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ID0302301400

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    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, 18. April 1958 Inhalt Nachruf auf den Abg. Wolfgang Klausner 1221 A Antrag der Fraktion der SPD, den Gesetzesantrag auf Befragung des deutschen Volkes (Drucksache 303) auf die Tagesordnung zu setzen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 1221 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 1223 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen (Drucksache 154) Dr. Ratzel (SPD) 1224 C Dr. Schröder, Bundesminister 1231 A, 1268 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 1240 C Lohmar (SPD) . . . . . . 1252 B, 1272 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1257 B Probst (Freiburg) (DP) . . . . . . 1260 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1262 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 1263 C Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 1265 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestags (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 327) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 1244 C Sammelübersicht 4 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 280) . . . 1273 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes (SPD) (Drucksache 272) — Erste Beratung — Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 1273 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1274 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 29) 1275 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1275 C Anlagen 1277 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1221 23. Sitzung Bonn, den 18. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19. 4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19. 4. Dr. Baade 18. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 18. 4. Blöcker 18. 4. Dr. Böhm 18. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Cillien 18. 4. Conrad 18. 4. Corterier 18. 4. Dr. Czaja 26. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Even (Köln) 19. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19. 4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Dr. Greve 21. 4. Günther 18. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 25. 4. Hilbert 18, 4. Höcherl 10. 5. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 19. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobi 18. 4. Jacobs 24. 4. Jahn (Frankfurt) 18. 4. Jaksch 18. 4. Dr. Jordan 18. 4. Kiesinger 18. 4. Frau Kipp-Kaule 19. 4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19. 4. Dr. Krone 18. 4. Kuntscher 18. 4. Kunze 15. 5. Dr. Leverkuehn 18. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 18. 4. Frau Dr. Maxsein 18. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mellies 25. 4. Merten 19. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 18. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Paul 30. 4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18. 4. Riedel (Frankfurt) 18. 4. Ruland 18. 4. Scheppmann 2. 5. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 4. Schultz 18. 4. Schütz (Berlin) 18. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 4. Simpfendörfer 19. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Walpert 19. 4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 4. Frau Welter (Aachen) 18. 4. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Umdruck 47 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik künftighin nur vom Bund, nur von den Ländern oder von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden sollen. Bonn, den 18. April 1958 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 48 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß als Sitz des Wissenschaftsrates Berlin bestimmt wird. Bonn, den 18. April 1958 Ollenhauer und Fraktion 1278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 Anlage 4 Umdruck 29 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Genossen betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke (Drucksache 191) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksache 196) 3. Antrag der Fraktion der FDP betr. Postgebühren (Drucksache 265) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf und Genossen betr. Interan den Ausschuß für Inneres an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen(f), Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen an den Rechtsausschuß nationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts (Drucksache 267) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts (Drucksache 268) 6. Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Altmaier und Genossen betr. Maßnahmen zur Befreiung der politischen Gefangenen in den Diktaturländern (Drucksache 269) 7. Antrag der Fraktion der SPD betr. Berliner Filmfestspiele (Drucksache 271) an den Rechtsausschuß(f), Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten(f), Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik Bonn, den 18. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ulrich Lohmar


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Rede eine beachtliche Ausweitung des Themas vorgenommen, wenn man den Gedankengang seiner Antwort auf die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion mit den Sachfragen vergleicht, die wir in dieser Großen Anfrage angesprochen hatten. Nun, wir bedauern diese Ausweitung des Themas nicht, glauben aber, daß es zweckmäßig sein wird, auf eine Fülle von einzelnen Anregungen und angeschnittenen Problemen im Rahmen der Haushaltsberatungen zurückzukommen, wobei sich dann auch zeigen kann, wie sich ein Grundproblem in dem Verhältnis der Bundesregierung zur Kulturpolitik, nämlich die Relation zwischen Theorie und Praxis, lösen läßt.
    Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen zu den beiden Anträgen machen, die diesem Hause vorliegen, dem Antrag der CDU/CSU und dem Ihnen soeben zugegangenen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Die SPD-Fraktion möchte Ihnen vorschlagen, daß wir Ihren Antrag und den Antrag der SPD-Fraktion dem zuständigen Ausschuß, dem Kulturausschuß, überweisen. Wir sind der Meinung, daß es eine vernünftige Sache ist, sich über die Relation zwischen Bund und Ländern zu unterhalten. Es ist zweckmäßig, genauer danach zu fragen, welche Interpretation die Verfassungsbestimmungen über das Verhältnis Bund — Länder in der Kulturpolitik zulassen und welche finanziellen Konsequenzen wir daraus zu ziehen in der Lage sind.
    Der Gedanke, der unserem eigenen Antrag zugrunde liegt, ist ein in diesem Hause nicht neuer, nämlich der Wunsch, diesem Wissenschaftsrat seine Arbeit in Berlin zu ermöglichen, weil wir möglichst viele neugegründete oder neuzugründende Einrichtungen dieser Art in die Hauptstadt Deutschlands verlagern möchten. Außerdem ist das Klima der Stadt Berlin vielleicht gerade der Arbeit eines Wissenschaftsrates förderlicher als das Klima des ansonsten sicherlich reizenden Städtchens Bonn.
    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Rede eine Reihe von Kronzeugen aus dem politischen Leben, aus dem geistigen Leben der Bundesrepublik herangezogen, Kronzeugen, auf die wir uns in unserer Betrachtung der hier in Frage stehenden Probleme gleichfalls berufen könnten. Was uns bei der Rede des Herrn Innenministers bewegt hat, ist die Tatsache, daß in einer Reihe von entscheidenden Fragen ein unübersehbarer Widerspruch zwischen der heute morgen gehörten theoretischen Aussage der Bundesregierung und ihrer praktischen Politik besteht. Ich möchte mir erlauben, Sie auf einige dieser Widersprüche hinzuweisen, und dabei mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen zu den Ausführungen unseres Kollegen Dr. Heck beginnen, der sich ja in dankenswerter Weise und gründlich mit dem Machtfaktor Sowjetunion beschäftigt hat, und zwar nicht nur unter dem in diesem Hause ansonsten üblichen nur-militärischen, sondern auch unter dem kulturpolitischen Gesichtspunkt. Aber, Herr Dr. Heck, Sie haben uns zugerufen: Im Osten, in Rußland wird eine Welt ohne Gott geplant; dort ist man dabei, einen neuen Menschen zu erziehen, einen Menschen, der — wie Sie sich ausgedrückt haben — mit dem personalen Menschenbild unserer Vorstellung nichts gemein hat.
    Ich glaube, wir machen uns die Sache zu einfach, wenn wir hier den Westen in dieser Weise der Sowjetunion gegenüberstellen. Nicht als ob ich die von Ihnen geschilderten Gefahren der Verapparatung des Menschen geringer einschätzte als Sie. Aber wir in den westlichen Demokratien trösten uns mit dem Etikett „Demokratie" zuweilen über konkrete Tatbestände hinweg, die auch bei uns dazu führen können, daß der Mensch in Apparaturen gefangen bleibt und eben nicht mehr das ausmacht, was Sie mit dem Wort „personal" umschrieben haben. Ich will Ihnen nur zwei Beispiele dafür nennen. Das Problem der Abhängigkeit der Menschen von den Bürokratien staatlicher, wirtschaftlicher, politischer Art stellt sich heute — unabhängig von dem ideologischen Gehäuse — in der Sowjetunion, in Amerika und in Europa gleichermaßen. Die Frage der Manipulation der Menschen, die Frage der Anwendung der Seelentechnik ist in Amerika in einem Maße fortgeschritten, das ernsthaft die Frage nach der kritischen Entscheidungs-



    Lohmar
    fähigkeit und -möglichkeit der Menschen aufwerfen läßt, insbesondere in der Konsumsphäre und im Bereich der Freizeitindustrie, wie man sie vielleicht nennen könnte. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses, haben sich ja im letzten Bundestagswahlkampf mit Erfolg bemüht, einige Einsichten der Seelentechniker zur Überrundung Ihres politischen Gegners einzusetzen. Denn was waren die Parolen „Was du hast, weißt du" oder „Keine Experimente!" anders als ein Appell an die Instinkte der Menschen ohne den dazugehörigen „überbau" von Argumenten?!

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Seit Ihrer Wahlniederlage sind Sie Kulturpessimist geworden!)

    - Sie müssen sich mit den Argumenten der Sozialdemokratie etwas intensiver beschäftigen, bevor Sie eine solche pauschale Bemerkung zu einer konkreten Feststellung machen.
    Ich möchte mit diesen beiden Beispielen nur andeuten, daß es nicht damit getan ist, zu sagen, in der Sowjetunion sei unser Menschenbild bedroht, wenn wir nicht gleichzeitig sehr aufmerksam und sehr nachdenklich gegenüber manchen Tatbeständen bei uns danach fragen, wo konkret eine kritische Urteilsfähigkeit als die Grundlage der Freiheit des Menschen in Frage gestellt ist.
    Nun lassen Sie mich bitte in Ihre Erinnerung zurückrufen, was in bezug auf eines unserer Sachprobleme, nämlich die Frage der Ingenieurausbildung, in der Sowjetunion geschieht. Wie Sie wissen, ist es die Sozialdemokratie gewesen, die auf ihrem Münchner Parteitag 1956 und dann auf ihrer Parlamentariertagung in Düsseldorf die Öffentlichkeit der Bundesrepublik zum erstenmal, aus dem Raum der Politik jedenfalls, mit Nachdruck auf das Gewicht dieses Problems hingewiesen hat. Seither ist uns bekannt, daß in der Sowjetunion 1950 etwa 28 000 Ingenieure ausgebildet wurden, daß heute, wenn man Universitätsingenieure und andere zusammenfaßt, etwa 130 000 Ingenieure ausgebildet werden und begründete Aussicht besteht, daß es der Sowjetunion gelingen wird, die Zahl der ausgebildeten Ingenieure bis zum Jahre 1960 auf 200 000 jährlich zu steigern.
    Die Zahlen für die Bundesrepublik haben Sie dem Bericht des Herrn Bundesinnenministers entnehmen können; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Aber ich möchte in Ihre Erinnerung zurückrufen, was Herr von Amerongen, der ja insbesondere dem Industriellenflügel der CDU/CSU kein Unbekannter sein wird, nach der ersten Reise des Bundesverbandes der Deutschen Industrie nach Ostasien über seine Eindrücke von dieser Reise berichtet hat. Er hat vor zwei Jahren auf der Hannoverschen Messe in einem Vortrag vor Fachleuten aus der Wirtschaft erklärt — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Heute, nachdem diese Länder und diese Organisationen ihre Unabhängigkeit erreicht haben, haben wir als Deutsche mit deren Problemen uns direkt auseinanderzusetzen, womit ihnen
    gerade in Beziehung zu unserem Lande erhöhte politische und wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die großen Nationen Ostasiens gewinnen von Jahr zu Jahr an Bedeutung im Weltgeschehen und werden dadurch auch ein immer entscheidenderer Faktor für uns. Eine noch größere Bedeutung gewinnen sie aber auf dem Hintergrund der Ost-West-Auseinandersetzung, welche Rolle sie auch in dieser Auseinandersetzung spielen wollen oder zu spielen gezwungen sind.
    Dieses Problem hat sowohl in den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers wie auch in den Darlegungen von Herrn Dr. Heck keinen genügenden Raum gefunden. Offenbar hat die Bundesregierung nach wie vor nicht die Absicht zu begreifen, daß einschließlich der deutschen Frage sehr viele Probleme in der Welt nicht nur beurteilt werden können auf dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen den USA und der UdSSR, sondern daß wir in unser Weltbild die aufstrebenden Völker, insbesondere Ostasiens, einbeziehen müssen. Die Sowjetunion hat seit Jahren — und das weist auf den Mangel an Anpassungsfähigkeit in der westlichen Politik hin — ihre Anstrengungen auf diese wirtschaftliche, psychologische Beeinflussung der ostasiatischen Länder gerichtet. Sie hat hier ihren New Look, ihre Außenpolitik nach Asien hinein gefunden.
    Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß der Oppositionsführer Ollenhauer in seiner Antwort auf die Regierungserklärung den Herrn Bundeskanzler im 3. Deutschen Bundestag darauf aufmerksam gemacht hat, wie sehr die Selbstbehauptung der freien Welt davon abhängt, ob sie andere Völker und Menschen für ihre Vorstellungen gewinnen kann, und daß diese Chance nicht zuletzt von den Wissenschaftlern, den Technikern und den Erziehern abhängt. Sie können in einer Wochenzeitung, die bei der Mehrheit dieses Hauses gewiß mindestens so vertrauenswürdig ist wie bei der Minderheit, nämlich in der „Zeit" vom 10. März 1958, nachlesen, wie die technische Leistungsfähigkeit der Hilfe der Sowjetunion für die ostasiatischen Länder einzuschätzen ist. Ich meine, wir sollten diesen Tatbestand mehr in Rechnung stellen, wenn wir uns über die Frage der Förderung des technischen Nachwuchses bei uns unterhalten.
    Dabei werden wir uns sicher auch mit einem Tabu beschäftigen müssen, das die Politik der Bundesregierung seit Jahren belastet, nämlich dem Tabu, über Planung in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens möglichst nicht zu reden, sondern die Planung als eine zwangswirtschaftliche Maßnahme hinzustellen, mit der sich vernünftige Menschen nicht beschäftigen. Nun, der Bundesinnenminister hat in seiner Rede darauf hingewiesen, daß er dem neugebildeten Wissenschaftsrat die Aufgabe zudenken will, den entstehenden Gesamtbedarf festzustellen und im voraus durch seine Vorschläge zu bestimmen. Wir begrüßen diese Aufgabenstellung für den Wissenschaftsrat; denn sie entspricht den Vorschlägen, die die sozialdemokratische Fraktion auch für andere



    Lohmar
    Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in den letzten Jahren wiederholt gemacht hat. Nebenbei bemerkt kann sie sich dabei auf einen Fachmann berufen, nämlich den Herrn Präsidenten der Bank deutscher Länder, der vor zwei Jahren auf dem Deutschen Studententag in Hamburg sehr betont auf die Notwendigkeit einer Planung im Bereich der Wissenschaft hingewiesen hat. Aber in Anbetracht der Notwendigkeit, eine solche Planung auch in die Außenpolitik einmünden zu lassen, etwa in eine größere Hilfe für die ostasiatischen Länder, fragen wir uns, ob Sie es damit genug sein lassen wollen, Ihren Finanzminister in seiner Etatrede darauf hinweisen zu lassen, daß aus den beiden vergangenen Jahren noch 100 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung stehen und jetzt weitere 50 Millionen DM dazukommen, um dann ein einziges in Indien erbautes Stahlwerk als Beispiel für die Tatkraft der Bundesregierung hier herauszustellen.
    Wir brauchen — auch da möchte ich hinweisen und zurückkommen auf eine Anregung aus der Antwort der Opposition auf die Regierungserklärung
    in der Zusammenarbeit der westlichen Welt, möglicherweise im Rahmen der UNO, eine Art von Marshallplan zur Förderung der unterentwickelten Gebiete oder, wie man freundlicher sagt, der Entwicklungsländer.
    Dabei möchte ich Ihnen noch einmal eine Passage aus dem Vortrag von Herrn von Amerongen auf der Industriemesse in Hannover vorlesen. Herr von Amerongen weist darauf hin, wie notwendig nicht nur eine Kapitalhilfe für die unterentwickelten Gebiete, für die Entwicklungsländer, sondern wie notwendig zugleich die Bereitstellung von Facharbeitern, von Ingenieuren für die Durchführung einer solchen Wirtschaftspolitik ist. Er schreibt:
    Bei der fortschreitenden Industrialisierung dieser Länder steht damit. im Zusammenhang das Fehlen der Schicht des sogenannten middlemanagement und der Facharbeiter. Die Führungskräfte oder das sogenannte top-management ist möglicherweise im eigenen Land oder aus anderen Ländern zu bekommen. Da es aber an industrieller Tradition fehlt, muß eine Schicht der Vorarbeiter, Meister und gelernten Facharbeiter erst geschaffen werden. Auch hier haben die UdSSR und die Länder des Ostblocks gegenüber dem Westen beachtliche Möglichkeiten, indem sie hei der Annahme der Durchführung größerer Projekte eigenes Schulungspersonal in die bestellenden Länder senden oder den Angehörigen dieser Nationen die Ausbildung im Lieferland ermöglichen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte dies mit dem Hinweis verbinden, wie gering die Zahl an ausländischen Ingenieurstudenten an deutschen Hochschulen ist und wie wenig bisher geschehen ist, um etwa einen Austausch von Praktikanten und Facharbeitern in dem wünschenswerten und den Erfolg einer soeben skizzierten Politik gewährleistenden Maße vorzunehmen. Sie wissen, daß die Förderung des Studentenaustausches heute sowohl
    vom Auswärtigen Amt wie vom Bundesministerium des Innern gehandhabt wird. Aber es wäre insbesondere beim Auswärtigen Amt zu wünschen, daß diese Hilfe in einer weniger bürokratischen Form gegeben wird, als das zuweilen der Fall ist.
    Nun lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu Einzelfragen machen, die der Herr Bundesinnenminister in seiner Antwort auf die Große Anfrage der SPD angesprochen hat. Er hat darauf hingewiesen, daß 35 % der Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen heute nach der Einführung des Honnefer Modells mit Stipendien unterstützt werden, und er hat sich dagegen verwahrt, daß man einen Vergleich dieses Anteils an geförderten Studierenden etwa mit England oder mit der Ostzone zieht. Er hat gemeint, man sollte von etwa gleichartigen Gesamtzahlen von Studierenden ausgehen. Wir sind nicht dieser Meinung. Wir glauben, daß die Beurteilung von Zielsetzung und Ausmaß der Studentenförderung lediglich an der Frage des Bedarfs auf der einen Seite und an der Frage nach der wirtschaftlichen Lage der Studierenden auf der anderen Seite ansetzen kann.
    Im übrigen ist es nicht nur ein Merkmal totalitärer Staaten wie der Ostzone oder der UdSSR, daß dort praktisch jeder studieren kann. In Amerika haben wir in der Sache die gleiche Situation: daß niemand aus wirtschaftlichen Gründen an einem Studium gehindert wird.
    Ich meine deshalb, meine Damen und Herren, Sie sollten überlegen, ob nicht der Forderung etwa des Verbandes Deutscher Studentenschaften auf Erhöhung der Mittel für die Durchführung des Honnefer Modells von 35 Millionen auf 50 Millionen DM sinnvoll Rechnung getragen werden kann. Wenn ich sage „sinnvoll", dann meine ich, daß es keinen Zweck hat, dies zu tun, ohne gleichzeitig den Ausbau der Lehrkörper an den Hochschulen in Angriff zu nehmen. Diese Forderung ist ja in der Antwort des Herrn Innenministers im Grundsatz anerkannt worden. Zu ihrer Verwirklichung ist jedoch im Gegensatz zur Bereitstellung der materiellen Mittel für die Studentenförderung seither so gut wie nichts geschehen.
    Nun ist eine Diskussion darüber entstanden, ob und in welcher Form das Honnefer Modell für die wissenschaftlichen Hochschulen auf die sogenannten nichtwissenschaftlichen Hochschulen übertragen werden kann. Ich möchte mich da meinem Kollegen Ratzel anschließen der bereits darauf aufmerksam gemacht hat, daß es uns nicht darum geht, hier an einer bestimmten Form zu hängen. Uns geht es um die Sache. Immerhin ist es aber an sich schon ein bemerkenswertes Faktum, daß in dem Städtchen Rhöndorf einmal das verkürzte Denken durch die Diskussion über ein Thema angeregt wird, das langfristige Perspektiven einbezieht.
    Das Bundesinnenministerium hat bisher in seinen Diskussionsbeiträgen - nicht heute morgen hier im Hause, aber an anderer Stelle - zum Ausdruck gebracht, man könne das Honnefer Modell auf die sogenannten nichtwissenschaftlichen Hochschulen, das bedeutet auch auf die Ingenieurschulen, deshalb



    Lohmar
    nicht übertragen, weil bestimmte Merkmale der wissenschaftlichen Hochschulen bei den nichtwissenschaftlichen Hochschulen fehlten, Merkmale wie die Rektoratsverfassung, das Promotionsrecht oder die Einheit von Forschung und Lehre. Diese Merkmale seien bei den Universitäten im Gegensatz zu den Ingenieurschulen gegeben. Gegenüber solchen Argumenten möchte ich Ihnen zu bedenken geben, ob nicht auch hier die Frage nach dem Bedarf und die Frage nach der Lage der Studierenden die beiden einzig interessanten Zugänge zur Lösung dieses Problems darstellen.
    Man wundert sich beispielsweise, wenn man im Bulletin der Bundesregierung vom 15. April über die vom Herrn Bundesinnenminister als in Arbeit befindlich bezeichnete Forschungsarbeit über die soziale Lage der Studierenden an den nichtwissenschaftlichen Hochschulen liest:
    Zweck dieser Zusammenkunft
    gemeint ist die Zusammenkunft in Rhöndorf
    war die Erarbeitung eines Förderungsmodells ähnlich dem Honnefer Modell, das die Förderung der Studenten an „nichtwissenschaftlichen Hochschulen" ermöglichen solle.
    Zwei Absätze weiter heißt es dann:
    Eine Übernahme des Honnefer Modells auf die Studierenden an nichtwissenschaftlichen Hochschulen scheiterte jedoch daran, daß erhebliche Unterschiede in der Art und Weise des Studiengangs zwischen den Studenten an den wissenschaftlichen und den Studierenden an nichtwissenschaftlichen Hochschulen bestehen.
    Schließlich wird im Schlußabsatz festgestellt,
    daß die vorliegende Erhebung ähnliche Relationen aufweist wie die Sozialstatistiken über die Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen, . . .
    Die ganze Widersprüchlichkeit des Ansatzes der Planung der Bundesregierung in der Förderung der Studierenden der nichtwissenschaftlichen Hochschulen wird an diesen drei Stellen des Artikels im Bulletin deutlich. Dabei ist diese Erhebung zu dem Ergebnis gekommen, daß bei den Ingenieurstudenten heute lediglich 27 % über monatlich 200 DM und mehr verfügen, daß ein Drittel der Studierenden an Ingenieurschulen nicht ausreichend versorgt ist, daß 24 % im letzten Studiensemester erwerbstätig waren und ebenfalls 24% mehr als 30 Stunden in der Woche gearbeitet haben. Wir möchten diese Tatsache zum Anlaß nehmen, zu bemerken, daß sehr schnell ein in der Sache dem Honnefer Modell entsprechendes Abkommen getroffen werden muß, das eine Förderung auch dieser Studierenden in ausreichendem Umfange ermöglicht.
    Dabei ist es zweckmäßig, sich einmal Klarheit darüber zu verschaffen, was es denn heute mit dem Charakter des Studiums eigentlich auf sich hat, wenn man von den Unterschieden zwischen den technischen Bildungsanstalten und den Universitäten spricht. Der Herr Innenminister hat den Hamburger Soziologen Schelsky zitiert. Ich darf mich ebenfalls auf Herrn Professor Schelsky berufen und Ihnen ein paar Zeilen zur Kenntnis bringen, die Sie in der Nr. 43 der Wochenzeitung „Die Zeit", Jahrgang 1957, finden. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich Ihnen diese Zeilen vorlesen:
    Indem die industrielle Gesellschaft die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse in Aufgaben und Berufe hinein ausdehnt, die noch vor einer Generation allein mit einer Erfahrungs- und Praxisausbildung zu meistern waren, und die akademischen Bildungsinstitutionen diese Vermittlung der angewandten Wissenschaften zunächst nur allzu willig übernommen haben, sehen sich diese Bildungsanstalten heute in einer sozialen Funktion gefangen, der sie schon deshalb nicht ausweichen können, weil es keine anderen Institutionen zur Ausbildung der wissenschaftlich geschulten technischen und funktionalen Intelligenz gibt, deren die moderne Gesellschaft zu ihrem Bestand und Überleben bedarf. Die Funktionen dieser so wissenschaftlich ausgebildeten Intelligenz umfassen in der Struktur der modernen Gesellschaft aber Ränge und Leistungen, die bei einer noch so großzügigen Auslegung des Begriffs einer geistigen Führungsschicht damit kaum etwas zu tun haben, denen eine elitäre Geistesbildung anzusinnen daher sozial sinnlos und praktisch ergebnislos ist.
    Der Student realisiert nur,
    — schreibt Schelsky
    was ihm als Verhaltensnotwendigkeit von der Gesellschaft und der Hochschule gleicherweise aufgedrängt wird; es entspricht allerdings dem nüchternen Durchsetzungs- und Anpassungswillen seiner Generation, daß er an der schizoiden Gespaltenheit der Universität zwischen Realität und Idee nicht unnötig teilzunehmen trachtet, sondern das Studium als einen Durchgang zum Beruf und damit selbst als eine Vorform der Berufstätigkeit betrachtet, . . .
    Ich möchte die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Bildung und Ausbildung hier nicht vertiefen, wollte dies aber doch dazu anmerken, weil es wenig Sinn hat, an dem Auseinanderklaffen von Idee und einer völlig andersgearteten Wirklichkeit festzuhalten, diese Kluft zu beklagen und sich im übrigen zu scheuen, ein realistisches Bild von der Wirklichkeit und den entsprechenden Möglichkeiten zu entwerfen.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine andere Frage streifen. Sowohl im Honnefer Modell als auch im Rhöndorfer Modell ist die Rede davon, daß es sich bei der Studienförderung lediglich um eine individuelle Förderung handeln könne. Einverstanden. Aber ich möchte sagen: mit dem Zusatz, daß wir endlich begreifen sollten, daß diese Studentenförderung eine Investition der Gesellschaft in ihrem ureigensten Interesse darstellt und völlig fern etwa jeder karitativen Maßnahme gegenüber der Studentenschaft liegt.

    (Zustimmung bei der SPD.)




    Lohmar
    Über diesen Ansatz im Denken sollten wir endlich einig werden, damit die Förderung der Studierenden als das Problem begriffen wird, das es der Sache nach darstellt.
    Aus diesem Grunde haben wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion nach wie vor unsere Bedenken gegenüber Darlehen anzumelden. Bezeichnenderweise haben von den Ingenieurstudenten lediglich 7 v. H. Darlehen aufgenommen oder wollen dies tun. Wir sind der Meinung, daß — abgesehen von einer Reihe von Ungerechtigkeiten, die dabei auftreten können — das Darlehen dem Charakter des Studiums und der Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber den Studierenden nicht entspricht.
    Ein Einzelproblem im Rahmen der Studentenförderung verdient die Aufmerksamkeit vor allem der Mehrheit dieses Hauses. Bezeichnenderweise hat weder der Herr Bundesinnenminister noch der Sprecher der CDU/CSU, Herr Dr. Heck, darüber etwas gesagt. Ich meine die soziologische Zusammensetzung der Studierenden sowohl an den Universitäten wie an den heute in Frage stehenden technischen Bildungsanstalten. Sie wissen, daß etwa die Untersuchungen von Professor Müller zu dem Ergebnis geführt haben, daß die Begabungsreserven in den sogenannten oberen sozialen Gruppen sehr viel weitgehender ausgeschöpft bzw. in den normalen Bildungsgang unserer Gesellschaft eingemündet sind als in den sogenannten unteren sozialen Gruppen. Dem entspricht die Tatsache, daß wir an den Universitäten in den letzten Jahren nie mehr als 5 % Studierende aus der Arbeiterschaft gehabt haben. Der Anteil an den Ingenieurschulen ist etwas höher, aber kaum nennenswert.
    Wenn man auf dieses Thema zu sprechen kommt, wird einem meist gesagt, der sogenannte Mittelstand, die Beamten, die Angestellten, brächten in einem höheren Maße Opfer für das Studium ihrer Kinder, als dies die Arbeiterschaft zu tun bereit sei. Ich will über die Feststellung dieses Tatbestandes nicht streiten. Aber dies muß unseren Blick auf die Tatsache lenken, wie wenig die Frage des Zugangs der Arbeiterschaft zu den Hochschulen allein ein materielles Problem ist. Es handelt sich neben dem Materiellen darum, diese soziale Schicht unseres Volkes in eine sachgerechte Beziehung zur Problematik und Aufgabenstellung wissenschaftlicher Arbeit zu bringen.
    Das hat Konsequenzen auch für die politische Art und den politischen Stil, in dem man in Deutschland diskutiert. Beispielsweise ist es mit dem Wunsch nach einer soziologisch breiteren Streuung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht zu vereinbaren, wenn in der politischen Diskussion überholt geglaubte ideologische Begriffe, wie „bürgerlich" auf der einen Seite oder „nichtbürgerlich" auf der anderen Seite, mit der Absicht einer politischen Frontenbildung künstlich wiederbelebt werden. Es ist auch nicht im Sinne des Wunsches nach einer solchen Ausweitung — wenn ich mir in einer Nebenbemerkung eine Anspielung auf den beginnenden Wahlkampf von Nordrhein-Westfalen erlauben darf —, etwa eine politische Partei wie die
    Sozialdemokratie mit dem aus dem Arsenal der Nationalsozialisten entlehnten und in diesem Sinne gebrauchten Sammelbegriff „die Roten" oder „die rote Herrschaft" abzutun und zu diffamieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt doch die rote Fahne!)

    Solche Dinge stören die Absicht einer Ausweitung auch des Verständnisses in den bis heute nicht hinreichend in die wissenschaftliche Ausbildung einbezogenen Gruppen unseres Volkes erheblich. Sie mögen zwar stolz darauf sein, daß Sie — die Mehrheit dieses Hauses — unter Ihren Wählern auch einen nennenswerten Teil Arbeiter haben. Aber Sie sollten dabei nicht übersehen, daß die Sozialdemokratische Partei nach wie vor den ersten und entscheidenden Anteil an der Vertretung gerade dieser sozialen Gruppe historisch und praktisch hat.
    Der Herr Innenminister hat davon gesprochen, daß wir eine umfassende geistige Bildung unseres Volkes brauchten. Er hat den Deutschen Ausschuß hervorgehoben und ihm für seine Arbeit gedankt. Wir möchten uns diesem Dank für die Arbeit des Deutschen Ausschusses anschließen.
    Der Innenminister hat erklärt, daß wir in manchen Planungen, in manchen Ausdrucksformen des Lebens unseres Volkes bescheidener, zurückhaltender sein sollten, als das im Alltag des Lebens der Bundesrepublik offenbar der Fall ist. Ich muß hier an dieser Stelle wieder an die Praxis Ihrer Politik erinnern, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben, noch mehr aber daran, unter welchen Leitideen Sie diese Politik in der Öffentlichkeit vertreten haben. Sie sind doch die Apostel eines höchs oberflächlichen Wirtschaftswunderdenkens! Wir sind sehr für den wirtschaftlichen Aufschwung. Aber wir wehren uns dagegen, der Bevölkerung einzuhämmern, daß dieser wirtschaftliche Aufstieg das A und O in diesem Staate sei.

    (Zuruf von der Mitte: Das haben wir nicht getan!)

    Herr Dr. Heck hat sich in seiner Rede dieser Sicht angeschlossen. Nun, wir warten darauf, daß sich daraus in der Propaganda und in den öffentlichen Verlautbarungen der Bundesregierung Konsequenzen ergeben, die wir bisher nicht haben beobachten können.
    Eine Diskussion über Hochschulen, eine Diskussion über Fragen der Bildung hört sich im Jahre 1958 sehr viel anders an als eine solche Diskussion etwa im Jahre 1949 oder auch noch im Jahre 1954. Diejenigen, die in diesen Jahren mit Leidenschaft um eine über die technische Apparatur hinausgehende Hochschulreform gerungen haben, haben heute weitgehend resigniert; soweit sie nicht resigniert haben, sagen sie: Der Worte sind genug gewechselt, wir wollen endlich Taten sehen. Daran sollten wir uns bei diesem Gespräch erinnern.
    Der Bundesinnenminister sagt in seiner Denkschrift über den technischen Nachwuchs, das Problem des technischen Nachwuchses sei nicht nur ein technisches und nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Nun, was heißt das? Wir sollten unseren



    Lohmar
    Blick einmal auf die Gespräche lenken, die auf dem dritten deutschen Studententag in München geführt worden sind, wo Hermann Heimpel in einer Analyse der Bildungsaufgabe unserer Hochschulen erklärt hat, daß Bildung „das Sich-Auskennen in den Mächten der Zeit" sei, oder wo Walter Dirks die Studierenden, die sich damals zu einer Diskussion zusammengefunden hatten, mit den Worten aufrief:
    Wendet eure Phantasie, eure Kritik, eure Leidenschaft, eure Liebe an die großen Themen der Gesellschaft. Lassen Sie sich nicht vom deutschen Wirtschaftswunder blenden, noch von Ihren Vätern und Alten Herren bestechen, noch von den Apparaturen imponieren, noch durch die Massenbetäubungsmittel einschläfern oder ablenken!
    Ich glaube, wir sollten diese Bemerkungen von Walter Dirks, in ihrem weiteren Sinne verstanden, an uns alle dringen lassen.
    Ich möchte Ihnen, die Sie in diesem Hause des öfteren die Mehrheit mit den Notwendigkeiten der Sache verwechseln,

    (Widerspruch in der Mitte)

    sagen: Gehen Sie von einer Betrachtung unserer Zeit ab, die die Welt in Formeln zerlegt! Lassen Sie auch in der Praxis und nicht nur in Kulturreden in diesem Hohen Hause von der oberflächlichen These ab, eine ohnehin unzureichende Quantität des Wirtschaftswunders werde bei uns oder woanders von selber in die Qualität eines Gemeinwesens freier Menschen einmünden! Fragen Sie konkret nach den Bedingungen, welche Freiheit und Gerechtigkeit zu einem realen Inhalt des Lebens werden lassen! Lassen Sie uns nach dem Weg suchen, der die Demokratie im technischen Zeitalter zu einem Zuhause, zu einer Heimstatt werden lassen kann, in der einer gleichberechtigt und frei neben dem nächsten wirkt! Lassen Sie uns das ohne falsches Pathos, aber mit aller Leidenschaft zur Sache tun!

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zoglmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Siegfried Zoglmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem amerikanischen Außenminister Dulles wird das Wort zugeschrieben: Der kalte Krieg wird in den Hörsälen entschieden. Ich bin versucht zu sagen: Welches Glück, daß dieser Raum kein Hörsaal ist! Sonst könnte ich den Aspekten, die uns in dieser Auseinandersetzung zwischen West und Ost bleiben, nicht sehr viel Gutes zuschreiben.
    Vorhin hat der Kollege Heck gesagt, die Kulturpolitik solle an erster Stelle stehen. Ich bin ein Benjamin in diesem Hause, möchte aber doch sagen: den Eindruck, daß kulturpolitische Anliegen in diesem Hause an erster Stelle stünden, kann selbst ein ganz großer Optimist nicht von hier mitnehmen. Ich habe fast den Eindruck, es geht uns in Deutschland so, wie es den Amerikanern ging: es muß erst ein Sputnik am Himmel erscheinen, bis den Leuten klar wird, um was es eigentlich bei den Fragen der Wissenschaft und Forschung im Letzten geht.
    Wissenschaft und Forschung — das sollte doch jeder, der sich nur ein bißchen mit diesen Dingen befaßt, unschwer feststellen können — sind heute Kampfmittel der politischen Auseinandersetzung geworden. Die künftigen großen Entscheidungen in der Welt werden letzten Endes von den Gelehrten und von den technischen Apparaturen entscheidend beeinflußt.
    Vorhin hat der Herr Bundesinnenminister gesagt, die Bundesregierung habe ein Recht, sich Gedanken zu machen und Überlegungen anzustellen, um mit der Problematik fertig zu werden, die mit der heutigen Großen Anfrage der SPD angeschnitten ist. Er hat dann dazu auch einiges ausgeführt. Ich kann ihm aber nicht ganz beistimmen, wenn er meint, daß eigentlich alles getan sei, um die Dinge zum Guten zu lenken.
    Man hat hier gesagt, ein Vergleich mit Rußland oder mit England oder auch mit Amerika sei nicht anzustellen, weil die Größenordnungen verschieden seien und alle Voraussetzungen dafür schlechthin fehlten. Das trifft insofern nicht den Kern der Sache, als die Entwicklung uns so oder so zwingt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die nicht zuletzt vom Osten, von Rußland her auf uns zukommen.
    Vorhin hat Herr Kollege Heck ein sehr gutes Wort ausgesprochen. Er hat gesagt, in Rußland sei ein neues Sendungsbewußtsein entstanden. Wenn man nun das russische Sendungsbewußtsein und die technischen Maßnahmen, die gerade auf dem Gebiete der Erziehung getroffen sind, addiert, dann muß man wirklich besorgt werden. Die Zahl von 760 000 Studenten, die heute an den Ingenieurschulen aller Ordnungen in Rußland studieren, und das Vorhaben der russischen Regierung, bis zum Jahre 1960 auf eine Million Ingenieurschulstudenten aller Gattungen zu kommen, sind doch so beachtlich, daß wir daran nicht vorbeigehen können. Die Zahl von 60 000 Studierenden aller Ingenieurgruppen in der Bundesrepublik möchte ich nur als Ergänzung dazu erwähnen. Diese Zahlen sind keine russischen Propagandazahlen, es sind die Zahlen eines englischen Regierungsberichts, der aus der Sorge um diese Dinge von der britischen Regierung veranlaßt wurde.
    Wenn man nun sagte: Ein russischer Ingenieur ist am Ende nicht viel mehr als ein deutscher Schlosser, dann müßte ich entgegnen, man sollte gerade angesichts der Leistungen, die die Sowjets in den letzten Monaten uns allen offenbar werden ließen, sich nicht zu einer so leichtfertigen Äußerung hinreißen lassen. Kein geringerer als Winston Churchill hat gesagt:
    In den letzten Jahren wurde die Sowjeterziehung auf dem Felde des mechanischen Ingenieurwesens sowohl in der Zahl als auch in der Qualität so entwickelt, daß es alles, was wir erreicht haben, weit übertrifft.
    Und kein anderer als der Leiter der amerikanischen Forschung im zweiten Weltkrieg, Herr Vanever Bush, hat gesagt, daß man die Qualität der russischen Ingenieurerziehung auf alle Fälle sehr hoch



    Zoglmann
    anzetzen sollte. Auch der Vorsitzende der amerikanischen Energiekommission, Strauß, sagt:
    Mir ist keine öffentliche höhere Schule in Amerika bekannt, in der die Schüler so gründlich in Naturwissenschaft und in Mathematik vorbereitet werden wie in Rußland.
    So leichtfertige Feststellungen, wie sie heute da oder dort im Hinblick auf den Zahlenvergleich getroffen werden, sollten wir uns also nicht zu eigen machen.
    Wenn man die Dinge nur vom Äußeren her sieht, ist man fast versucht, zu sagen: Wir haben das Wettrennen mit drüben bereits verloren. Aber wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Ich bin immer ein Optimist gewesen. Mein Optimismus geht sogar so weit, daß ich jetzt vor diesem Hause doch noch das Wort ergriffen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe mich gefragt, ob ich nicht meine Rede nur den Parlamentsstenographen zu Protokoll geben soll. Aber ich komme aus Österreich, und bei uns in Österreich sagt man: Die Demokratie ist eine Strapaz, also darf man sich ihr nicht entziehen.

    (Heiterkeit.)

    Wir brauchen also die Hoffnung nicht aufzugeben. Aber wir haben nur dann Grund zu einer Hoffnung, wenn wir etwas tun, und zwar muß mehr getan werden, als hier heute anklang. Ich bin selbst seit Jahren Mitglied des Kulturausschusses eines Landtages, und ich weiß, was wir in den Landtagen in dieser Richtung tun. Ich weiß aber auch, wo es fehlt. Ich weiß, daß der Bund viel mehr tun müßte, als bisher getan worden ist. Das Wort von der Kulturhoheit der Länder zieht nicht. Sie haben es selbst vorhin gesagt, Herr Minister: Niemand kann die Bundesregierung hindern, etwas in dieser Richtung zu tun, niemand kann sie der Verantwortung entheben, die sie für diese Dinge mit trägt. Die Frage des Institutionellen, beispielweise, wie das oft so gesagt wird, daß wir ein Bundeskultusministerium haben müßten usw., ist nicht primär. mär ist die Frage der Zurverfügungstellung der Mittel, primär ist letzten Endes auch die Frage des Einsatzes dieser Mittel.
    Sie, Herr Innenminister, haben vorhin einige Äußerungen über den Wissenschaftsrat gemacht und haben Hoffnungen geknüpft an das nunmehrige Aktivwerden dieser Institution. Ich habe auch Hoffnungen, aber meine Hoffnungen hinsichtlich des Aktivwerdens des Wissenschaftsrates bewegen sich wenn ich das einmal musikalisch ausdrücken
    darf - ein bißchen in Moll, weil ich mich an die Schwierigkeiten bei dem Zustandekommen dieses Wissenschaftsrates erinnere. Dort ist nämlich tatsächlich die Quadratur des Kreises versucht worden. Was herauskam, ist eine Institution mit 38 oder 39 Mitgliedern, aber mit 44 Stimmen, also gewiß etwas ganz Eigenartiges, was man sonst kaum kennt. Das mußte deshalb so sein, damit Bund und Länder einerseits und die Wissenschaft andererseits gleichmäßig zum Zuge kamen. Aber wenn man
    alle diese Dinge auf einen Nenner bringen will, dann wird es irgendwo sehr problematisch.
    Nun haben Sie vorhin Zahlen genannt, Herr Minister, und gesagt, wir seien im Schnitt hinsichtlich der Förderung unserer Studenten vergleichbar mit Frankreich, Finnland, Schweden usw. Es wurde hier schon gesagt: bei den Russen kann man mit 100 % Stipendien rechnen. Auch in Amerika kann man eigentlich mit 100 % Stipendien rechnen. Jedenfalls braucht in Amerika bei dem Vorhandensein so vieler Möglichkeiten kein Student, der sich einem Universitätsstudium unterziehen will, der Universität fernzubleiben. Hinsichtlich des Vergleichs mit Frankreich habe ich eine andere Zahl zur Verfügung: 54 % Stipendien in Frankreich. Sie selbst, Herr Minister, haben vorhin für Deutschland von 20 % gesprochen. Ich wäre dankbar, wenn man diese Zahl korrigieren würde. Ich wäre auch dankbar, wenn man mich überführte, mich nicht genügend informiert zu haben. Aber ich habe die Sorge, daß es am Ende doch ein bißchen überspitzt wird, wenn man sagt, wir bewegten uns hier etwa auf der Ebene der Franzosen.
    Sie haben in Ihren letzten Worten, Herr Minister, die Hoffnung ausgedrückt, daß die Dinge wieder ins rechte Gleis gebracht würden. Sie haben gesagt: Wir sind im Augenblick auf dem Wege, wieder nach oben zu kommen. Wenn man aber hört, daß 400 Lehrstühle allein an den Universitäten fehlen, daß 25 % der etatmäßigen Professorenstellen unbesetzt sind, daß 62 % der Assistenten- und Oberingenieurstellen unbesetzt sind, daß, wie ich einer Umfrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft entnehme eine Zahl, die ich gar nicht glauben kann —, 96 % aller Stellen des gesamten technischen und Werkstattpersonals an den Hochschulen und Universitäten unbesetzt sind, dann muß man, glaube ich, etwas vorsichtiger sein und darf nicht hinsichtlich des Ganges der Dinge eine so optimistische Darstellung geben.
    Wenn Sie sich weiter vergegenwärtigen, daß der zeitliche Abstand zwischen Forderung und technischer Nutzung heute immer geringer wird, wenn Sie sich weiter vergegenwärtigen, daß der geistige Anteil an unserem Schaffen immer größer wird, wenn Sie sich Zahlen vergegenwärtigen wie z. B. die der großen amerikanischen Firma General Electric: im Jahre 1900 1 Ingenieur auf 250 Beschäftigte, im Jahre 1950 1 Ingenieur auf 60 Beschäftigte, im Jahre 1955 ein Ingenieur auf 15 Beschäftigte, dann müssen Sie sich doch fragen, wohin das führen soll, wenn, wie Sie selbst sagen, im Jahre 1970 30 000 Ingenieure fehlen werden. Der VDI spricht von 40 000 Ingenieuren. In Ihrer Berechnung, Herr Minister, fehlt aber noch die Entwicklung, die ich aus der General Electric hier ablese. Was fehlt uns, wenn die Entwicklung zur Technisierung, zur Mechanisierung, zur Automatisierung so weiter geht, daß in Zukunft noch viel mehr als bisher Ingenieure, hochwertige, technisch vorgebildete Kräfte erforderlich sind? Das ist eine Frage, die ich ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen bitte. Wir haben im Jahre 1939 500 000 Industrieschaffende in Deutschland gehabt; 6 % davon waren



    Zoglmann
    Ingenieure. Im Jahre 1950 hatten wir in der Bundesrepublik ebenfalls 500 000 Industrieschaffende; nur 4 % waren Ingenieure. Im Jahre 1955 hatten wir 650 000 Industrieschaffende in der Bundesrepublik, und nicht mehr ganz 4 % waren Ingenieure. Das sind doch Zahlen, die uns sehr, sehr zu denken geben.
    Nun ist vorhin Nordrhein-Westfalen als Land, in dem sich die Entwicklung zum Positiven gewendet habe, von Ihnen, Herr Innenminister, erwähnt worden. Wir haben in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr drei neue Ingenieurschulen erstellen können, wir haben die anderen ausgeweitet. Aber die Situation ist noch so, daß wir an den Maschinenbauschulen in Nordrhein-Westfalen von 5420 Bewerbern im Jahre 1957 nur 1740 Bewerber annehmen konnten.
    In diesem Zusammenhang ist vorhin der Zwischenruf gemacht worden: Ja, wie ist es denn mit der Begabung dieser Leute? Damit sollte gewissermaßen gesagt werden, die zwei Drittel, die nicht zum Zuge kämen, seien eben so wenig begabt, daß sie gar keine Chance hätten, wenn sie auf eine solche Schule gehen. Das ist effektiv die Unwahrheit.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Leute warten zwei, drei Jahre lang, ehe sie überhaupt ihr Studium beginnen können. Das ist die wahre Situation.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.) Vor dieser Problematik stehen wir doch.

    Vorhin ist von dem Mangel an Schulraum gesprochen und der Bogen ganz weit gespannt worden, bis zu den Volksschulen. Es wurde auf die Möglichkeit des neunten Schuljahres hingewiesen. 22 000 Schulklassen, wurde vorhin gesagt, fehlen uns im Augenblick noch. 11 000 werden dazu neu benötigt, wenn man das neunte Schuljahr einführt. Das entspricht bei der augenblicklichen Meßzahl von rund 100 000 DM pro Schulklasse einer Summe von 3,3 Milliarden DM. Aber das trifft den Kern der Sache noch nicht. Ich möchte Ihnen die Dinge einmal, ich möchte fast sagen, vom grünen Ast her, nämlich von der Länderebene her, darstellen. Wenn wir in Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr das Schulfinanzgesetz einführen, müssen wir sämtliche Zuschüsse für Schulneubauten wegfallen lassen, weil wir den Pfennig auch nur einmal ausgeben können. Das ist das Problem. Die Lücke wird immer größer, sie klafft immer mehr. Über diese Dinge sollten wir uns doch Gedanken machen. Ich habe also wirklich ernste Sorgen und kann mich nicht der mehr oder weniger hoffnungsvollen Betrachtungsweise, die hier erkennbar wurde, anschließen.
    Ein Wort zu der Frage der Kulturhoheit. Was kann der Bund tun? Ich glaube, Herr Kollege Heck sagte vorhin, die Zersplitterung sei durch die Besatzungsmächte in das deutsche Erziehungswesen hineingebracht worden, heute sei sie aber fast überwunden. Ich kann Ihnen nicht ganz beipflichten, Herr Kollege Heck. Es scheint mir im Gegenteil so: Den Besatzungsmächten ist damals ein großer Wurf gelungen. Es ist der Wurf des Jason, und den Rest besorgen wir. Wenn man heute nach wie vor beispielsweise bei den Ingenieurschulen, um die es jetzt geht, vor durchaus verschiedenen Prüfungsordnungen, vor verschiedenen Zulassungsordnungen, vor verschiedener Studiendauer steht, dann kann man nicht sagen, daß die Dinge bereits aus einer kritischen Entwicklung herausgeführt wurden.
    Was kann nun der Bund tun? Wissenschaftsrat — ich habe es vorhin gesagt: ich bin skeptisch. Man muß vielleicht einmal querbeet in den Fraktionen dieses Hauses und auch in den Ländern alle gutwilligen Leute an den Tisch kriegen und ihnen klarmachen, daß auch das Grundgesetz, wenn es wirklich ein Hemmnis in diesen Dingen sein sollte, einer Entwicklung unterliegt und daß man, wenn man im Jahre 1958 feststellt, daß eine Situation eingetreten ist, die man 1949 nicht voraussehen konnte, die Pflicht hat, dieser Situation von 1958 gerecht zu werden.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Wir sind ja sonst nicht so genau in diesen Dingen. Ich habe erst unlängst auch von dieser Stelle aus mit Freude festgestellt, daß die CDU etwa bezüglich des Fernsehens auf dem Wege vom föderalistiSaulus — nun, ich will nicht gerade sagen, zum zentralistischen Paulus ist; aber immerhin! Und es ist für uns, die wir in dieser Richtung immer Pioniere waren, ein gutes Gefühl, wenn man als kleine Kompanie den Eindruck hat, daß jetzt ein ganzes Bataillon hinterhermarschiert. Ich glaube also, wenn wir uns einmal die Dinge so ansehen, wenn wir uns jetzt einmal im kleinen Raum zusammensetzen und uns wirklich einmal Gedanken darüber machen, was man hier tun kann, könnte nur Gutes aus einem solchen Gespräch herauskommen. Das Institutionelle braucht nicht das Primäre zu sein. Hier kann man einen Weg finden, daß man um gewisse Hemmungen, die vielleicht da oder dort auftreten, herumkommt,
    Wenn Sie mich nun abschließend fragen: „Was würden Sie für Vorschläge machen? Was soll man tun? Woher die Mittel dafür bekommen?", so muß ich Ihnen sagen: Zunächst einmal müssen Sie auf alle Fälle die Mittel für Forschung und Lehre erhöhen. Sie müssen die Ingenieurschulen weiter auf- und ausbauen. Sie müssen noch mehr als bisher für die Förderung der Studenten tun.
    Vorhin ist hier seitens des Herrn Kollegen Lohmar etwas angeklungen, was ich auch schon an anderer Stelle, bei der Einführung der Schulgeldfreiheit, aufgegriffen habe, nämlich der Hinweis: „Nur 5 % der deutschen Studenten kommen aus Arbeiterfamilien", und so ein bißchen implicite ausgedrückt: „Da soll man doch dieses System sehen, das eben nach wie vor die kleinen Leute nicht zum Zuge kommen läßt." Dieser Hinweis zieht nicht. Ich darf Ihnen sagen, ich stamme selber aus einer ganz armen Häuslerfamilie im Böhmerwald; dort ist auch noch der dritte und der vierte Sohn auf die Schule geschickt worden. Das ist nämlich in allererster Linie eine Haltungsfrage.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)




    Zoglmann
    Wenn Sie heute in das Ruhrgebiet schauen und sich dort die Einkommen der Familien ansehen, stellen Sie fest, daß diese Familien alle, wo der Vater verdient und der älteste Sohn verdient und eine Tochter verdient, im Schnitt 1400 und 1600 und 1800 DM im Monat verdienen. In diesen Familien haben sie Fernsehtruhen, in diesen Familien haben sie Musikinstrumente aller Art — Musikmaschinen aller Art, maß man schon sagen —; aber auf die Idee, einen von ihnen auf die höhere Schule zu schicken, kommen sie dort nicht ohne weiteres. Das ist aber eine Haltungsfrage.
    Wenn ich trotzdem sage, man muß mehr für die Studenten tun, meine ich es nicht in bezug auf die Leute, die in den Genuß dieser Stipendien kommen sollen, sondern ich meine es in bezug auf die deutsche Allgemeinheit und auf unsere ganze Situation, die uns zwingt, in dieser so harten Auseinandersetzung in der Welt diesen Dingen einen großen Wert beizumessen. — Also mehr Geld.
    Nun werden Sie mich fragen: woher? Ich sage es Ihnen: aus einem Topf, wo es sich geradezu anbietet, wobei es nicht einmal zweckentfremdet wird, und wo mit Sicherheit auch vorhanden ist, weil die Summen, um die es hier geht, relativ klein sind, gemessen an den Beständen, die in diesem Topf zur Verfügung stehen. Ich denke nämlich an den Verteidigungshaushalt. Sie selber, Herr Minister, haben vorhin, glaube ich, davon gesprochen, daß eine gewisse Sprengwirkung im Denken liegt. Das Denken hat die größere Sprengwirkung. Wir sind also schon im militärischen Bereich, nicht wahr?

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

    Es ist in der Tat so, daß ohne Forschung und ohne Förderung des technischen Nachwuchses, ohne all diese Prämissen, ohne ein starkes wirtschaftliches Potential auch ein Verteidigungspotential nicht vorstellbar ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Es ist also nicht einmal, wie ich soeben sagte, eine Zweckentfremdung der Mittel, wenn wir sie hier verwenden. Die Geschichte hat es ja bewiesen. Napoleon hat eine, ich glaube, artilleristische Ingenieurschule geschaffen. Es muß nicht immer alles, was im militärischen Raum geschaffen wird, nur so nach der negativen Seite hin betrachtet werden. Es sind ja auch einige positive Ergebnisse der militärischen Forschung am Ende der Allgemeinheit zugute gekommen. Das geht bis zu den Sputniks und Erdsatelliten, die uns im Augenblick umkreisen. Sie sind ja auch primär vom Verteidigungsmäßigen her veranlaßt; aber es sind eben Dinge der Forschung, Dinge der Wissenschaft. Daher sage ich: wenn Sie die Zukunft durch eine vernünftige Verteidigungspolitik sichern wollen, können Sie nicht darauf verzichten, diese Verteidigungspolitik integral zu gestalten, d. h. sie auf eine entscheidende Förderung von Wissenschaft und Forschung auszudehnen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)