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ID0302301200

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    Deutscher Bundestag 23. Sitzung Bonn, 18. April 1958 Inhalt Nachruf auf den Abg. Wolfgang Klausner 1221 A Antrag der Fraktion der SPD, den Gesetzesantrag auf Befragung des deutschen Volkes (Drucksache 303) auf die Tagesordnung zu setzen Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 1221 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 1223 B Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen (Drucksache 154) Dr. Ratzel (SPD) 1224 C Dr. Schröder, Bundesminister 1231 A, 1268 B Dr. Heck (Rottweil) (CDU/CSU) . . 1240 C Lohmar (SPD) . . . . . . 1252 B, 1272 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1257 B Probst (Freiburg) (DP) . . . . . . 1260 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1262 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . . 1263 C Dr. Frede (SPD) . . . . . . . . 1265 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestags (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 327) — Erste Beratung — Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 1244 C Sammelübersicht 4 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 280) . . . 1273 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes (SPD) (Drucksache 272) — Erste Beratung — Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 1273 B Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1274 B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 29) 1275 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1275 C Anlagen 1277 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1221 23. Sitzung Bonn, den 18. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19. 4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19. 4. Dr. Baade 18. 4. Bauereisen 26. 4. Bauknecht 10. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) 18. 4. Blöcker 18. 4. Dr. Böhm 18. 4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Cillien 18. 4. Conrad 18. 4. Corterier 18. 4. Dr. Czaja 26. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diel (Horressen) 5. 5. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3. 5. Even (Köln) 19. 4. Felder 30. 4. Dr. Frey 26. 4. Dr. Friedensburg 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19. 4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Dr. Greve 21. 4. Günther 18. 4. Häussler 30. 4. Heinrich 15. 5. Frau Herklotz 25. 4. Hilbert 18, 4. Höcherl 10. 5. Frau Dr. Hubert 17. 5. Hufnagel 19. 4. Iven (Düren) 26. 4. Jacobi 18. 4. Jacobs 24. 4. Jahn (Frankfurt) 18. 4. Jaksch 18. 4. Dr. Jordan 18. 4. Kiesinger 18. 4. Frau Kipp-Kaule 19. 4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19. 4. Dr. Krone 18. 4. Kuntscher 18. 4. Kunze 15. 5. Dr. Leverkuehn 18. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Dr. Maier (Stuttgart) 26. 4. Mattick 18. 4. Frau Dr. Maxsein 18. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mellies 25. 4. Merten 19. 4. Meyer (Oppertshofen) 26. 4. Neuburger 18. 4. Frau Niggemeyer 30. 4. Paul 30. 4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18. 4. Riedel (Frankfurt) 18. 4. Ruland 18. 4. Scheppmann 2. 5. Schneider (Bremerhaven) 18. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 4. Schultz 18. 4. Schütz (Berlin) 18. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 19. 4. Simpfendörfer 19. 4. Sträter 31. 5. Struve 7. 5. Dr. Wahl 15. 5. Walpert 19. 4. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 4. Frau Welter (Aachen) 18. 4. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Umdruck 47 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik künftighin nur vom Bund, nur von den Ländern oder von Bund und Ländern gemeinsam gefördert werden sollen. Bonn, den 18. April 1958 Dr. Krone und Fraktion Anlage 3 Umdruck 48 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 154) betr. Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß als Sitz des Wissenschaftsrates Berlin bestimmt wird. Bonn, den 18. April 1958 Ollenhauer und Fraktion 1278 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 Anlage 4 Umdruck 29 Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Schmidt (Hamburg) und Genossen betr. Inanspruchnahme von Naturschutzgebieten für militärische Zwecke (Drucksache 191) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksache 196) 3. Antrag der Fraktion der FDP betr. Postgebühren (Drucksache 265) 4. Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Metzger, Dr. Kopf und Genossen betr. Interan den Ausschuß für Inneres an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen(f), Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen an den Rechtsausschuß nationale Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiete des Privatrechts (Drucksache 267) 5. Antrag der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Kopf, Metzger und Genossen betr. Schaffung eines europäischen Beamtenstatuts (Drucksache 268) 6. Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein, Altmaier und Genossen betr. Maßnahmen zur Befreiung der politischen Gefangenen in den Diktaturländern (Drucksache 269) 7. Antrag der Fraktion der SPD betr. Berliner Filmfestspiele (Drucksache 271) an den Rechtsausschuß(f), Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten(f), Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik Bonn, den 18. März 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich, daß Sie die Freundlichkeit gehabt haben, gegen die Gewohnheiten des Hauses diese Debatte zu unterbrechen. Ich wäre ohne diese Ihre Zustimmung in einer mißlichen Situation, weil ich mich für verpflichtet gehalten habe, diese Rede ausnahmsweise sorgfältig vorzubereiten und sie mit der Sperrfrist 12 Uhr der Presse zugänglich zu machen. Denn ich habe mich mit nicht weniger als etwa 100 Kommentaren zu dem Problem auseinanderzusetzen, von dem die interfraktionelle Vorlage, die ich heute hier zu vertreten die Ehre habe, handelt.
    In einer führenden deutschen Tageszeitung erschien vor einigen Wochen einer von diesen 100 Kommentaren, ein Leitartikel aus der Feder eines bedeutenden deutschen Publizisten. Dieser Leitartikel beginnt mit der Feststellung:
    Die Diäten der Abgeordneten sind seit eh und je ein beliebter Anlaß zum Nörgeln. Je undurchdachter und demagogischer die Kritik an der parlamentarischen Regierungsform daherkommt, um so hartnäckiger klammert sie sich an die Geldentschädigung, die der Volksvertreter sich selbst bewilligt, damit er seine gesetzgeberische Arbeit in voller materieller Unabhängigkeit leisten kann.
    Soweit das Zitat.
    Diese Stimme charakterisiert die öffentliche Seite des Problems, dem wir uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu stellen haben. Fin Parlament wird sich wohl damit abfinden müssen, daß die Fragen der Diäten und der Unkostenerstattung an seine Mitglieder vielleicht noch unpopulärer sind als seine Steuergesetze, aber, meine Damen und Herren, wir haben nichtsdestoweniger allen Anlaß, uns den damit zusammenhängenden Fragen in aller Öffentlich-



    D. Dr. Gerstenmaier
    keit zu stellen, auch wenn diese Fragen - was ich nachempfinden kann - nicht wenigen unangenehm, ja peinlich sind. So ehrenwert solche Empfindungen aber auch sein mögen, so fatal wäre es jedoch, ihnen nachzugeben. Die Neuordnung des Diätenwesens des Bundestags, die Ihnen in dieser Vorlage vorgeschlagen wird, hat das Licht der Öffentlichkeit jedenfalls in keiner Weise zu scheuen.

    (Beifall)

    In dieser Vorlage sind die Erfahrungen und Einsichten von acht Jahren Bundestag so weit verarbeitet, daß dieser Vorschlag aller Fraktionen zwar nicht beanspruchen kann, ideal zu sein, daß er aber wohl für sich in Anspruch nehmen darf, wesentlich besser und vertretbarer zu sein als die bisherige Diätenordnung.
    Ich halte es für ein erfreuliches Symptom für das kritische Urteilsvermögen in unserem Staat, daß von den, wie gesagt, rund. 100 Pressekommentaren, die ich in den letzten Monaten zu dieser Frage zu Gesicht bekommen habe, der überwiegende Teil so viel positive Einsicht in die Notwendigkeit dieser Vorlage und in ihre Problemzusammenhänge an den Tag gelegt hat, daß daneben die ablehnenden, zuweilen allerdings sehr hämischen Stimmen der Kritik, die ich natürlich auch gehört habe, nicht ins Gewicht fallen.
    Die öffentliche Kritik hat sich ganz sachlich vor allem auf einen Punkt gerichtet, der auch in den interfraktionellen Überlegungen, aus denen die Vorlage schließlich hervorgegangen ist, vom ersten bis zum letzten Augenblick besonders intensiv erörtert wurde. Dieser Punkt ist das Problem der Verbindung der vorgeschlagenen Diätenreform mit der Schaffung einer Altersversorgung für Abgeordnete. Es war eine von der Situation gestellte Aufgabe, meine Damen und Herren — das möchte ich Ihnen hier vortragen -, und keineswegs nur der Wunsch einer Reihe von Abgeordneten, daß diese Frage der Altersversorgung an Hand konkreter Vorschläge so weit geklärt wurde — mindestens so weit —, daß eine ausreichende Beurteilung des damit aufgeworfenen Problems im ganzen möglich geworden ist.
    Die gegenwärtige Vorlage, die sich auf die Diätenreform beschränkt und die Altersversorgung nicht einbezieht, hätte schon vor Monaten dem Hause vorgelegt werden können, wenn es nicht der übereinstimmende Wille aller an der Bearbeitung Beteiligten gewesen wäre, die Frage der Altersversorgung nach allen Seiten hin zu klären. Auf Grund dieser Klärung haben sich beträchtliche Teile des Hauses nicht dazu entschließen können, eine Vorlage zur Errichtung einer Altersversorgung mit zu unterstützen. Auf der anderen Seite haben auch diejenigen, die den Wunsch haben, an der Lösung dieses Problems weiterzuarbeiten, auf eine gemeinsame Vorlage von Diätenreform und Altersversorgung verzichtet — nicht zuletzt in der Erkenntnis, daß die Vorlage zur Diätenreform nicht nur die Bezüge der Mitglieder des Hauses auf eine neue Grundlage stellen will, sondern auch eine Verbesserung der Arbeitsorganisation des Parlaments bezweckt. Auf das unerledigte Problem der Altersversorgung — denn es ist unerledigt - werde ich noch einmal zurückkommen. Zu der Vorlage zur Diätenreform aber, so wie sie Ihnen heute vorliegt, möchte ich mir zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen erlauben. Und damit komme ich zu dein Thema, das der Herr Präsident, der die Sitzung leitet, dem Hause bereits angekündigt hat.
    Ich kann mich dabei in aller Kürze auf die Leitgedanken dessen beziehen, was ich dem Hause bei der Konstituierung des 3. Bundestags in Berlin vorzutragen die Ehre hatte. Ich habe mich damals bemüht, den Artikel 38 des Grundgesetzes in seiner fundamentalen Bedeutung für das Selbstverständnis des Parlaments wie für das Bewußtsein jedes einzelnen seiner Mitglieder in den Mittelpunkt meiner Darlegungen zu stellen. Ich bin auch heute der Meinung, daß dieser Artikel von entscheidender Bedeutung ist für die Beurteilung der Fragen die mit dieser Vorlage aufgeworfen sind und die allerdings in der öffentlichen und keineswegs nur in der parlamentarischen Diskussion eine beträchtliche Rolle spielen. Nach Artikel 38 sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestags Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
    Indem ich diesen Kernsatz unserer Verfassung immer wieder betone, will ich natürlich nicht die realen Zusammenhänge und Verbindungen ignorieren oder unterschätzen, in denen sich der einzelne, auch der einzelne Parlamentarier, im politischen Leben tatsächlich bewegt und verhält. Diese Zusammenhänge hat auch das Grundgesetz gewürdigt. Artikel 21 anerkennt ausdrücklich die Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes. Es wäre sinnlos, zu verkennen, welche entscheidende Bedeutung ihnen weit über diese vorsichtige Formulierung des Grundgesetzes hinaus zukommt, zukommt jedenfalls auch für die Zusammensetzung, ja gerade für die Zusammensetzung des Parlaments. Die Parteien stellen die Kandidaten auf, und unter der Parteifahne — meine Damen und Herren, haben wir doch den Mut, das zu sagen! —, d. h. mit der politischen Programmatik ihrer Partei und keineswegs nur mit dem Charme ihrer eigenen Person präsentieren sie sich dem Wähler.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Ich weiß, daß gerade diese Situation manchem sensiblen Gemüt in unserem Volke lästig ist, daß sie ihm gar nicht gefallen will. Aber ich glaube nicht, daß es ein Fortschritt wäre, wenn im Wahlkampf die Entscheidung zur Sache, d. h. zum politischen Programm, grundsätzlich und allgemein zurücktreten müßte hinter die Entscheidung zur Person. Häufig — das haben wir erlebt; und es ist eine Realität —, vor allem an der Spitze der Parteien, mag beides eng zusammenkommen. Aber sicher ist, daß hier in diesem Hause keiner sitzt, der nicht hier wäre durch das Vertrauen seiner Partei und das Vertrauen der Wähler, die mindestens zum Schwerpunkt der von ihm vertretenen Parteiprogrammatik ja gesagt haben. Ich nehme mit dieser Formulierung ein Wort unseres Kollegen Carlo Schmid auf, das er neulich in Düsseldorf gesprochen hat. In der Tat entscheidet sich der



    D. Dr. Gerstenmaier
    Wähler natürlich nicht nur für die bedeutende Persönlichkeit, die präsentiert wird, sondern er entscheidet sich und soll sich entscheiden in allererster Linie für den sachlichen Gehalt dessen, was dieser Mann mit Charme und Geist zu vertreten hat. Ich halte das nicht für einen Nachteil in unserm Staat, sondern ich glaube, daß das Rechtens ist.
    Das verpflichtet aber auch unweigerlich. Es verpflichtet den Abgeordneten zur Loyalität gegenüber seiner Partei und seiner Fraktion,

    (Zustimmung rechts)

    und es verpflichtet zur sachlichen Treue gegenüber dem politischen Programm, unter dem er angetreten ist. Ich rede davon, weil mir das allzu billige und gelegentlich recht larmoyante Gerede von den Parteisoldaten und den Parteifunktionären, aus denen dieses Haus angeblich zusammengesetzt sei, allmählich zuviel wird.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Und ich rede davon, um die innere Situation, das besondere moralische Engagement in Sicht zu bringen, in dem sich ein Abgeordneter dieses Hauses de facto und de jure — d. h. jedenfalls nach dem Willen des Grundgesetzes — heute befindet.
    Weit mehr als das Grundgesetz bindet allerdings das Wahlgesetz den Abgeordneten politisch und moralisch an seine Partei und Fraktion. Das Grundgesetz freilich fragt nicht weiter nach dieser Loyalität, die sich von selbst versteht, sondern es verlangt mit seinem Artikel 38 das individuelle moralische Engagement des Abgeordneten, es verlangt dieses persönliche moralische Engagement des Abgeordneten in letzter Instanz bei allen diesem Hause abverlangten Entscheidungen. Die Verfassung bringt damit zum Ausdruck, daß sie die Verantwortung für unseren freiheitlichen Rechtsstaat in die Hand gewissenhafter, d. h. ihrem Gewissen unterworfener, freiheitlich und rechtlich gesonnener Männer und Frauen gelegt sehen will.
    Daraus folgt allerdings noch lange nicht, daß ein Abgeordneter sich beliebig von dem Gedankengut und dem politischen Programm trennen kann, mit dem er sich um einen Parlamentssitz beworben hat. Gewiß, er kann das tun und er muß das sogar tun, wenn bessere Einsicht und reifere Erkenntnis ihm das gebieten. Aber tut er es, dann wird die Frage der Niederlegung seines Mandats zwar nicht de jure, aber moralisch aktuell.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Mit anderen Worten: so einfach kann man auch nicht unter Berufung auf Artikel 38 des Grundgesetzes zwischen den Fraktionen hin und her wechseln, jedenfalls soweit diese Fraktionen sich nicht nur durch den mehr oder weniger großen Charme ihrer Persönlichkeiten voneinander unterscheiden, sondern durch den höchst aktuellen politischen Gehalt ihres Programms.
    Aus Artikel 38 des Grundgesetzes ergibt sich jedoch auch zwingend, daß der Abgeordnete des Deutschen Bundestags in seiner Urteilsbildung im Parlament unter allen Umständen frei sein muß, und das auch dann, wenn er sich als Träger des
    Vertrauens einer politischen oder wirtschaftlichen Gruppe im Volke fühlen kann. Auch dann muß er seine Entscheidungen im Parlament unter allen Umständen so treffen, daß sie zu Nutz und Frommen des ganzen Volkes sind. Das ist nicht bloß ein schönes Wort, sondern das ist ein moralisches Erfordernis für die Ausübung eines parlamentarischen Mandats, eine Realität, die nicht nur in diesem Hause, sondern weit darüber hinaus vielen bewußt ist.
    Ein manchem peinliches Beispiel dafür ist folgende Überlegung. Solange dem Wort vom „Interessenvertreter" im Zusammenhang mit dem Parlament der Makel anhaftet, der ihm unzweifelhaft heute anhängt, so lange ist dieses Bewußtsein lebendig. Es ist damit noch gar nicht gesagt, daß nicht auch die Vertretung von Interessen einzelner Gruppen und einzelner Schichten hier erlaubt sein dürfte. Selbstverständlich ist sie es; aber jeder Abgeordnete muß wissen, daß er die Interessen einzelner Gruppen legitim jedenfalls nur dann verfechten kann, wenn er sie bei gewissenhafter Prüfung vor dem ganzen Volk für gerecht und ihre Vertretung für angemessen hält. Denn in diesem Hause steht das Wohl und Wehe des ganzen Volkes zur Debatte, und daraufhin muß entschieden werden. Nun, damit ist nichts anderes gesagt, als daß dieses Haus auf die ganze Polis — daher „politisch" — und ihre Existenznotwendigkeiten ausgerichtet ist und sein muß. Daraus folgt auch, daß wir selbstverständlich kein Ständehaus sind, sondern die oberste politische Vertretung des Volkes in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Darum kann und darf in diesem Hause auch gar nicht der Gedanke aufkommen, daß hier jemand nur dann Sitz und Stimme gewinnen könnte, wenn er von irgendeiner Interessengruppe gehalten und bezahlt wird. Wir fragen nicht danach, wer in diesem Hause was verdient. Wir haben hier Beamte, die sich im zeitweiligen Ruhestand befinden. Wir haben Professoren, die ihr akademisches Lehramt noch wahrzunehmen versuchen. Wir haben hier die Angehörigen freier Berufe, die recht und schlecht ihre ärztliche Praxis oder ihre Anwaltstätigkeit aufrechtzuerhalten sich bemühen und dafür nicht selten mehr zuschießen als das, was sie hier an Diäten und Unkostenersatz bekommen.

    (Beifall.)

    Und wir haben andere, die auf Diäten verzichten könnten. Aber wir haben eine weit, weit größere Anzahl von solchen, die über keinerlei andere Bezüge und Existenzmittel verfügen als über das, was ihnen auf Grund des Diätengesetzes von diesem Hause Rechtens gegeben wird.
    Daraus ergibt sich zweierlei. Erstens. Der Bundestag kann und darf bei der Beurteilung der Frage, welche Entschädigung er seinen Mitgliedern schuldig ist, nicht von der Tatsache ausgehen, daß vielleicht nicht wenige auch noch andere Einkommensquellen haben und über andere Einkommen verfügen. Der Bundestag muß vielmehr bei der Beurteilung des Diätenproblems davon ausgehen, daß die Mitglieder des Hauses im Zweifelsfall — ich sage: im Zweifelsfall — nichts, aber auch gar nichts weiter haben als ihre Diäten. Das allein kann und



    D. Dr. Gerstenmaier
    darf der kritische Maßstab für die Überlegungen sein, die bei der Frage, was denn der Bundestag als angemessene Entschädigung seinen Mitgliedern schuldig ist, angestellt werden müssen. Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß Sie empfinden, von welcher Bedeutung das Argument und von welcher Bedeutung dieser Maßstab ist.
    Ich stelle gar nicht in Abrede, daß es unter den Mitgliedern des Hauses auch solche gibt, deren politische parlamentarische Tätigkeit in einer engen, auch materiellen Verbindung zu ihrer beruflichen Tätigkeit steht. Im sehe einmal von den Journalisten ab, sie sind eine Gruppe für sich. Sicher gilt das, was ich hier gesagt habe, z. B. auch für die Angestellten von Parteien und Organisationen politischer und politisch-wirtschaftlicher Art. Es macht mir jedoch nicht den mindesten Eindruck, wenn diese Feststellung, wie ich es gelegentlich in Kritiken gelesen habe, als ein Beispiel dafür angeführt wird, daß soundso viele Berufspolitiker eben keineswegs nur von ihren Diäten leben müßten.
    Wer den Artikel 38 des Grundgesetzes ernst nimmt — und ich empfehle dem ganzen Hause, diese Lichtquelle unseres Rechtsstaates denkbar hoch zu respektieren —, der darf sich der Konsequenz nicht entziehen, daß es das Diätengesetz jedem Mann und jeder Frau in diesem Hause ermöglichen muß, auch im Konfliktsfall seinem eigenen Gewissen und seiner eigenen politischen Überzeugung mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen treu zu bleiben.

    (Beifall.)

    Das heißt: Leute, die in diesem Hause über das Wohl und Wehe des deutschen Volkes entscheiden sollen, müssen die Gewähr haben, daß sie auch dann, wenn ihnen alle anderen Hilfsmittel entschwinden, noch eine hinreichende Existenzmöglichkeit haben. Wenn für das deutsche Volk eines vor allem notwendig ist, so ist es doch gerade ein Parlament mit urteilsfähigen und gewissenhaften Leuten, die sich, ich sage es wieder, auch im Konfliktsfall — denn der Konfliktsfall zeigt den ganzen Ernst — weder der politischen Opportunität noch der Verführung der Macht, noch ihrer menschlich begreiflichen Existenzangst unterwerfen müssen.

    (Beifall.)

    Der Artikel 38 verlangt von jedem von uns, daß wir notfalls unsere politische Karriere riskieren, daß wir in Kauf nehmen, nicht mehr präsentiert und nicht mehr gewählt zu werden.
    Aber der Artikel 38 verlangt von diesem Haus als solchem ganz unabweisbar auch dies: daß es das Notwendige tut, um die materielle Unabhängigkeit seiner Mitglieder angemessen zu sichern.
    Es ist gar kein Argument, sondern ein rigoroser Kurzschluß, wenn dazu gesagt wird, daß die vorgeschlagene Diätenerhöhung die Unbestechlichkeit keineswegs zu gewährleisten vermöge, weil diese nicht von der Höhe der Bezüge, sondern von der Qualität des Charakters abhänge. Nun, das ist ein Kurzschluß. Aber genau besehen ist dieser Einwand auch demagogisch, denn er verfälscht die
    Problemstellung. Der Gesetzgeber hat nicht Charaktertests zu machen, sondern er hat die Verfassung zu respektieren.
    Und damit bin ich beim Zweiten. Der Artikel 38 steht nämlich gar nicht für sich allein, sondern ihm entspricht der Artikel 48 Abs. 3 des Grundgesetzes, der bündig vorschreibt:
    Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.
    Das steht in der Verfassung, und dieses Haus wird es sich gar nicht einfallen lassen dürfen, diese Verfassungsbestimmung zu ignorieren oder zu bagatellisieren, selbst dann nicht, wenn es aus dem edlen Motiv erfolgte: Weil wir ganz bescheiden sein möchten, wollen wir unseren Mitgliedern nicht das geben, was heute notwendig ist, um Unabhängigkeit und Existenz materiell zu sichern.
    Damit aber sind wir bei der praktischen Hauptfrage dieser Vorlage: Was ist angemessen? Die Antwort ist in das Ermessen des Hauses gestellt. Das Haus und nicht ein Sachverständigengremium außerhalb des Hauses muß darüber entscheiden. Dem Haus ist die Entscheidung abverlangt. Es kann sich beraten lassen, — nun gut, das ist wahr. Ich habe mich bei der Vorbereitung dieser Vorlage immer wieder fragen lassen müssen: Warum befassen Sie denn damit nicht eine völlig unabhängige Kommission von Leuten, die dem Hause gar nicht angehören? Meine Damen und Herren, das hätte alle möglichen Vorzüge gehabt. Ich hätte mich aber dann über Wochen hin der Situation ausgesetzt gesehen, unendlich viele Aufschlüsse darüber geben zu müssen, was und wieviel heute dem Abgeordneten des Bundestags abverlangt wird. Und schließlich und endlich wäre dabei auch nur ein Vorschlag herausgekommen. Die Entscheidung und die Verantwortung dafür im Fall seiner Annahme hätte unweigerlich das Haus übernehmen müssen. Infolgedessen können wir uns auch gleich zu dem sonst üblichen Weg entschließen und uns selbst den Kopf zerbrechen. Entscheiden und die Verantwortung übernehmen müssen wir auf jeden Fall selber. Das ist von uns verlangt, das gehört zu unseren Pflichten.
    Nun, meine Damen und Herren, was ist angemessen? Die Antwort ist in das Ermessen des Hauses gestellt. Aber das Haus kann dabei keineswegs nach Willkür verfahren. Denn der Artikel 48 des Grundgesetzes verlangt: Sicherung, materielle Sicherung der Unabhängigkeit des Bundestagsabgeordneten. Glauben Sie, daß bei 250 DM oder bei 700 DM davon die Rede sein könnte, daß das eine materielle Sicherung des Abgeordneten sei? Wer das meint, kommt nach meiner Überzeugung in Konflikt nicht nur mit dem Sinn, sondern auch mit dem Wortlaut der Verfassung.
    Für diejenigen, die es vergessen haben sollten, füge ich hinzu, daß dieser Artikel des Grundgesetzes niemals und zu keiner Zeit vom Bundestag selbst beschlossen worden ist und auch keineswegs von einem seiner Organe entworfen wurde. Dieser Artikel gehört zum Urbestand des Grundgesetzes,



    D. Dr. Gerstenmaier
    so wie es dessen Väter, die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, geraume Zeit vor der Wahl zum 1. Deutschen Bundestag beschlossen haben. Gegen jede hämische Kritik will ich damit feststellen, daß mit diesem Artikel keineswegs der Bundestag für sich selber gesorgt hat. Aber ich möchte auch ausdrücklich hinzufügen, daß der Parlamentarische Rat damit etwas festgelegt hat, was er dem freiheitlichen Rechtsstaat von heute allerdings schuldig war. Ich würde es deshalb auch in keiner Weise für rühmenswert, sondern ich würde es für bedenklich halten, wenn der Bundestag diese Verfassungsbestimmung nur deshalb ignorierte oder bagatellisierte, weil er sich vor einer zuweilen verständnislosen Kritik fürchtet.
    In dieser Bestimmung des Artikels 48, sagen wir es kurz und gut, steckt eine ganz nüchterne, notwendige und konsequente Absage an die Idee des Honoratiorenparlaments.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wenn ich das sage, möchte ich damit kein unehrerbietiges Wort gegenüber früheren deutschen Parlamenten gesagt haben; das fällt mir gar nicht ein. Ich will damit lediglich zum Ausdruck bringen, daß es heute unmöglich ist, ein Parlament wie den Bundestag, eine politische Vertretung des ganzen Volkes unter den Gesichtspunkten des Honoratiorenparlaments konstruieren oder verstehen zu wollen. Selbst diejenigen, die darin ein Ideal sehen, sollten einräumen, daß das in unserer Zeit und von der Grundlage unserer Verfassung aus gar nicht mehr gewollt oder angestrebt werden darf. In diesem Hause sollen nämlich alle Schichten, alle Gruppen, alle Kreise und Landschaften des freien Teiles Deutschlands vertreten sein, und jeder wählbare Bürger unseres Landes soll die Chance haben, ohne Rücksicht auf seine eigene materielle Existenz ein parlamentarisches Mandat zu übernehmen.
    Ich weiß, daß dieser Bestimmung des Grundgesetzes auch mit der gegenwärtigen Vorlage nicht ganz, jedenfalls bei weitem nicht in allen Fällen, entsprochen wird. Das ist ein Mangel der Vorlage. Ich will und kann diesen Mangel dem Hause und auch der Öffentlichkeit gegenüber nicht verschweigen. Auch diese Vorlage wird nämlich, wenn sie Gesetz wird, viele nicht von dem beruflichen und finanziellen Risiko befreien, das sie eingehen, wenn sie sich zur Annahme eines Mandats entschließen. Ich habe in dieser Hinsicht in den dreieinhalb Jahren, in denen ich die Ehre habe, der Sprecher des Hauses zu sein, beklagenswerte Eindrücke gewonnen. Ich habe gesehen, wie sich mancher Abgeordnete abgerackert und abgemüht hat, ein verläßlicher Kollege in diesem Hause und ein redlicher Partner oder Verwalter seiner Praxis zu sein. Die ärztliche Praxis ist gewöhnlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Anwaltspraxis ist nicht selten gefährdet. Auch der Architekt, der auf sein, sagen wir einmal, Ingenium angewiesen ist — verzeihen Sie das Wort, aber bei den Architekten darf man nicht von Einfällen sprechen —,

    (Heiterkeit)

    zieht dabei binnen weniger Jahre gewöhnlich entschieden den kürzeren. Aber wie ist es denn mit
    dem Handwerksmeister, mit dem kleineren und mittleren Unternehmer, jedenfalls soweit sein Betrieb von der Tatkraft und der persönlichen Leistung des Eigentümers lebt? Sie kommen im allgemeinen, machen wir uns nichts vor, über kurz oder lang in eine mißliche Situation. Und wie ist es mit dem qualifizierten Arbeiter, dem Facharbeiter, dem Akademiker? Verbessern sie mit der Übernahme eines parlamentarischen Mandats die Chancen ihres beruflichen Fortkommens? Das tun sie gar nicht, meine Damen und Herren; das ist eine Illusion, jedenfalls im Blick auf ihre berufliche Laufbahn.
    Hier — gerade hier — erhebt sich das Problem der Altersversorgung der Abgeordneten. Man kann es, solange das Problem so aussieht, deshalb einfach nicht mit einer Handbewegung vom Tisch wischen. Sie bleibt bis auf weiteres im Hause nach wie vor kontrovers.
    Mit diesen Hinweisen möchte ich nur zwei allgemeine Tatbestände vergegenwärtigen, die nicht nur den Gedanken an das Honoratiorenparlament, sondern auch die Vorstellung vom nebenamtlich wahrzunehmenden parlamentarischen Mandat zur Fiktion machen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Im Jahre 1906 hat der Deutsche Reichstag zum erstenmal die Einführung von Diäten beschlossen. In diesen Beschluß meldete sich — und das ist interessant beim historischen Rückblick — schon v o r der allgemeinen Verarmung der Nation, die im Gefolge des ersten Weltkrieges einsetzte, die Tatsache zum Wort, daß im 20. Jahrhundert das Honoratiorenparlament des 19. Jahrhunderts ein Ende haben und der Reichstag die Zeit seiner Mitglieder immer mehr in Anspruch nehmen würde. Im Jahre 1910 hielt der Reichstag 89 Plenarsitzungen ab, im Jahre 1911 waren es 116, 1912 83, im Jahre 1925 waren es sogar 139, 1926 114 und 1927 108 Plenarsitzungen. Die wenigen Kollegen, die in jenen Reichstagen saßen und als Veteranen des deutschen Parlamentarismus auch den 3. Deutschen Bundestag zieren, können besser als ich beurteilen, wie stark die übrige politische Inanspruchnahme des Abgeordneten in jener Zeit war, z. B. — Herr Kollege Ritzel - durch Ausschußsitzungen und dergleichen; Sie wissen das besser als ich. Aber wie auch immer: die Tendenz der modernen Parlamente geht unverkennbar auf die vollständige oder nahezu vollständige Inanspruchnahme des Mitglieds eines großen Parlaments hin.
    Ich berühre damit einen schwierigen und kitzligen Punkt, der mir wahrscheinlich nicht das Lob aller anderen parlamentarischen Vertretungen, die es in Deutschland und sonstwo gibt, eintragen wird: Ich mache nämlich einen ausdrücklichen Unterschied zwischen den großen, d. h. den nationalen Parlamenten und den Landes-, Kreis- und Kommunalparlamenten, von denen ich nur hoffen kann, daß sie sich dieses Sogs kräftig zu erwehren vermögen. Die großen Parlamente aber sind einfach durch die wachsende Vielgestaltigkeit ihrer Aufgaben infolge der immer komplizierter werdenden und weiter
    Deutscher Bundestag — 3, Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1958 1249
    D. Dr. Gerstenmaier
    wachsenden Staatszuständigkeit für die verschiedensten Gebiete — man sage nur „Atom" oder denke an das Problem, das wir heute erörtern — so in Anspruch genommen, daß von nebenamtlicher Tätigkeit ehrlicherweise nicht mehr gesprochen werden kann.
    Das ist ein höchst bedauerlicher und beklagenswerter Zustand; das möchte ich hier frei ausgesprochen haben. Aber hier handelt es sich nicht darum, zu klagen und zu kritisieren, sondern festzustellen, was ist, und daraus einige Konsequenzen zu ziehen.
    Gewiß muß man immer wieder sagen: Das Parlament kann nicht ernst und eindringlich genug prüfen — es muß dies tun —, bevor es sich in weitere komplizierte Arbeits- und Problemgebiete einläßt. Aber es ist nicht wahr, wenn man sagt, daß es einfach in der Hand des Parlaments wäre, hier die Grenze zu ziehen. Die Grenzen weiten sich aus und ändern sich auch dann, wenn das Parlament mit einem vernünftigen Ältestenrat — der ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig — und einem energischen Präsidium den Kampf um Rationalisierung und gegen die Überbürdung mit nicht unbedingt Notwendigem führt. Der moderne Massenstaat und die Ansprüche seiner Bürger wachsen mit der fortschreitenden Zivilisation, so daß auch ein durchaus modern und arbeitsteilig organisiertes Parlament alle Mühe hat, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Dazu kommt natürlich noch die ungewöhnliche Belastung des Parlaments, das für ganz Deutschland die Stimme führt und sich bei Tag und Nacht mit dem Schicksal eines Volkes auseinandersetzen muß, das geteilt im Brennpunkt der weltpolitischen Auseinandersetzung liegt.
    Ich widerstehe der Versuchung, Ihre Aufmerksamkeit noch länger in Anspruch zu nehmen, und ich widerstehe vor allen Dingen der Versuchung, in diesem Zusammenhang auch nur die Grundzüge einer Parlamentsreform anzusprechen. Wir kämen damit sogleich zu den erregenden Themen: etwa von der zweckmäßigeren Gestaltung dieses Saales über die bessere Zeitgestaltung unseres Arbeitsplans bis zur Verringerung der Mitgliederzahl des Hauses im ganzen. Ich möchte lediglich hinzufügen, daß die Vorlage natürlich auch darauf abzielt, daß aus dieser Situation wenigstens einige unumgängliche organisatorische Konsequenzen gezogen werden.
    Bei der Diätenregelung im Jahre 1949/50 — und damit komme ich zur praktischen Kernfrage zurück — ging der Bundestag davon aus, daß er sich mit der nebenamtlichen Inanspruchnahme seiner Mitglieder begnügen könne. Ich weiß nicht, worauf er damals diese Zuversicht gegründet hat. Wir standen doch damals vor der Situation, erst einmal den großen Schuttberg, die Hinterlassenschaft einer gigantischen nationalen Katastrophe abzutragen. Andere haben sie angerührt, wir durften sie auslöffeln. Worauf wir die Zuversicht gegründet haben, das so nebenhin und ehrenamtlich tun zu können, ist mir heute noch schleierhaft. Jedenfalls haben wir es getan, und auch ich habe als Abgeordneter dabei mitgewirkt. Jetzt handelt es sich darum, diese Fiktion zu beseitigen.
    Der Vorlage kann man nach meiner Überzeugung — ich weiß, daß ich damit bei einigen Leuten auf heftigen Widerspruch stoße — nicht vorhalten, daß sie mit der Gewährung von 1100 DM steuerfreier Diäten in einer übertriebenen Weise den Bundestagsabgeordneten für den Kraft- und Zeitaufwand entschädige. Ein gerecht abwägender Kritiker könnte weit eher fragen, ob denn finanziell die Unabhängigkeit eines Abgeordneten dadurch gewährleistet sei, daß er — ich gebe einige Beispiele — monatlich 55 DM weniger erhält, als heute das Grundgehalt eines ledigen Regierungsrats in der Endstufe beträgt.

    (Hört! Hört!)

    55 DM weniger als das Grundgehalt eines ledigen Regierungsrats in der Endstufe! Das steht in der heutigen Vorlage. Oder man könnte fragen, ob es berechtigt ist, die Diäten eines Bundestagsabgeordneten heute um 167 DM — ich hoffe, daß es hier nicht noch besonderer persönlicher Zureden bedarf, sondern daß schon die Argumente, die ich mir hier zusammengesucht habe, an sich ausreichend und einleuchtend sind —

    (Beifall)

    monatlich geringer anzusetzen als die monatlichen Bezüge eines Angestellten der TOA III

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    oder um 219 DM niedriger als die Einkünfte eines ledigen Angestellten der TOA II. Meine Damen und Herren, es wäre berechtigt, diese Fragen aufzuwerfen. Man könnte dieser Vorlage eher vorhalten, ob sie denn mit diesem Betrag dem Erfordernis des Grundgesetzes gerecht werde. Oder ist es gerecht und billig, daß die Leute, die hier — und im Volke — Entscheidung treffen und Verantwortung tragen sollen, die Tag und Nacht in Anspruch genommen sind, etwas weniger bekommen als ein lediger Regierungsrat, der im übrigen seine Pension hat, und sehr viel weniger, als ein Angestellter der TOA III und II?
    Ich habe nicht die Absicht, des langen und breiten diese Festsetzung auch noch zu rechtfertigen. Ich habe auch nicht die Absicht, die Festsetzung der Diäten in der Relation von 22,5 %o des Gehalts eines Bundesministers zu rechtfertigen. Ich möchte nur ein Wort zu dem Einwand sagen, den ich so oft gehört habe, daß diese Relation, dieses Inbeziehungsetzen zum Bundesministergehalt dazu verführe, daß die Beamtengehälter von diesem Hause beliebig erhöht werden könnten und daß wir auf diese Weise ganz bequem in unsere eigene Tasche arbeiten könnten. Auf diesen plumpen Einwand will ich aus einer, wie ich glaube, intimen Kenntnis des Hauses in all seinen Parteien und Fraktionen nur erwidern, daß diese Relation nach meiner Überzeugung eher dazu angetan ist, das Gegenteil zu bewirken, daß sie sich jedenfalls eher hemmend als fördernd auf die Erhöhung der Beamtengehälter auswirken wird.
    Ich fasse zusammen und sage, daß jeder gerecht Denkende, wenn er sich auch nur 10 Minuten lang die Mühe macht, über den Zusammenhang nachzudenken, zu dem Ergebnis kommen muß, daß Diäten im Betrag von monatlich 1100 DM auch dann, wenn



    D. Dr. Gerstenmaier
    sie nicht versteuert zu werden brauchen — und die I Vorlage hält bewußt an der Steuerfreiheit fest —, eine die volle Kraft eines Mannes in Anspruch nehmende, höchst verantwortliche Arbeit nicht zu hoch entschädigen. Ich weiß jedenfalls, daß es nicht wenige gibt, auf deren Mitarbeit das Parlament aus vielen Gründen großen Wert legen müßte, die sich dazu aber auch deshalb nicht entscheiden können, weil sie selbst in einer solchen, im Vergleich zu der seitherigen Diätenordnung verbesserten Entschädigung keinen ausreichenden Ersatz und keine angemessene materielle Sicherung ihrer Unabhängigkeit zu erblicken vermögen. Dieser Tatbestand zeigt sich oft genug — das wissen doch alle Parteien —, wenn es sich darum handelt, attraktive Kandidaten aufzustellen. Sprechen wir es hier doch einmal aus! Wenn das deutsche Volk Wert darauf legt — und es muß Wert darauf legen —, daß fähige Leute mit dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit sich auch in seinem parlamentarischen Dienst verzehren, dann muß es ohne Nörgelei auch bereit und willens sein, den Bestimmungen seiner Verfassung zu willfahren, und es muß dem Abgeordneten das geben, was er braucht.
    In diesem Zusammenhang noch etwas, und hier appelliere ich an jede einzelne Kollegin und jeden einzelnen Kollegen in diesem Hause: Sie können nicht ernst und nachdrücklich genug, meine Damen und Herren, der Verzeichnung des Bildes widersprechen, die oft und weit verbreitet dadurch zustande kommt, daß man den Diäten völlig kritiklos den Unkostenersatz, auf den der Abgeordnete selbstverständlich ebenso wie jeder andere einen Anspruch hat, kurzerhand hinzurechnet.

    (Beifall.)

    Ich frage: Was würden eigentlich die Unternehmer, was würden die Kaufleute und die Handwerker sagen, wenn das Finanzamt ihre Betriebs- und Personalunkosten einfach ihrem Gewinn oder Einkommen zuschlagen würde?

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Oder was würde der Monteur, der Anwalt, der Arzt, der Handelsvertreter sagen, wenn seinem Einkommen ohne Federlesen seine Betriebsausgaben und betriebliche Aufwendungen hinzuaddiert würden?

    (Erneute Zustimmung.)

    Ich komme damit zu den Punkten der Vorlage, die vor allem auf Grund von Verwaltungserfahrungen, die wir in den vergangenen Legislaturperioden gesammelt haben, geändert und neugefaßt worden sind. An Stelle der seither üblichen Tagegelder soll ein Tagegeldpauschale treten, das für jeden Monat gezahlt wird. Bei der Bemessung dieser Pauschalsumme ist von einem Durchschnitt von Tagegeldern ausgegangen worden.
    Sicher — das ist unbedingt wahr —: Spitzenleistungen der parlamentarischen Arbeit — jedenfalls in der zeitlichen Inanspruchnahme — bleiben dabei ebenso unberücksichtigt wie die größeren, bedeutenderen oder weniger bedeutenden parlamentarischen Leistungen, die der einzelne vollbringt. Das kann man in diesem Hause nicht machen. Das Parlament kennt kein Oben und Unten; es kennt nur
    Gleichberechtigte. Deshalb darf eine Diätenordnung oder der Unkostenersatz auch nicht davon ausgehen, die besondere parlamentarische Leistung zu honorieren. Das geht nicht. Hier wird der Status des Abgeordneten als solcher in Blick genommen, und daraufhin wird entschieden.
    Die Pauschalierung soll, diesem Gedanken entsprechend, aber auch vor allem im Blick auf zwingende organisatorische und administrative Bedürfnisse der Parlamentsarbeit erfolgen. Sie soll in besonderer Weise dazu beitragen, die Voraussetzungen für einige fällige Maßnahmen der Parlamentsreform zu schaffen.
    Selbstverständlich kann dabei auch in Zukunft nicht darauf verzichtet werden, daß denjenigen Mitgliedern des Hauses, die Sitzungen versäumen, Tagegelder nicht gewährt, d. h. also von dem Pauschale in Abzug gebracht werden. Meine Damen und Herren, bemühen Sie, wenn diese Vorlage Wirklichkeit wird, bitte nicht den Präsidenten oder das Präsidium mit der Klage, daß Ihnen soundso viel abgezogen worden ist! Das ist sehr gut möglich. Bedenken Sie, daß Sie auch bisher nur Tagegelder bekommen haben, wenn Sie tatsächlich hier gewesen sind. Das wird auch in Zukunft so bleiben; daran ändert sich gar nichts.
    Die Vorlage führt aber praktisch, anders als seither, zu der Präsenzpflicht des Abgeordneten während der Sitzungswochen. Praktisch wird mit dieser Entscheidung die Präsenzpflicht des Abgeordneten während der Sitzungswochen in diesem Hause eingeführt. Bei den Abzügen soll in Zukunft unterschieden werden zwischen solchen Mitgliedern, die beurlaubt, und solchen, die nicht beurlaubt fehlen. Die Abzüge für das nicht beurlaubte Versäumen von Sitzungen sollen in Zukunft 50 DM betragen, also empfindlich härter sein als bisher. Im Falle der Beurlaubung soll es wie seither bei einem Abzug von 30 DM pro Tag bleiben. Die Tagegelder waren bis jetzt nicht und werden auch in Zukunft also nicht sein ein Bestandteil der Diäten, sondern — ich sage es noch einmal — ein Unkostenersatz. Sie gehören in die Gruppe des Unkostenersatzes, und sie sind vor allem dadurch gerechtfertigt, daß die Mitglieder dieses Hauses im allgemeinen ihren Wohnsitz in ihrem Wahlkreis oder an anderen Orten des Bundesgebietes nicht nur tatsächlich haben, sondern auch im Interesse des Hauses und ihres Mandates haben sollen. Das aber wiederum zwingt sie gewöhnlich, einen doppelten Wohnsitz, nämlich einen zweiten am Ort des Parlaments, zu begründen. Die Konsequenz ist unausweichlich. Wenn man die Voraussetzung akzeptiert, daß der moderne Parlamentarismus in den großen Parlamenten eben nicht mehr von der Fiktion der Nebenamtlichkeit ausgehen kann, ergibt sich daraus selbstverständlich der doppelte Wohnsitz auch mit finanziellen Konsequenzen. Dem soll Rechnung getragen werden mit dem Gedanken des Tagegeldpauschales.
    Die Vorlage macht weiter dadurch von dem Gedanken der Pauschalierung Gebrauch, daß sie ihn wie seither auf die Abgeltung der Verwaltungs- und Bürounkosten der Abgeordneten anwendet. Der dafür ausgeworfene Betrag soll in Zukunft um 100 DM gesenkt werden. Diese Kürzung vorzuschlagen
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 23. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April :1958 1251
    D. Dr. Gerstenmaier
    ist mir nicht leicht gefallen, weil ich weiß, daß die meisten Mitglieder des Hauses gezwungen sind, ihre eigenen Büros, sei es hier, sei es an ihrem Wohnort oder in ihrem Wahlkreis, zu unterhalten oder mindestens mit zu finanzieren. Um aber zu einem möglichst gerechten Ausgleich bei der Reisekostenentschädigung zu kommen, habe ich in den interfraktionellen Besprechungen den Vorschlag gemacht, diesen Betrag von seither 700 DM auf 600 DM zu senken. Warum, werde ich gleich zu erklären mich bemühen, wenn wir nämlich zu dem Problem der Reisekosten kommen. Dort steckt nämlich die Frage des Autos. In diesem Zusammenhang muß man die Senkung von 700 auf 600 DM begreifen.
    Der Vorstand bzw. der Altestenrat des Bundestages wird sich auch nach der Verabschiedung des Entwurfs, nach der Neufassung des Diätengesetzes noch mit einigen Einzelfragen befassen müssen, die sich im Zusammenhang mit der Unkosten- und Reisekostenerstattung ergeben und die auf die Dauer einer Neuregelung bedürfen, ohne daß hier darauf eingegangen zu werden braucht. Ich kann mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß die Zahlung von Kilometergeld in jeder Form in Zukunft entfallen bzw. ebenfalls pauschaliert werden soll.
    Damit komme ich zu der besonderen Frage, mit der wir uns in diesem Zusammenhang lange und nach allen Seiten hin beschäftigt haben. Das ist die Frage, ob es gerechtfertigt ist, jedem Mitglied des Hauses grundsätzlich einen Unkostenbeitrag zu gewähren, der es ihm erleichtern bzw. ermöglichen soll, einen eigenen Wagen zu halten. Ich weiß, daß hier immer wieder die Einrede kommt: Was denn, was denn? Sie bekommen doch ohnehin eine Freifahrkarte für die Bundesbahn. Wozu brauchen Sie noch einen Unkostenzuschuß für das Auto? Nun, ich muß sagen: il a raison; da ist ein gewisser Sinn drin. Trotzdem hatten wir uns in der interfraktionellen Besprechung mit der Situation auseinanderzusetzen, daß der Bundestag seit seinem Bestehen in gewissen Grenzen die Benutzung von Kraftfahrzeugen in unserer Zeit als im Interesse der Mandatsausübung liegend anerkannt hat. Soll ich mich nun dazu entschließen, sollen sich die Fraktionen dazu entschließen, diese frühere Entscheidung des Bundestages aus dem Jahre 1950 im Jahre 1958 aufzuheben oder rückgängig zu machen? Hat die Motorisierung inzwischen in der Welt etwa einen Rückgang gezeigt? Davon kann doch gar nichtgeredet werden! Niemand hat sich dazu entschließen können, diese frühere Entscheidung des Bundestages heute als unbegründet oder als unbillig aufzuheben.
    Nun kommt auch hier wieder ein Grundsatz, der diese Vorlage kennzeichnet. Wenn diese Entscheidung anerkannt wird, muß man auch bereit sein, für jedes Mitglied des Hauses entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Die Vorlage will diesen Gedanken in der Form realisieren, daß die sehr verschiedene Reisedauer und die Reisestrecke berücksichtigt werden. Es ist deshalb beabsichtigt, in Zukunft die Mitglieder des Hauses nach Wohnort oder Wahlkreis in Stufen einzugruppieren und ihre Reisekosten dementsprechend gestaffelt und pauschal abzugelten.
    Damit habe ich die Grundzüge der Vorlage darzustellen versucht. Die Geschäftsordnung dieses Hauses will, daß in einer ersten Lesung nur die Grundzüge einer Vorlage behandelt werden. Hier und bei diesem Problem kam es indessen vor allem darauf an, den inneren Problem- und Begründungszusammenhang zur Geltung zu bringen, aus dem eine Diätenvorlage in einem freiheitlichen Parlament allein erwachsen kann. Es ist mir bewußt, daß auch diese Vorlage keine ideale Lösung ist. Ich habe jedoch die Aufgabe, Ihnen nicht einen idealen, sondern einen realisierbaren Vorschlag zu machen.
    Ungelöst ist und bleibt dabei das mit dem Gesamtkomplex, der hier angesprochen ist, zusammenhängende Problem der Altersversorgung der Abgeordneten. Dieses Problem ist ernsthaft erwogen worden, nicht um einem übertriebenen Sicherheitsbedürfnis zu frönen, sondern weil es sich im Rahmen des Art. 48 des Grundgesetzes stellt. Wenn eine interfraktionelle Einigung darüber bis heute — ich sage: his heute — nicht zustande kam, so ist die Ursache dafür nicht darin zu suchen, daß die Probleme verkannt oder verniedlicht worden wären. Die Ursache liegt vielmehr in den fundamentalen Bedenken, die einerseits gegen jede Angleichung des Status des Abgeordneten an den des Beamten oder Angestellten und andererseits gegen den dabei etwa erforderlichen Staatszuschuß erhoben wurden. Was man auch immer dem Art. 48 des Grundgesetzes in dieser Sache glaubt schuldig zu sein, so ist es doch die, wie ich glaube, gemeinsame Überzeugung des Hauses, daß die Grundstruktur unserer rechtsstaatlichen Ordnung nicht dadurch verwischt werden darf, daß die verschiedenen Profile der Legislative und der Exekutive abgeschliffen werden. Der auf sehr begrenzte Zeit gewählte Parlamentarier, der sich nach eigenem Entschluß der Bestätigung oder Verwerfung durch das Volk stellen soll, darf in seinem Status und in seinem Selbstverständnis nicht gleichgestellt werden mit dem Angestellten oder dem Beamten der Exekutive, die zu kontrollieren er berufen ist. Anderseits aber halte ich dafür, daß, solange und soweit dieser grundlegende Unterschied im Bewußsein dieses Hauses bleibt, es auch hier in diesem Hause und an dieser Stelle legitim ist, weiter darüber nachzudenken und nach Lösungen zu suchen, die dem Geist unserer Verfassung, der Struktur unseres Staates und dem Wortlaut des Art. 48 gerecht zu werden vermögen.
    Auf Grund einer Absprache im Ältestenrat beantrage ich die Überweisung der Vorlage an den Vorstand des Bundestages. Er ist nach § 6 der Geschäftsordnung mit den inneren Angelegenheiten des Bundestages befaßt. Ich danke den Kollegen aus allen Fraktionen, die sich monatelang mit dieser Vorlage befaßt haben. Und ich danke auch der sachgerechten — der sachgerechten! — öffentlichen Kritik, von der ich Anregungen empfangen habe.
    Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Sache, um die es hier geht, ist trotz allem nicht nur eine Sache unseres Geldbeutels. Das ist sie auch; selbstverständlich ist sie das auch. Aber in erster Linie ist sie dennoch eine Frage, was wir, was das Haus gerechterweise der vornehmsten Institution unseres freiheitlichen Rechtsstaates schuldig ist. Es wäre an-



    D. Dr. Gerstenmaier
    genehmer, wenn wir uns unter dem Aspekt der Diäten nicht damit zu befassen brauchten. Indessen gilt auch hier, daß zum Parlamentarismus Zivilcourage gehört. Gab es im übrigen nicht einmal einen in deutschen Landen, der vorgab, alles viel effektiver, viel wirkungsvoller und viel billiger im Staate Deutschland machen zu können? Nun, er kam. Er kam, der Reichstag brannte und bald darauf das Vaterland.

    (Beifall.)

    Das Parlament, meine Damen und Herren, muß den Mut zu sich selber haben! Darum erbitte ich Ihrer aller Zustimmung zu dieser Vorlage.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, es ist in diesem Hause nicht üblich, dem Redner, der einen Antrag begründet hat, zu danken. Aber ich glaube, daß wir heute vor einem Ausnahmefall stehen. Der Redner, Präsident dieses Hauses, hat nicht vor diesem Haus gesprochen, sondern für dieses Haus vor der deutschen Nation. Ich glaube, daß wir ihm dafür danken sollen.

(Beifall.)

Nach der Vereinbarung im Ältestenrat soll eine Debatte nicht stattfinden. Wird trotzdem das Wort verlangt? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache. Es ist der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf an den Vorstand des Bundestages und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist so beschlossen. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Wir fahren in der Beratung des Punktes 1 fort. Das Wort hat der Abgeordnete Lohmar.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ulrich Lohmar


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Rede eine beachtliche Ausweitung des Themas vorgenommen, wenn man den Gedankengang seiner Antwort auf die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion mit den Sachfragen vergleicht, die wir in dieser Großen Anfrage angesprochen hatten. Nun, wir bedauern diese Ausweitung des Themas nicht, glauben aber, daß es zweckmäßig sein wird, auf eine Fülle von einzelnen Anregungen und angeschnittenen Problemen im Rahmen der Haushaltsberatungen zurückzukommen, wobei sich dann auch zeigen kann, wie sich ein Grundproblem in dem Verhältnis der Bundesregierung zur Kulturpolitik, nämlich die Relation zwischen Theorie und Praxis, lösen läßt.
    Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen zu den beiden Anträgen machen, die diesem Hause vorliegen, dem Antrag der CDU/CSU und dem Ihnen soeben zugegangenen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Die SPD-Fraktion möchte Ihnen vorschlagen, daß wir Ihren Antrag und den Antrag der SPD-Fraktion dem zuständigen Ausschuß, dem Kulturausschuß, überweisen. Wir sind der Meinung, daß es eine vernünftige Sache ist, sich über die Relation zwischen Bund und Ländern zu unterhalten. Es ist zweckmäßig, genauer danach zu fragen, welche Interpretation die Verfassungsbestimmungen über das Verhältnis Bund — Länder in der Kulturpolitik zulassen und welche finanziellen Konsequenzen wir daraus zu ziehen in der Lage sind.
    Der Gedanke, der unserem eigenen Antrag zugrunde liegt, ist ein in diesem Hause nicht neuer, nämlich der Wunsch, diesem Wissenschaftsrat seine Arbeit in Berlin zu ermöglichen, weil wir möglichst viele neugegründete oder neuzugründende Einrichtungen dieser Art in die Hauptstadt Deutschlands verlagern möchten. Außerdem ist das Klima der Stadt Berlin vielleicht gerade der Arbeit eines Wissenschaftsrates förderlicher als das Klima des ansonsten sicherlich reizenden Städtchens Bonn.
    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat in seiner Rede eine Reihe von Kronzeugen aus dem politischen Leben, aus dem geistigen Leben der Bundesrepublik herangezogen, Kronzeugen, auf die wir uns in unserer Betrachtung der hier in Frage stehenden Probleme gleichfalls berufen könnten. Was uns bei der Rede des Herrn Innenministers bewegt hat, ist die Tatsache, daß in einer Reihe von entscheidenden Fragen ein unübersehbarer Widerspruch zwischen der heute morgen gehörten theoretischen Aussage der Bundesregierung und ihrer praktischen Politik besteht. Ich möchte mir erlauben, Sie auf einige dieser Widersprüche hinzuweisen, und dabei mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen zu den Ausführungen unseres Kollegen Dr. Heck beginnen, der sich ja in dankenswerter Weise und gründlich mit dem Machtfaktor Sowjetunion beschäftigt hat, und zwar nicht nur unter dem in diesem Hause ansonsten üblichen nur-militärischen, sondern auch unter dem kulturpolitischen Gesichtspunkt. Aber, Herr Dr. Heck, Sie haben uns zugerufen: Im Osten, in Rußland wird eine Welt ohne Gott geplant; dort ist man dabei, einen neuen Menschen zu erziehen, einen Menschen, der — wie Sie sich ausgedrückt haben — mit dem personalen Menschenbild unserer Vorstellung nichts gemein hat.
    Ich glaube, wir machen uns die Sache zu einfach, wenn wir hier den Westen in dieser Weise der Sowjetunion gegenüberstellen. Nicht als ob ich die von Ihnen geschilderten Gefahren der Verapparatung des Menschen geringer einschätzte als Sie. Aber wir in den westlichen Demokratien trösten uns mit dem Etikett „Demokratie" zuweilen über konkrete Tatbestände hinweg, die auch bei uns dazu führen können, daß der Mensch in Apparaturen gefangen bleibt und eben nicht mehr das ausmacht, was Sie mit dem Wort „personal" umschrieben haben. Ich will Ihnen nur zwei Beispiele dafür nennen. Das Problem der Abhängigkeit der Menschen von den Bürokratien staatlicher, wirtschaftlicher, politischer Art stellt sich heute — unabhängig von dem ideologischen Gehäuse — in der Sowjetunion, in Amerika und in Europa gleichermaßen. Die Frage der Manipulation der Menschen, die Frage der Anwendung der Seelentechnik ist in Amerika in einem Maße fortgeschritten, das ernsthaft die Frage nach der kritischen Entscheidungs-



    Lohmar
    fähigkeit und -möglichkeit der Menschen aufwerfen läßt, insbesondere in der Konsumsphäre und im Bereich der Freizeitindustrie, wie man sie vielleicht nennen könnte. Gerade Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses, haben sich ja im letzten Bundestagswahlkampf mit Erfolg bemüht, einige Einsichten der Seelentechniker zur Überrundung Ihres politischen Gegners einzusetzen. Denn was waren die Parolen „Was du hast, weißt du" oder „Keine Experimente!" anders als ein Appell an die Instinkte der Menschen ohne den dazugehörigen „überbau" von Argumenten?!

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Seit Ihrer Wahlniederlage sind Sie Kulturpessimist geworden!)

    - Sie müssen sich mit den Argumenten der Sozialdemokratie etwas intensiver beschäftigen, bevor Sie eine solche pauschale Bemerkung zu einer konkreten Feststellung machen.
    Ich möchte mit diesen beiden Beispielen nur andeuten, daß es nicht damit getan ist, zu sagen, in der Sowjetunion sei unser Menschenbild bedroht, wenn wir nicht gleichzeitig sehr aufmerksam und sehr nachdenklich gegenüber manchen Tatbeständen bei uns danach fragen, wo konkret eine kritische Urteilsfähigkeit als die Grundlage der Freiheit des Menschen in Frage gestellt ist.
    Nun lassen Sie mich bitte in Ihre Erinnerung zurückrufen, was in bezug auf eines unserer Sachprobleme, nämlich die Frage der Ingenieurausbildung, in der Sowjetunion geschieht. Wie Sie wissen, ist es die Sozialdemokratie gewesen, die auf ihrem Münchner Parteitag 1956 und dann auf ihrer Parlamentariertagung in Düsseldorf die Öffentlichkeit der Bundesrepublik zum erstenmal, aus dem Raum der Politik jedenfalls, mit Nachdruck auf das Gewicht dieses Problems hingewiesen hat. Seither ist uns bekannt, daß in der Sowjetunion 1950 etwa 28 000 Ingenieure ausgebildet wurden, daß heute, wenn man Universitätsingenieure und andere zusammenfaßt, etwa 130 000 Ingenieure ausgebildet werden und begründete Aussicht besteht, daß es der Sowjetunion gelingen wird, die Zahl der ausgebildeten Ingenieure bis zum Jahre 1960 auf 200 000 jährlich zu steigern.
    Die Zahlen für die Bundesrepublik haben Sie dem Bericht des Herrn Bundesinnenministers entnehmen können; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Aber ich möchte in Ihre Erinnerung zurückrufen, was Herr von Amerongen, der ja insbesondere dem Industriellenflügel der CDU/CSU kein Unbekannter sein wird, nach der ersten Reise des Bundesverbandes der Deutschen Industrie nach Ostasien über seine Eindrücke von dieser Reise berichtet hat. Er hat vor zwei Jahren auf der Hannoverschen Messe in einem Vortrag vor Fachleuten aus der Wirtschaft erklärt — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Heute, nachdem diese Länder und diese Organisationen ihre Unabhängigkeit erreicht haben, haben wir als Deutsche mit deren Problemen uns direkt auseinanderzusetzen, womit ihnen
    gerade in Beziehung zu unserem Lande erhöhte politische und wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die großen Nationen Ostasiens gewinnen von Jahr zu Jahr an Bedeutung im Weltgeschehen und werden dadurch auch ein immer entscheidenderer Faktor für uns. Eine noch größere Bedeutung gewinnen sie aber auf dem Hintergrund der Ost-West-Auseinandersetzung, welche Rolle sie auch in dieser Auseinandersetzung spielen wollen oder zu spielen gezwungen sind.
    Dieses Problem hat sowohl in den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers wie auch in den Darlegungen von Herrn Dr. Heck keinen genügenden Raum gefunden. Offenbar hat die Bundesregierung nach wie vor nicht die Absicht zu begreifen, daß einschließlich der deutschen Frage sehr viele Probleme in der Welt nicht nur beurteilt werden können auf dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen den USA und der UdSSR, sondern daß wir in unser Weltbild die aufstrebenden Völker, insbesondere Ostasiens, einbeziehen müssen. Die Sowjetunion hat seit Jahren — und das weist auf den Mangel an Anpassungsfähigkeit in der westlichen Politik hin — ihre Anstrengungen auf diese wirtschaftliche, psychologische Beeinflussung der ostasiatischen Länder gerichtet. Sie hat hier ihren New Look, ihre Außenpolitik nach Asien hinein gefunden.
    Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß der Oppositionsführer Ollenhauer in seiner Antwort auf die Regierungserklärung den Herrn Bundeskanzler im 3. Deutschen Bundestag darauf aufmerksam gemacht hat, wie sehr die Selbstbehauptung der freien Welt davon abhängt, ob sie andere Völker und Menschen für ihre Vorstellungen gewinnen kann, und daß diese Chance nicht zuletzt von den Wissenschaftlern, den Technikern und den Erziehern abhängt. Sie können in einer Wochenzeitung, die bei der Mehrheit dieses Hauses gewiß mindestens so vertrauenswürdig ist wie bei der Minderheit, nämlich in der „Zeit" vom 10. März 1958, nachlesen, wie die technische Leistungsfähigkeit der Hilfe der Sowjetunion für die ostasiatischen Länder einzuschätzen ist. Ich meine, wir sollten diesen Tatbestand mehr in Rechnung stellen, wenn wir uns über die Frage der Förderung des technischen Nachwuchses bei uns unterhalten.
    Dabei werden wir uns sicher auch mit einem Tabu beschäftigen müssen, das die Politik der Bundesregierung seit Jahren belastet, nämlich dem Tabu, über Planung in der Wirtschaft oder in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens möglichst nicht zu reden, sondern die Planung als eine zwangswirtschaftliche Maßnahme hinzustellen, mit der sich vernünftige Menschen nicht beschäftigen. Nun, der Bundesinnenminister hat in seiner Rede darauf hingewiesen, daß er dem neugebildeten Wissenschaftsrat die Aufgabe zudenken will, den entstehenden Gesamtbedarf festzustellen und im voraus durch seine Vorschläge zu bestimmen. Wir begrüßen diese Aufgabenstellung für den Wissenschaftsrat; denn sie entspricht den Vorschlägen, die die sozialdemokratische Fraktion auch für andere



    Lohmar
    Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in den letzten Jahren wiederholt gemacht hat. Nebenbei bemerkt kann sie sich dabei auf einen Fachmann berufen, nämlich den Herrn Präsidenten der Bank deutscher Länder, der vor zwei Jahren auf dem Deutschen Studententag in Hamburg sehr betont auf die Notwendigkeit einer Planung im Bereich der Wissenschaft hingewiesen hat. Aber in Anbetracht der Notwendigkeit, eine solche Planung auch in die Außenpolitik einmünden zu lassen, etwa in eine größere Hilfe für die ostasiatischen Länder, fragen wir uns, ob Sie es damit genug sein lassen wollen, Ihren Finanzminister in seiner Etatrede darauf hinweisen zu lassen, daß aus den beiden vergangenen Jahren noch 100 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung stehen und jetzt weitere 50 Millionen DM dazukommen, um dann ein einziges in Indien erbautes Stahlwerk als Beispiel für die Tatkraft der Bundesregierung hier herauszustellen.
    Wir brauchen — auch da möchte ich hinweisen und zurückkommen auf eine Anregung aus der Antwort der Opposition auf die Regierungserklärung
    in der Zusammenarbeit der westlichen Welt, möglicherweise im Rahmen der UNO, eine Art von Marshallplan zur Förderung der unterentwickelten Gebiete oder, wie man freundlicher sagt, der Entwicklungsländer.
    Dabei möchte ich Ihnen noch einmal eine Passage aus dem Vortrag von Herrn von Amerongen auf der Industriemesse in Hannover vorlesen. Herr von Amerongen weist darauf hin, wie notwendig nicht nur eine Kapitalhilfe für die unterentwickelten Gebiete, für die Entwicklungsländer, sondern wie notwendig zugleich die Bereitstellung von Facharbeitern, von Ingenieuren für die Durchführung einer solchen Wirtschaftspolitik ist. Er schreibt:
    Bei der fortschreitenden Industrialisierung dieser Länder steht damit. im Zusammenhang das Fehlen der Schicht des sogenannten middlemanagement und der Facharbeiter. Die Führungskräfte oder das sogenannte top-management ist möglicherweise im eigenen Land oder aus anderen Ländern zu bekommen. Da es aber an industrieller Tradition fehlt, muß eine Schicht der Vorarbeiter, Meister und gelernten Facharbeiter erst geschaffen werden. Auch hier haben die UdSSR und die Länder des Ostblocks gegenüber dem Westen beachtliche Möglichkeiten, indem sie hei der Annahme der Durchführung größerer Projekte eigenes Schulungspersonal in die bestellenden Länder senden oder den Angehörigen dieser Nationen die Ausbildung im Lieferland ermöglichen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte dies mit dem Hinweis verbinden, wie gering die Zahl an ausländischen Ingenieurstudenten an deutschen Hochschulen ist und wie wenig bisher geschehen ist, um etwa einen Austausch von Praktikanten und Facharbeitern in dem wünschenswerten und den Erfolg einer soeben skizzierten Politik gewährleistenden Maße vorzunehmen. Sie wissen, daß die Förderung des Studentenaustausches heute sowohl
    vom Auswärtigen Amt wie vom Bundesministerium des Innern gehandhabt wird. Aber es wäre insbesondere beim Auswärtigen Amt zu wünschen, daß diese Hilfe in einer weniger bürokratischen Form gegeben wird, als das zuweilen der Fall ist.
    Nun lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu Einzelfragen machen, die der Herr Bundesinnenminister in seiner Antwort auf die Große Anfrage der SPD angesprochen hat. Er hat darauf hingewiesen, daß 35 % der Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen heute nach der Einführung des Honnefer Modells mit Stipendien unterstützt werden, und er hat sich dagegen verwahrt, daß man einen Vergleich dieses Anteils an geförderten Studierenden etwa mit England oder mit der Ostzone zieht. Er hat gemeint, man sollte von etwa gleichartigen Gesamtzahlen von Studierenden ausgehen. Wir sind nicht dieser Meinung. Wir glauben, daß die Beurteilung von Zielsetzung und Ausmaß der Studentenförderung lediglich an der Frage des Bedarfs auf der einen Seite und an der Frage nach der wirtschaftlichen Lage der Studierenden auf der anderen Seite ansetzen kann.
    Im übrigen ist es nicht nur ein Merkmal totalitärer Staaten wie der Ostzone oder der UdSSR, daß dort praktisch jeder studieren kann. In Amerika haben wir in der Sache die gleiche Situation: daß niemand aus wirtschaftlichen Gründen an einem Studium gehindert wird.
    Ich meine deshalb, meine Damen und Herren, Sie sollten überlegen, ob nicht der Forderung etwa des Verbandes Deutscher Studentenschaften auf Erhöhung der Mittel für die Durchführung des Honnefer Modells von 35 Millionen auf 50 Millionen DM sinnvoll Rechnung getragen werden kann. Wenn ich sage „sinnvoll", dann meine ich, daß es keinen Zweck hat, dies zu tun, ohne gleichzeitig den Ausbau der Lehrkörper an den Hochschulen in Angriff zu nehmen. Diese Forderung ist ja in der Antwort des Herrn Innenministers im Grundsatz anerkannt worden. Zu ihrer Verwirklichung ist jedoch im Gegensatz zur Bereitstellung der materiellen Mittel für die Studentenförderung seither so gut wie nichts geschehen.
    Nun ist eine Diskussion darüber entstanden, ob und in welcher Form das Honnefer Modell für die wissenschaftlichen Hochschulen auf die sogenannten nichtwissenschaftlichen Hochschulen übertragen werden kann. Ich möchte mich da meinem Kollegen Ratzel anschließen der bereits darauf aufmerksam gemacht hat, daß es uns nicht darum geht, hier an einer bestimmten Form zu hängen. Uns geht es um die Sache. Immerhin ist es aber an sich schon ein bemerkenswertes Faktum, daß in dem Städtchen Rhöndorf einmal das verkürzte Denken durch die Diskussion über ein Thema angeregt wird, das langfristige Perspektiven einbezieht.
    Das Bundesinnenministerium hat bisher in seinen Diskussionsbeiträgen - nicht heute morgen hier im Hause, aber an anderer Stelle - zum Ausdruck gebracht, man könne das Honnefer Modell auf die sogenannten nichtwissenschaftlichen Hochschulen, das bedeutet auch auf die Ingenieurschulen, deshalb



    Lohmar
    nicht übertragen, weil bestimmte Merkmale der wissenschaftlichen Hochschulen bei den nichtwissenschaftlichen Hochschulen fehlten, Merkmale wie die Rektoratsverfassung, das Promotionsrecht oder die Einheit von Forschung und Lehre. Diese Merkmale seien bei den Universitäten im Gegensatz zu den Ingenieurschulen gegeben. Gegenüber solchen Argumenten möchte ich Ihnen zu bedenken geben, ob nicht auch hier die Frage nach dem Bedarf und die Frage nach der Lage der Studierenden die beiden einzig interessanten Zugänge zur Lösung dieses Problems darstellen.
    Man wundert sich beispielsweise, wenn man im Bulletin der Bundesregierung vom 15. April über die vom Herrn Bundesinnenminister als in Arbeit befindlich bezeichnete Forschungsarbeit über die soziale Lage der Studierenden an den nichtwissenschaftlichen Hochschulen liest:
    Zweck dieser Zusammenkunft
    gemeint ist die Zusammenkunft in Rhöndorf
    war die Erarbeitung eines Förderungsmodells ähnlich dem Honnefer Modell, das die Förderung der Studenten an „nichtwissenschaftlichen Hochschulen" ermöglichen solle.
    Zwei Absätze weiter heißt es dann:
    Eine Übernahme des Honnefer Modells auf die Studierenden an nichtwissenschaftlichen Hochschulen scheiterte jedoch daran, daß erhebliche Unterschiede in der Art und Weise des Studiengangs zwischen den Studenten an den wissenschaftlichen und den Studierenden an nichtwissenschaftlichen Hochschulen bestehen.
    Schließlich wird im Schlußabsatz festgestellt,
    daß die vorliegende Erhebung ähnliche Relationen aufweist wie die Sozialstatistiken über die Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen, . . .
    Die ganze Widersprüchlichkeit des Ansatzes der Planung der Bundesregierung in der Förderung der Studierenden der nichtwissenschaftlichen Hochschulen wird an diesen drei Stellen des Artikels im Bulletin deutlich. Dabei ist diese Erhebung zu dem Ergebnis gekommen, daß bei den Ingenieurstudenten heute lediglich 27 % über monatlich 200 DM und mehr verfügen, daß ein Drittel der Studierenden an Ingenieurschulen nicht ausreichend versorgt ist, daß 24 % im letzten Studiensemester erwerbstätig waren und ebenfalls 24% mehr als 30 Stunden in der Woche gearbeitet haben. Wir möchten diese Tatsache zum Anlaß nehmen, zu bemerken, daß sehr schnell ein in der Sache dem Honnefer Modell entsprechendes Abkommen getroffen werden muß, das eine Förderung auch dieser Studierenden in ausreichendem Umfange ermöglicht.
    Dabei ist es zweckmäßig, sich einmal Klarheit darüber zu verschaffen, was es denn heute mit dem Charakter des Studiums eigentlich auf sich hat, wenn man von den Unterschieden zwischen den technischen Bildungsanstalten und den Universitäten spricht. Der Herr Innenminister hat den Hamburger Soziologen Schelsky zitiert. Ich darf mich ebenfalls auf Herrn Professor Schelsky berufen und Ihnen ein paar Zeilen zur Kenntnis bringen, die Sie in der Nr. 43 der Wochenzeitung „Die Zeit", Jahrgang 1957, finden. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich Ihnen diese Zeilen vorlesen:
    Indem die industrielle Gesellschaft die Anwendung wissenschaftlicher Kenntnisse in Aufgaben und Berufe hinein ausdehnt, die noch vor einer Generation allein mit einer Erfahrungs- und Praxisausbildung zu meistern waren, und die akademischen Bildungsinstitutionen diese Vermittlung der angewandten Wissenschaften zunächst nur allzu willig übernommen haben, sehen sich diese Bildungsanstalten heute in einer sozialen Funktion gefangen, der sie schon deshalb nicht ausweichen können, weil es keine anderen Institutionen zur Ausbildung der wissenschaftlich geschulten technischen und funktionalen Intelligenz gibt, deren die moderne Gesellschaft zu ihrem Bestand und Überleben bedarf. Die Funktionen dieser so wissenschaftlich ausgebildeten Intelligenz umfassen in der Struktur der modernen Gesellschaft aber Ränge und Leistungen, die bei einer noch so großzügigen Auslegung des Begriffs einer geistigen Führungsschicht damit kaum etwas zu tun haben, denen eine elitäre Geistesbildung anzusinnen daher sozial sinnlos und praktisch ergebnislos ist.
    Der Student realisiert nur,
    — schreibt Schelsky
    was ihm als Verhaltensnotwendigkeit von der Gesellschaft und der Hochschule gleicherweise aufgedrängt wird; es entspricht allerdings dem nüchternen Durchsetzungs- und Anpassungswillen seiner Generation, daß er an der schizoiden Gespaltenheit der Universität zwischen Realität und Idee nicht unnötig teilzunehmen trachtet, sondern das Studium als einen Durchgang zum Beruf und damit selbst als eine Vorform der Berufstätigkeit betrachtet, . . .
    Ich möchte die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Bildung und Ausbildung hier nicht vertiefen, wollte dies aber doch dazu anmerken, weil es wenig Sinn hat, an dem Auseinanderklaffen von Idee und einer völlig andersgearteten Wirklichkeit festzuhalten, diese Kluft zu beklagen und sich im übrigen zu scheuen, ein realistisches Bild von der Wirklichkeit und den entsprechenden Möglichkeiten zu entwerfen.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine andere Frage streifen. Sowohl im Honnefer Modell als auch im Rhöndorfer Modell ist die Rede davon, daß es sich bei der Studienförderung lediglich um eine individuelle Förderung handeln könne. Einverstanden. Aber ich möchte sagen: mit dem Zusatz, daß wir endlich begreifen sollten, daß diese Studentenförderung eine Investition der Gesellschaft in ihrem ureigensten Interesse darstellt und völlig fern etwa jeder karitativen Maßnahme gegenüber der Studentenschaft liegt.

    (Zustimmung bei der SPD.)




    Lohmar
    Über diesen Ansatz im Denken sollten wir endlich einig werden, damit die Förderung der Studierenden als das Problem begriffen wird, das es der Sache nach darstellt.
    Aus diesem Grunde haben wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion nach wie vor unsere Bedenken gegenüber Darlehen anzumelden. Bezeichnenderweise haben von den Ingenieurstudenten lediglich 7 v. H. Darlehen aufgenommen oder wollen dies tun. Wir sind der Meinung, daß — abgesehen von einer Reihe von Ungerechtigkeiten, die dabei auftreten können — das Darlehen dem Charakter des Studiums und der Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber den Studierenden nicht entspricht.
    Ein Einzelproblem im Rahmen der Studentenförderung verdient die Aufmerksamkeit vor allem der Mehrheit dieses Hauses. Bezeichnenderweise hat weder der Herr Bundesinnenminister noch der Sprecher der CDU/CSU, Herr Dr. Heck, darüber etwas gesagt. Ich meine die soziologische Zusammensetzung der Studierenden sowohl an den Universitäten wie an den heute in Frage stehenden technischen Bildungsanstalten. Sie wissen, daß etwa die Untersuchungen von Professor Müller zu dem Ergebnis geführt haben, daß die Begabungsreserven in den sogenannten oberen sozialen Gruppen sehr viel weitgehender ausgeschöpft bzw. in den normalen Bildungsgang unserer Gesellschaft eingemündet sind als in den sogenannten unteren sozialen Gruppen. Dem entspricht die Tatsache, daß wir an den Universitäten in den letzten Jahren nie mehr als 5 % Studierende aus der Arbeiterschaft gehabt haben. Der Anteil an den Ingenieurschulen ist etwas höher, aber kaum nennenswert.
    Wenn man auf dieses Thema zu sprechen kommt, wird einem meist gesagt, der sogenannte Mittelstand, die Beamten, die Angestellten, brächten in einem höheren Maße Opfer für das Studium ihrer Kinder, als dies die Arbeiterschaft zu tun bereit sei. Ich will über die Feststellung dieses Tatbestandes nicht streiten. Aber dies muß unseren Blick auf die Tatsache lenken, wie wenig die Frage des Zugangs der Arbeiterschaft zu den Hochschulen allein ein materielles Problem ist. Es handelt sich neben dem Materiellen darum, diese soziale Schicht unseres Volkes in eine sachgerechte Beziehung zur Problematik und Aufgabenstellung wissenschaftlicher Arbeit zu bringen.
    Das hat Konsequenzen auch für die politische Art und den politischen Stil, in dem man in Deutschland diskutiert. Beispielsweise ist es mit dem Wunsch nach einer soziologisch breiteren Streuung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht zu vereinbaren, wenn in der politischen Diskussion überholt geglaubte ideologische Begriffe, wie „bürgerlich" auf der einen Seite oder „nichtbürgerlich" auf der anderen Seite, mit der Absicht einer politischen Frontenbildung künstlich wiederbelebt werden. Es ist auch nicht im Sinne des Wunsches nach einer solchen Ausweitung — wenn ich mir in einer Nebenbemerkung eine Anspielung auf den beginnenden Wahlkampf von Nordrhein-Westfalen erlauben darf —, etwa eine politische Partei wie die
    Sozialdemokratie mit dem aus dem Arsenal der Nationalsozialisten entlehnten und in diesem Sinne gebrauchten Sammelbegriff „die Roten" oder „die rote Herrschaft" abzutun und zu diffamieren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr habt doch die rote Fahne!)

    Solche Dinge stören die Absicht einer Ausweitung auch des Verständnisses in den bis heute nicht hinreichend in die wissenschaftliche Ausbildung einbezogenen Gruppen unseres Volkes erheblich. Sie mögen zwar stolz darauf sein, daß Sie — die Mehrheit dieses Hauses — unter Ihren Wählern auch einen nennenswerten Teil Arbeiter haben. Aber Sie sollten dabei nicht übersehen, daß die Sozialdemokratische Partei nach wie vor den ersten und entscheidenden Anteil an der Vertretung gerade dieser sozialen Gruppe historisch und praktisch hat.
    Der Herr Innenminister hat davon gesprochen, daß wir eine umfassende geistige Bildung unseres Volkes brauchten. Er hat den Deutschen Ausschuß hervorgehoben und ihm für seine Arbeit gedankt. Wir möchten uns diesem Dank für die Arbeit des Deutschen Ausschusses anschließen.
    Der Innenminister hat erklärt, daß wir in manchen Planungen, in manchen Ausdrucksformen des Lebens unseres Volkes bescheidener, zurückhaltender sein sollten, als das im Alltag des Lebens der Bundesrepublik offenbar der Fall ist. Ich muß hier an dieser Stelle wieder an die Praxis Ihrer Politik erinnern, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben, noch mehr aber daran, unter welchen Leitideen Sie diese Politik in der Öffentlichkeit vertreten haben. Sie sind doch die Apostel eines höchs oberflächlichen Wirtschaftswunderdenkens! Wir sind sehr für den wirtschaftlichen Aufschwung. Aber wir wehren uns dagegen, der Bevölkerung einzuhämmern, daß dieser wirtschaftliche Aufstieg das A und O in diesem Staate sei.

    (Zuruf von der Mitte: Das haben wir nicht getan!)

    Herr Dr. Heck hat sich in seiner Rede dieser Sicht angeschlossen. Nun, wir warten darauf, daß sich daraus in der Propaganda und in den öffentlichen Verlautbarungen der Bundesregierung Konsequenzen ergeben, die wir bisher nicht haben beobachten können.
    Eine Diskussion über Hochschulen, eine Diskussion über Fragen der Bildung hört sich im Jahre 1958 sehr viel anders an als eine solche Diskussion etwa im Jahre 1949 oder auch noch im Jahre 1954. Diejenigen, die in diesen Jahren mit Leidenschaft um eine über die technische Apparatur hinausgehende Hochschulreform gerungen haben, haben heute weitgehend resigniert; soweit sie nicht resigniert haben, sagen sie: Der Worte sind genug gewechselt, wir wollen endlich Taten sehen. Daran sollten wir uns bei diesem Gespräch erinnern.
    Der Bundesinnenminister sagt in seiner Denkschrift über den technischen Nachwuchs, das Problem des technischen Nachwuchses sei nicht nur ein technisches und nicht nur ein wirtschaftliches Problem. Nun, was heißt das? Wir sollten unseren



    Lohmar
    Blick einmal auf die Gespräche lenken, die auf dem dritten deutschen Studententag in München geführt worden sind, wo Hermann Heimpel in einer Analyse der Bildungsaufgabe unserer Hochschulen erklärt hat, daß Bildung „das Sich-Auskennen in den Mächten der Zeit" sei, oder wo Walter Dirks die Studierenden, die sich damals zu einer Diskussion zusammengefunden hatten, mit den Worten aufrief:
    Wendet eure Phantasie, eure Kritik, eure Leidenschaft, eure Liebe an die großen Themen der Gesellschaft. Lassen Sie sich nicht vom deutschen Wirtschaftswunder blenden, noch von Ihren Vätern und Alten Herren bestechen, noch von den Apparaturen imponieren, noch durch die Massenbetäubungsmittel einschläfern oder ablenken!
    Ich glaube, wir sollten diese Bemerkungen von Walter Dirks, in ihrem weiteren Sinne verstanden, an uns alle dringen lassen.
    Ich möchte Ihnen, die Sie in diesem Hause des öfteren die Mehrheit mit den Notwendigkeiten der Sache verwechseln,

    (Widerspruch in der Mitte)

    sagen: Gehen Sie von einer Betrachtung unserer Zeit ab, die die Welt in Formeln zerlegt! Lassen Sie auch in der Praxis und nicht nur in Kulturreden in diesem Hohen Hause von der oberflächlichen These ab, eine ohnehin unzureichende Quantität des Wirtschaftswunders werde bei uns oder woanders von selber in die Qualität eines Gemeinwesens freier Menschen einmünden! Fragen Sie konkret nach den Bedingungen, welche Freiheit und Gerechtigkeit zu einem realen Inhalt des Lebens werden lassen! Lassen Sie uns nach dem Weg suchen, der die Demokratie im technischen Zeitalter zu einem Zuhause, zu einer Heimstatt werden lassen kann, in der einer gleichberechtigt und frei neben dem nächsten wirkt! Lassen Sie uns das ohne falsches Pathos, aber mit aller Leidenschaft zur Sache tun!

    (Beifall bei der SPD.)