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    Deutscher Bundestag 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. h. c. Pferdmenges, Ritzel, Gehring und Höcker 1173 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 (Nachtragshaushaltsgesetz 1957) (Drucksache 299) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300) — Erste Beratung —; Antrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr (Drucksache 237); Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59) (Schriftliche Begründung: Anlage 2, S. 1215); Antrag der Fraktion der FDP betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (Drucksache 208) Etzel, Bundesminister 1174 A Schoettle (SPD) 1187 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 1196 C Lenz (Trossingen) (FDP) 1205 C Schild (DP) 1209 D Ausschußüberweisungen 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes (Drucksache 316) — Erste Beratung — . 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewichtsbezeichnung an schweren, auf Schiffen beförderten Frachtstücken (Drucksache 254) — Erste Beratung — 1212 D Entwurf eines Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts (Drucksache 278) — Erste Beratung — 1213 A Siebzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Harmonisierte Eisen- und Stahlzölle) (Drucksache 253) 1213 A Nächste Sitzung 1213 C Anlagen 1215 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner 16.4. Frau Albertz 16. 4. Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19.4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19.4. Bauknecht 10.5. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Dr. Böhm 18. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Dr. Burgbacher 16.4. Conrad 18. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diehl (Horressen) 5.5. Dr. Elbrächter 16.4. Even (Köln) 19.4. Felder 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19.4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Geiger (München) 16.4. Gerns 16.4. Dr. Greve 21.4. Freiherr zu Guttenberg 16.4. Frau Hamelbeck 18.4. Heye 16.4. Hilbert 18.4. Höcherl 10.5. Höfler 16.4. Frau Dr. Hubert 17.5. Jacobs 24.4. Dr. Jordan 18.4. Frau Kipp-Kaule 19.4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19.4. Könen (Düsseldorf) 16.4. Kunze 15. 5. Leber 16. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 26.4. Maucher 16.4. Mauk 16.4. Frau Dr. Maxsein 18.4. Mellies 25.4. Merten 19.4. Dr. Meyers (Aachen) 16.4. Frau Nadig 16.4. Paul 30.4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18.4. Scharnberg 16.4. Scheel 16.4. Schneider (Bremerhaven) 18.4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18.4. Schultz 16.4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Schwarzhaupt 19.4. Simpfendörfer 19. 4. Teriete 16. 4. Walpert 19.4. Wehr 16.4. Frau Wolff (Berlin) 16.4. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Bauereisen 26.4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3.5. Dr. Frey 26. 4. Dr.. Friedensburg 30.4. Häussler 30. 4. Heinrich 15.5. Frau Herklotz 25. 4. Iven (Düren) 26. 4. Meyer (Oppertshofen) 26.4. Frau Niggemeyer 30. 4. Scheppmann 2.5. Sträter 26. 4. Struve 7.5. Dr. Wahl 15.5. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Preusker zu dem Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Fraktion der DP hat mit Drucksache 59 dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung ersucht werden soll, unverzüglich Verhandlungen mit den Ländern mit dem Ziel der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung aufzunehmen und dem Bundestag die entsprechenden Gesetzesvorlagen zur Änderung des Grundgesetzes sowie die weiter hierzu erforderlichen Gesetzesvorlagen zuzuleiten. Die Fraktion der Deutschen Partei hat dieses Problem der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung gerade zu Beginn der 3. Legislaturperiode aus den gleichen Gründen zur erneuten Erörterung gestellt, aus denen heraus auch die Bundesregierung selbst bei der Einbringung ihrer Steuervorlagen einen funktionierenden Finanzausgleich zwischen den reichen und den armen Ländern als Gretchenfrage der Zukunft eines gesunden bundesstaatlichen Aufbaus bezeichnet hat. Um jede Mißdeutung von vornherein auszuschließen: Sowohl die Entwicklung der letzten Jahre, wie auch die tatsächliche Gesetzgebung haben bewiesen, daß angesichts der im Grundgesetz verankerten Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern 1216 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 und der Form der Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag beim Zustandekommen von Steuergesetzen die Frage der Organisation unserer Finanzverwaltung keine Kardinalfrage eines mehr föderalistischen oder mehr unitarischen Bekenntnisses ist. Es herrscht wohl gegenwärtig auf allen Seiten Einmütigkeit darüber, daß in der Bundesrepublik nicht wie in einer europäischen Konföderation souverän bleibende Staaten vorsichtige Vereinbarungen über einen noch vor der Bewährungsprobe stehenden Staatenbund treffen, sondern daß hier vielmehr deutsche Bundesländer im historischen Bewußtsein ihrer untrennbaren Zusammengehörigkeit eine Regelung suchen, die sowohl-ein Höchstmaß an Eigenständigkeit der Entwicklung in den einzelnen Bundesländern wahrt wie auch gleichzeitig ein Höchstmaß an gemeinsamer Blüte auf allen Gebieten der Kultur, Wirtschaft und sozialen Wohlfahrt sichert. Die Frage des organisatorischen Aufbaus des Finanzwesens ist also in der Bundesrepublik kein Ding und Dogma an sich — über diese Zeiten sind wir erfreulicherweise hinausgewachsen —, sondern eine reine Vernunftfrage der größten Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Es ist nun einmal mit dem Finanzwesen eines Staates etwas ganz Besonderes und Empfindliches. Es gibt viele Dinge, die in ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit vielleicht nicht minder wichtig sind, bei denen man aber die Durchführung völlig unbesorgt soweit dezentralisieren kann, wie man will. Ich darf als Beispiel vielleicht das Gebiet der Veterinärmedizin nennen. Die Bekämpfung der Tierseuchen ist für die menschliche Gesundheit zweifellos von überragender Bedeutung. Trotzdem kann es hier kaum eine Problematik wegen der zweckmäßigsten Durchführung geben, weil selbst bei völliger Dezentralisation keine grundlegenden Ermessensfragen aufgeworfen werden. Maul- und Klauenseuche ist nun einmal Maul- und Klauenseuche; sie kann in Schleswig-Holstein wie in Baden-Württemberg nur mit den gleichen Mitteln und in der gleichen Weise bekämpft werden. Demgegenüber gibt es in unserer Finanzverwaltung leider unendlich viele Ermessensentscheidungen von allergrößter wirtschafts-, sozial- und kulturpolitischer Bedeutung, ja schlechthin von entscheidender Bedeutung für die Eigenständigkeit der einzelnen Länder. Dieser Ermessensspielraum liegt hei unserer Finanzverwaltung der Natur nach vor allem 1. im Zeitpunkt, in der Zeitdauer und in der mehr oder weniger streng gehandhabten Art der Steuerveranlagung, Steuerprüfung und Festsetzung von Vorauszahlungen, 2. im Verfahren der Stundung und des Erlasses von Steuern, 3. im Verfahren bei der Bewertung aller Wirtschaftsgüter und des Vermögens sowie in der Anerkennung von Abschreibungen und Wertberichtigungen. Man mag die Dinge drehen und wenden wie man will. Es ist einmal gesagt worden, der Geldbeutel sei nun einmal der empfindlichste Körperteil, und daran ist sicherlich viel Wahres, wenn und solange Steueranteile des Staates am Einkommen von und mehr, zumindest in der Wirtschaft, wenn man alles zusammenrechnet, die Regel und nicht die Ausnahme sind. Man kann also das Problem der ungeteilten oder geteilten Finanzverwaltung nicht gut an den historischen Beispielen aus dem Steuerparadies vor dem 1. Weltkrieg oder der immer noch ungleich glücklicheren Weimarer Zeit messen, sondern nur an der harten Wirklichkeit unseres augenblicklichen Zeitalters einer ungeheuren deutschen Not und Armut, die trotz aller Erfolge im Wiederaufbau in den letzten zehn Jahren doch noch immer vorhanden ist. In bezug auf die in den letzten acht Jahren beim Wiederaufbau so überaus erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik hat es das böse, wirklich ad absurdum geführte Schlagwort von „den Reichen, die immer reicher würden, und den Armen, die immer armer würden", gegeben. Wenn man dieses Schlagwort überhaupt irgendwo mit einer wenigstens halben oder Viertelberechtigung zitieren kann, dann wahrscheinlich noch am ehesten in bezug auf die Situation unserer Bundesländer: hier hat sich allmählich die Erkenntnis immer breitere Bahn gebrochen, daß eine Verwaltung der Finanzen, die einen recht unterschiedlichen Ermessensgebrauch nicht soweit wie nur irgend möglich auszuschließen vermag, in der Tat reiche Länder reicher und arme Länder ärmer machen kann. Es soll deshalb auch in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnert werden, daß insbesondere auch der Parlamentarische Rat in seinen Grundgesetzbeschlüssen aus ähnlichen Erwägungen von der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung ausgegangen ist. Es waren nur die Militärgouverneure der Besatzungsmächte, die verhindert haben, daß diese gemeinsame bessere Erkenntnis Bestandteil des deutschen Grundgesetzes geblieben ist. Die Bundesrepublik ist inzwischen den damaligen Besatzungsmächten gegenüber in ihren Verfassungsbeschlüssen souverän geworden. Eigentlich sollte man schon das zum Anlaß nehmen, um nunmehr solche Fehlanweisungen der damaligen Besatzungsmächte im Sinne der besseren deutschen Auffassungen zu korrigieren. Wirklich nicht ohne Grund ist besonders in den beiden letzten Jahren die wirtschaftliche Schwäche des Kultuswesens in einzelnen Bundesländern kritisiert und dann verständlicherweise sogleich nach der Finanzhilfe des Bundes gerufen worden. Niemand kann ja im Ernst unsere Kinder in ihren Bildungs- und Lebenschancen entgelten lassen, daß sie zufällig in den armen Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder Bayern geboren sind oder aufwachsen müssen. Schließlich stehen wir doch alle auf dem Standpunkt, daß unsere Kinder das gleiche Recht auf die bestmögliche Ausbildung besitzen und wir alle die Pflicht haben, dafür zu sorgen. Ebenso ist in den letzten Jahren mit immer größerem Ernst darauf hingewiesen worden, daß aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern insbesondere ein großer wirtschaftlicher Wanderungsprozeß, vor allem nach Nordrhein-Westfalen, dem Rhein-Main-Gebiet und Baden-Württemberg, in Gang gekommen ist. Hier drohen Verödung und wachsende wirtschaftliche Schwächung gewissermaßen als eine sich selbst vorwärtstreibende Kettenreaktion auf der einen und Überbelastung in Bevölkerungsdichte sowie Investitionen auf dem Verkehrs-, Elektrizitäts-, Wasserversorgungs- und Gesundheitsgebiet auf der anderen Seite. Alle diese Entwicklungen schreien gebieterisch nach einer Korrektur. Der horizontale Finanzausgleich, der dies bewerkstelligen sollte, hat das nicht vermocht. Er ist, das muß ganz ungeschminkt festgestellt werden, am übergroßen Ermessensspielraum der geteilten Finanzverwaltung gescheitert. Sicherlich wird eine ungeteilte Bundesfinanzverwaltung noch kein automatisches Heilmittel sein. Sie vermag aber der Natur dieses besonders schwierigen Gebietes entsprechend die allein denkbare wettbewerbsneutrale Basis eines horizontalen Finanzausgleiches zwischen den armen und den reichen Ländern abzugeben. Manchem mag dies auf den ersten Blick fast etwas grotesk erscheinen. Aber entsprechend den Beschlüssen des Parlamentarischen Rates von 1948/49, der ja den föderativen Staatsaufbau wollte und gerade deshalb auch die ungeteilte Bundesfinanzverwaltung vorsah, ist es inzwischen harte Wirklichkeit geworden: Wer die Eigenständigkeit der Bundesländer unabhängig von ihren naturgegebenen wirtschaftlichen Vorteilen oder Nachteilen ernstlich will, wer die höchstmögliche Ausbildung unserer Menschen ohne Rücksicht darauf anstrebt, ob sie zufällig in „reichen" oder „armen" Ländern leben, wer nicht eine einseitige wirtschaftliche Wanderung möchte, der muß die Notwendigkeit der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung bejahen. Die hier und da in der letzten Zeit als halbe Lösungen erwogenen sogenannten Kompromisse einer „ständigen Ministerpräsidentenkonferenz" werden auf dem Gebiet des horizontalen Finanzausgleichs mit Sicherheit noch unfruchtbarer bleiben als die „ständige Kultusministerkonferenz". Es ist einfach eine vor allem auf finanziellem Gebiet irreale Überforderung, von den Ländern zu erwarten, daß sie aktive Partner — nämlich Gebende und Nehmende — und zugleich neutrale Schiedsrichter in einer Person sein sollen. In früheren Jahren hat man die Bundesfinanzverwaltung häufig mit der Erwartung erheblicher laufender Verwaltungseinsparungen begründet. Diese lassen sich sicherlich auch erzielen, wenn man Aus- und Durchführungsanweisungen künftig nur einmal, statt bis jetzt zehnmal, erlassen muß. Wir begründen aber die nach unserer Meinung überfällige Errichtung der ungeteilten Finanzverwaltung im Bunde in allererster Linie mit der dringend gebotenen Beendigung einer kulturellen und wirtschaftlichen Verödungsgefahr in den schwachen Ländern und der Notwendigkeit der Beendigung einer kostspieligen Konzentration in den sogenannten starken Ländern. In beiden Fällen würde bei einem Beibehalten des derzeitigen Zustandes der Ruf nach dem totalen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat zwangsläufig am bitteren Ende stehen, anstatt, wie die Fraktion der Deutschen Partei wünscht, die Forderung nach der größtmöglichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des einzelnen wie auch der Gemeinden und der Bundesländer. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Eilers (Oldenburg) für die FDP- Fraktion zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300), zur Beratung des Antrags der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 237) und zur Beratung des Antrags der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Beratung und der Beschluß über den Haushaltsplan ist eines der wesentlichsten Rechte des Parlaments. Wichtig dabei aber ist vor allem die rechtzeitige Verabschiedung vor Beginn des neuen Rechnungsjahres. Dies ist um so wichtiger, als die Ausgaben des Bundes große allgemeine volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Es muß deshalb I erwartet werden, daß der Entwurf des Haushaltsplans rechtzeitig vor Ablauf des alten Haushaltsjahres im Bundestag vorgelegt wird. Haushaltsberatungen müssen gründlich sein, wenn sie einen Sinn haben sollen. Nach meiner Ansicht wäre die Verlegung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr ein gutes Mittel, in diesem Sinne zu wirken. Es ist erstaunlich, daß Bundesregierung, Bundestag und Länderregierungen die Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zwar schon oft diskutiert haben, ohne jedoch zu einem Entschluß gekommen zu sein. Dieses ist um so mehr erstaunlich, als schon 1951 alle Bundesminister, bis auf den Bundeswirtschaftsminister, einer solchen Angleichung zustimmten. Der letzte war der Meinung, daß eine pünktlichere Verabschiedung des Haushaltsplanes auch bei dem jetzigen Haushaltsjahr ausreichen müsse. Die Finanzminister der Länder hielten 1951 die Angleichung des Haushaltsjahres an das Rechnungsjahr für unzweckmäßig. Nur der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz war geneigt, der Verlegung zuzustimmen. Besonders bemerkenswert ist, daß der Bundesrechnungshof auch im Jahre 1951 eine Angleichung an das Kalenderjahr empfahl. Er stellte anheim, die damalige Bank deutscher Länder dazu zu hören. Geldmarktpolitische Erwägungen waren der Grund dazu. 1218 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 Die Bank deutscher Länder nahm positiv wie folgt Stellung: Würde das Rechnungsjahr in Zukunft am 1. Januar beginnen, so könnte der Bund, der im Januar über besonders hohe Steuereinnahmen verfügt, die mit dem Beginn des Rechnungsjahres zusammenfallenden erhöhten Ausgaben voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von Kreditmitteln finanzieren. Ein eventuell erhöhter Kreditbedarf der Länder könnte bei der im Januar üblichen Verflüssigung des Geldmarktes leichter befriedigt werden, als dies im April der Fall ist. Es will mir scheinen, allein diese Begründung wäre ein sehr gewichtiger Grund für die Verlegung auf das Kalenderjahr gewesen. Aber mitnichten! Alle Bemühungen waren umsonst. Erst im Jahre 1954 im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform wurde ein erneuter Versuch unternommen. Das Bundesfinanzministerium bat die vorher schon erwähnten Stellen nochmals um Äußerung. Am 4. März 1954 erörterten die Finanzminister der Länder abermals diese Frage. Einige Länder zeigten Neigung, andere nicht! Wie könnte es bei uns auch anders sein. Als scheinbarer Ausweg wurde vorgeschlagen, die Abteilungsleiter der Länderfinanzministerien zu der Angelegenheit zu hören. Am 19. Mai 1954 fand die Besprechung statt. Fast ohne Ausnahme waren diese Ministerialvertreter dagegen. Sie meinten, die Haushaltspraxis der Länder sei auf lokale Verhältnisse zugeschnitten und könnte deshalb nicht geändert werden. Darüber kann ich nur erstaunt sein, denn die Körperschaften, die den lokalen Verhältnissen am nächsten stehen, nämlich die Städte und Gemeinden, stimmten durch ihre Spitzenorganisationen einer Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zu. Die Verwunderung über dies Versagen der Länderfinanzminister wird noch größer, wenn man einen Blick in die Geschichte wirft. 1871 hatte das Deutsche Reich für das Haushaltsjahr das Kalenderjahr bestimmt. 1877 wurde dann die Zeit vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des nächsten Jahres zum Haushaltsjahr bestimmt. In den Ländern aber, z. B. auch in Bayern, wurde das Kalenderjahr erst im Jahre 1920 aufgegeben. Es erhebt sich die Frage: Waren die Länder vor 1920 lokal weniger verbunden? Wie sieht es im übrigen in der Bundesrepublik aus? Die Bundesbahn arbeitet seit 30 Jahren mit dem Kalenderjahr, die Bundespost seit 2 Jahren. Auch die deutsche Sozialversicherung machte mit dem Kalenderjahr beste Erfahrungen. Die Verzahnung dieser Einrichtungen bzw. Institutionen mit dem Bundeshaushalt ist gegenwärtig sehr schwierig. Überschneidungen und zusätzliche Arbeiten verursachen ständig Mehrkosten. Viele wichtige Steuerarten werden schon jetzt nach dem Kalenderjahr veranlagt. Wie ist die Lage in Europa? Diese Frage ist wohl zeitgemäß. Die Montan-Union und der Gemeinsame Markt rechnen mit dem Kalenderjahr. In Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden ist das Kalenderjahr das Haushaltsjahr. Ein internationaler Vergleich ist uns Deutschen also bisher erschwert. Welche anderen Gründe sprechen für die Verlegung? Die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden geben der deutschen Volkswirtschaft Aufträge von vielen Milliarden DM. Dies trifft vor allem für die Bauwirtschaft als Schlüsselwirtschaft zu. Durch die Einführung des Kalenderjahres als Haushaltsjahr werden ein besserer Wettbewerb, die rechtzeitige Ausschreibung und Vergabe der Aufträge ermöglicht. Die öffentliche Hand kann günstigere Preise erzielen und dadurch erhebliche Ersparnisse erreichen. Wir wollen doch sparen!? Eine bessere, breitere Verteilung der Arbeiten auf baugünstige Monate ist möglich. Dies ist auch lohnpolitisch sehr wesentlich. Es werden weniger Überstunden, weniger Sonntags- und Nachtarbeit erforderlich. Auch deshalb sind die Arbeiten billiger. Die Betriebe brauchen geringere Betriebsmittel bei den Kreditinstituten anzufordern. Die bessere Ausnutzung der Baumaschinen und Baueinrichtungen, eine günstigere Arbeitsverteilung auf allen Gebieten ist möglich. In der Wirtschaft können weniger unproduktive Zeiten auftreten. Der Haushalt 1958 wird frühestens Ende Juni verabschiedet. Die Folge ist, daß die einzelnen Ministerien frühestens im Juli oder August Aufträge erteilen können. Es ist gar nicht daran zu denken, vor August in den einzelnen Betrieben der Bauwirtschaft, im Hoch- und im Tiefbau den Start für die praktische Arbeit zu geben. Bauten und Straßen werden wieder bis zum Wintereinbruch nicht fertig. Verkehrsstockungen werden unausbleiblich sein, weil auch in den langen Wintermonaten Baustellen in den Straßen nicht zu vermeiden sein werden. Das Kapital für diese Arbeiten liegt fest und ist ohne rechten Ertrag. Der Beginn des Rechnungsjahres mit dem 1. Januar dagegen läßt ausreichend Zeit für Arbeitsvorbereitungen bis zum Eintritt baugünstiger Witterung. Neben fiskalischen Vorteilen stehen allgemein günstige volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die winterliche Spitze der Arbeitslosigkeit würde beim rechtzeitigen Einsetzen der Mittel der öffentlichen Hand etwa in der 2. Hälfte des Monats März oder spätestens im Monat April schneller abgebaut werden können. Millionen DM der Unterstützungen für Arbeitslose würden wahrscheinlich gespart und für produktive Zwecke freigemacht. Die Länder behaupten, ein Hindernis für die Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr sei das jetzige Schuljahr, das mit dem Haushaltsjahr übereinstimme. Der Schuletat sei der größte Etat im Länderhaushalt. Nach meiner Auffassung Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 1219 ist diese Begründung nicht durchschlagend. Notfalls wäre sogar zu überlegen, das Schuljahr ebenfalls mit dem Kalenderjahr Bleichlaufen zu lassen. Es würde sicherlich ein Vorteil mindestens erreicht, daß der Kummer mit der versagten Versetzung einiger Kinder gleich im Silvesterrausch ertränkt wäre. Auf keinen Fall sollte man die Zeugnisse vor Weihnachten ausgeben. Als weiterer Einwand wird vorgebracht, daß die rechtzeitige Verabschiedung des Haushaltsplans im Rahmen eines Kalenderjahres wegen des Sommerurlaubs der mit dem Haushalt befaßten Volks- und Ministerialvertreter zweifelhaft sei. Keine Begründung ist verwunderlicher als diese, denn: Sind bei der Post bisher Urlaubswünsche unerfüllt geblieben? Fahren Züge weniger, werden Briefe der Post weniger zugestellt oder Renten in den Urlaubsmonaten nicht pünktlich ausgezahlt? Auch im Ausland geht es. Warum dann nicht auch bei uns? Das Kalenderjahr ist ein natürlicher Rhythmus, menschlich und auch wirtschaftlich gesehen. Alles in allem, schneiden wir endlich den alten Zopf ab im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden und schaffen wir eine moderne Frisur! Sie ist nicht nur schöner, sondern auch praktischer. Die Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung wird in diesem Zusammenhang noch stärkere Impulse auslösen können. Für eine steuerliche Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit ist sie unerläßlich. Die 1951 gehörten Sachverständigen verneinten bereits glatt, daß bei der gegenwärtigen Regelung eine gleichmäßige und gerechte steuer- liche Erfassung gesichert sei. Eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung könnte sparsamer und rationeller arbeiten. Als Beispiel mag nur verwiesen werden auf die 150 Ländererlasse in 9 Ländern zu dem § 7 c des Einkommensteuergesetzes. Diese Erlasse waren veröffentlicht. Die Zahl der nicht veröffentlichten Erlasse ist wahrscheinlich noch größer. Die Steuerfahndung ist zweifellos nicht beliebt. Bei der einheitlichen Durchführung könnten Übergriffe besser vermieden werden als in der gegenwärtigen Verwaltung bei den Ländern. Sie würde auch wirksamer sein. Die Betriebsprüfung hat mit der Steuerfahndung nichts zu tun. Dennoch kann man sich gegenwärtig des Eindrucks nicht erwehren, als würden einige Länder diese Betriebsprüfung zu einer Art Steuerfahndung mißbrauchen. Es ist wohl kein Zweifel darüber, daß alle sachverständigen Persönlichkeiten eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung als das Gebot der Stunde ansehen. Die FDP brachte bereits am 22. Mai 1951 einen entsprechenden Gesetzentwurf durch den inzwischen leider verstorbenen Bundestagsabgeordneten Höpker-Aschoff ein. Leider wurde dieser, wenn auch erst am 6. Mai 1953, in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt, weil die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Art. 108 des Grundgesetzes nicht erreicht wurde. Damals stimmten nur die Abgeordneten der FDP und der SPD geschlossen für diesen Antrag. Es ist erfreulich, daß nunmehr auch die CDU/CSU und die DP sich zu dieser alten Forderung der Freien Demokraten bekennen.
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    Rede von Hans Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in jedem Jahr hat auch in diesem das hohe Haus die Einbringung des Haushalts — in diesem Jahr eines 40-Milliarden-Haushalts — mit Gelassenheit und die Rede des Finanzministers ohne seelische Erschütterung hingenommen. Ob das gut, ob das richtig ist, sei dahingestellt. Trotzdem scheint es mir -- mein Gefühl kann mich täuschen —, daß in der heutigen Rede ein neuer Akzent zu spüren war.
    Ich habe den Eindruck, daß die Bundesregierung heute den Haushalt nicht eingebracht, sondern durch den Mund des Herrn Bundesfinanzministers der Volksvertretung mitgeteilt hat. Die alten Fuhrleute des Haushaltsausschusses wissen, wie riskant es ist, bei der Vorlage des Haushalts allzu viele Versprechungen zu machen. Denn wir wissen, daß wir in einigen Monaten klüger sein werden und daß die Haushaltssuppe, die heute so ein wenig unter dem Motto „Hoffnungslos, aber nicht verzweifelt" serviert wurde, wiederum heißer gekocht ist, als wir sie dann bei den letzten Abstimmungen — wir wollen einmal sehen, wann sie stattfinden — zu uns nehmen. Die Regierung hat gesagt, man bitte freundlichst zu entschuldigen, daß der Haushalt so spät komme, man wolle es gewiß nicht wieder tun. Nun, wir sind gebrannte Kinder und hören die Botschaft. Es gehört schließlich zum altehrwürdigen Metier des Finanzministers, auch über dem ohnedies gewohnt grauen Alltag der Finanzen immer noch ein paar ganz besonders düstere Wolken aufziehen zu lassen, damit unsere — des Parlaments — bewährte Bewilligungsfreude gelähmt wird und das 40-Milliarden-Projekt nicht noch einige große Aufgaben aufgeladen bekommt.
    Betrachtet man nämlich den Haushaltsplan — sehr viel Zeit hatten wir dazu ja nicht; im großen ganzen haben ihn die Fraktionen gestern frühbekommen—, so hat man den Eindruck, daß er so sehr viel Sensationelles nicht enthält, auch nicht so viel Neues an gedanklichem Fortschritt, aber vielleicht einige Enttäuschungen. Diese Enttäuschungen zeigen uns, daß wir so ganz allmählich doch in einen recht verhängnisvollen Kurs unserer Finanzpolitik hineingeraten. Ich darf gleich am Anfang sagen: Was wir an Fritz Schäffer hatten, mögen wir seine Thesen geteilt haben oder nicht, das wußten wir alle in diesem Hause. Es war Ordnung in den Finanzen,



    Lenz (Trossingen)

    und wir konnten nie überrascht werden, daß kein Geld mehr da war; es war höchstens umgekehrt.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr richtig!)

    Aber jetzt haben wir alle — verehrte Frau Kollegin Weber, ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht — ein wenig das unbehagliche Gefühl, daß es um eine mit vielen Worten verbrämte Aufweichung nicht nur unserer guten Mark, sondern unserer letztlich nicht sehr phantasievollen, aber doch ganz soliden finanzpolitischen Prinzipien geht. Ich weiß nicht, ob wir auf diese Weise nicht langsam in den leider sehr deutlich spürbaren internationalen Entwertungsstrudel hineinkommen.
    Zunächst möchte ich Herrn Kollegen Schoettle auch im Namen meiner Freunde beipflichten, wenn er sich gegen die Behandlung des Parlaments, die in der verspäteten Einbringung des Entwurfs und der Forderung nach überstürzter Verabschiedung liegt, kräftig zur Wehr gesetzt hat. Man muß sagen, daß hier eine prächtige Logik vorliegt. Man nimmt sich selber vier Monate mehr Zeit als eigentlich üblich, verlangt aber von uns, verlangt vom Haushaltsausschuß, verlangt vom Plenum, daß diese Verspätung eingeholt und der Haushalt zum selben Zeitpunkt wie im Vorjahr verabschiedet wird.

    (Zuruf des Abg. Wehner: „Obrigkeit".)

    Ich will gar nicht besonders dramatisch werden,
    Herr Kollege Wehner, es steckt natürlich darin. Ich
    sage auch: der Haushalt ist uns „mitgeteilt" worden.
    Wir wissen genau, daß ein Haushaltsplan, der erst am Ende des Rechnungsjahrs, für das er bestimmt ist, fertig wird, an sich seinen Sinn verliert. Hinzu kommt, daß die Exekutive, was wir überhaupt nicht leiden können, eigentlich, solange wir den neuen Haushalt nicht verabschiedet haben, Herr der Situation ist und allein regiert. Aber wir möchten unsere Pflicht nach gründlicher Prüfung des Haushaltsentwurfs nachkommen. Wir haben ein kräftiges Mißtrauen gegen alle Versuche, etwas zu schnell an den kritischen Augen des Haushaltsausschusses vorbeiziehen zu lassen. Wer besondere Eile hat, hat Grund dazu. Diese Gründe können nur sein, daß man eine sorgfältige Aufhellung dieses oder jenes Punktes nicht wünscht. Ein paar von diesen Punkten kennen wir schon. Sie werden im Ausschuß gebührend zur Sprache gebracht werden.
    Dazu kommt vielleicht noch ein Zweites. Wenn der Finanzminister die Lage schon mit Düsterkeit gezeichnet hat, können wir schlecht in voller Unbekümmertheit über seinen Haushaltsplan leichtfertig hinwegsehen. Schließlich haben wir — wir, das Parlament, die neueste Gesetzgebung — das berühmte Drittel Sozialprodukt, das für öffentliche Zwecke benötigt wird, weit überschritten. Es ziemt sich wohl schon aus diesem Grunde, den geradezu furchtbaren Trend zu weiteren Ausgabenerhöhungen mit aller Sorgfalt zu untersuchen. Ich glaube, der Ausschuß ist sich darüber klar, daß er beschleunigt arbeiten muß. Aber er sollte sich jedem Versuch einer Überrollung mit Schärfe entgegenstellen.
    Ich möchte auch persönlich feststellen, daß ich den Eindruck bekommen habe, daß nach unserer Auffassung die Regierung diese Zeit nicht hätte zu nehmen brauchen. Der Entwurf, der doch in einer ganzen Menge von Punkten nach wie vor die kräftige Hand des Vorgängers verrät, war ja praktisch im Oktober vorigen Jahres fertig. Es ist eine für mein Empfinden überflüssige Pause eingetreten, die, soweit man sehen kann, einiges Geld gekostet hat.
    In der Öffentlichkeit ist sehr viel darüber gesprochen worden, und man hat dem neuen Herrn Bundesfinanzminister Kränze gewunden, mit welcher Energie er die Mehranforderungen der Ressorts zurückgedämmt hat. Man spricht von der Summe von 4,7 Milliarden DM. Eine Heldentat, die sein Vorgänger offenbar nie vollbracht hat! Dies ist aber nicht wahr. Wenn ich mich recht entsinne, waren es bei Herrn Schäffer immer mindestens 4, manchmal sogar 6 bis 7 Milliarden DM, die dem sogenannten Rotstift zum Opfer fielen; und damals hatten wir volle Kassen.
    Jetzt hat man offenbar die letzte Schublade des Juliusturms aufgezogen. Ich frage: hat man sich wirklich ernsthaft um Kürzungen oder Streichungen bemüht, oder ist nicht sogar ein Teil dieser 4,7 Milliarden DM vom Vorgänger des Herrn Etzel abgesägt worden? Hat man nicht — sonst wäre der Haushalt in seinem Volumen ja nicht so groß bzw. größer geworden — vielleicht doch ein wenig zu konzessionsfreudig manchem Ressort recht gegeben? Wo sind die Kürzungen und Streichungen, die wirklich wehgetan haben?
    Ich habe den Eindruck, daß auch dieser Haushalt in Wirklichkeit leider den Weg einer neuen Ausgabenförderung gegangen ist. Man versucht zwar, es nicht wahrzuhaben, aber ich kann es nicht sehen. Wenn man die Einzelpläne durchblickt, findet man die alten Bekannten wieder. Ich verbrenne mir jedes Jahr an dieser Stelle den Mund, und ich tue es auch diesmal wieder, wenn ich voller Besorgnis auf diese Ausgabensteigerungen und auf die immer größer werdende Knechtschaft des einzelnen in der öffentlichen Finanzverstrickung hinweise.
    Mit einer Logik, die sich nur gegen sich selbst richten kann, hat der Finanzminister davon gesprochen, daß die Fordernden letzten Endes auch immer die Zahlenden seien. Aber ich finde in diesem Haushaltsplan nichts, was darauf hindeutet, daß man aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen hat. Wir hören die Sorgen der Zukunft, wir hören den Jammer um die kommenden großen Verpflichtungen. Aber man hört in der Öffentlichkeit schon gar nicht mehr hin, wenn wir dieses Thema anschlagen. Wir haben es lange genug gehört, und immer war die Kasse noch voll. Und jetzt werden wieder die sogenannten Juliusturm-Milliarden als eine Form von „Fritz-Schäffer-Gedächtnisfonds"

    (Heiterkeit — Beifall rechts)

    zum Ausgleich in den Topf geworfen, damit der
    verfassungsmäßige Haushaltsausgleich gewahrt
    wird. Aber wir alle wußten doch — wir sind ja nicht Auguren, sondern ganz ernsthafte Leute —, daß am Ende dieses Rechnungsjahrs das gleiche Bild erscheint, daß nämlich die Kasse noch nicht leer und andererseits der Berg der Verpflichtungen noch



    Lenz (Trossingen)

    höher ist. Ich komme zum Verteidigungshaushalt, dessen Verpflichtungen ja diesen Berg bilden, noch zurück. Ich will nur sagen, daß ich immer wieder Schmunzeln begegne, wenn man die Sache mit der Einstellung der 3 Milliarden DM Kassenmittel drannimmt. War das denn nicht der Hauptvorwurf gegen Fritz Schäffer?, fragte man allgemein, und man kann diese Frage nur bejahen. Es wäre eine Leistung gewesen, diese 3 Milliarden DM für ihre wirkliche Bestimmung zu sichern und dafür einmal die Ausgaben so hart anzupacken, wie es unser immer bescheidener werdender Anteil am Ergebnis der nationalen Arbeit verlangt. Dieser Haushalt bringt all unsere alten Freunde wieder, und er hat infolgedessen kein Geld für die notwendigen großen Aufgaben, bei deren Lösung wir von Jahr zu Jahr mit den gleichen Unzulänglichkeiten weiterwursteln.
    Wir machen uns aber auch darin nichts vor, daß dieser Haushaltsplan eine Anzahl Risiken mehr enthält als seine Vorgänger. Ich weiß, offengestanden, wirklich nicht, Herr Minister, was es nach den leider sehr enttäuschenden Einnahmen des Jahres 1957 für einen Sinn haben kann, mit den Schätzungen für das Jahr 1958 über das Zulässige weit hinauszugehen. Den Satz auf Seite 12 der Haushaltsrede, wo es vom „Zweckpessimismus" heißt: „Ich brauche diese optimistischen Einnahmeschätzungen auch, um weiteren Wünschen nach Ausgabeerhöhungen und Einnahmesenkung entgegenzutreten", habe ich nicht verstanden. Höhere Titel auf der Einnahmeseite können doch nur bedeuten, Platz für neue Ausgaben zu schaffen.
    Nach den Äußerungen kurz nach Ihrem Amtsantritt, Herr Minister, in denen Sie uns Hoffnung machten, Sie würden diesen Haushalt von soundso vielen Subventionstiteln befreien, waren wir voller Erwartung. Was ist geschehen? Als die Bundesbahn ihre neuen Tarife erhielt und der Steuerzahler für diese Preiserhöhungen rund 700 Millionen DM aufzubringen hatte, dachten wir: jetzt ist die neue Weiche gestellt. Schauen wir in den Haushalt, so stellen wir zu unserem Schrecken fest, daß die neue Subvention der Bundesbahn noch größer ist als die alte abzüglich der Tariferhöhung. So ist es auch in anderen Haushalten. Wo Einnahmetitel vergrößert worden sind, marschieren auf dem Rücken dieser Titel neue Ausgaben in die Arena des Haushalts ein.
    Die von dem Föderalisten Fritz Schäffer mit erstaunlich geringer Begeisterung gegebenen Kassendarlehen an die Länder sind im Haushaltsplan 1958 unter den Rückeinnahmen aufgeführt. Wer in diesem Hohen Hause glaubt schon, daß diese Darlehen zurückgezahlt werden?! Da wir gerade bei den Ländern sind, frage ich, wer der Ansicht ist, daß der Bund in diesem Jahr bei den Bundesanteilen und den übrigen Streitfragen mit den Ländern keine Federn lassen muß? Ich habe den Eindruck, daß sich der Herr Bundesfinanzminister durch freundliche Gespräche auf einiges eingelassen hat und, wie wir glauben, leider einen Teil dieser Zeche wird bezahlen müssen. Wir haben in den letzten Jahren in diesem Hause aus schmerzhaften Erfahrungen immer mehr und mehr gelernt, daß es ein verhängnisvolles Unterfangen ist, in dem kalten, glasklar abgegrenzten Gebiet der Finanzbeziehungen zwischen
    Bund und Ländern mit allgemeinen und freundlichen Redewendungen neue Diskussionen zu entfachen. Wer hier die Tür aufmacht, bekommt sie nicht mehr zu, und man hört ja, daß der Herr Finanzminister allerhand Entgegenkommen angekündigt hat, um aus dieser bösen Sache herauszukommen. Wer die Erklärungen des Bundesrats zum Bundeshaushalt liest, wird das dunkle Gefühl nicht los, daß die Länder diesmal an einem recht starken Hebel sitzen.
    Aber diese Risiken sind neu geschaffen worden, und man fragt sich, wie der Herr Bundesfinanzminister auf die Dauer auch nur bei 50 % igem Erfolg die im Winde flatternden Einnahme- und Ausgabezahlen wieder zu einem Ausgleich zusammenbringen will. Denn darüber sind wir uns klar: der jetzige Ausgleich steht auf dem Papier. Schon aus diesem Grunde lehnen wir es ab, an dem beabsichtigten Schnellkochkurs für Budgetverabschiedungen teilzunehmen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Aber ich glaube — ich glaube es sogar zu wissen —, daß der Herr Finanzminister auch die dunkelste Steile seines Haushaltsentwurfs kennt und daß er angesichts der riesigen Fragezeichen seiner Einnahmeseite hierauf seine Hoffnungen setzt. Sie ahnen es, meine Damen und Herren: es ist der Verteidigungshaushalt. Ich möchte nicht in einen falschen Verdacht kommen. Die Freien Demokraten bejahen die Notwendigkeit — die bittere Notwendigkeit —, für unsere Sicherheit große finanzielle Opfer zu bringen. Was ich hier meine, betrifft die haushaltsmäßige Behandlung des Einzelplans 14 mit seiner kurzen aber überaus wechselvollen Geschichte. Dieser Einzelplan 14 ist ja alles in allem genommen der eigentliche Vater des berühmten Juliusturms, wenn man die Besatzungsmittel abzieht, die inzwischen völlig verschwunden sind. Man kann sagen, daß der Verteidigungshaushalt seit seinem Bestand alle, die Bundesregierung und den Bundestag, zum Narren gehalten hat. Einmal waren über 5 Milliarden eingestellt, und nur 100 Millionen wurden ausgegeben, und so ging es Jahr für Jahr und geht es weiter. Herr Schäffer bekam die Prügel, weil der Verteidigungsminister ihm nicht die richtigen Zahlen geliefert hat.
    Ich glaube, daß die Sache diesmal nicht wesentlich anders ist, allerdings nicht mehr mit einigen Milliarden, aber sicherlich und wahrscheinlich mit einer ganzen runden Milliarde, die nach meinem Empfinden zuviel drinsteht, weil der Verteidigungsminister sie trotz aller Versicherungen nicht wird ausgeben können. Man könnte sie vielleicht als eine Manövriermasse verwenden, man könnte vielleicht die Steuern senken oder könnte den Straßenbau ein wenig bedienen. Wie hat man in den letzten Jahren mit den Zahlen des Verteidigungshaushalts gespielt! Noch kurz vor den Septemberwahlen hat der Herr Bundesverteidigungsminister erklärt, daß er schon in den ersten 9 Monaten des Rechnungsjahrs 1958 mindestens 10 Milliarden DM ausgeben werde; auch seinen 57er Ansatz wolle er ganz ausschöpfen. Man kann annehmen, daß 2 Mil-



    Lenz (Trossingen)

    liarden DM von diesen 57er Mitteln übrigbleiben werden und daß auch 1958 keine 9 Milliarden DM, geschweige denn 10 Milliarden DM ausgegeben werden. Er hat schließlich auch noch seine Ausgabenreste, von denen heute schon gesprochen wurde und von denen wir wissen, daß sie doch einen ganz entscheidenden Beitrag zu dem berühmten Zerwürfnis zwischen Kanzler und Finanzminister geleistet haben. Wenn man jetzt den Haushaltsplan von 1958 ansieht, ergibt sich, daß Herr Schäffer nachträglich recht behalten hat. Die Verpflichtungen aus den alten Ermächtigungen sollen aus neuen Mitteln getragen werden. Man kann die Beteiligten dazu nur beglückwünschen. Aber ich bleibe dabei: der 10-Milliarden-Ansatz für 1958 ist vielleicht kein Kuckucksei, Herr Schoettle, vielleicht kein Straußenei, Herr Dr. Vogel, aber er scheint mir ein Windei zu sein; es dürften höchstens 9 Milliarden DM, wenn nicht weniger benötigt werden. Hier ist eine Kernfrage des Haushalts 1958. Ich habe mich sehr gefreut, Herr Kollege Vogel, daß Sie Ihre Bereitschaft erklärt haben, dieses Problem ganz sauber und gründlich auszudiskutieren.
    Wenn man dieser Ansicht folgt — und warum sollte sie falsch sein, nachdem sie sich in ein paar Jahren als richtig erwiesen hat? —, dann wird klar, daß das Wort des Finanzministers vom Wandeln hart am Rande des Defizits vielleicht Material für Schlagzeilen und kluge Aufsätze, aber noch nicht Wirklichkeit ist. Die Folge dieser neuen Haushaltspolitik, die der neue Minister eingeschlagen hat, wird leider nur sein, daß wir weiter im Besitz von Mitteln bleiben und daß er neue Konzessionen an Interessenten, an Länder, an Alliierte usw. finanzieren muß. Später wird — darüber sind wir uns wohl auch klar — der Katzenjammer kommen, und wir haben uns vorher der Mittel beraubt, um unseren Verpflichtungen gerecht werden zu können. Dieses Defizit — Herr Dr. Vogel, Sie haben es auch angesprochen, und es ist Ihnen ebenfalls klar —, nicht das des jetzt vor uns liegenden Haushaltsentwurfs, sehen wir vor uns, wenn wir in die finanzielle Zukunft blicken. Deshalb stehen wir mit so großen Vorbehalten den Erklärungen von heute früh gegenüber, die letztlich allen Versprechungen zu bieten haben, die aber wahrscheinlich nicht eingehalten werden können. Ist es denn nicht irgendwie köstlich, zu hören, daß „leider" keine andere Möglichkeit bestanden habe, als die 3 Milliarden Kassenmittel zu Deckungsmitteln zu machen? Sicher werden wir, sicher wird das Haus wieder angegriffen werden, daß wir so etwas mitgemacht haben. Wir werden zu Recht angegriffen werden, daß wir diese Sünde wider den Geist des Haushalts wiederum begehen, daß wir neuen Ausgaben Tür und Tor öffnen. Darauf ergeben sich dann in der Öffentlichkeit die Sätze vom „Milliardentaumel des Parlaments" und ähnliche Bemerkungen mehr. Hier liegt der Grund: weil wir immer wieder in unserer Mehrheit ja dazu sagen, daß man den Haushalt mit der Kasse decken kann!
    Zu vielen der hier berührten Themen könnten geistreiche Beiträge geliefert werden, aber ich will Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Ich
    nenne nur die Einheit der öffentlichen Finanzen, das angeblich so bedenkliche Steigen der öffentlichen Ausgaben an allen Fronten, Probleme des Wohlfahrtsstaates, die gewaltigen Sozialaufwendungen, die Bemühungen der Bundesregierung um eine Vereinfachung und Einschränkung der Verwaltung. Ich weiß nicht, ob der Kollege Bergmeyer anwesend ist; auch er weiß, es hat keinen Sinn, darüber zu sprechen. Wer glaubt denn ernstlich daran, daß sich in den festgefahrenen Gleisen noch allzuviel rangieren ließe!

    (Abg. Niederalt: Dann müssen wir resignieren!)

    — Leider können diejenigen, die laufend mit diesen Dingen zu tun haben, das Gefühl der tiefen Resignation nicht loswerden.
    Der Herr Bundesfinanzminister sprach von den stürmischen Zeiten, die im nächsten Jahre und im übernächsten Jahre heranrücken. Warum schafft man sich, wenn man das glaubt oder wenn man das weiß, zu den Schwierigkeiten, die man ohnehin schon hat, noch zusätzlich Konflikte?
    Über ein Wort des Herrn Finanzministers — es steht, glaube ich, nicht in der Regierungserklärung, aber es ist in der Öffentlichkeit gesagt worden —, über den Satz, daß sich die Bundesregierung um eine Beschränkung der Personalausgaben bemühen werde, haben wir doch ein wenig — entschuldigen Sie! — lächeln müssen. Man betrachte nur diesen Haushaltsplan, der — das Wort stammt, glaube ich, von Ihnen, Herr Kollege Schoettle — personell geradezu aus den Nähten platzt!
    Man darf in diesem Punkt nicht immer nur auf die Zahl der 2050 Stellenvermehrungen blicken, man muß auch einmal auf die Stellenhebungen sehen, auf die Stellenhebungen, mit denen sich vornehmlich die Ministerien gesegnet haben. Auch hier muß leider von einer gewissen Konzessionsfreudigkeit oder Uninteressiertheit des Finanzministers gesprochen werden. Mir haben Ressortvertreter gesagt, daß er sich im allgemeinen an diesen Dingen nicht beteiligt habe, Ressortvertreter, die mit einer legitimen Kombination von Herzklopfen und Magenbeschwerden zu den Referentenbesprechungen gekommen und dann herausgegangen sind und gesagt haben: Der neue Herr, er ist ja gar nicht so schlimm.

    (Heiterkeit.)

    Da kann man doch nur ganz gerade heraus fragen: Wo liegt denn das Geld? Wo denn sonst, wenn nicht bei den Ausgaben für neue Beamte und Angestellte! Die kosten nicht nur die 25 Millionen D-Mark im Jahre, die sich da summieren, sondern diese neuen Beamten schaffen sich neue Aufgaben, und für diese neuen Aufgaben verschaffen sie sich neue Mittel.

    (Abg. Niederalt: Das ist es! — Das ist der Kern!)

    Leider ist da eine neue Art eingezogen, die uns Schwaben, die wir für sparsam gelten, gar nicht so recht gefällt, und die mit der gebotenen Leistung



    Lenz (Trossingen)

    nichts zu tun hat. Ich spreche damit ein heikles Thema an, auch auf die Gefahr hin, mir Feinde zu schaffen. Man muß sich in der Tat einmal fragen, wie viele Leute in Bonn sehr hohe Gehälter beziehen. Man wird da erstaunliche Feststellungen machen. So ein schlichter Ministerialdirektor mit 35 000 DM Brutto ist schon gar nichts mehr. Von einem Ressort erzählt man sich, daß es doppelt so viele Planstellen bekommen habe, als es sich vorsichtigerweise selber ausgerechnet hatte.

    (Lebhafte Zurufe. — Abg. Dr. Gülich: Deutlicher werden!)

    — Bei der ersten Lesung ist man im allgemeinen ein wenig allgemein. Gerade mit Rücksicht auf solche Dinge, Herr Kollege Gülich, sind wir nicht gewillt, die Haushaltsberatungen im Geschwindschritt zu durcheilen, selbst wenn wir alle wohl der Meinung sein werden — ich habe das wenigstens den Ausführungen von Herrn Kollegen Vogel entnommen —, man solle einen Teil der Personalfragen ausklammern.
    Über etwas hat der Herr Finanzminister nicht gesprochen: über den Ausverkauf seines eigenen Hauses aus Anlaß der Kabinettsbildung. Die planmäßige Schwächung des Finanzressorts, die dabei stattgefunden hat, wirft schwere Fragen auf, die die Linie der deutschen Finanzpolitik unmittelbar berühren. Es wird sich herausstellen, ob der Regierungschef gut beraten war, als er aus einem der besten Bonner Ministerien einzelne Stücke herausriß und sie guten Freunden gab oder zur Herstellung der konfessionellen Parität verwendete. Mit einem schwachen Finanzminister ist uns nicht gedient.
    Warum hat man andererseits — um einen Gegenvorschlag zu machen — kein Europaministerium geschaffen, das die doch so dringend notwendige Koordinierung der Europafragen in den Bürokratien hätte vornehmen können? Man fragt sich: Mit wem spricht eigentlich jetzt Herr Hallstein, wenn er nach Bonn kommt? Immer nur mit den Europaabteilungen der einzelnen Fachministerien, oder überhaupt nicht? Das wäre doch immerhin etwas gewesen. Nachdem kürzlich von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, klar herausgestellt worden ist, daß die Organisationsgewalt kein Reservat der Regierung ist, wird man sich vielleicht fragen müssen, ob man nicht von unserer Seite einmal hier im Parlament ein Wort dazu sagen sollte.
    Nun, ich möchte den Haushaltsausschußberatungen nicht allzusehr vorgreifen. Wir versprechen, an diesen Beratungen mit der im Haushaltsausschuß seit Jahr und Jahr geübten Fairneß und Sachlichkeit mitzuarbeiten und bei der Lösung der vielen Fragen mitzuwirken. Aber wir stellen jetzt schon .mit Nachdruck fest, daß wir gegen die Gesamtanlage des Haushalts schwere Bedenken haben und daß uns der hier vorliegende Kompromiß zwischen alten, guten und neuen, bedenklichen Plänen nicht gelungen zu sein scheint. Die 40 Milliarden, die es zu verteilen gibt, flößen uns Schrecken ein, weil nur noch Statistiken, aber keine Menschen
    mehr hinter den von Jahr zu Jahr ansteigenden Zahlen sichtbar sind. Wir haben immer das verteilt, was die Verteidigung unverbraucht gelassen hat. Jetzt verkriecht man sich hinter angeblichen Dauerlasten, die sowohl eine Steuersenkung als auch ein Verbleiben bei den bisherigen Ausgabezahlen unmöglich machen. Das ist und bleibt unser Haupteinwand gegen diesen Haushalt, daß er den Versuch einer wirklichen Bändigung der Ausgaben-wünsche und damit einer Beendigung dieser modernen Form der Sklaverei überhaupt nicht mit Ernst unternommen hat.
    Herr Bundesfinanzminister, ich pflege bei der Haushaltsrede mit irgendeinem klassischen Zitat zu beginnen oder zu schließen. Ich habe in Hebbels Nibelungen nachgesucht, ob Hebbel den König Etzel irgend etwas Gescheites sagen läßt.

    (Heiterkeit.)

    Es ist mir nicht recht geglückt, und ich habe wiederum zu meinem Landsmann Schiller gegriffen, der Wallenstein in seiner weltanschaulichen Verstrickung sagen läßt — und das scheint mir ein wenig auf Ihre Lage zu passen, der Sie sich vielleicht in der Lage Wallensteins befinden —:
    „Eine Mauer
    Aus meinen eigenen Taten baut sich auf, die mir die Umkehr türmend hemmt."

    (Beifall bei der FDP und SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und
Herren, es ist nur noch ein Redner gemeldet. Ich schlage Ihnen vor, daß wir durchverhandeln. Das wird besser sein, als uns um halb drei wieder zusammenzufinden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schild.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Freunde von der Fraktion der Deutschen Partei habe ich bei der ersten Lesung dieses Haushaltsplanes folgende Ausführungen zu machen.
    Wir danken zunächst dem Bundesfinanzminister für die, aus unserer Sicht gesehen, neue Linie der Haushaltspolitik, die wir längst nicht so pessimistisch beurteilen wie mein Herr Vorredner; sie betrifft das Thema „Haushalts- und Finanzpolitik am Rande des Defizits".

    (Zurufe von der FDP: New look!)

    Nun, wir haben auch bei den vergangenen Haushalten immer eine Thematik gehabt. Der Bundesfinanzminister hat manchmal das Thema gestellt „Haushalt der Stabilität", ein andermal „Haushalt der sozialen Vorsorge", und manche andere Thematik ist in den letzten vier Jahren von dem Bundesfinanzminister vermerkt worden. Wir hoffen, daß die verkündete Thematik in den nächsten vier Jahren nicht geändert wird, d. h. daß es bei der Haushalts- und Finanzpolitik am Rande des Defizits bleibt, mit anderen Worten: daß der Ausgabenstopp, von dem Sie sowohl von dieser Stelle aus wie

    Dr. Schild
    auch sonst in der Öffentlichkeit gesprochen haben, verwirklicht wird.
    Für die Beurteilung der Möglichkeiten dieses Ausgabenstopps und dessen, was Sie hier heute gesagt haben, ist es nicht nur sehr interessant, den Wortlaut Ihrer Rede zu verfolgen. Viel mehr Material steckt ja in den Allgemeinen Vorbemerkungen, für die Sie persönlich verantwortlich zeichnen und von denen Sie sagen, daß sie keinen Kabinettsbeschluß darstellen und nicht etwa Material sind, für das das gesamte Bundeskabinett verantwortlich ist.
    In diesen Allgemeinen Vorbemerkungen haben mich eine ganze Anzahl Dinge interessiert, die man doch als Ergänzung Ihrer Haushaltsrede hinzuziehen muß, wenn man sich ein Gesamtbild über die Situation machen will, vor der wir stehen.
    Ich möchte von der Frage des Ausgabenstopps ausgehen und den Herrn Bundesfinanzminister fragen: Ist diese Erklärung ehrlich oder nicht? Sie haben bei einer Gelegenheit, bei der auch ich anwesend war, gesagt: An die Zahlen, die ich Ihnen in diesem Haushalt unterbreite, überhaupt an die Zahlen, die ich Ihnen vorlege, glaube ich persönlich. — Nun, in den vier .Jahren der zweiten Legislaturperiode habe ich — das muß ich sagen -nicht immer an alle Zahlen geglaubt. Da Sie in der Öffentlichkeit gesagt haben, daß Sie an diese Zahlen glauben, müssen wir das Grundsätzliche Ihrer Rede zu den Allgemeinen Vorbemerkungen in Relation setzen.
    Ausgabenstopp heißt für mich: es bleibt jetzt im wesentlichen bei den im Haushaltsplan 1958/59 eingesetzten Ausgaben, soweit sie durch die Innenpolitik bedingt sind. Ob man hei den außenpolitischen Ausgaben zu einem Ausgabenstopp oder überhaupt zu einer Veränderung nach oben oder unten kommt, hängt nicht allein von uns ab. Ob wir dagegen bei allen innenpolitischen Ausgaben — also auf dem Gebiete der Investitionen, auf dem Gebiete der Sozialpolitik und auf allen möglichen anderen Gebieten — zu einer bestimmten Begrenzung, zu einem festen Plan unserer Ausgaben kommen, hängt doch unmittelbar mit der Frage des Ausgabenstopps zusammen.
    Aus irgendeiner Seite der Vorbemerkungen kann man entnehmen, daß die Steuereinnahmen von Bund und Ländern für 1958/59, 1959/60 und 1960/61, also schon für drei Jahre vorgeschätzt sind. Bei dieser Vorschätzung kommen Sie für diese drei Jahre bereits auf eine Steuermehreinnahme von 7 Milliarden DM für Bund und Länder. Diese Vorschätzung gibt doch zu denken! Sie veranschlagen — und zwar steht das auf den Seiten 207 und 208 der Allgemeinen Vorbemerkungen — für 1958 59 für Bund und Länder 45,7 Milliarden, für 1959/60 49,3 Milliarden und für 1960/61 52,5 Milliarden DM an Steuereinnahmen. Sie rechnen also mit einer zusätzlichen Steuereinnahme. Für die Verteilung dieser Mehreinnahmen legen Sie den augenblicklich zwischen Bund und Ländern bestehenden Verteilungsschlüssel zugrunde. Es ergibt sich die Frage, was mit diesen Steuereinnahmen bei einem effektiven Ausgabenstopp und auch unter der Tendenz: Haushalt am Rande des Defizits geschieht.
    Diese Zahlen haben mir zu denken gegeben, weil diese Grundfrage hier nicht erörtert ist, wie ja sehr viele wesentliche grundsätzliche Fragen in Ihrer Rede nicht berührt worden sind. Die Rede ist nicht nur hinsichtlich dessen interessant, was Sie gesagt haben, sondern auch besonders hinsichtlich dessen, was Sie nicht gesagt haben. Bei einem effektiven Ausgabenstopp wird von Ihnen für die kommenden Jahre eine erhöhte Steuereinnahme geschätzt, in bezug auf die man fragen muß, was mit ihr geschieht.
    Zweitens ist in den Vorbemerkungen gerade mit Rücksicht auf den Ausgabenstopp von einer Relation zwischen Sozialprodukt und Steuereingängen die Rede. Ich vermisse eine Antwort auf die selbstverständliche Frage, ob diese Relation zwischen Sozialprodukt und Steuereingängen in der Zukunft dieselbe bleiben soil oder nicht. Diese Frage wird in den Vorbemerkungen umschifft; man bekommt darauf keine klare Antwort. Es wird zwar dargestellt, wie in den letzten Jahren die Entwicklung des Sozialprodukts und im Verhältnis dazu die Entwicklung der Steuereinnahmen gewesen ist. Die Schwankungen sind nicht allzu groß. Aber für die Frage des Ausgabenstopps ist doch auch entscheidend, ob man eine Finanzpolitik mit der Aussicht auf einen gleichbleibenden Zuwachs des Sozialprodukts und damit auf steigende Einnahmen betreibt, wie sie auf den Seiten 207 und 208 effektiv dargestellt worden sind. Meine politischen Freunde
    werden Sie bei den Beratungen im Haushaltsausschuß auf diese Grundsatzfrage ansprechen, ob es bei der bisherigen Relation zwischen Sozialprodukt und Steueraufkommen bleiben soll oder ob Sie beabsichtigen, diese Relation zu verändern.
    Einige entscheidende Frigen, die wir immer wieder vorzubringen haben, sind in den Vorbemerkungen von Ihnen dankenswerterweise zu einem Teil gelöst. Wir haben in den letzten Jahren wiederholt gesagt, daß sich der Überblick über die Haushaltspläne und die Haushaltsfragen für die Mitglieder dieses Hoben Hauses letzten Endes nicht auf Grund des Studiums der Einzelpläne ergeben kann, sondern daß wir in einer globalen Zusammenstellung so etwas wie einen Funktionsplan haben müssen, aus dem wir erkennen können, wie denn alle diese großen Ausgaben funktionsmäßig verteilt werden. Wir sind Ihnen dankbar dafür, daß Sie in den Vorbemerkungen drei Funktionspläne veröffentlicht haben, für das Jahr 1956/57, für das laufende Jahr 1957/58 und auch für das Jahr 1958/59. Es ist nicht einfach, sich diese Zahlen in ihren gegenseitigen Beziehungen, in ihren Größenordnungen und periodischen Abläufen vorzustellen. Immerhin gewinnt man daraus einen klaren Überblick über den funktionellen Ablauf dieses Haushaltsplanes. Sie haben auch den Versuch gemacht - das erkennen wir dankbar an -, für bestimmte Ausgaben einmal den Funktionsplan von Bund und Ländern in Auswirkung auf die Haushaltspläne von Bund und Ländern gemeinsam darzustellen. Ich verweise



    Dr. Schild
    auf die von Bund und Ländern gemeinsam durchgeführte Förderung der Wissenschaft, die Sie in den verschiedenen Jahren unter Hinweis auf das Königsteiner Abkommen dargestellt haben. Aber wenn man die Gesamtfinanzlage unserer Bundesrepublik einschließlich der sozialen Belastungen — man muß ja immer wieder die Gesamtlast von Steuern und Sozialabgaben sehen — funktionsmäßig nachprüfen will, so findet man auch heute noch nicht das notwendige statistische Material so sach- und zeitgerecht zusammengestellt, wie das notwendig wäre, wenn wir uns im Haushaltsausschuß und im Plenum eine genaue Vorstellung machen wollten, was für die einzelnen funktionellen Aufgaben in unserer Bundesrepublik ausgegeben wird; wir sind auf Schätzungen angewiesen.
    Es steht hier z. B. die Frage: Was wird für den Wohnungsbau denn nun in Wirklichkeit an öffentlichen Zuschußmitteln von Bund, Ländern und Gemeinden und anderen Sozialkörperschaften gegeben? Die Frage ist für 1955 rückwirkend geklärt, da haben wir die Statistiken; noch nicht geklärt ist sie für 1956/57, erst recht nicht für 1957/58, und für 1958/59 fehlt uns in der Praxis jede Vorstellung von der eigentlichen Größenordnung. Aber für die Beurteilung der Lastenverteilung auf Bund, Länder und Gemeinden und für die Beurteilung der Möglichkeit der Herbeiführung einer neuen Finanzverfassung spielen doch gerade diese Zahlen eine entscheidende Rolle, und zwar nicht nur in der Rückschau auf die vergangenen Jahre, sondern bezogen auf einen bestimmten gegenwartsnahen Zeitpunkt.
    Wir bitten Sie deshalb, in Verbindung mit den Ländern und mit allen geeigneten Bundesbehörden diesen Funktionshaushaltsplan so zeitnah vorzuziehen, auf allen Ebenen — nicht nur auf Bundes- und Länder-Ebene —, und soweit das möglich ist, mit Schätzungszahlen zu arbeiten — die dann ja in irgendeiner Weise kontrollierbar sind —, so daß wir einen klaren Überblick über die gesamte Ausgabenpolitik in unserer Bundesrepublik haben.
    Damit komme ich zu einem für meine politischen Freunde sehr wesentlichen Punkt Ihrer Rede, nämlich Ihren Bemühungen, zu einer neuen Finanzverfassung zu kommen. Diese neue Finanzverfassung hat ja im tiefsten Grunde zwei Grundsatzprobleme zu lösen: auf der einen Seite irgendwie, so oder so, die Bestimmungen des Grundgesetzes zu ändern, die das Steueraufkommen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilen, und auf der anderen Seite eine Reform der Haushaltsordnung durchzuführen, ohne die es letzten Endes auch keine echte Finanzverfassungsregelung gibt. Nach allen Erfahrungen der letzten Jahre sind wir nicht der Überzeugung, daß in diesem Hohen Hause und mit den anderen entscheidend en parlamentarischen Stellen eine Grundgesetzänderung nach dieser Richtung hin zu erreichen ist. Denn wer jeweils an der Neuordnung oder Beibehaltung dieser Hoheitsrechte, seien es die des Bundes, seien es die der Länder, interessiert ist, das wechselt parteilich gesehen im Laufe der Entwicklung.

    (Heiterkeit rechts.)

    Ich habe es in diesen vier Jahren erlebt, daß gewisse Parteien, die früher stark zentralistisch orientiert waren, heute an einem föderalistischen Prinzip orientiert sind; und auch das Umgekehrte ist der Fall gewesen.
    Ich darf für die Fraktion der Deutschen Partei in Anspruch nehmen, daß wir dort, wo es sich um einen gesunden Zentralismus handelt, diesem Hohen Hause bereits unsere entsprechenden Vorschläge, so bezüglich der Finanzverwaltung und der Erziehungsverwaltung, vorgelegt haben. Bei dem ganzen Spiel um die Verfassungsänderungen spielt der Gesichtspunkt der Vorläufigkeit — demnächst treten wir in das zehnte Jahr dieser vorläufigen Verfassung ein — eine gewisse Rolle. Aber auch beim Spiel um die Machtpolitik zwischen den Parteien haben wir nicht den Eindruck, daß es gelingen wird, das Grundgesetz zu ändern. Trotzdem müssen wir uns mit einer neuen Finanzverfassung befassen. Wir müssen versuchen, in irgendeiner Form zu einem Akkord mit den Ländern zu kommen. Meine politischen Freunde sehen vorläufig keinen anderen Weg als den eines großen politischen Versuchs, zu einem Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern zu kommen, der etwas Ähnliches wie eine Neuregelung der Finanzverfassung enthält. Daß ein solcher Versuch auf freiwilligem Wege vor sich gehen muß, ist eine Selbstverständlichkeit.
    In diesem Staatsvertrag müssen auch die Dinge geregelt werden, um die wir in diesem Parlament uns mit dem Bundesrat und mit den Ländern zumindest seit vier, fünf Jahren in jedem Jahre erneut streiten. Das ist zunächst die gemeinsame Behandlung aller Fragen der Förderung der Wissenschaft, insbesondere der Ausbau des Königsteiner Abkommens, und ist zweitens die Förderung des Verkehrs- und Straßenbauwesens, worüber immer wieder neue Pläne, wer dieses und wer jenes zu verantworten hat, kursieren. Drittens gibt es hier eine ganze Reihe anderer Fragen, auf dem kulturpolitischen Gebiet, auf dem Gebiet des Erziehungswesens, Fragen der Investitionen für die Kulturpolitik, beispielsweise die Volksschulen, ferner das gesamte Krankenhausproblem, das die ganze Bevölkerung interessiert, Fragen, bei denen die Zuständigkeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bisher immer strittig gewesen ist. Man ist hier grundsätzlichen Zweckmäßigkeiten ausgewichen. Wir wünschen und hoffen, daß es möglich ist, im Wege eines Staatsvertrages diese Dinge zu klären, wobei es dem Geschick der Bundesregierung überlassen bleiben sollte, solche Staatsverträge unter Umständen mit einzelnen Ländern oder gegebenenfalls mit der Gesamtheit der Länder abzuschließen, damit endlich die wichtigsten Dinge auf dem Gebiet des Haushalts und der Finanzverfassung, die alle gemeinsam interessieren müssen, geklärt werden, ohne daß es einer Grundgesetzänderung bedarf.
    Weiter darf ich im Namen meiner politischen Freunde auf die nach wie vor sehr große Sorge wegen der ständigen Zunahme des Bundesvermögens hinweisen. Schon im vorigen und im vorvorigen Jahre haben wir darauf aufmerksam gemacht, daß das Bundesvermögen von Jahr zu Jahr mehr zu-

    Dr. Schild
    nimmt, sowohl hinsichtlich des realen Grundvermögens wie vor allem hinsichtlich der Finanzvermögen und hierbei wieder der Darlehnsvermögen des Bundes. Nach den Vorbemerkungen hat das Bundesvermögen die Summe von etwa 65 Milliarden DM erreicht — allein das Darlehnsvermögen hat im Jahre 1957/58 die Summe von 12,5 Milliarden DM erreicht —, so daß der Bund als Bank hier eine sehr große Rolle spielt. Daneben fungiert das ERP-Vermögen mit rund 7 Milliarden DM ebenfalls als Darlehnsvermögen. Unter diesen Umständen müssen wir unsere größten Besorgnisse anmelden. Diese Sorgen sind natürlich auch durch die ganze Entwicklung bedingt, die mit dem Juliusturm zusammenhängt. Wir wünschen, daß etwaige Bewegungsmittel, etwaige Verfügungsmittel, von denen Sie ja im Augenblick noch nicht gesprochen haben — aber während der Beratungen werden wir wohl zu der einen oder anderen Position kommen —, nicht dazu benutzt werden, den Bund weiter in seiner Stellung als Bankier zu stärken.
    Damit steht und fällt die Antwort auf die Frage, die Sie angeschnitten, aber bisher noch nicht beantwortet haben: Was wird aus der Subventionspolitik? In den Vorbemerkungen geben Sie bei der Erörterung der Subventionspolitik für den Wohnungsbau an, daß sich die Regierung noch Gedanken darüber macht, ob die Kapitalsubvention, d. h. aus Darlehen des Bundes, weitergeführt werden soll oder ob die Subvention aus Kapitalmarktmitteln zu Lasten des Bundes durchgeführt werden soll oder ob überhaupt an die Stelle der Kapitalsubvention eine andere Subventionsart treten soll, von der in den Vorbemerkungen substantiiert noch nicht die Rede ist. Das sind aber letzten Endes die Grundsatzfragen, zu denen man beim Beginn einer Legislaturperiode die Haltung der Regierung wissen muß. Welche grundsätzliche Haltung hat die Regierung in der Frage der Subventionspolitik, nicht nur für das Jahr 1958/59, sondern auch für die kommenden drei Jahre?
    Auch das lehrt die Erfahrung unseres parlamentarischen Lebens: die Entscheidungsfreiheit über solche Grundsatzfragen ist verhältnismäßig kurzfristig. Das parlamentarische Schaltjahr der Unpopularität, in dem auch Fehlentwicklungen auf allen Gebieten der Subventionspolitik bereinigt werden können, läuft nach unserem Empfinden schon etwa am 31. März 1959 ab. Ab 31. März 1959 sind nicht mehr nur sachliche politische Gesichtspunkte für Entscheidungen maßgebend, sondern da kommen schon andere, in der Demokratie liegende parteipolitische Erwägungen hinzu. Deshalb sind wir brennend daran interessiert, wie Sie die Frage der Subventionspolitik für die nächsten vier Jahre innerhalb des Kabinetts und unter Ihrer Führung zu lösen gedenken.
    Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit will ich mich auf diese grundsätzlichen Bemerkungen beschränken. Es ist selbstverständlich, daß wir die Regierungspolitik, wie sie bisher in den Grundsatzfragen der allgemeinen Sozialpolitik und in ihrer Abstimmung mit den notwendigen Verteidigungsfragen betrieben worden ist, auch in Zukunft innerhalb der Koalition bejahen. Ich möchte aber noch einmal auf die Vorbemerkungen zurückgreifen, wo Sie, Herr Minister, an einer Stelle sagen: Es kommt darauf an, zu prüfen, was noch zumutbar und was gegenüber dem Steuerzahler in der allgemeinen Lastenverteilung und in der Lastenquote vertretbar ist. Um diese Zumutbarkeit und Vertretbarkeit bei den großen Positionen dieses Haushaltsplans und ihren Relationen handelt es sich bei der Auseinandersetzung im Haushaltsausschuß und in der zweiten und dritten Lesung.
    Eine bedeutende Tageszeitung hat vor einiger Zeit über Ihre grundsätzlichen Ausführungen, die Sie etwa bis Mitte März in der Öffentlichkeit gemacht haben, geschrieben: „Laßt Etzel nicht allein!" Seien Sie überzeugt, daß die Fraktion der Deutschen Partei Ihren guten Willen, Ihre guten Absichten und die von Ihnen betonte Überzeugung zu ästimieren weiß und hinter Ihnen steht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der SPD.)