie doch nicht mit diesem und jenem Paragraphen! Die praktischen sozialpolitischen Auswirkungen sind für die Menschen entscheidend. (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Schütz [München].) Mein Freund Schoettle hat - ich erwähne das, um nun zu einer anderen Position zu kommen — schon darauf hingewiesen, daß die Ansätze in der Kriegsopferversorgung um 60 Millionen DM niedriger sind als im Vorjahr. (Abg. Horn: Sie wissen doch, warum!) — Ja, ich weiß warum. Aber, Herr Kollege Horn, bitte, sagen Sie Ihren Freunden, daß darin auch die Streichung von 42 000 Elternrenten in der Kriegsopferversorgung durch Anrechnung enthalten ist. (Sehr richtig! bei der SPD.) Meine Damen und Herren, das sind Auswirkungen, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen. Was hat der Herr Bundeskanzler über diese Anrechnung gesagt? Sie vergessen es immer. Deshalb muß ich wieder daran erinnern. Am 12. September 1957, drei Tage vor der Bundestagswahl, sagte er: Es wird im nächsten Bundestag eine unserer dringendsten Aufgaben sein, sämtliche noch vorhandenen Unstimmigkeiten auf diesem Gebiet zu beseitigen, damit die Rentner wirklich Dr. Schellenberg auch in den Genuß der Rentenerhöhung kommen. Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die vorgesehenen Verbesserungen durch eingehende Anrechnungsbestimmungen in vielen Fällen kaum zur Auswirkung kommen. Das hat der Herr Bundeskanzler versprochen. Statt diese Härten zu beseitigen, meine Damen und Herren, schicken Sie sich an, noch größere Härten im sozialen Bereich eintreten zu lassen. (Beifall bei der SPD.) Der Herr Kollege Vogel hat von den Mehrleistungen im Zusammenhang mit der Rentenneuregelung gesprochen. Ich will keine Rentendebatte eröffnen, sonst würden wir noch bis heute abend diskutieren. Der Herr Präsident hat darum gebeten, die Diskussion zu straffen. Aber nachdem der Herr Kollege Vogel das Thema angeschnitten hat, muß ich dazu eine Bemerkung machen. Herr Dr. Vogel hat nicht erwähnt, daß die Mehrleistungen aus der Rentenneuregelung zu 82 % aus den Beiträgen und nur zu 18 % aus Bundeszuschüssen stammen. (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf des Abg. Horn. — Weitere Zurufe von der Mitte.) — Aber, meine Damen und Herren, das ist doch wichtig. (Abg. Horn: Das weiß jeder!) — Das weiß jeder? Sagen Sie es mal der Bevölkerung sehr deutlich! (Beifall bei der SPD.) Dann sagen Sie der Bevölkerung auch, Herr Kollege Horn, daß der Herr Bundesfinanzminister es ungeachtet der im Gesetz festgelegten höheren Bundeszuschüsse, die sich in bestimmter Weise entwickeln sollen, durch Kürzung der Zuschüsse für die knappschaftliche Rentenversicherung, der Erstattungsbeträge für die Mindestrenten von 14 und 21 DM im Schlußergebnis fertiggebracht hat, 37 Millionen DM für Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung weniger einzusetzen als im Vorjahr. Das ist auch für den Rüstungs- und Sozialhaushalt ein wichtiger Tatbestand. Herr Kollege Vogel — ich sehe ihn nicht im Saal; dann mag er es im Protokoll nachlesen — ist der Haushaltsexperte Ihrer Bundestagsfraktion und hat die Rentenneuregelung im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt erwähnt. Ich muß Herrn Kollegen Vogel und die Offentlichkeit über etwas anderes unterrichten. Als es nämlich um diese Dinge ging, hat der damalige Herr Bundesfinanzminister, dessen sachverständiger Berater der Finanzexperte der Fraktion sein sollte, folgendes an die Bundesregierung geschrieben: Nachdem nunmehr eine nicht unbeträchtliche Zahl von Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion wie auch Mitgliedern der übrigen Fraktionen der Regierungskoalition den Regierungsentwurf zur Rentenreform nicht mehr uneingeschränkt bejahen, schlage ich vor, das Kabinett möge wie folgt beschließen: Der Bundeskanzler wird gebeten, mit der Regierungskoalition Verhandlungen dahingehend zu führen, daß die Beratungen über die Bundestagsdrucksache 2437 — Rentenneuregelung — einstweilen zurückzustellen sind und statt dessen zum 1. Januar 1957 ein Überbrückungsgesetz verabschiedet wird. Wenn Herr Kollege Vogel im Zusammenhang mit dem Rüstungshaushalt die Rentenversicherung erwähnte, dann sollten Sie von diesen Tatbeständen Kenntnis nehmen und zugeben, wie es überhaupt zur Rentenneuregelung gekommen ist: gegen den Widerstand des Finanzministers und gegen den Widerstand des Herrn Bundeswirtschaftsministers, der in diesem Punkt mit Teilen Ihrer Fraktion die gleiche Auffassung vertreten hat. Herr Kollege Vogel, Sie waren doch sicher unter den Sachverständigen, die für die Zurückziehung des Regierungsentwurfs zur Rentenneuregelung sind. Haben Sie sich vielleicht einmal überlegt, daß es im Zusammenhang mit den Rüstungsausgaben auch angebracht wäre, zu erwägen, ob man die Vorlagen über die Rüstungsausgaben noch einmal überprüfen und zurückziehen sollte? (Beifall bei der SPD.) Bei den finanziellen Auswirkungen der Rüstungskosten ist es sozialpolitisch von entscheidender Bedeutung, daß wir jetzt, wo die Aufrüstung auf volle Touren kommt, erst am Anfang der Auswirkung auf die Sozialausgaben stehen. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich in seinen Angaben über die zukünftigen Rüstungsausgaben gestern außerordentlich zurückgehalten, (Zuruf von der Mitte: Er hat sich präzise ausgedrückt!) — sehr zurückgehalten. Er hat nämlich praktisch nur das gesagt, was die Öffentlichkeit schon wußte. (Abg. Dr. Dollinger: Er hat Ihre Fragen beantwortet!) — Ja, formell! Darüber werden meine Freunde nachher noch sprechen. Meine Damen und Herren, man muß sich darüber klar sein — und die Offentlichkeit muß es ebenso —, daß sich aus einer Erhöhung der Rüstungsausgaben auch eine Einschränkung des Sozialhaushalts ergeben muß. Sie wissen schon heute nicht, wie Sie aus dieser Zange herauskommen sollen. Sonst hätten Sie nicht schon im ersten Jahr nach den Bundestagswahlen den Sozialhaushalt gekürzt. Das ist leider eine Entwicklung, mit der man sich auseinandersetzen muß. In diesem Jahr finanzieren Sie schon einen Teil des Zuwachses an Rüstungskosten aus dem Sozialhaushalt. Meine Damen und Herren, Sie wollen diese Entwicklung auf indirektem und direktem Wege fortsetzen. Sie werden sie nicht nur dadurch fortsetzen, daß Sie wichtige Ausgaben unterlassen, und dadurch, daß Sie die Anrechnungsvorschriften schärfer anwenden, sondern Sie werden auch zu direkten Eingriffen in das Sozialrecht kommen. Das ist keine Prophezeiung, die ich mache, sondern ich stütze mich auf Mitteilungen, die aus dem Arbeitsministerium kommen. Ich sehe gerade den Herrn Bundesarbeitsminister, er ist inzwischen gekommen, 1366 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 Dr. Schellenberg und er wird sich vielleicht selbst dazu äußern können, wofür ich außerordentlich dankbar wäre. Diese Tendenz ist auch an all dem zu erkennen, was wir über die weitere Entwicklung der sogenannten Sozialreform hören. Es ist noch nicht sehr lange her, da haben Sie, meine Damen und Herren, hier und in der Öffentlichkeit sehr großartig von einer umfassenden Sozialreform gesprochen, durch die der soziale Leistungsstand in der Bundesrepublik verbessert werden solle. Jetzt nehmen Sie eine Wendung in den Formulierungen vor, Sie werfen nachdrücklicher das Schlagwort von der Verstärkung des Verantwortungsbewußtseins des einzelnen in die sozialpolitische Debatte. Ich möchte darauf eingehen, und zwar an Hand von Erklärungen noch nicht offizieller, aber offiziöser Art. Da spielt beispielsweise die Frage einer wesentlichen Erhöhung der Kostenbeteiligung in der Krankenversicherung eine Rolle. Was bedeutet das wirtschaftlich? (Abg. Horn: Haben wir eine Sozialdebatte hier oder was haben wir? — Weitere Zurufe von der Mitte.) — Aber, meine Damen und Herren, Sie kürzen doch die Sozialausgaben zugunsten der Rüstungsausgaben! (Abg. Arndgen: Ist doch gar nicht wahr! Wo denn?) — In Ihrem Haushalt! Haben Sie ihn nicht gelesen? (Beifall bei der SPD. — Anhaltende Zurufe von der Mitte.) Sie wollen im Zusammenhang mit der weiteren sozialpolitischen Entwicklung schwerwiegende Eingriffe in das Sozialrecht vornehmen. Da ist doch ein Kausalzusammenhang mit der Entwicklung der Rüstungsausgaben vorhanden, daran kommen Sie nicht vorbei. Sie müssen sich diesen Fragen stellen! (Abg. Schütz [München]: Wir wollen dem nicht ausweichen! — Weitere Zurufe von der Mitte. — Unruhe.) — Ich verstehe, daß Ihnen das peinlich ist. (Zurufe von der Mitte: Nein, gar nicht! — Gegenruf des Abg. Wienand: Das ist Ihnen sehr peinlich!) Sie möchten die Zusammenhänge gern tarnen. (Zuruf von der Mitte: Sie weichen mit dieser Debatte aus!) — Nein, meine Damen und Herren, wir sind hier in einer Debatte über die zukünftige Entwicklung der Rüstungsausgaben, und da kann man es nicht allgemein damit abtun, daß man sagt: Sozialausgaben werden nicht berührt. Sie müssen sich schon selbst zu dem bekennen, was Sie in das sozialpolitische Gespräch bringen, und Sie erörtern eine Kostenbeteiligung in der Krankenversicherung. Was bedeutet das wirtschaftlich? Ich will jetzt mit Ihnen keine große sozialethische Auseinandersetzung führen; das machen wir dann, wenn es soweit ist. (Abg. Schütz [München]: Worauf Sie sich verlassen können!) Die Kostenbeteiligung bedeutet, daß der einzelne, der bisher eine bestimmte Leistung als Sozialleistung erhalten hat, diese Leistung in Zukunft aus seinem Arbeitsverdienst bestreiten soll. Das ist doch der wirtschaftspolitische und realpolitische Inhalt Ihrer Vorschläge, das bedeutet eine Beeinträchtigung des Lebensstandards der betreffenden Menschen. (Zuruf von der Mitte: Das liegt auf einen ganz anderen Gebiet!) Sie können sagen, Sie halten eine solche Verlagerung für richtig. Aber Sie dürfen die Offentlichkeit nicht über das hinwegtäuschen, um was es sich auch sozialpolitisch handelt. Sie können sagen, die Eingriffe in das Sozialrecht seien noch nicht festgelegt, wir befänden uns erst in der Diskussion hierüber. Ich billige dem Herrn Bundesarbeitsminister gern zu, daß er in diesen Dingen vorsichtiger ist als sein Vorgänger. Er kann sich darauf berufen, daß er diese Eingriffe erst zur öffentlichen Diskussion gestellt hat. Was ist darüber von dem zuständigen Referenten im Bundesarbeitsministerium konkret gesagt worden? Es ist eine Kostenbeteiligung vorgeschlagen worden, (Zurufe von der CDU/CSU: Zur Sache!) nicht nur erhöht für Arzneien, sondern auch für ärztliche Behandlung und für Krankenhausbehandlung. Es sind ganz konkrete Vorschläge in Größenordnungen zwischen 75 Pfennig und 1,50 DM für jede ärztliche Inanspruchnahme — da schwanken Sie noch —, für jeden Krankenhaustag ohne Hausgeldbezug in der Größenordnung von 1,50 DM gemacht worden. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich das einmal in den wirtschaftlichen Auswirkungen! Ich will Ihnen Ihre Überlegungen erleichtern. Sie können mich berichtigen, wenn ich falsch gerechnet habe. Nach dem, was der Referent im Bundesarbeitsministerium darüber gesagt hat, soll die Kostenbeteiligung einen Betrag von 650 Millionen ausmachen, die vom Sozialaufwand abgehen und den Lebensstandard des einzelnen belasten sollen. Das kann man vorrechnen. Ich will hier keine sozialpolitische Debatte im Detail führen. (Lachen bei der CDU/CSU. — Zurufe von der CDU/CSU: Sie sind ja mitten drin!) — Wollen Sie es hören? Ich kann es Ihnen vorrechnen. Glauben Sie nicht, daß ich, wenn ich hier so etwas sage, das nicht vorher genau überlegt habe! Ich will Ihnen die Größenordnungen sagen. Die Beteiligung an den Krankenhauskosten macht, wie der Referent des Bundesministeriums sagte, 150 Millionen aus, an Arztkosten 400 Millionen, Arzneien 100 Millionen. (Zurufe von der CDU/CSU: Zur Sache!) — Ach, „zur Sache"? Die Soziallasten hängen nicht mit den Rüstungsausgaben zusammen? Ja, meine Damen und Herren, Sie kommen nicht so leicht davon. Zwischen Rüstungsausgaben, Sozialausgaben und wirtschaftlichen Belastungen des einzelnen besteht kein Zusammenhang? Ihr eigener Sprecher, Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 1367 Dr. Schellenberg Herr Dr. Hellwig, hat gestern selbst von Opfern gesprochen und auf den Zigarettenkonsum und auf den Bierkonsum Bezug genommen. Aber klären Sie die Dinge vorher bitte erst mal in Ihrem Kreise. Die einen sagen nämlich, der Zigaretten- und Bierkonsum solle eingeschränkt werden zugunsten der Kostenbeteiligung, und Herr Dr. Hellwig hat gesagt: im Zusammenhang mit den Rüstungsaufwendungen. Und die Frage des Bierkonsums erörtern Sie erst mal in der CSU-Fraktion! (Beifall bei der SPD. — Heiterkeit.) Ich weise also nur darauf hin, daß es sich nach den Vorstellungen der Regierungsvertreter beispielsweise in der Frage der Kostenbeteiligung um wirtschaftlich bedeutsame Größenordnungen handelt. Der Bundesarbeitsminister hat dankenswerterweise auch einen Entwurf zur Unfallversicherung als Referentenentwurf vorgelegt, gewissermaßen als Versuchsballon. Was steht darin? Daß für Unfälle mit einer Beschädigung unter 25 % in Zukunft keine Rente mehr gewährt werden soll, (Hört! Hört! bei der SPD) was praktisch bedeutet, daß fast die Hälfte aller Arbeitsunfälle in Zukunft ohne eine Entschädigung bleiben soll. (Zuruf von der SPD: Unerhört!) Meine Damen und Herren, das ist ein Tatbestand, von dem Sie nicht leugnen können, daß er im Zusammenhang mit den Notwendigkeiten steht, (Abg. Schütz [München]: „Mit den Notwendigkeiten"!) — ja, den Notwendigkeiten, die sich aus Ihrer Konzeption des steigenden Rüstungsaufwands ergeben. Jetzt gehen Sie daran, die Sozialausgaben einzuschränken. Wir halten das für eine gefährliche Entwicklung; und deshalb weisen wir mit Ernst darauf hin. Sie können mir erwidern: „Ja, bei der weiteren sozialpolitischen Entwicklung werden wir auch Leistungsverbesserungen vornehmen!" Deshalb gebe ich Ihnen darauf gleich die Antwort. Auf die wirtschaftliche Größenordnung kommt es an! Bezüglich der Leistungsverbesserungen sind die Stimmen aus dem Bundesarbeitsministerium wesentlich vorsichtiger als das, was in bezug auf Beschränkung des Umfanges der sozialen Leistungen gesagt wird. Sie haben in bezug auf die Leistungsverbesserung sich sehr unverbindlich ausgedrückt; aber bezüglich der Kostenbeteiligung haben Sie schon sehr präzise Vorstellungen. Sie sprechen von einer Umschichtung des Sozialaufwands, und Sie meinen damit eine Verlagerung von den Sozialleistungen auf die eigenen Mittel und damit den Lebensstandard des einzelnen. Sie werden den Lebensstandard dadurch verschlechtern, um auch damit die erhöhten Rüstungskosten zu finanzieren. An diesem Tatbestand kommen Sie nicht vorbei. Das hat zwangsläufig verhängnisvolle Auswirkungen auf den sozialen Status der Bundesrepublik. (Sehr wahr! bei der SPD.) Meine Damen und Herren, wohin kommen Sie denn mit den ansteigenden Rüstungskosten? Sie kommen dazu, die Sozialausgaben weniger von der sozialen Notwendigkeit her bestimmen zu lassen als vielmehr von dem Restbetrag, der nach Durchführung und Finanzierung Ihrer Rüstungspläne übrigbleibt. Deshalb hat Herr Dr. Hellwig von Opfern gesprochen, der Herr Finanzminister in seinen Erklärungen von materiellen Anstrengungen, die erbracht werden müssen. Es wurde aber nicht gesagt, wer diese Opfer und diese Anstrengungen erbringen soll, die wirtschaftlich Starken oder — wie hier im sozialen Bereich — die wirtschaftlich Schwachen. Zur Belastung und Verschlechterung des Lebensstandards der wirtschaftlich Schwachen haben Sie schon Konzeptionen entwickelt. Entwickeln Sie uns Ihre Vorschläge zur Rüstungsfinanzierung durch Inanspruchnahme der wirtschaftlich Starken! (Beifall bei der SPD.) In diesem Jahre werden in bezug auf die Sozialausgaben die Weichen gestellt, weil die Sozialleistungen niedriger sind als die Rüstungsausgaben. Sie müssen sich dann mit der Frage auseinandersetzen, was Sie auf sozialem Gebiet in der Ära der Aufrüstung noch leisten können. Wie ist die Lage? Ein Staat, der die Sozialausgaben niedriger ansetzt als die Rüstungsausgaben, ein Staat, der die Sozialleistungsempfänger, die Schwächsten in unserem Volke, nicht anteilmäßig an der Entwicklung des Sozialprodukts teilnehmen läßt, ein Staat, bei dem nicht die Sozialausgaben, sondern die Rüstungsausgaben den Angelpunkt des Bundeshaushalts bilden! Ich frage Sie: kann man einen solchen Staat noch als einen Sozialstaat bezeichnen, oder ist dafür nicht die Bezeichnung Militärstaat angebrachter? (Oh!-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Horn: Das ist der Gipfel der Polemik, das ist sogar demagogisch! Jetzt hören Sie aber auf, mein Lieber!) Überlegen Sie diese Entwicklung sehr sorgfältig. (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.) — Ich habe an Sie eine Frage gestellt. (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) — Sie sollten diese Frage beantworten. (Abg. Horn: Das war eine demagogische Frage!) Herr Dr. Vogel und Herr Dr. Hellwig, Sie haben davon gesprochen, daß steigende Rüstungsausgaben erforderlich sind — das ist Ihre Vorstellung —, um auch die soziale Sicherheit zu schützen. Aber, meine Damen und Herren, indem Sie durch eine forcierte Rüstungspolitik zur Einschränkung des sozialen Leistungsbereichs gezwungen sind, beeinträchtigen Sie die soziale Sicherheit, die ein unerläßliches Fundament für Freiheit und Demokratie bildet. (Sehr wahr! bei der SPD.) Die militärische Sicherheit, die Sie, meine Damen und Herren, zu schaffen meinen, steht auf schwan- 1368 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1958 Dr. Schellenberg kendem Boden, wenn sie durch eine Beeinträchtigung der sozialen Sicherheit erkauft werden muß. (Beifall bei der SPD.) Ihre Politik der zunehmenden Rüstungsausgaben gefährdet damit den sozialen Gehalt unserer Demokratie. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: nützt nicht eine solche Politik denen, die darauf warten, daß unser soziales Gefüge ins Schwanken gerät? (Erneuter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 31. 5. Altmaier 26. 4. Bauer (Wasserburg) 26. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Frau Berger-Heise 3. 5. Birkelbach 25. 4. Dr. Birrenbach 25. 4. Frau Bleyler 26. 4. Dr. Böhm 26. 4. Brese 24. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Dehler 25. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 30. 4. Dr. Dittrich 26. 4. Döring (Düsseldorf) 24. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Engelbrecht-Greve 26. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Gaßmann 26. 4. Geiger (München) 26. 4. Frau Geisendörfer 23. 5. Dr. Gülich 26. 4. Hahn 25. 4. Hamacher 25. 5. Dr. von Haniel-Niethammer 26. 4. Dr. Harm 24. 4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 1. 5. Höcherl 10. 5. Dr. Hoven 25. 4. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 26. 4. Iven (Duren) 26. 4. Jacobs 25. 4. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Kunze 15. 5. Dr. Lindenberg 25. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 6. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 26. 4. Mellies 23. 5. Memmel 25. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Mischnick 24. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Frau Renger 10. 6. Richarts 25. 4. Ruf 25. 4. Scharnberg 26. 4. Scharnowski 26. 4. Scheppmann 2. 5. Dr. Schmid (Frankfurt) 26. 4. Schneider (Hamburg) 24. 4. Storch 25. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 24. 4. Weimer 31. 5. Dr. Zimmer 26. 4.
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    Rede von Karl Krammig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern abend hat Herr Kollege Leber davon gesprochen, daß die Rüstung von den kleinen Leuten finanziert werden müßte. Jedenfalls war das der Tenor seiner Ausführungen. Er hat uns allerdings im weiteren Verlauf seiner Ausführungen nicht dargelegt, wie er zu dieser Auffassung kommt. Mein Kollege Stingl hat einiges zu diesen Behauptungen ausgeführt.
    Ich möchte die finanzwirtschaftliche Seite betrachten. Wenn wir davon ausgehen, daß die Rüstungskosten ordnungsgemäß etatisiert werden und daß die Deckung im Haushalt vorgesehen wird, so wird diese Etatisierung zwangsläufig zur Folge haben, daß die Rüstungskosten aus ordentlichen oder aus außerordentlichen Einnahmen gedeckt werden, und unter den ordentlichen Einnahmen nehmen nun einmal die Steuern den bedeutendsten Platz ein. Wir unterscheiden Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und die Steuern von der Einkom-



    Krammig
    mensverwendung. Die Steuern vom Einkommen werden zu 80 v.H. von 20 % der Steuerpflichtigen aufgebracht, während 80 v.H. der Steuerpflichtigen zum Aufkommen nur 20 % beisteuern. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die kleinen Leute bei den 20 % befinden, die 80 v.H. aufbringen.
    Eine zweite Bemerkung. Herr Kollege Leber könnte natürlich jetzt einwenden: Gut, ich gebe das hinsichtlich der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu, aber es sind ja gerade die indirekten Steuern, d. h. die Steuern, die die kleinen Leute bei der Einkommensverwendung treffen.
    Sehen wir uns dazu einmal den Einzelplan 60 des Bundeshaushaltsplans an. Da stellen wir fest, daß für 1958 das Aufkommen an Verbrauchsteuern einschließlich der Zölle auf etwas über 9 Milliarden DM geschätzt wird. Davon machen die Zölle allein rund 2 Milliarden DM aus. Nun kann man natürlich der Meinung sein, daß die Zölle insbesondere die Grundnahrungsmittel und sonstige Dinge des täglichen Lebensbedarfs belasten und daß sie die Bezieher höherer und geringerer Einkommen gleichmäßig belasten. Das kann man unterstellen. Wenn man sich nun einmal die dann übrigbleibenden Verbrauchsteuern mit einem Betrag von rund 7 Milliarden DM ansieht und sich fragt, welchen dieser Verbrauchsteuern der kleine Mann ausweichen kann, weil sie z. B. auf nicht lebensnotwendigem Bedarf beruhen, und welchen er nicht ausweichen kann, dann werden Sie feststellen, daß von dem 9-Milliarden-Betrag an Verbrauchsteuergesamtaufkommen einschließlich Zöllen lediglich etwas mehr als 300 Millionen DM übrigbleiben. Das ist eine Belastung, der der kleine Mann in gleicher Weise ausgesetzt ist wie die Bezieher höherer Einkommen.

    (Abg. Seuffert: Der braucht ja nicht zu rauchen?!)

    — Gut, ich danke Ihnen sehr, Herr Kollege Seuffert für dieses Stichwort. Ich muß hinzufügen, daß ich die Tabaksteuer, die Kaffeesteuer, die Teesteuer, die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol, die Leuchtmittelsteuer und die Spielkartensteuer aus meiner Rechnung herausgenommen habe. Ich bin mit Ihnen der Meinung, wenn ich diese Steuern nicht bezahlen will, dann verkneife ich mir eben den Genuß der Artikel, auf denen diese Verbrauchsteuern liegen.

    (Abg. Seuffert: Dann haben Sie aber meine Meinung etwas falsch verstanden!)

    — Sind Sie denn, Herr Kollege Seuffert, der Meinung, daß dies für uns ein Grund sein könne, an diesen Steuern nachzulassen, wenn wir feststellen müssen, daß im Jahre 1957 z. B. 40 Millionen Flaschen Sekt konsumiert worden sind, daß wir 670 000 hl Weingeist, auf Trinkbranntwein verarbeitet, umgesetzt haben, daß 400 Millionen Zigarren, daß 5 Milliarden Zigaretten geraucht worden sind? Ich habe gar nichts dagegen einzuwenden, daß die Leute das tun; denn dadurch kommen ja die Steuern auf. Aber ich wehre mich dagegen, daß Kollege Leber sagt, die kleinen Leute müßten die
    Rüstung finanzieren. Sie haben die Möglichkeit, diesen Steuern auszuweichen, und dann sollen sie es eben tun, wenn sie die Rüstung nicht mitfinanzieren wollen.

    (Zuruf von der SPD: Aber den Preisen können sie nicht ausweichen! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Ich glaube, mancher würde für seine Gesundheit etwas tun, wenn er sich weniger dem Alkoholkonsum hingäbe.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Erler: Und wie ist es mit der Umsatzsteuer?)

    — Ich mag mit meiner Auffassung falsch liegen.

    (Zuruf von der SPD: Ja, damit liegen Sie auch falsch!)

    — Lassen Sie mich mal ausreden! Sie können ja nachher auch reden. — Wenn Sie einmal mit Leuten zusammensitzen, die es sich tatsächlich leisten können, weil sie die entsprechenden Einkünfte haben, dann stellen Sie immer wieder fest, daß sie Fachinger oder Roisdorfer Wasser trinken, aber keinen Sekt und Alkohol, und zwar ihrer Gesundheit wegen. Ich habe hier einen Kollegen im Bundestag, der bestimmt kein kleiner Mittelständler ist, sondern finanziell sehr gut gestellt ist. Er hat mir einmal gesagt, er müsse auf seine Gesundheit achten, damit er noch lange etwas von seinem Leben habe.
    Noch etwas zur Einkommensteuer. (Zurufe von der SPD.)

    — Ja, das sind Dinge, die man nicht gern hört. Aus der Einkommensteuerpflicht sind schon 7 Millionen Menschen entlassen. Wenn wir die neuen Steuervorlagen verabschiedet haben, kommen noch 2,8 Millionen Menschen hinzu. Das sind, rund gerechnet, insgesamt 10 Millionen von 22 Millionen Menschen, die an sich der Steuerpflicht unterliegen könnten. Unter diesen 10 Millionen Menschen sind etwas mehr als 9 Millionen Arbeitnehmer — unter „Arbeitnehmer" verstehe ich in diesem Zusammenhang Beamte, Angestellte und Arbeiter , die nicht mehr der Einkommen- bzw. Lohnsteuerpflicht unterliegen. Das heißt also, daß die Hälfte aller Unselbständigen, die im Erwerbsleben stehen, in Zukunft von der Einkommensteuer befreit sein wird. Wie wollen Sie denn da begründen, daß die kleinen Leute über die Einkommensteuer die Rüstung finanzieren? Das ist mir nicht ganz klar, das müssen Sie uns hier erst noch einmal nachweisen.
    Nun lassen Sie mich noch einige Worte zu der Rechnung sagen, die Herr Seuffert angestellt hat. Ich habe die Rechnung nicht ganz mitbekommen. Ich möchte deshalb die Zahlen wiederholen. Die Regierung hat in ihrer Antwort davon gesprochen, daß sich der Rüstungsbedarf bis zum 31. März 1961 voraussichtlich, soweit er sich überhaupt jetzt schon schätzen läßt, auf 52 Milliarden DM beziffern werde, vom Rechnungsjahr 1955 an gerechnet. 19 Milliarden DM sind ausgegeben bzw. verplant. Es bleiben 33 Milliarden DM übrig. Herr Kollege Seuffert, Sie haben offenbar gestern überhört, daß Ausrüstung und ihre Bezahlung, soweit sie sich auf



    Krammig
    die Luftwaffe und Marine beziehen, in die Rechnungsjahre 1961 und 1962 hineinlaufen werden. Der Betrag, der dafür geschätzt wird, liegt, soweit ich das nach den Unterlagen beurteilen kann, zwischen 5 und 8 Milliarden DM. Wenn es uns also gelänge, einen Betrag von 61/2 Milliarden DM — nehmen wir nur einmal diesen Mittelbetrag — in die darauffolgenden beiden Rechnungsjahre vor uns herzuschieben, dann wären wir doch aus den Schwierigkeiten heraus.

    (Abg. Seuffert: Aber nein!)

    — Ja sicher! Dann wären wir aus den Schwierigkeiten heraus. Dann ergäbe sich doch folgende Rechnung. Wenn wir jetzt den Restbetrag aufteilten, brauchte im Haushalt 1959 und im Haushalt 1960 lediglich für die kassenmäßige Deckung von rund 13 bis 13'/2 Milliarden DM gesorgt zu werden.
    Nun wissen Sie mit mir, daß sich aus dem Zuwachs des Sozialprodukts zwangsläufig auch ein Zuwachs im Steueraufkommen ergibt.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ja, bitte, vergleichen Sie doch einmal die veranschlagten Zahlen des Rechnungsjahres 1957 mit denen des Rechnungsjahres 1958! Dann sehen Sie doch, daß sich aus dem steigenden Sozialprodukt zwangsläufig auch ein steigendes Steueraufkommen ergibt.

    (Abg. Seuffert: Das hauen wir aber doch schon 1958 zu hoch eingesetzt!)

    — Ich weiß, was Sie meinen. Für das Jahr 1959 ist ein ungedeckter Betrag von etwa 3 Milliarden DM vorhanden, wenn man das Jahr 1958 zum Vergleich heranzieht, und zwar deshalb, weil wir die Kassenüberschußreste nur einmal als Einnahme einstellen können. Unterstellt, daß sie am Ende des Rechnungsjahres 1958 ausgegeben sind, würde also die Einnahmeseite - immer basierend auf der Einnahmeseite 1958 — um 3 Milliarden DM niedriger sein. Das wird sich durch den natürlichen Zuwachs an Steuern ausgleichen lassen.
    Herr Kollege Dr. Starke hat schon darauf hingewiesen, daß es darüber hinaus noch Möglichkeiten gibt. Ich möchte sie etwas näher präzisieren. Von der Kreditschöpfung haben Sie selbst gesagt, daß sie nicht in Frage komme. Das ist ja auch die Meinung der Regierung und die der Regierungskoalition. Vielleicht gibt es — wir sollten uns das einmal ernstlich überlegen — aber ja auch die Möglichkeit der Ausgabensenkung auf verschiedenen Sektoren. Unter Umständen gibt es, wenn wir, was wir vorhaben, durch diese Steuervorlagen den Kapitalmarkt noch funktionsfähiger machen, auch die Möglichkeit, eine Anleihe unterzubringen.

    (Zuruf des Abg. Seuffert.)

    Wenn Sie diese Möglichkeiten zusammenrechnen und dabei unterstellen, daß ja aus den Steuervorlagen sich günstige Folgen ergeben können, dann besteht, glaube ich, angesichts des Betrages von 3 bis 31/2 Milliarden DM, der gedeckt werden müßte, heute keine Notwendigkeit, von Steuererhöhungen zu sprechen.
    Wenn sich natürlich unser Sozialprodukt verringern sollte, wenn etwas eintreten sollte, was wir jetzt nicht in ein normales Kalkül einzustellen in der Lage sind, dann ergeben sich ganz andere Schlußfolgerungen. Dann fragt sich nämlich, ob wir überhaupt in der Lage sind, alle Aufgaben weiterhin zu erfüllen. Das bezieht sich nicht allein auf die Rüstung, sondern auf den gesamten Staatshaushalt. Das kann man heute zahlenmäßig noch gar nicht so genau beurteilen. Hier muß man einfach die Entwicklung abwarten.
    Nun, Herr Kollege Seuffert, noch ein Letztes. Sie haben davon gesprochen, daß durch diese Steuervorlage besonders an die Bezieher höherer Einkommen und an die Körperschaften erhebliche Steuergeschenke gegeben würden. Sie haben keine Zahlen genannt. Man sollte dabei aber die Zahlen nennen, damit man sich darüber klarwerden kann, was Sie unter „erheblich" verstehen und was absolut gesehen „erheblich" ist. Deswegen möchte ich die Zahlen hier bekanntgeben.
    Bei den Beziehern von Einkommen bis 12 000 DM belaufen sich nach der neuen Vorlage die Entlastungsbeträge bei der Einkommensteuer auf 1275 Millionen DM.

    (Abg. Seuffert: Gegenüber wann?)

    — Augenblick! Bei den Beziehern von Einkommen über 12 000 DM belaufen sich diese Entlastungsbeträge auf 575 Millionen DM. Das sind die „erheblichen", die Sie im Auge gehabt haben.

    (Abg. Seuffert: Gegenüber wann?)

    — Gegenüber 1956 natürlich, weil wir ja die Übergangsregelung einrechnen müssen. Sie sind doch mit mir der Meinung, daß die Übergangsregelung keine Steuergerechtigkeit, sondern Steuerungerechtigkeit gebracht hat; da sind wir uns ja einig.
    Hinsichtlich der Körperschaftsteuer betragen die „riesenhaften Geschenke", die Sie genannt haben, Herr Seuffert, alles in allem 180 Millionen DM.

    (Abg. Seuffert: Die Zahl habe ich selber genannt!)

    Wenn Sie das mal am Gesamtaufkommen prüfen, werden Sie feststellen, daß das, was Sie gesagt haben, bei weitem übertrieben ist.
    Nun noch ein Wort zu den Verbrauchsteuern ganz allgemein. Es wird so gern — das ist vor allen Dingen eine Spezialität meiner sehr verehrten Frau Kollegin Beyer; ich vermisse sie im Augenblick im Hause — immer auf die Verbrauchsteuern, ihre unsoziale Wirkung usw. hingewiesen. In dieser Hinsicht ist ja in den letzten Jahren einiges an Senkung getan worden. Ich bleibe dabei, daß wir ein durchaus ausgewogenes Verhältnis der direkten zur indirekten Besteuerung haben und daß wir uns da im europäischen Konzert hören lassen können. Wir sollten uns endlich einmal von dem Gedanken frei machen, daß Einkommensteuer und Körperschaftsteuer keine Kostensteuern und damit nicht abwälzbar seien.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)






Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute wie auch gestern offiziell eine Diskussion über die Große Anfrage der SPD wegen der finanziellen Verpflichtungen aus der Rüstung. Faktisch, das hat Herr Deist gestern jedenfalls so dargestellt, hat die SPD aber gemeint: Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Rüstungspolitik der Bundesregierung?
    Ich gebe zu, daß die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der Finanzierung der Rüstungspolitik ergeben, in einem inneren Zusammenhang zur Rüstungsfinanzierung stehen und deswegen heute hier diskutiert werden müssen. Aber ich bin der Meinung, daß man, wenn man über die wirtschaftlichen Folgen sprechen will, zunächst einmal den Tatbestand der Rüstungsfinanzierung, d. h. ihren Umfang klären und festlegen muß.
    Wenn man, wie ich, diesem Hause 5 1/2 Jahre nicht mehr angehört hat — gestatten Sie mir diese persönliche Bemerkung —, dann hat man den Eindruck, daß „Sachlichkeit", die früher einen großen Teil der Diskussionen auszeichnete, jedenfalls diese Diskussion nicht mehr ausgezeichnet hat. Man hat, weil die Tatbestände, die die Bundesregierung gegeben hat, einfach nicht genügten, uns anzugreifen, Vexierbilder von Tatbeständen geschaffen — das geht nicht auf Sie, Herr Seuffert! — und auf solchen Vexierbildern eine Kritik aufgebaut. Ich muß das zu meinem Bedauern feststellen. Darin scheint mir etwas zu liegen, was das Ansehen dieses Hohen Hauses draußen im Volke nicht fördern kann. Denn wir sollen doch um die Dinge ringen, wir sollen um die Wahrheit ringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein großer Teil der Diskussionsbeiträge hat diese Voraussetzung absolut vermissen lassen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich hatte in meiner bisherigen Tätigkeit in Luxemburg das Vergnügen, mich häufig mit Herrn Kollegen Deist auseinandersetzen zu müssen. Ich will Herrn Kollegen Deist gern bestätigen, daß er ein Mann von großen Kenntnissen und hohen Qualitäten ist. Ich habe von ihm eine Anzahl ausgezeichneter Reden gehört. Aber — gestatten Sie mir, Herr Kollege Deist, diese Feststellung — Ihre gestrige Rede war nicht gut.

    (Zuruf von der SPD: Da sind wir anderer Meinung!)

    Sie haben die Notwendigkeiten, die sich aus der Würdigung des Tatbestandes ergeben haben, einfach nicht realisiert. Diese Rede war ganz einfach zu flüchtig. Ich meine, Ihre Fraktion hätte Anspruch darauf, daß Sie Ihre hohen Qualitäten richtig einsetzen.
    Wenn ich mir ansehe, was gestern von Ihnen zur Begründung Ihrer Kritik als Tatbestand vorausgesetzt worden ist, dann bin ich außerordentlich erstaunt. Da wird von Herrn Deist z. B. die Behauptung aufgestellt: Kriegsvorrat muß doch wohl beschafft werden; es wurde nicht widersprochen, daß es sich um 7 bis 10 Milliarden DM handelt, also sind es 7 bis 10 Milliarden DM, die dem Haushalt hinzuzutreten haben. Was ist denn das für ein merkwürdiger Satz, Herr Kollege Deist: weil irgendeine unsinnige Behauptung aufgestellt wird, der Kriegsvorrat koste 7 bis 10 Milliarden DM, und dem nicht ausdrücklich widersprochen wird, wird unterstellt, daß das so viel ausmache. Herrgott nochmal, hier werden so viele Behauptungen aufgestellt! Es steht zwar im Handelsgesetzbuch, unter Kaufleuten gilt alles, dem nicht widersprochen wird, als akzeptiert. Aber ich glaube, in diesem Hohen Hause wird dieser Grundsatz bis heute nicht akzeptiert. Ich kann Ihnen nur sagen, daß in den 52 Milliarden, die ich genannt habe, die Kriegsvorräte nach NATO-Grundsätzen eingeschlossen sind. Sie haben so ganz am Rande 7 bis 10 Millarden DM in die Diskussion hineinpraktiziert. Wenn man ernsthaft über diese Dinge diskutieren will, kann man es so einfach nicht machen.
    Aber ein anderes! Sie nannten als Aufwendungen für die Rüstung einschließlich der Aufwendungen für Berlin 12 bis 13 Millarden DM. Ich kann zunächst sagen — es muß ja wohl der Haushalt 1958 gemeint sein , daß Berlin nach dem Haushaltsplan 900 Millionen DM bekommen soll. Für die Rüstung haben wir 10 Milliarden DM in den Haushalt eingesetzt. Das sind zusammen 10,9, sagen wir rund 11 Millarden DM. Wie kommen Sie auf 12 bis 13 Milliarden? Da werden 1 bis 2 Milliarden in den Haushalt „hineinjongliert". Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege Schmidt hat gestern diesen Ausdruck auch gebraucht. Es kommt ja. gar nicht darauf an, eine Milliarde mehr zu nehmen!!
    Da wird davon gesprochen, daß die Kriegsfolgelasten 12 bis 13 Milliarden, mit Berlin und Rüstung zusammen 25 Milliarden DM ausmachen und daß für die normalen Ausgaben nur noch 25 % bleiben. Das wird gesagt gegenüber einem feststehenden Tatbestand, vorgelegt im Bundeshaushalt, aus dem sich ganz andere Prozentsätze ergeben; sie sind in der Haushaltsdiskussion, in der finanzpolitischen Diskussion von mir dargelegt worden. Herr Deist, so ganz leicht darf man es sich nicht machen!
    An einer späteren Stelle sagten Sie: Dann kommen noch Anleihen dazu. — Natürlich haben wir im außerordentlichen Haushalt 1,6 Milliarden DM Anleihen vorgesehen. Aber die haben wir gerade zur Deckung des Haushalts genommen. Also was soll denn das?!
    Weiter haben Sie davon gesprochen, es solle eine restriktive Kreditpolitik zur Drosselung des Konsums betrieben werden. Ein reines Phantasiegebilde! Kein Mensch hat bei uns die Idee gehabt, so etwas einzuführen und zu realisieren.
    Deswegen die Bitte an alle Beteiligten: Wollen wir doch in dieser Form nicht diskutieren. Ich sage ganz offen: als Kollege Seuffert soeben sprach, habe ich gedacht: „endlich!" Denn er hat die Probleme genannt, die wirklich diskutiert werden mußten.

    (Beifall in der Mitte.)




    Bundesfinanzminister Etzel
    Ich muß Herrn Deist noch einen anderen Vorwurf machen. Er hat gestern mehrfach aus den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan zitiert. Dabei hat er Teile herausgenommen, diese Teile dann in anderem Zusammenhang zitiert und Sätze, die für die Beurteilung der Frage, warum dies gesagt worden ist, entscheidend sind, nicht mit zitiert. Herr Kollege Deist, auch das habe ich nicht gern. Ich meine, wir sollten auf einer anderen Basis diskutieren und einen neuen Stil entwickeln, der auch dem Ansehen dieses Hauses nur dienen kann. Es ist kürzlich ein sehr gefährliches Wort über dieses Haus gesprochen worden, dem wir durch die Handhabung der Praxis entgegentreten sollten.
    Es ist von Ihnen, Herr Kollege Deist, aber auch von Herrn Kollegen Schellenberg heute morgen gesagt worden: Was du, Etzel, da über die Größe des Sozialhaushalts gesagt hast, stimmt nicht, denn das sind ja gar keine 40 %. — Was habe ich gesagt? Ich zitiere wörtlich. Ich habe ja die Rede damals nach Konzept gehalten. Ich sprach nicht vom Sozialhaushalt, sondern von den Ausgaben für die soziale Sicherheit im Bundeshaushalt und sagte wörtlich:
    Gerade die Sozialausgaben des Bundes sind einschließlich des Wohnungsbaus und der Versorgungsausgaben auf nunmehr rund 15 Milliarden DM und damit auf rund 40 v. H. des ordentlichen Haushalts gestiegen.
    Sie, Herr Kollege Schellenberg, haben heute morgen lediglich die Aufstellung auf Seite 164 der Vorbemerkungen verlesen, die ja nur einen Teil des Ganzen darstellt, und haben gesagt, das sind nur 9,7 Milliarden DM. — Natürlich, dort stehen nur 9,7 Milliarden DM. Ich will Ihnen aber, um mit gar nichts hinter dem Berg zu halten, die Ziffern nennen, an die ich gedacht habe. Die Zuschüsse zur Sozialversicherung betragen rund 12,3 %, die Kriegsopferversorgung beträgt 9,1 v. H., der Beitrag zum Lastenausgleich einschließlich der durchlaufenden Abgaben beträgt 6,3 %, die Aufwendungen für Arbeitsschutz, Arbeitsbeschaffung, Fürsorge, Gesundheit und Jugendpflege betragen 8,6 %, und der Wohnungsbau beträgt 3,8 %: das sind zusammen nach Adam Riese 40,1 %. In dem Posten Arbeitsschutz stecken drin: für Arbeitsschutz und Arbeitsbeschaffung 50 Millionen D-Mark — das ist kein großer Betrag — und für Arbeitslosenfürsorge einschließlich der Grenzlanddurchgangslager 1,1 Milliarden D-Mark, für 131er-Fürsorge 1,680 Milliarden D-Mark, für Gesundheit, Sport und Jugendpflege 88 Millionen D-Mark und für sonstige soziale Leistungen, z. B. Kriegsgefangenenentschädigung, Umsiedlung, Auswanderung, noch einmal 463 Millionen D-Mark. Das sind alles Aufwendungen für die soziale Sicherheit; um die ging es mir.
    Ich will der These entgegentreten, daß der größte Posten im Haushalt dieses sozialen Rechtsstaates —ich unterstreiche diesen Ausdruck ausdrücklich — die Ausgaben für die Rüstung seien. Das ist doch nicht richtig. Vielmehr bringen wir für die soziale Sicherheit im weitesten Sinne des Wortes rund 40 v. H. auf, wie ich soeben dargelegt habe. Das
    scheint mir ein bedeutungsvoller Tatbestand zu sein, den wir sehen sollten und den wir respektieren müssen.
    Ich will nicht die ganze Haushaltsdebatte im einzelnen noch einmal kritisch durchleuchten. Es ist zu spät dazu, und wir müssen einmal Schluß machen. Ich möchte aber auf eine Bemerkung Bezug nehmen, die der Kollege Schmidt (Hamburg) bei der Begründung der Großen Anfrage der SPD gemacht hat, wo er auf einen Zwischenruf hin - „Sie machen sich Sorgen!" — sagte: „Ja, wir machen uns Sorgen." Ich nehme das auf. Wir sagen auch: Ja, auch wir machen uns schwere Sorgen, wir machen uns um dieses Problem echte Sorgen,

    (Beifall in der Mitte)

    mit Ihnen, Gott sei Dank. Wenn das so ist, dann bin ich sehr froh, und wenn wir in diesem Sinne diskutieren, hat Ihre Große Anfrage auch einen Sinn und eine innere und sachliche Berechtigung gehabt.
    Wenn das so ist, dann gestatten Sie mir, daß ich jetzt auf das eingehe, womit sich gestern und heute die Kollegen Schoettle und Seuffert im wesentlichen befaßt haben: auf den Tatbestand. Ich gehe nicht auf den Tatbestand der Zweckmäßigkeit der Rüstung ein; das gehört hier nicht hin. Diese Frage ist früher diskutiert worden, und sie gehört nicht zum Gegenstand der Großen Anfrage. Ich gehe vielmehr auf das ein, was den Finanzminister betrifft: Was kostet das, und wie denkst du, Finanzminister, das zu finanzieren? Vielleicht bin ich in diesem Hause der Mann, der hinsichtlich dieser Frage aus seinem Amte heraus persönlich die größte Verantwortung trägt. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß auch ich mir Sorgen mache, selbstverständlich; es wäre verbrecherisch, wenn ich es nicht täte und wenn meine Freunde das nicht auch täten. Sie tun es genauso wie ich und genauso wie Sie.
    Wie stellt sich nun die Realität dar, wenn wir einmal die Tatsachen nüchtern betrachten? Wir sind von der Angabe eines Betrages von 52 Milliarden D-Mark ausgegangen. Es ist gestern gesagt worden: Was ist denn das eigentlich? Herr Kollege Seuffert hat soeben loyalerweise diese Ziffer als Grundlage für seinen Diskussionsbeitrag unterstellt. Ich kann ergänzend zu dem, was die Regierung schriftlich erklärt hat, sagen, daß dieser Ansatz von 52 Milliarden D-Mark sich aus dem NATO-Fragebogen entwickelt hat, von dem gestern in anderem Zusammenhang die Rede war. Diese 52 Milliarden D-Mark sind also nicht aus der Luft gegriffen, sondern sind ganz klar auf der Basis des NATO-Fragebogens entwickelt worden und entsprechen der Vorstellung, wie sie in der Erklärung der Bundesregierung vom vorigen Jahr zum Ausdruck kommt. Wir gehen in dieser Ziffer von einer festen Aufbringungsrate für das Jahr 1958 aus — das sind die 10 Milliarden D-Mark, die wir im Bundeshaushalt stehen haben — und geben eine Schau der Dinge für die nächsten Jahre. Das ist also unser Gesamtplan. Wir haben eines nicht geben können — ich glaube, es wäre auch nicht richtig, es zu geben —, nämlich einen Gesamtplan der Einzelausgaben für jedes Jahr. Wir haben dargelegt, daß



    Bundesfinanzminister Etzel
    das angesichts der besonderen Situation nicht möglich ist.
    Diese 52 Milliarden D-Mark sind nach der ursprünlichen Schätzung für einen Zeitraum von sechs Jahren vorgesehen worden und liegen — wie hier auch schon mehrfach gesagt worden ist — im Rahmen der Vorstellungen, die in früheren Debatten immer wieder geäußert wurden: jedes Jahr 9 Milliarden D-Mark; 6 mal 9 Milliarden D-Mark ergibt nach Adam Riese 54 Milliarden D-Mark. Mit 52 Milliarden D-Mark bleibt man also im Rahmen dieser Vorstellung. Diese Zahl kann also niemand, weder die Öffentlichkeit noch das Hohe Haus, überrascht haben.
    Ist dieser Betrag außergewöhnlich hoch oder nicht? Auch darüber ist andeutungsweise etwas gesagt worden. Ich glaube, wenn wir uns im Rahmen der NATO mit anderen Nationen zur Verteidigung unserer Freiheit verbünden, ist es sehr legitim, daß wir unsere Aufwendungen mit denen der anderen Nationen vergleichen. Der Vorwurf der anderen Nationen uns gegenüber geht dahin, daß diese 52 Milliarden DM, geniessen am Sozialprodukt und an der Bevölkerung, zuwenig seien. Wenn ich in diesem Haushalt zum erstenmal 10 Milliarden DM eingesetzt habe — im vorigen Jahr waren es nur 5,4 Milliarden DM, die praktisch ausgegeben wurden; das waren damals also nur 2 1/2 % —, dann bedeutet das, gemessen am Sozialprodukt, das im Jahre 1957 207 Milliarden DM betrug, etwas weniger als 5 %; reden wir der Einfachheit halber von 5 N. Die anderen Nationen tun
    zu einem Teil wesentlich mehr. Die Amerikaner liegen bei 11 %, die Engländer bei 8 % und die Franzosen bei 9 %.
    Wir bewegen uns darüber hinaus mit diesen 5 % an der unteren Grenze der Aufwendungen für die Verteidigung der übrigen Nationen. Das hat uns, wie gesagt, Vorwürfe eingetragen. Aber ich persönlich weise diese Vorwürfe zurück. Ich möchte das gerade auch von diesem Platz aus sagen, damit nicht nachher wieder gesagt wird: Ihr tut zuwenig. Wir haben ja auch noch eine ganze Menge anderer Lasten zu tragen. Ich möchte das zwar nicht so darstellen, wie das gestern hier aus dem Munde eines Sprechers kam, als ob wir die armen Leute wären, die diese Lasten zu tragen haben. Wir haben uns ja leider durch das Verhalten früherer Regierungen diese Lasten selber aufgehalst. Jedenfalls sind diese Lasten nun einmal da, und deswegen können wir sie, wenn wir die Freiheit verteidigen wollen, nicht außerhalb der Notwendigkeit der Aufbringung sehen; denn wir dürfen nicht — und da stimme ich nun mit Ihnen allen überein — die soziale Sicherheit in der Bundesrepublik gefährden und so ermöglichen, daß die Bundesrepublik bolschewistisch unterlaufen wird. Das darf nicht passieren. Weil wir das nicht dürfen, haben wir nur diese 10 Milliarden DM, gleich 5 %, jetzt in den Haushalt eingesetzt, von denen ich glaube — ich komme darauf zurück , daß sie im Rahmen einer finanzpolitischen Verantwortung tragbar sind.
    Die Frage ist nun — sie ist mehrfach gestellt worden, heute auch vom Kollegen Seuffert —:
    Stimmt denn die Zahl von 52 Milliarden D-Mark? Herr Seuffert meinte, ich sei vorsichtig gewesen. Ich glaube, Sie müssen damit übereinstimmen, daß ich in der Wiedergabe dieser Zahl vorsichtig war. Ich sagte Ihnen soeben, daß sie auf dem NATO-Fragebogen aufgebaut und- dort auf Grund der Erfahrungen anderer Nationen diskutiert worden ist. Sie ist in Höhe von 10 Milliarden D-Mark für das nächste Jahr bindend. Im nächsten Jahr wird die Ziffer neu aufgestellt werden. Ich habe gesagt, diese Ziffer werde jeweils entsprechend den politischen, technischen, finanziellen und militärischen Bedürfnissen überprüft.
    Herr Professor Schellenberg — ich sehe ihn nicht; ich weiß nicht, ob er noch da ist —, ich verstehe es einfach nicht, wie Sie aus meiner Bemerkung, die Überprüfung erfolge nach den politischen Bedürfnissen, schließen wollen, ich hätte, da ich nicht auch von sozialpolitischen Bedürfnissen gesprochen hätte, die Sozialpolitik ausschließen wollen. So kann man natürlich deduzieren, wenn man bösartig ist. Ich möchte Ihnen versichern, daß ich die Sozialpolitik selbstverständlich in den allgemeinen Begriff des Politischen einbeziehe.
    Wir müssen hier eine gewisse Elastizität entwickeln. Ich glaube, alle sollten froh sein, daß wir das tun. Diese Elastizität ist notwendig. Wir können nicht eine Ziffer starr aufbauen, sondern sie muß nach dem Bedarf und nach den Möglichkeiten aufgestellt werden. Dabei müssen wir allerdings eine Vorstellung über die Größe haben. Ich kann Ihnen versichern: es war meine erste Sorge, als ich Bundesfinanzminister wurde, mir über diese auf mich zurollende Verpflichtung eine konkrete Vorstellung zu machen. Das ist doch absolut klar. Anders kann ja ein Finanzminister gar nicht arbeiten. Daß aber die Elastizität notwendig ist, hat die Vergangenheit bewiesen. Wir haben uns — das ist uns gestern zum Vorwurf gemacht worden — hier einmal 27 Milliarden in den letzten drei Jahren vorgestellt und nur 9 Milliarden ausgegeben. Ist der Vorwurf berechtigt? Ich glaube, diese Elastizität ist zu loben. Wenn sich nämlich zeigte, daß über diese 27 Milliarden jetzt nicht disponiert werden konnte, war es doch richtig, sie dann nicht für diesen Zweck, sondern für andere Zwecke auszugeben.
    Wenn ich das einmal sehr globalisiere, sind diese 18 Milliarden DM wie folgt vergeben worden: etwa ein Drittel für Stationierungskosten, etwa ein Drittel für Reste, und die übrigen sind gestrichen worden. Ein einziger Ausblick auf die Haushaltsdebatte! Es ist damals gesagt worden: Warum habt ihr nichts gestrichen? — Wir haben ja fast 6 Milliarden DM in der Vergangenheit gestrichen! So sind diese 18 Milliarden DM weggekommen. Aber daß wir sie teilweise haben streichen können, hat gleichzeitig dazu geführt, daß wir im selben Atemzug die Sozialwerke durchführen konnten, die in der Vergangenheit und besonders im vorigen Jahr durchgeführt worden sind. Wie ich in der finanzpolitischen Rede und in der Haushaltsrede gesagt habe, sage ich dazu ein volles Ja und bin ich als Finanzminister durchaus gewillt, die finanzielle Seite dieser Gesetze zu verteidigen.



    Bundesfinanzminister Etzel
    Nun taucht natürlich die Frage auf: Ist diese Ziffer, wenn sie in der Vergangenheit schon nicht immer richtig war, dann in der Zukunft richtig? Auch hier hat mein Kollege Strauß gesagt: Im Grundsatz wird sie schon richtig sein; denn wir sind entschlossen, unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Aber die NATO befindet sich im Augenblick in einer Umstellung. Und schon hat ein Debattenredner daraus gemacht: Aha, das heißt also, daß gar nicht 52 Milliarden DM auf uns zukommen; denn diese Umrüstung muß ja unter allen Umständen mehr kosten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das weiß ich noch gar nicht. Natürlich kann das eventuell mehr kosten. Aber muß das denn so sein? Das ist doch heute einfach nicht zu sagen. Die Bundesregierung hat deswegen in ihre Erklärung hineingeschrieben:
    Die Einzelheiten müssen jeweils geprüft werden, und es muß festgestellt werden, inwieweit die notwendigen Maßnahmen wirtschaftlich und finanziell tragbar sind.
    Ich möchte hier vor dem Hohen Hause und gerade vor der Opposition nochmals versichern: Solange ich auf diesem Stuhl sitze, werde ich Ausgaben nur mitmachen, soweit sie nach meiner gewissenhaftesten Prüfung wirtschaftlich und finanziell tragbar sind. Etwas anderes kann ich doch gar nicht tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Da wir uns in diesem Rahmen halten wollen, haben wir noch ein Weiteres gesagt, um das Hohe Haus zu beruhigen. Wir haben gesagt: wir wollen
    keine Kreditschöpfung. Herr Seuffert, Sie haben ganz richtig bemerkt: Selbst wenn wir wollten, könnten wir keine Kreditschöpfung machen; denn das Hohe Haus hat ja das Gesetz über die Bundesbank geschaffen, die einfach nicht mitspielen würde. Hier ist also schon keine gesetzliche Basis gegeben, bei uns ist aber — und das ist genauso wichtig — auch keine willensmäßige Basis für eine Kreditschöpfung gegeben; wir wollen das gar nicht. Wir haben an zwei oder drei Stellen der Regierungserklärung gesagt, daß für die Rüstungsausgaben das Prinzip der Deckung befolgt werden muß. Es muß befolgt werden. Das heißt aber doch, daß Sie, d. h. das Hohe Haus, Jahr für Jahr zu kontrollieren hat, ob aus der Rüstung heraus eine Gefahr für den Lebensstandard, die Gefahr einer Inflation entstehen kann, und daß die Rüstungsausgabe hier in der Öffentlichkeit vor dem deutschen Volk diskutiert werden muß. Ich glaube, mehr kann man gar nicht tun, mehr können Sie praktischerweise auch wohl nicht verlangen.
    Nun ist die Frage aufgetaucht: Wenn Sie das alles so wollen, dann seien Sie doch einmal realistisch und bleiben Sie nicht bei dieser törichten Zahl von 52 Milliarden DM! So ähnlich haben auch wohl Sie, Herr Seuffert, praktisch, nicht mit demselben Wortlaut, deduziert. Wie und wann sollen also diese 52 Milliarden DM aufgebracht werden? Wenn wir — ich wiederhole noch einmal — vom Deckungsprinzip ausgehen, muß jede Ausgabe für die Rüstung in den Haushalt, in den ordentlichen oder außerordentlichen Haushalt, eingebaut werden. Und was erwartet Sie da? Herr Seuffert hat ganz richtig gesagt: 52 Milliarden DM Ausgangspunkt, 9 Milliarden DM in der Vergangenheit gezahlt, 10 Milliarden DM dieses Jahr vorgeschlagen, bleiben also 33 Milliarden DM. Wenn wir den Zeitraum von zwei Jahren bis 1961, bis zum Haushaltsjahr 1960, nehmen, sind das 33 Milliarden DM für zwei weitere Jahre.
    Wie werde ich mit diesem Problem als Finanzminister fertig? Das ist nun die entscheidende Frage. Ich möchte für das Problem, wann das Geld ausgegeben wird, zunächst einmal darauf hinweisen, daß diese 52 Milliarden DM sicherlich nicht alle in den Jahren bis 1960 — es ist immer das Haushaltsjahr 1960 gemeint — entstehen werden. Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung ausdrücklich gesagt: Die Ausrüstung der Einheiten der Marine und der Luftwaffe wird jedoch bis in das Rechnungsjahr 1963 hinein dauern, also drei weitere Jahre. Das heißt nicht, daß wir das grundsätzliche Tempo der Rüstung verzögern wollen. Es wird ja gesagt: die Heeresverbände sollen stehen, und natürlich sollen auch die Verbände von Marine und Luftwaffe stehen, nur die Ausrüstung wird bei den letzteren etwas länger dauern. Da gibt es eine ganze Menge anderer Wege, bevor man so teure Schiffe und so teure Flugzeuge kauft. Hier haben wir eine große Verlagerung. Der Kollege Krammig hat die Zahlen genannt. Er hat gesagt: 5 bis 8 Mil-harden werden dadurch auf spätere Haushalte verlagert. Nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, möchte ich eher der Zahl 8 Milliarden als der Zahl 5 Milliarden zustimmen. Das ist schon etwas sehr Wesentliches.

    (la der eine Vorgang, den wir bisher gehabt haben, nämlich die Anschaffung der ersten Ausbildungsbatterien der Nike und Matadore im Betrag von 172 Millionen DM, nicht schon die Lösung des Problems. Aber damit haben wir doch einen Weg eingeschlagen, der mir richtig zu sein scheint: wir haben nämlich diese 172 Millionen außerplanmäßig bewilligt und aus dem Etat des Rüstungshaushalts genommen, und die beiden für diese Fragen entscheidenden Ausschüsse, der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß, haben dem zugestimmt. Wir haben hier also keine zusätzliche Aufwendung entstehen lassen. Sehen Sie auch das wieder im Zusammenhang der einzelnen Erklärungen, in denen wir ausgeführt haben: Wir werden die Wirtschaft nicht gefährden, wir werden uns im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten halten und wir werden im Rahmen der Deckung bleiben! Damit ist doch der Weg, den wir vom Finanzpolitischen her — und darüber diskutieren wir heute — zu gehen haben, vorgezeichnet. Wir werden uns bemühen, unsere Bündnisverpflichtungen einzuhalten und zu erfüllen. Wir werden die Truppenverbände mit ihrer Ausrüstung aufstellen. Mit Bezug auf die Ausrüstung der Marine haben wir jetzt einen ersten Weg gesehen: Man hat uns für eine Übergangszeit ein Schiff geliehen. So werden wir eine ganze Menge Übergangsmöglichkeiten Bundesfinanzminister Etzel haben, mit deren Hilfe wir erreichen werden, daß diese von uns zu machenden Anstrengungen unter keinen Umständen unsere finanzielle Situation gefährden. Nun eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Seuffert; hier muß doch etwas klargestellt werden. Sie haben gesagt: Im Haushaltsjahr 1958 haben wir einen ungedeckten Betrag von 4,6 Milliarden, wenn wir die 3 Milliarden, die aus der Kassenreserve genommen werden, dazurechnen. Das ist sicherlich richtig. Ich darf aber darauf hinweisen, daß wir in den nächsten Jahren zusätzliche Einnahmen aus dem Zuwachs des Sozialprodukts haben werden. Auch über diese Frage haben wir uns natürlich Gedanken gemacht, auch das gehört zu meiner Verantwortung. Ich will Ihnen die Zahlen nennen. Gegenüber dem Jahre 1957 haben wir im Jahre 1959 ein Plus von 5,2 Milliarden und im Jahre 1960 ein Plus von 7 Milliarden zu erwarten. Damit ist zumindest das Problem dieses Loches — und darum geht es mir hier nur, Herr Seuffert — zunächst einmal in einer vielleicht allerdings flüchtigen, aber möglicherweise zu korrigierenden Vorschau — in Deckungsnähe gekommen. Wir werden sehen, was sich in der nächsten Zeit ergibt; aber ich glaube, daß wir mit diesen Beträgen rechnen können. Wenn ich in meiner Haushaltsrede davon gesprochen habe, daß wir im übrigen bei den großen Ausgaben zu Ausgabenstopps kommen müssen, dann kann ich Ihnen versichern, daß wir auch dieses Ungleichgewicht nach dem Deckungsprinzip beseitigen werden. Einem Angriff möchte ich mit aller Deutlichkeit entgegentreten. Wir denken nicht daran, die Rüstungsfinanzierung zu Lasten der Sozialleistungen vorzunehmen. Daran ist nicht gedacht, das wird ausdrücklich abgelehnt. Deswegen glaube auch ich — und da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Seuffert -, daß wir entsprechend dem laufenden Haushalt die Rüstungsaufwendungen in der Höhe der Finanzierung im Haushalt 1958, also der von 10 Milliarden, ohne weiteres werden finanzieren können. Die übrigen Probleme müssen anders gelöst werden; da habe ich Ihnen bereits einen Weg einer anderen Lösung — mit der Verlagerung der Marine-und der Luftwaffenausrüstung — aufgezeigt. Ich will Ihnen aber noch etwas sagen. Ich persönlich glaube, daß die These, die immer so leicht aufgestellt wird, daß die Rüstung nur aus dem ordentlichen Haushalt finanziert werden dürfe, nicht hundertprozentig richtig ist. Wir müssen eine Unterscheidung machen. Es gibt im Rüstungsaufwand die sogenannten einmaligen Ausgaben und die laufenden Ausgaben. Ich bin mit Ihnen völlig einig, daß laufende Ausgaben aus laufenden Einnahmen gedeckt werden müssen. Aber, meine Damen und Herren, wo steht denn geschrieben, daß einmalige Ausgaben — für Kasernenbauten pp., die für Generationen stehen — in drei oder vier Haushaltsjahren finanziert werden müssen? Lassen Sie mich einmal diese 52 Milliarden im großen aufschlüsseln. In diesen 52 Milliarden sind enthalten für Bauten 14 Milliarden, für Beschaffungen 21 Milliarden und für Sonstiges 17 Milliar den. Die Beträge für die Bauten werden, wenn man einmal fertig gebaut hat, in der Zukunft ganz sicher wegfallen. Bei den Beschaffungen werden nicht alle Dinge fortfallen. Sicherlich wird es Erneuerungen geben. Aber der große Stoßbedarf von 21 Milliarden wiederholt sich doch nicht so schnell wie bisher, so daß wir nach dem Jahre 1960, also in 1961, 1962, 1963, nicht mehr die jetzigen einmaligen Bedürfnisse haben. Wenn wir daher für die Finanzierung einmaliger Ausgaben auf den Anleiheweg gehen und die Dinge über den Geldund Kapitalmarkt finanzieren, werden wir schon im Jahr 1961, weil wir dann nicht mehr die einmaligen Bedürfnisse haben, zu Rückzahlungen kommen können. Das heißt, wir können auch diesen Bedarf in einem längeren Zeitraum finanzieren. — Das ist keine Milchmädchenrechnung, das ist eine sehr klar überlegte und von Fachleuten, die mehr, als wir beide davon verstehen, Herr Kollege Menzel, durchdachte Möglichkeit. Ich habe mir dabei schon etwas gedacht und erzähle Ihnen hier sicherlich keine Märchen. Nun ist die Rede davon gewesen, daß die Finanzierung nur über die Steuer erfolgen könne. Hier protestiere ich, auch wenn eine große deutsche Tageszeitung das aus der Erklärung der Bundesregierung herausgelesen hat. Nirgendwo steht das dort aber. Es ist eine Finanzierung zunächst über die Verlagerung der Ausgaben möglich und zum zweiten eine Finanzierung über den Geldmarkt oder Kapitalmarkt, wie ich soeben ausgeführt habe, sprich: über Anleihen. Last not least muß ein Finanzminister mindestens theoretisch auch an die Möglichkeit der Finanzierung über Steuern denken. Es ist sicherlich nicht zu leugnen, daß das in der Vorstellungswelt drin liegt. Ich kann Ihnen aber versichern, daß in meinem Hause über diese Dinge zur Zeit keinerlei Pläne bestehen und keinerlei Pläne ausgearbeitet werden. Wenn überhaupt, kommt selbstverständlich nur die Ergänzungsabgabe und nicht alle die anderen Dinge in Frage, die heute diskutiert worden sind. Ich will wegen der Größenordnung im einzelnen keine finanzpolitische und keine Haushaltsdebatte auslösen. Herr Kollege Krammig hat ja schon gewisse Dinge richtiggestellt. (Abg. Dr. Dresbach: Aber, Herr Minister, primär gilt doch der Satz: Finanzierung von Rüstung über Steuern?)





    (Beifall bei der CDU/CSU.) Das ist doch nicht richtig.


    (Abg. Dr. Menzel: Das ist eine Milchmädchenrechnung!)

    — Finanzierung von Rüstung über Steuern. Ich sage nur, ich verlagere unter Umständen die einmaligen Ausgaben für die Bauten nicht nur auf die vier Jahre, die jetzt noch vor mir liegen, sondern ich gehe mit zwei Jahren in die Vorhand und ziehe nachher wieder zurück und finanziere dann diesen Nachholbedarf über Steuern. So ist das gedacht.

    (Abg. Erler: Das hat man bei den MefoWechseln auch gedacht!)




    Bundesfinanzminister Etzel
    — Verzeihen Sie, Herr Erler, ich glaube, Sie haben von der Konstruktion dieser Wechsel wenig Sachkunde, sonst würden Sie solche Bemerkungen gar nicht machen. Wir haben für einen Mefo-Wechsel überhaupt keine Basis mehr. Für Mefo-Wechsel mußte eine Diktatur bestehen, die wir Gott sei Dank nicht haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und ich hoffe — das sage ich auch --, daß Ihre Kontrolle in diesem Haus einen solchen Unfug verhindern würde.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, daß ich damit einiges zu dem Tatbestand gesagt habe, daß diese 52 Milliarden, so wie sie jetzt in unserer Vorstellung sind, an sich in dieser Art aufgebracht werden können, wenn wir die notwendige Elastizität beweisen. Daß wir den Willen zu dieser Elastizität haben, habe ich ausgeführt. Wir werden die Finanzierung der nächsten Jahre nach dem Dekkungsprinzip vor diesem Hause Jahr für Jahr zu vertreten haben. Wir sind zu einem entschlossen
    — und das steckt in der Regierungserklärung drin —: unter keinen Umständen irgend etwas zu tun, was eine Inflationsgefahr hervorrufen könnte. Wir sind entschlossen, den Lebensstandard des deutschen Volkes nicht absinken zu lassen und die Aufrüstung nicht auf Kosten dieses Lebensstandards zu machen. Herr Kollege Blank hat das heute morgen bereits zum Ausdruck gebracht. Lassen Sie mich als Finanzminister dazu noch eine Bemerkung machen: daß die Verteidigung nach innen die Erhaltung des sozialen Lebensstandards, aber auch die finanzielle Stabilität voraussetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich setze daher neben die Erhaltung des sozialen Standards die finanzielle Stabilität der Bundesrepublik. Nach außen soll diese Rüstung, die uns sicherlich Anstrengungen kostet, die Sicherheit geben, die leider in diesen beiden Tagen weitgehend außerhalb der Diskussion geblieben ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)