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ID0302200600

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    Deutscher Bundestag 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. h. c. Pferdmenges, Ritzel, Gehring und Höcker 1173 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 (Nachtragshaushaltsgesetz 1957) (Drucksache 299) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300) — Erste Beratung —; Antrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr (Drucksache 237); Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59) (Schriftliche Begründung: Anlage 2, S. 1215); Antrag der Fraktion der FDP betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (Drucksache 208) Etzel, Bundesminister 1174 A Schoettle (SPD) 1187 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 1196 C Lenz (Trossingen) (FDP) 1205 C Schild (DP) 1209 D Ausschußüberweisungen 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes (Drucksache 316) — Erste Beratung — . 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewichtsbezeichnung an schweren, auf Schiffen beförderten Frachtstücken (Drucksache 254) — Erste Beratung — 1212 D Entwurf eines Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts (Drucksache 278) — Erste Beratung — 1213 A Siebzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Harmonisierte Eisen- und Stahlzölle) (Drucksache 253) 1213 A Nächste Sitzung 1213 C Anlagen 1215 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner 16.4. Frau Albertz 16. 4. Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19.4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19.4. Bauknecht 10.5. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Dr. Böhm 18. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Dr. Burgbacher 16.4. Conrad 18. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diehl (Horressen) 5.5. Dr. Elbrächter 16.4. Even (Köln) 19.4. Felder 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19.4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Geiger (München) 16.4. Gerns 16.4. Dr. Greve 21.4. Freiherr zu Guttenberg 16.4. Frau Hamelbeck 18.4. Heye 16.4. Hilbert 18.4. Höcherl 10.5. Höfler 16.4. Frau Dr. Hubert 17.5. Jacobs 24.4. Dr. Jordan 18.4. Frau Kipp-Kaule 19.4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19.4. Könen (Düsseldorf) 16.4. Kunze 15. 5. Leber 16. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 26.4. Maucher 16.4. Mauk 16.4. Frau Dr. Maxsein 18.4. Mellies 25.4. Merten 19.4. Dr. Meyers (Aachen) 16.4. Frau Nadig 16.4. Paul 30.4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18.4. Scharnberg 16.4. Scheel 16.4. Schneider (Bremerhaven) 18.4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18.4. Schultz 16.4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Schwarzhaupt 19.4. Simpfendörfer 19. 4. Teriete 16. 4. Walpert 19.4. Wehr 16.4. Frau Wolff (Berlin) 16.4. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Bauereisen 26.4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3.5. Dr. Frey 26. 4. Dr.. Friedensburg 30.4. Häussler 30. 4. Heinrich 15.5. Frau Herklotz 25. 4. Iven (Düren) 26. 4. Meyer (Oppertshofen) 26.4. Frau Niggemeyer 30. 4. Scheppmann 2.5. Sträter 26. 4. Struve 7.5. Dr. Wahl 15.5. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Preusker zu dem Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Fraktion der DP hat mit Drucksache 59 dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung ersucht werden soll, unverzüglich Verhandlungen mit den Ländern mit dem Ziel der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung aufzunehmen und dem Bundestag die entsprechenden Gesetzesvorlagen zur Änderung des Grundgesetzes sowie die weiter hierzu erforderlichen Gesetzesvorlagen zuzuleiten. Die Fraktion der Deutschen Partei hat dieses Problem der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung gerade zu Beginn der 3. Legislaturperiode aus den gleichen Gründen zur erneuten Erörterung gestellt, aus denen heraus auch die Bundesregierung selbst bei der Einbringung ihrer Steuervorlagen einen funktionierenden Finanzausgleich zwischen den reichen und den armen Ländern als Gretchenfrage der Zukunft eines gesunden bundesstaatlichen Aufbaus bezeichnet hat. Um jede Mißdeutung von vornherein auszuschließen: Sowohl die Entwicklung der letzten Jahre, wie auch die tatsächliche Gesetzgebung haben bewiesen, daß angesichts der im Grundgesetz verankerten Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern 1216 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 und der Form der Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag beim Zustandekommen von Steuergesetzen die Frage der Organisation unserer Finanzverwaltung keine Kardinalfrage eines mehr föderalistischen oder mehr unitarischen Bekenntnisses ist. Es herrscht wohl gegenwärtig auf allen Seiten Einmütigkeit darüber, daß in der Bundesrepublik nicht wie in einer europäischen Konföderation souverän bleibende Staaten vorsichtige Vereinbarungen über einen noch vor der Bewährungsprobe stehenden Staatenbund treffen, sondern daß hier vielmehr deutsche Bundesländer im historischen Bewußtsein ihrer untrennbaren Zusammengehörigkeit eine Regelung suchen, die sowohl-ein Höchstmaß an Eigenständigkeit der Entwicklung in den einzelnen Bundesländern wahrt wie auch gleichzeitig ein Höchstmaß an gemeinsamer Blüte auf allen Gebieten der Kultur, Wirtschaft und sozialen Wohlfahrt sichert. Die Frage des organisatorischen Aufbaus des Finanzwesens ist also in der Bundesrepublik kein Ding und Dogma an sich — über diese Zeiten sind wir erfreulicherweise hinausgewachsen —, sondern eine reine Vernunftfrage der größten Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Es ist nun einmal mit dem Finanzwesen eines Staates etwas ganz Besonderes und Empfindliches. Es gibt viele Dinge, die in ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit vielleicht nicht minder wichtig sind, bei denen man aber die Durchführung völlig unbesorgt soweit dezentralisieren kann, wie man will. Ich darf als Beispiel vielleicht das Gebiet der Veterinärmedizin nennen. Die Bekämpfung der Tierseuchen ist für die menschliche Gesundheit zweifellos von überragender Bedeutung. Trotzdem kann es hier kaum eine Problematik wegen der zweckmäßigsten Durchführung geben, weil selbst bei völliger Dezentralisation keine grundlegenden Ermessensfragen aufgeworfen werden. Maul- und Klauenseuche ist nun einmal Maul- und Klauenseuche; sie kann in Schleswig-Holstein wie in Baden-Württemberg nur mit den gleichen Mitteln und in der gleichen Weise bekämpft werden. Demgegenüber gibt es in unserer Finanzverwaltung leider unendlich viele Ermessensentscheidungen von allergrößter wirtschafts-, sozial- und kulturpolitischer Bedeutung, ja schlechthin von entscheidender Bedeutung für die Eigenständigkeit der einzelnen Länder. Dieser Ermessensspielraum liegt hei unserer Finanzverwaltung der Natur nach vor allem 1. im Zeitpunkt, in der Zeitdauer und in der mehr oder weniger streng gehandhabten Art der Steuerveranlagung, Steuerprüfung und Festsetzung von Vorauszahlungen, 2. im Verfahren der Stundung und des Erlasses von Steuern, 3. im Verfahren bei der Bewertung aller Wirtschaftsgüter und des Vermögens sowie in der Anerkennung von Abschreibungen und Wertberichtigungen. Man mag die Dinge drehen und wenden wie man will. Es ist einmal gesagt worden, der Geldbeutel sei nun einmal der empfindlichste Körperteil, und daran ist sicherlich viel Wahres, wenn und solange Steueranteile des Staates am Einkommen von und mehr, zumindest in der Wirtschaft, wenn man alles zusammenrechnet, die Regel und nicht die Ausnahme sind. Man kann also das Problem der ungeteilten oder geteilten Finanzverwaltung nicht gut an den historischen Beispielen aus dem Steuerparadies vor dem 1. Weltkrieg oder der immer noch ungleich glücklicheren Weimarer Zeit messen, sondern nur an der harten Wirklichkeit unseres augenblicklichen Zeitalters einer ungeheuren deutschen Not und Armut, die trotz aller Erfolge im Wiederaufbau in den letzten zehn Jahren doch noch immer vorhanden ist. In bezug auf die in den letzten acht Jahren beim Wiederaufbau so überaus erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik hat es das böse, wirklich ad absurdum geführte Schlagwort von „den Reichen, die immer reicher würden, und den Armen, die immer armer würden", gegeben. Wenn man dieses Schlagwort überhaupt irgendwo mit einer wenigstens halben oder Viertelberechtigung zitieren kann, dann wahrscheinlich noch am ehesten in bezug auf die Situation unserer Bundesländer: hier hat sich allmählich die Erkenntnis immer breitere Bahn gebrochen, daß eine Verwaltung der Finanzen, die einen recht unterschiedlichen Ermessensgebrauch nicht soweit wie nur irgend möglich auszuschließen vermag, in der Tat reiche Länder reicher und arme Länder ärmer machen kann. Es soll deshalb auch in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnert werden, daß insbesondere auch der Parlamentarische Rat in seinen Grundgesetzbeschlüssen aus ähnlichen Erwägungen von der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung ausgegangen ist. Es waren nur die Militärgouverneure der Besatzungsmächte, die verhindert haben, daß diese gemeinsame bessere Erkenntnis Bestandteil des deutschen Grundgesetzes geblieben ist. Die Bundesrepublik ist inzwischen den damaligen Besatzungsmächten gegenüber in ihren Verfassungsbeschlüssen souverän geworden. Eigentlich sollte man schon das zum Anlaß nehmen, um nunmehr solche Fehlanweisungen der damaligen Besatzungsmächte im Sinne der besseren deutschen Auffassungen zu korrigieren. Wirklich nicht ohne Grund ist besonders in den beiden letzten Jahren die wirtschaftliche Schwäche des Kultuswesens in einzelnen Bundesländern kritisiert und dann verständlicherweise sogleich nach der Finanzhilfe des Bundes gerufen worden. Niemand kann ja im Ernst unsere Kinder in ihren Bildungs- und Lebenschancen entgelten lassen, daß sie zufällig in den armen Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder Bayern geboren sind oder aufwachsen müssen. Schließlich stehen wir doch alle auf dem Standpunkt, daß unsere Kinder das gleiche Recht auf die bestmögliche Ausbildung besitzen und wir alle die Pflicht haben, dafür zu sorgen. Ebenso ist in den letzten Jahren mit immer größerem Ernst darauf hingewiesen worden, daß aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern insbesondere ein großer wirtschaftlicher Wanderungsprozeß, vor allem nach Nordrhein-Westfalen, dem Rhein-Main-Gebiet und Baden-Württemberg, in Gang gekommen ist. Hier drohen Verödung und wachsende wirtschaftliche Schwächung gewissermaßen als eine sich selbst vorwärtstreibende Kettenreaktion auf der einen und Überbelastung in Bevölkerungsdichte sowie Investitionen auf dem Verkehrs-, Elektrizitäts-, Wasserversorgungs- und Gesundheitsgebiet auf der anderen Seite. Alle diese Entwicklungen schreien gebieterisch nach einer Korrektur. Der horizontale Finanzausgleich, der dies bewerkstelligen sollte, hat das nicht vermocht. Er ist, das muß ganz ungeschminkt festgestellt werden, am übergroßen Ermessensspielraum der geteilten Finanzverwaltung gescheitert. Sicherlich wird eine ungeteilte Bundesfinanzverwaltung noch kein automatisches Heilmittel sein. Sie vermag aber der Natur dieses besonders schwierigen Gebietes entsprechend die allein denkbare wettbewerbsneutrale Basis eines horizontalen Finanzausgleiches zwischen den armen und den reichen Ländern abzugeben. Manchem mag dies auf den ersten Blick fast etwas grotesk erscheinen. Aber entsprechend den Beschlüssen des Parlamentarischen Rates von 1948/49, der ja den föderativen Staatsaufbau wollte und gerade deshalb auch die ungeteilte Bundesfinanzverwaltung vorsah, ist es inzwischen harte Wirklichkeit geworden: Wer die Eigenständigkeit der Bundesländer unabhängig von ihren naturgegebenen wirtschaftlichen Vorteilen oder Nachteilen ernstlich will, wer die höchstmögliche Ausbildung unserer Menschen ohne Rücksicht darauf anstrebt, ob sie zufällig in „reichen" oder „armen" Ländern leben, wer nicht eine einseitige wirtschaftliche Wanderung möchte, der muß die Notwendigkeit der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung bejahen. Die hier und da in der letzten Zeit als halbe Lösungen erwogenen sogenannten Kompromisse einer „ständigen Ministerpräsidentenkonferenz" werden auf dem Gebiet des horizontalen Finanzausgleichs mit Sicherheit noch unfruchtbarer bleiben als die „ständige Kultusministerkonferenz". Es ist einfach eine vor allem auf finanziellem Gebiet irreale Überforderung, von den Ländern zu erwarten, daß sie aktive Partner — nämlich Gebende und Nehmende — und zugleich neutrale Schiedsrichter in einer Person sein sollen. In früheren Jahren hat man die Bundesfinanzverwaltung häufig mit der Erwartung erheblicher laufender Verwaltungseinsparungen begründet. Diese lassen sich sicherlich auch erzielen, wenn man Aus- und Durchführungsanweisungen künftig nur einmal, statt bis jetzt zehnmal, erlassen muß. Wir begründen aber die nach unserer Meinung überfällige Errichtung der ungeteilten Finanzverwaltung im Bunde in allererster Linie mit der dringend gebotenen Beendigung einer kulturellen und wirtschaftlichen Verödungsgefahr in den schwachen Ländern und der Notwendigkeit der Beendigung einer kostspieligen Konzentration in den sogenannten starken Ländern. In beiden Fällen würde bei einem Beibehalten des derzeitigen Zustandes der Ruf nach dem totalen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat zwangsläufig am bitteren Ende stehen, anstatt, wie die Fraktion der Deutschen Partei wünscht, die Forderung nach der größtmöglichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des einzelnen wie auch der Gemeinden und der Bundesländer. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Eilers (Oldenburg) für die FDP- Fraktion zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300), zur Beratung des Antrags der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 237) und zur Beratung des Antrags der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Beratung und der Beschluß über den Haushaltsplan ist eines der wesentlichsten Rechte des Parlaments. Wichtig dabei aber ist vor allem die rechtzeitige Verabschiedung vor Beginn des neuen Rechnungsjahres. Dies ist um so wichtiger, als die Ausgaben des Bundes große allgemeine volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Es muß deshalb I erwartet werden, daß der Entwurf des Haushaltsplans rechtzeitig vor Ablauf des alten Haushaltsjahres im Bundestag vorgelegt wird. Haushaltsberatungen müssen gründlich sein, wenn sie einen Sinn haben sollen. Nach meiner Ansicht wäre die Verlegung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr ein gutes Mittel, in diesem Sinne zu wirken. Es ist erstaunlich, daß Bundesregierung, Bundestag und Länderregierungen die Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zwar schon oft diskutiert haben, ohne jedoch zu einem Entschluß gekommen zu sein. Dieses ist um so mehr erstaunlich, als schon 1951 alle Bundesminister, bis auf den Bundeswirtschaftsminister, einer solchen Angleichung zustimmten. Der letzte war der Meinung, daß eine pünktlichere Verabschiedung des Haushaltsplanes auch bei dem jetzigen Haushaltsjahr ausreichen müsse. Die Finanzminister der Länder hielten 1951 die Angleichung des Haushaltsjahres an das Rechnungsjahr für unzweckmäßig. Nur der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz war geneigt, der Verlegung zuzustimmen. Besonders bemerkenswert ist, daß der Bundesrechnungshof auch im Jahre 1951 eine Angleichung an das Kalenderjahr empfahl. Er stellte anheim, die damalige Bank deutscher Länder dazu zu hören. Geldmarktpolitische Erwägungen waren der Grund dazu. 1218 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 Die Bank deutscher Länder nahm positiv wie folgt Stellung: Würde das Rechnungsjahr in Zukunft am 1. Januar beginnen, so könnte der Bund, der im Januar über besonders hohe Steuereinnahmen verfügt, die mit dem Beginn des Rechnungsjahres zusammenfallenden erhöhten Ausgaben voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von Kreditmitteln finanzieren. Ein eventuell erhöhter Kreditbedarf der Länder könnte bei der im Januar üblichen Verflüssigung des Geldmarktes leichter befriedigt werden, als dies im April der Fall ist. Es will mir scheinen, allein diese Begründung wäre ein sehr gewichtiger Grund für die Verlegung auf das Kalenderjahr gewesen. Aber mitnichten! Alle Bemühungen waren umsonst. Erst im Jahre 1954 im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform wurde ein erneuter Versuch unternommen. Das Bundesfinanzministerium bat die vorher schon erwähnten Stellen nochmals um Äußerung. Am 4. März 1954 erörterten die Finanzminister der Länder abermals diese Frage. Einige Länder zeigten Neigung, andere nicht! Wie könnte es bei uns auch anders sein. Als scheinbarer Ausweg wurde vorgeschlagen, die Abteilungsleiter der Länderfinanzministerien zu der Angelegenheit zu hören. Am 19. Mai 1954 fand die Besprechung statt. Fast ohne Ausnahme waren diese Ministerialvertreter dagegen. Sie meinten, die Haushaltspraxis der Länder sei auf lokale Verhältnisse zugeschnitten und könnte deshalb nicht geändert werden. Darüber kann ich nur erstaunt sein, denn die Körperschaften, die den lokalen Verhältnissen am nächsten stehen, nämlich die Städte und Gemeinden, stimmten durch ihre Spitzenorganisationen einer Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zu. Die Verwunderung über dies Versagen der Länderfinanzminister wird noch größer, wenn man einen Blick in die Geschichte wirft. 1871 hatte das Deutsche Reich für das Haushaltsjahr das Kalenderjahr bestimmt. 1877 wurde dann die Zeit vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des nächsten Jahres zum Haushaltsjahr bestimmt. In den Ländern aber, z. B. auch in Bayern, wurde das Kalenderjahr erst im Jahre 1920 aufgegeben. Es erhebt sich die Frage: Waren die Länder vor 1920 lokal weniger verbunden? Wie sieht es im übrigen in der Bundesrepublik aus? Die Bundesbahn arbeitet seit 30 Jahren mit dem Kalenderjahr, die Bundespost seit 2 Jahren. Auch die deutsche Sozialversicherung machte mit dem Kalenderjahr beste Erfahrungen. Die Verzahnung dieser Einrichtungen bzw. Institutionen mit dem Bundeshaushalt ist gegenwärtig sehr schwierig. Überschneidungen und zusätzliche Arbeiten verursachen ständig Mehrkosten. Viele wichtige Steuerarten werden schon jetzt nach dem Kalenderjahr veranlagt. Wie ist die Lage in Europa? Diese Frage ist wohl zeitgemäß. Die Montan-Union und der Gemeinsame Markt rechnen mit dem Kalenderjahr. In Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden ist das Kalenderjahr das Haushaltsjahr. Ein internationaler Vergleich ist uns Deutschen also bisher erschwert. Welche anderen Gründe sprechen für die Verlegung? Die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden geben der deutschen Volkswirtschaft Aufträge von vielen Milliarden DM. Dies trifft vor allem für die Bauwirtschaft als Schlüsselwirtschaft zu. Durch die Einführung des Kalenderjahres als Haushaltsjahr werden ein besserer Wettbewerb, die rechtzeitige Ausschreibung und Vergabe der Aufträge ermöglicht. Die öffentliche Hand kann günstigere Preise erzielen und dadurch erhebliche Ersparnisse erreichen. Wir wollen doch sparen!? Eine bessere, breitere Verteilung der Arbeiten auf baugünstige Monate ist möglich. Dies ist auch lohnpolitisch sehr wesentlich. Es werden weniger Überstunden, weniger Sonntags- und Nachtarbeit erforderlich. Auch deshalb sind die Arbeiten billiger. Die Betriebe brauchen geringere Betriebsmittel bei den Kreditinstituten anzufordern. Die bessere Ausnutzung der Baumaschinen und Baueinrichtungen, eine günstigere Arbeitsverteilung auf allen Gebieten ist möglich. In der Wirtschaft können weniger unproduktive Zeiten auftreten. Der Haushalt 1958 wird frühestens Ende Juni verabschiedet. Die Folge ist, daß die einzelnen Ministerien frühestens im Juli oder August Aufträge erteilen können. Es ist gar nicht daran zu denken, vor August in den einzelnen Betrieben der Bauwirtschaft, im Hoch- und im Tiefbau den Start für die praktische Arbeit zu geben. Bauten und Straßen werden wieder bis zum Wintereinbruch nicht fertig. Verkehrsstockungen werden unausbleiblich sein, weil auch in den langen Wintermonaten Baustellen in den Straßen nicht zu vermeiden sein werden. Das Kapital für diese Arbeiten liegt fest und ist ohne rechten Ertrag. Der Beginn des Rechnungsjahres mit dem 1. Januar dagegen läßt ausreichend Zeit für Arbeitsvorbereitungen bis zum Eintritt baugünstiger Witterung. Neben fiskalischen Vorteilen stehen allgemein günstige volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die winterliche Spitze der Arbeitslosigkeit würde beim rechtzeitigen Einsetzen der Mittel der öffentlichen Hand etwa in der 2. Hälfte des Monats März oder spätestens im Monat April schneller abgebaut werden können. Millionen DM der Unterstützungen für Arbeitslose würden wahrscheinlich gespart und für produktive Zwecke freigemacht. Die Länder behaupten, ein Hindernis für die Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr sei das jetzige Schuljahr, das mit dem Haushaltsjahr übereinstimme. Der Schuletat sei der größte Etat im Länderhaushalt. Nach meiner Auffassung Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 1219 ist diese Begründung nicht durchschlagend. Notfalls wäre sogar zu überlegen, das Schuljahr ebenfalls mit dem Kalenderjahr Bleichlaufen zu lassen. Es würde sicherlich ein Vorteil mindestens erreicht, daß der Kummer mit der versagten Versetzung einiger Kinder gleich im Silvesterrausch ertränkt wäre. Auf keinen Fall sollte man die Zeugnisse vor Weihnachten ausgeben. Als weiterer Einwand wird vorgebracht, daß die rechtzeitige Verabschiedung des Haushaltsplans im Rahmen eines Kalenderjahres wegen des Sommerurlaubs der mit dem Haushalt befaßten Volks- und Ministerialvertreter zweifelhaft sei. Keine Begründung ist verwunderlicher als diese, denn: Sind bei der Post bisher Urlaubswünsche unerfüllt geblieben? Fahren Züge weniger, werden Briefe der Post weniger zugestellt oder Renten in den Urlaubsmonaten nicht pünktlich ausgezahlt? Auch im Ausland geht es. Warum dann nicht auch bei uns? Das Kalenderjahr ist ein natürlicher Rhythmus, menschlich und auch wirtschaftlich gesehen. Alles in allem, schneiden wir endlich den alten Zopf ab im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden und schaffen wir eine moderne Frisur! Sie ist nicht nur schöner, sondern auch praktischer. Die Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung wird in diesem Zusammenhang noch stärkere Impulse auslösen können. Für eine steuerliche Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit ist sie unerläßlich. Die 1951 gehörten Sachverständigen verneinten bereits glatt, daß bei der gegenwärtigen Regelung eine gleichmäßige und gerechte steuer- liche Erfassung gesichert sei. Eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung könnte sparsamer und rationeller arbeiten. Als Beispiel mag nur verwiesen werden auf die 150 Ländererlasse in 9 Ländern zu dem § 7 c des Einkommensteuergesetzes. Diese Erlasse waren veröffentlicht. Die Zahl der nicht veröffentlichten Erlasse ist wahrscheinlich noch größer. Die Steuerfahndung ist zweifellos nicht beliebt. Bei der einheitlichen Durchführung könnten Übergriffe besser vermieden werden als in der gegenwärtigen Verwaltung bei den Ländern. Sie würde auch wirksamer sein. Die Betriebsprüfung hat mit der Steuerfahndung nichts zu tun. Dennoch kann man sich gegenwärtig des Eindrucks nicht erwehren, als würden einige Länder diese Betriebsprüfung zu einer Art Steuerfahndung mißbrauchen. Es ist wohl kein Zweifel darüber, daß alle sachverständigen Persönlichkeiten eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung als das Gebot der Stunde ansehen. Die FDP brachte bereits am 22. Mai 1951 einen entsprechenden Gesetzentwurf durch den inzwischen leider verstorbenen Bundestagsabgeordneten Höpker-Aschoff ein. Leider wurde dieser, wenn auch erst am 6. Mai 1953, in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt, weil die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Art. 108 des Grundgesetzes nicht erreicht wurde. Damals stimmten nur die Abgeordneten der FDP und der SPD geschlossen für diesen Antrag. Es ist erfreulich, daß nunmehr auch die CDU/CSU und die DP sich zu dieser alten Forderung der Freien Demokraten bekennen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal zwei Dinge vorwegnehmen, die bis jetzt noch nicht hinreichend erörtert worden sind: erstens den Antrag der DP, dem sich die CDU angeschlossen hat, auf Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr, und zweitens einige Worte zum Nachtragshaushalt.
    Wir haben von jeher den Standpunkt vertreten, daß die Einführung des 1. Januar als Beginn des Haushaltsjahrs eine wünschenswerte Errungenschaft wäre und haben das auch Jahr für Jahr immer wieder durchzusetzen versucht. Leider sind wir dabei am Widerstand der Länder gescheitert. Jetzt ist der Antrag erneut eingebracht worden, und wir geben uns der Hoffnung hin, daß es vielleicht diesmal gelingen wird, den Widerstand auf der Seite der Länder zu überwinden und zu einer Verständigung mit ihnen zu gelangen, damit diese von der gesamten Wirtschaft und, wie ich soeben hörte, auch von der Opposition gewünschte Angleichung endlich Tatsache wird. Es ist unbestreitbar, daß für die gesamte Bauwirtschaft, sowohl für den Hochbau als auch für den Tiefbau, das Kalenderjahr, mit dem 1. Januar beginnend, einen wesentlichen Fortschritt bedeuten würde.
    Ich möchte dann noch ein paar Worte zum Nachtragshaushalt sagen. Meine Freunde haben es nicht für sehr glücklich gehalten, daß dieser Nachtragshaushalt überhaupt eingebracht worden ist. Ich glaube, die Entwicklung in den letzten Wochen hat gezeigt, daß er ohnehin nur zusammen mit dem ordentlichen Haushalt beraten werden kann, wenn auch die Verabschiedung vielleicht etwas vor der Verabschiedung des ordentlichen Haushalts erfolgen könnte. Wir haben es nicht für vorteilhaft gehalten, daß in einen Nachtragshaushalt, der einige politisch begründete neue Stellenanforderungen, der vor allen Dingen auch den Haushalt für das . neu eingerichtete Kartellamt enthält, Anforderungen hineinkamen, die sicherlich genauso gut im ordentlichen Haushalt ihren Platz gefunden hätten. Die Arbeit ist für den Haushaltsausschuß dadurch nicht erleichtert worden.
    Lassen Sie mich auch noch einige Bemerkungen vorweg zu dem machen, was der Herr Bundesfinanzminister in seiner Einbringungsrede vortrug. Wir finden diese Rede sehr offen und wir finden, daß er in sehr vielen Dingen kein Blatt vor den Mund genommen hat, daß er vielmehr etwas ein-



    Dr. Vogel
    geleitet hat, was wir für sehr begrüßenswert halten, nämlich eine rückhaltlose Offenheit über die Absichten und Pläne seines Hauses. Auf der anderen Seite hat er von sich aus — und auch das fanden wir nicht nur menschlich sehr schön, sondern auch politisch richtig — der Tätigkeit seines Vorgängers, der acht Jahre hindurch dieses Haus aufgebaut und geführt hat, in ehrenvoller Weise gedacht. Ich schließe mich diesen Worten für meine Freunde vollinhaltlich an, auch wenn wir in der Vergangenheit, sicher vor allen Dingen auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses, manchmal unsere Sorgen mit dem vorangegangenen Herrn Bundesfinanzminister hatten. In einem Punkte stimme ich sogar mit meinem Herrn Vorredner überein

    (Abg. Schoettle: Hoffentlich fällt's nicht zu schwer!)

    — das fällt mir keineswegs schwer, Herr Schoettle —, wenn ich offen ausspreche, daß auch wir manchmal gewünscht hätten, er hätte von dem Art. 113 des Grundgesetzes öfter Gebrauch gemacht.

    (Abg. Dr. Gülich: Er hat gar keinen Gebrauch gemacht!)

    — Das wissen wir sehr wohl, Herr Professor Gülich. Ich glaube, wir wären in manchen Dingen vielleicht von Schwierigkeiten verschont geblieben, wenn man von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte.
    Lassen Sie mich nun gleich den Stier bei den Hörnern fassen und auf die Punkte eingehen, die nicht nur in diesem Haushalt, sondern meiner Überzeugung nach in jedem Haushalt der freien Welt heute eine entscheidende Rolle spielen. Das sind die Rüstungsausgaben. Ich kenne keinen Haushalt in einem vergleichbar großen Industriestaat, der nicht dieselbe Sorge über Rüstungsausgaben verursacht, von der auch wir in der Bundesrepublik gequält werden. Glauben Sie ja nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, daß wir etwa diese Lasten von 10,7 Milliarden DM in irgendeiner Weise leichtnehmen. Sie dürfen vielmehr sicher sein, daß wir sie mit der gleichen Sorge, aber von ganz anderen Gesichtspunkten aus sehen, als Sie sie sehen. Ich möchte darum hier einmal die Frage aufwerfen — und diese Frage wird ja wohl in der nächsten Woche noch ausführlicher diskutiert werden, als das jetzt der Fall ist —, ob wir überhaupt jetzt schon von uns sagen könnten, wir hätten, verglichen mit anderen, gleich finanzstarken Ländern das gleiche wie andere für die Verteidigung der freien Welt aufgewandt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden uns ja eines Tages einmal klipp und klar sagen — ich hoffe, daß das auf Ihrem Bundesparteitag in Stuttgart geschieht —, was Sie von Ihrer Seite für das Limit dessen halten, was die deutsche Volkswirtschaft an Verteidigungslasten vertragen kann.
    Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß ich zweimal bei ähnlichen Anlässen, zu Ihnen gewandt, gesagt habe, wir sollten uns doch zumindest über einen Punkt völlig einig sein. Es sollte nämlich zwischen uns überhaupt keine Differenzen darüber geben, daß die Bundesrepublik zunächst einen Stand
    ihrer Verteidigung erreichen muß, der mit dem, was drüben in der DDR und in der Tschechoslowakei bereits seit Jahren latent vor uns steht, vergleichbar ist. Wir wären dann in der gemeinsamen Sorge um die deutsche Sicherheit vielleicht doch einen wesentlichen Schritt weiter.
    Ich möchte auch noch ein Weiteres sagen, um das gleich vorwegzunehmen; ich halte ursprünglich vor, es später zu erörtern. Auch wir werden uns bemühen, den Einzelplan 14 mit derselben Sorgfalt und mit derselben Genauigkeit zu betrachten, mit der wir auch andere Haushalte in der Vergangenheit durchberaten haben. Sie werden schließlich nicht leugnen können, daß — die Streichung, der berühmte Sternchenregen — die Kürzung der Generalstellen im vergangenen Jahr letzten Endes auf dem Antrag meiner Freunde und nicht zuletzt von mir selbst beruhte, so daß wir für uns in Anspruch nehmen können: auch wir haben das gekürzt, was wir nicht für notwendig halten. Wir sind fest entschlossen, das bei den neuen, auch in unseren Augen überhöhten Anforderungen für Generäle und Oberste ebenfalls zu tun.

    (Beifall in der Mitte.)

    Auf der anderen Seite dürfen wir nicht einen Augenblick das aus dem Auge verlieren, was letzten Endes doch für uns eine Existenzfrage, die Existenzfrage schlechthin, ist. Wir haben gesagt: dieses Volk hat einen Anspruch auf soziale Sicherheit, aber dieses Volk hat in gleicher Weise Anspruch auf äußere Sicherheit wie jedes andere freie Volk dieser Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Niemals aber haben wir darüber einen Zweifel offengelassen — der Herr Finanzminister Schäffer hat das in den vergangenen Jahren, glaube ich, genauso klar zum Ausdruck gebracht wie ich hier als Sprecher meiner Fraktion daß wir unter keinen Umständen zulassen werden — das sage ich heute, nach den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners, noch einmal mit doppeltem Nachdruck —, daß die notwendigen Ausgaben für die Sicherheit des deutschen Volkes irgendwie die Sicherheit der Währung beeinträchtigen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bis jetzt sehe ich, offen gesagt, auch noch keinen Grund, warum in diesem Haushalt und wahrscheinlich auch in dem nächsten Haushalt sonderliche Befürchtungen dieser Art auftreten sollten.
    Herr Kollege Schoettle, Sie haben vorhin die Rüstungsausgaben mit einem Kuckucksei verglichen. Ich wende mich gegen eine solche Verniedlichung. Es ist ein offensichtliches Straußenei.

    (Heiterkeit.)

    Es hat auch die Größe eines solchen Eies, mit 10,7 Milliarden DM.

    (Abg. Schoettle: Eine biologische Abnormität! — Abg. Dr. Gülich: Der Strauß hat ein Kuckucksei gelegt!)




    Dr. Vogel
    — Dazu dürfte er physisch nicht in der Lage sein.

    (Fortgesetzte Heiterkeit.)

    Sehen Sie sich doch einmal das an, was England im Verhältnis zu uns aufgebracht hat wir wollen von Frankreich und anderen Ländern ganz schweigen — oder was selbst Italien mit seinen uns doch bekannten sozialen Sorgen bis jetzt geleistet hat. Dann werden Sie vielleicht auch zu der Überzeugung gelangen, daß wir uns ernstlich überlegen müssen — das werden wir in der nächsten Woche diskutieren —, wo der Punkt liegt, bis zu dem wir gehen können, ohne daß wir volkswirtschaftlich einen Schaden anrichten.
    Nun lassen Sie mich einmal untersuchen, ob wir uns die wirtschaftlichen Sorgen überhaupt zu machen brauchen — jedenfalls im Augenblick —, die hier vorhin an die Wand gemalt worden sind. Mein Herr Vorredner hat es vermieden — ich erkenne es dankbar an —, hier etwa in irgendeiner Weise eine Krisenpsychose heraufzubeschwören. Er sieht wahrscheinlich — genauso wie ich es sehe —, daß wir doch — in Übereinstimmung mit so ziemlich allen wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, übrigens in Übereinstimmung auch mit dem Gewerkschaftsinstitut — gegenwärtig keineswegs den Zustand erreicht haben, den die Amerikaner mit ihrer „recession" im Augenblick zu beklagen haben. Wir geben uns keinem Zweifel darüber hin, daß die Zeit eines Booms vorüber ist und daß wir uns wieder volkswirtschaftlichen Zuständen nähern, die keineswegs als Hochkonjunktur anzusprechen sind, deren Produktivitätsfortschritte aber durchaus noch fast doppelt so hoch über dem liegen, was man stets einen normalen Produktivitätsfortschritt nannte. Wir haben uns in den Jahren vor 1914 mit einem Produktivitätszuwachs von rund 2 % pro Jahr zufriedengegeben und haben das für durchaus angemessen gehalten. Wir lagen im Jahre 1955 bei 15 % und hatten im vergangenen Jahr 7,5 % zu verzeichnen. Der Bundesfinanzminister hat für das kommende Haushaltsjahr 7 % geschätzt. Auch ich habe — wahrscheinlich mit ihm zusammen - meine Zweifel, ob diese geschätzte Rate erreicht werden kann. Jedenfalls spricht manches dafür, daß sie nicht wesentlich unterschritten wird.
    Weswegen ich mich für verpflichtet halte, gerade darauf einzugehen, ist die Tatsache, daß mit dieser Schätzung auch der neue Haushalt in irgendeiner Form steht oder fällt. Denn entweder ist diese Schätzung richtig und werden Steuereinnahmen in der erwarteten Höhe eintreffen, oder wir werden uns nicht nur „am Rande des Defizits" bewegen, sondern mitten in einem Defizit sein. Dieses Defizit wird uns dann um so härter treffen, als die Kassenreserven, wie das der Herr Bundesfinanzminister mit seltener Eindringlichkeit ausgeführt hat, in den kommenden Haushaltsjahren, vor allen Dingen im Haushaltsjahr 1959, nicht mehr zur Verfügung stehen werden.
    Es hat in der deutschen Öffentlichkeit vielleicht Aufsehen erregt, daß einer der größten deutschen Konzerne — ich spreche hier vom Siemens-Konzern — bei seiner Generalgesellschafterversammlung den Mut aufbrachte, offen zu sagen, daß man sich mit diesem Abflauen des Booms in den vergangenen Jahren durchaus einverstanden und sogar darüber befriedigt erkläre, weil man die Sicherheit einer stetigen Kalkulation den ungewissen Risiken eines solchen Booms auf -die Dauer doch vorziehe. Die Stimmen, die diesem Ausspruch Beifall zollten, haben sich in der letzten Zeit gemehrt. Ich glaube, im allgemeinen sieht man im Ausland wohl nicht ohne einen gewissen Neid nach Deutschland herüber, wo sich entgegen der Lage in England, entgegen der Lage in Finnland, in den Niederlanden, in Schweden usw. immerhin noch eine Konjunktursicherheit abzeichnet, die von der Lage in sehr vielen anderen Ländern der freien Welt erfreulich absticht.
    Lassen Sie mich hier auch gleich eine Sorge mit erwähnen. Es wäre völlig verfehlt, wenn wir nur auf unsere eigene Wirtschaftsentwicklung starrten. Wir tun gut daran, die Wirtschaftsentwicklung in der Sowjetzone mit scharfen Augen zu verfolgen. Es ist gut für uns, zu wissen, daß in der Sowjetzone der Produktivitätsfortschritt nicht 7,5 % wie bei uns betrug, sondern nach den Statistiken von drüben, deren Wert vielleicht einigermaßen zweifelhaft ist, immerhin bei 7 % lag, wenn auch auf der anderen Seite die Steigerung des privaten Verbrauchs nicht 7,5 % wie bei uns ausmachte, sondern nur 4,6 %. Hier wird das Dilemma und das Elend drüben nur zu deutlich gemacht. Wir tun gut daran, diese Entwicklung sehr aufmerksam zu beobachten, genauso wie es für uns eine notwendige Pflicht ist — gerade auch im Zusammenhang mit den erfolgreich abgeschlossenen Handelsvertragsverhandlungen mit der Sowjetunion —, die Fortschritte auch jenseits des Eisernen Vorhangs genauestens zu verfolgen und zu registrieren. Ganz offensichtlich wird drüben mit einem Investitionsaufwand unerhörten Ausmaßes der Versuch gemacht, die freie Welt wirtschaftlich einzuholen, um den eigenen Leuten gegenüber den Beweis zu erbringen, daß das kommunistische System in der Lage sei, einen Wettbewerb mit der freien Welt auszuhalten.
    Wir werden uns in den nächsten Jahren — das hat uns auch der Bundesfinanzminister mit wünschenswerter Deutlichkeit vor Augen gestellt — vor der außerordentlichen Aufgabe sehen, in unserer Bundesrepublik durch freiwilliges Sparen Investitionsleistungen zu ermöglichen, die den Fortgang unserer Konjunktur und damit auch die weitere Erhöhung des Lebensstandards der breitesten Schichten des deutschen Volkes gewährleisten. Das wird eine der wesentlichen Aufgaben der nächsten Jahre sein. Wir werden darüber nachzudenken haben, ob der Sparprämienplan des Herrn Bundesfinanzministers genügt oder vielleicht auch noch andere Mittel eingesetzt werden müssen, um dieses vordringliche Ziel zu erreichen.
    Zunächst jedenfalls möchte ich feststellen, daß die bisherige Entwicklung bei uns noch keinerlei Anlaß zur Sorge bietet. Wir erlebten im vergangenen Jahr offensichtlich den Vorgang, daß sich die Wirtschaft



    Dr. Vogel
    in Erwartung von Preissteigerungen Lager zugelegt hat, die über das normale Maß hinausgingen. Diese Lager werden jetzt abgebaut, und wir nähern uns langsam wieder dem Zeitpunkt, wo die Wirtschaft gezwungen sein wird, von neuem Lager aufzubauen, um dem gesteigerten Konsum Rechnung zu tragen.
    Die Bundesnotenbank, die uns ja in ihren Monatsberichten ein überaus aufschlußreiches Material über den Stand der Wirtschaft, der Finanzen, der Devisen liefert, hat in ihrem jüngsten Bericht vom Monat März mit Recht darauf hingewiesen, , daß wir in der nächsten Zeit aus drei, vielleicht auch aus vier Gründen eine nicht unerhebliche Steigerung der Investitionstätigkeit zu erwarten haben: erstens durch einen verstärkten Zwang zur Rationalisierung in den Betrieben selbst; zweitens durch das strukturelle Wachstum bestimmter Industriezweige, vor allen Dingen in der chemischen Industrie, der Atomindustrie usw.; drittens — auf Grund der günstigen Chancen auf dem Kapitalmarkt — durch die Möglichkeit erhöhter Kapitalbeschaffung, vor allen Dingen für die großen Werke; viertens — als Folge einer wesentlich verbesserten Lage auf dem Pfandbrief- und Hypothekenmarkt — durch die Steigerung der Hochbauprojekte, die im Januar dieses Jahres um 160 Millionen DM höher lagen als im Januar des Jahres 1957.
    Es hat sich also zunächst einmal eine Prognose als falsch erwiesen, die in der Vergangenheit von manchen Stellen sehr emsig gepflegt worden ist, nämlich die Prognose — mit den Prognosen ist das ja überhaupt so eine Sache —, daß durch die Ausgabe ) von Milliarden aus öffentlichen Rückstellungen, aus dem Juliusturm, zwangsläufig inflationäre Erscheinungen ausgelöst werden müßten. Die Entwicklung des Jahres 1957 hat erwiesen, daß das nicht der Fall zu sein braucht.

    (Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

    Wir haben im vergangenen Jahr einen Konsumstoß von über 10 Milliarden DM erlebt, der zu einem großen Teil aus den Rentennachzahlungen und aus einer ganzen Reihe ähnlicher Leistungen herrührte. Von diesem Konsumstoß von 10 Milliarden DM sind nicht weniger als 4 Milliarden DM zusätzlich gespart worden. Wir haben wohl allen Anlaß, gerade diesen breitesten Schichten des deutschen Volkes für die damit bewiesene Mäßigung und Selbstdisziplin unseren Dank abzustatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieses ungewöhnliche Sparen, das sich zum Glück auch im Frühjahr dieses Jahres fortgesetzt hat, hat nicht zuletzt auch die Normalisierung des Kapitalmarktes in Deutschland ermöglicht mit den wohltuenden Folgen, die heute überall sichtbar werden. Eine der wohltuendsten davon ist unbestreitbar die Senkung des Zinsfußes; die Herausgabe von Hypotheken und Pfandbriefen zu 7 %, vielleicht sogar in einiger Zukunft zu 61/2 oder 6 % stellt doch einen ganz erstaunlichen und von uns durchaus begrüßten Vorgang dar.
    Wir hatten ursprünglich nicht ohne Sorge die Ausweitung des Bargeldumlaufs in Deutschland be trachtet, und in der Tat konnte eine Ausweitung allein im Jahre 1957 um rund 2 Milliarden DM bis
    zu einer Höhe von 17,5 Milliarden DM am 30. November 1957 einige Besorgnisse auslösen. Aber wir konnten feststellen, daß der Bargeldumlauf am 15. März 1958 wieder auf 16,2 Milliarden DM zurückgegangen war. Ich sehe in dieser Flexibilität des Geldumlaufs ein Zeichen dafür, daß im Grunde genommen nicht mehr Geld im Umlauf ist, als es den Terminerfordernissen der Wirtschaft entspricht und als wir tatsächlich brauchen. Es ist also nicht so, daß heute in irgendeiner Form Besorgnisse über den allzu großen Geldumlauf geäußert zu werden brauchten.
    Ich darf vielleicht auch noch ein paar andere Ziffern hier anführen, die für den sozialen Standard unseres Volkes im vergangenen Jahre und in diesem ersten Vierteljahre bezeichnend sind. In dem Steuereinnahmenausweis, den das Bundesfinanzministerium herausbringt, können Sie folgende Ziffern sehen. Das Tabaksteueraufkommen ist gegenüber dem Jahre 1954/55 in dem Rechnungsjahr 1956/ 1957 um 20 % auf 2,8 Milliarden DM gestiegen. Das Biersteueraufkommen ist um 25 % gestiegen, und die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol sind sogar um 37 % gestiegen. Ich fürchte, das wird uns im Haushaltsausschuß allerdings neue Anforderungen von der Stelle für Suchtgefahren bringen. Allerdings haben auch die Ausgaben für Lotto und Toto im Rechnungsjahr 1956/57 in Deutschland nicht weniger als eine runde Milliarde D-Mark erreicht.
    Wenn man diese Ziffern ansieht, dann wird man zumindest sagen können, daß dieses Volk einen Lebensstandard erreicht hat, der sich durchaus neben dem Lebensstandard auch sehr wohlhabender Völker der freien Welt sehen lassen kann. Herr Kollege Wehner, Sie haben neulich — ich glaube, es war in Hamburg — bei einer Versammlung den Ausspruch getan, daß „man den Lebensstandard des deutschen Arbeiters verteidigen müsse". Wir glauben, daß dazu gar keine Notwendigkeit besteht. Wir sind stolz darauf, daß wir durch unsere Wirtschaftspolitik dazu beigetragen haben, daß dieser Lebensstandard heute da ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben nicht das geringste Interesse daran, diesen Lebensstandard in irgendeiner Weise absinken zu lassen. Wir sind doch nicht so töricht, daß wir alle bisherigen Erkenntnisse der Sozial- und der Konjunkturwissenschaft beiseite stellen, die uns heute eindeutig klarmachen, daß jede große Konjunktur sich nur auf der Kaufkraft breitester Schichten des Volkes aufbauen kann. Diese Kaufkraft zu erhalten, wird mit eines der obersten Ziele unserer Wirtschaftspolitik sein. Darüber hinaus gleichzeitig die Eigentumsbildung bei den breitesten Massen zu fördern, ist eine der großen Aufgaben, die wir uns gleichfalls gestellt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Brese: Maßhalten!)

    — Auf das Maßhalten, Herr Kollege Brese, werde ich auch noch zu sprechen kommen.
    Ich möchte nun noch einige andere Dinge ansprechen. Herr Kollege Schoettle, ich glaube, Sie haben den Absatz in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers, in dem er von den Traumvorstellungen



    Dr. Vogel
    auf sozialem Gebiet sprach, offensichtlich etwas mißverstanden. Ich glaube nicht, daß die Auslegung, die Sie ihm gegeben haben, wirklich zutreffend ist. Ich bin der Ansicht, daß gerade Herr Etzel sowohl in den Jahren, in denen er Vorsitzender des Wirtschaftspolitischen Ausschusses war, wie auch nachher immer das Bestreben gezeigt hat, den Grundsatz, den ich vorhin aussprach, von der Notwendigkeit eines hinreichenden und eines guten Einkommens der breitesten Bevölkerungsschichten in der Weltöffentlichkeit zu vertreten, und daß er keinerlei Ursachen hat, diesen Grundsatz in irgendeiner Weise zu verniedlichen oder zu begrenzen.
    Wenn wir — lassen Sie mich gleich darauf etwas näher eingehen — in diesem Jahre nicht erneut eine so große Ausweitung der Sozialausgaben zu verzeichnen haben, wie das im vergangenen Jahr der Fall war, dann hat das schließlich seine wohlerwogenen Gründe. Wir werden nun einmal nicht jedes Jahr einen so gewaltigen Sprung vorwärts machen können, wie das — das ist auch von Ihrer Seite unbestritten — im letzten Jahr der Fall war; denn daß die Rentenreform eine große und weithin sichtbare Tat war, wird heute wohl von niemandem in Deutschland ernsthaft bestritten werden. Daß der neue Haushalt schon von der, ich möchte es einmal so nennen, Erweiterungsklausel des Rentenreformgesetzes in Anspruch genommen worden ist, und zwar mit 208 Millionen DM mehr, zeigt doch, daß es sich hier um einen „dynamischeren" Fortschritt von Jahr zu Jahr handelt. Das zweite große Werk, die Reform der Krankenversicherung, ist allerdings nicht schon in diesem Jahr zu erwarten, sondern wird erst im nächsten oder vielleicht übernächsten Jahr kommen; das liegt in den Schwierigkeiten dieses Problems begründet. Ganz bestimmt aber werden Sie uns nicht den Vorwurf machen können, wir wollten in diesem Haushalt in irgendeiner Form zum Ausdruck bringen, wir sähen das soziale Problem als minder wichtig an als ein anderes der großen Probleme unseres deutschen Volkes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich noch mit einigen Worten zu einem Thema sprechen, das ebenfalls Ihrer Aufmerksamkeit bedarf. Wir haben den Höhepunkt in der Anhäufung unserer Gold- und Devisenvorräte überschritten. Ich glaube, daß wir darüber eigentlich nicht traurig zu sein brauchten. Unser Bestand an Gold und Devisen betrug im Oktober 1957 23,68 Milliarden DM; wir haben zur Zeit einen Bestand von 22,7 Milliarden DM, davon 10 Milliarden DM in Gold. Im Januar hatten wir, und das war ein gewisses Alarmsignal, zum ersten Male einen Einfuhrüberschuß zu verzeichnen, und zwar von 112 Millionen DM. Im Februar schlug das Pendel wieder zurück; da hatten wir einen ungewöhnlich hohen Ausfuhrüberschuß: über 500 Millionen DM. Ich bin der Überzeugung, daß wir einen Ausfuhrüberschuß von über 4 Milliarden DM, wie wir ihn im Jahre 1957 hatten, weder in diesem Jahre noch in den folgenden Jahren wieder werden verzeichnen können.
    Wir müssen uns allerdings darüber im klaren sein, daß die Ausfuhr nach wie vor unserer größten Aufmerksamkeit bedarf. Deutschland ähnelt in seiner Wirtschaftsstruktur heute England. Für England ist
    die Ausfuhrfrage d i e Frage schlechthin. Auch für das deutsche Volk kommt die Zeit, in der wir den Fragen des Exports und der Exportförderung auch im Haushalt sehr viel mehr Beachtung werden schenken müssen, als das bisher der Fall zu sein brauchte.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Blick auch auf den neu abgeschlossenen Handelsvertrag mit Rußland werfen. Wir dürfen nicht übersehen, daß 65 % unseres Exportes in die westeuropäischen Industrieländer gehen, daß der Handel mit Sowjetrußland bisher aber nur 1 % unserer Ausfuhr betrug und nach dem neuen Handelsvertrag wahrscheinlich nur 2 % ausmachen wird. Bei den Nachforderungen, mit denen die Regierung bisher an uns herantrat, haben wir im Haushaltsausschuß feststellen müssen, daß die übergroßen Getreide- und Futtermittelvorräte, die wir in Deutschland angehäuft haben, ein Problem für sich darstellen; wir betrachten es mit steigender Sorge. Die Weiterveräußerung dieser übermäßigen Vorräte kostet uns in diesem Haushaltsjahr 79 Millionen DM. Wenn nun ein Teil der deutschen Warenlieferungen nach der Sowjetunion mit Getreidelieferungen aus der Sowjetunion bezahlt werden soll, so werden wir, fürchte ich, für den Wiederverkauf dieses Getreides noch erhebliche Mittel als indirekte Exportsubvention bereitstellen müssen. Auch diese Zusammenhänge sollte man bei einer Betrachtung der Ausweitung unseres Exports nach Sowjetrußland nicht verschweigen.
    Wenn sich im Zusammenhang mit den letzten Ereignissen an Rhein und Ruhr besorgte Blicke auch auf die Kohlenhalden gerichtet haben, so möchte ich für diesen Bereich doch einmal eine Vergleichszahl nennen. Von den 12 Millionen t, die gegenwärtig in Europa auf den Halden liegen, entfallen nur 2,98 Millionen t auf Deutschland mit einer Jahresproduktion von immerhin über 120 Millionen t, aber nicht weniger als 5,85 Millionen t auf Frankreich mit einer Jahresproduktion von etwas über 50 Millionen t und auf Belgien mit einer noch geringeren Produktion 2,78 Millionen t. Diese Sorgen lasten also ungleich schwerer auf den anderen Ländern der Montanunion, wenn wir auch diese Sorgen keineswegs kleinschreiben wollen.
    Aber alles das, was wir bis jetzt gemeinsam erreicht haben — und wir haben immerhin auch an Ersparnissen dank des wieder erwachten Sparsinns in unserem Volke über 23 Milliarden DM anhäufen können —, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bundesrepublik nach wie vor ein armes Land ist. Diese Vorstellung, daß wir ein armes Land sind, das nicht in der Lage ist, Kapitalexport in großem Ausmaße zu betreiben, dürfen wir auch bei den künftigen Verhandlungen nicht ganz übersehen. Wir haben, soweit es mir in Erinnerung ist, seit der Währungsreform für 1,5 Milliarden an Kapital exportieren können. England hat seit 1945 — allerdings mit einem Vorsprung von drei Jahren; aber auch England hatte von 1945 bis 1950 seine Umstellungssorgen — nicht weniger als 21 Milliarden Mark an Kapital exportieren können. Das zeigt deutlich, um wieviel besser die



    Dr. Vogel
    Grundstruktur eines Landes ist, das eben nicht wie das deutsche Volk zwei Inflationskatastrophen erlebt hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Infolgedessen dürfen auch keine allzu großen Erwartungen an uns gestellt werden, daß wir etwa in der Lage wären, auch für die in der wirtschaftlichen Entwicklung begriffenen Länder allzu große Summen auszuwerfen. Andere Länder sind dank ihres erhaltenen Kapitals in anderem Maße dazu in der Lage, als wir es zur Zeit sind.

    Immerhin haben wir im vergangenen Jahr 1957 eine Neukapitalbildung von nicht weniger als 14 Milliarden DM zu verzeichnen. Der Ausfluß dieser neuen Sparansammlung zeigt sich deutlich auf dem gesamten Geldmarkt und auf dem Kapitalmarkt. Ich habe die Rückwirkungen auf den Baumarkt schon kurz gestreift. Es bedeutet aber gleichzeitig — Herr Kollege Willeke, das ist für die Kommunalpolitik ein besonderer Trost — die Möglichkeit für die Kommunen, in einem ganz anderen Maße, als das bis jetzt der Fall ist, Anleihen auf dem Geldmarkt unterzubringen. Sie haben davon auch sehr reichlich Gebrauch gemacht.
    Bei dieser Gelegenheit kann ich einen kleinen Einwurf nicht unterlassen. Nach der letzten mir vorliegenden Statistik betrug die Gesamteinnahme der deutschen Gemeinden an der Steuer, die heute praktisch einzig und allein d i e Steuer der Gemeinden ist, der Gewerbesteuer, 10,5 % mehr gegenüber dem Jahr 1956, während alle anderen Steuern kaum ein ähnliches Mehraufkommen zu verzeichnen haben. Sie werden wahrscheinlich sofort einwerfen, daß das auf eine Reihe von Großstädten und von mittleren, besonders kapitalkräftigen Gemeinden beschränkt ist, und Sie werden mit vollem Recht sagen, daß die Dorfgemeinden und die Kleinstädte, die keine Industrie haben, wahrscheinlich die Leidtragenden dabei sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Da stimme ich völlig mit Ihnen überein. Insgesamt gesehen zeichnet sich in meinen Augen beinahe auch das Problem eines Ausgleichs zwischen den kapitalstarken und den anderen Gemeinden in einem anderen Maße als bisher ab; um das hier gleich einmal einzuflechten.
    Meine Damen und Herren, wir kommen auch nicht an der Tatsache vorbei, daß wir nicht nur ein kapitalschwaches Land sind, sondern daß wir darüber hinaus nach wie vor ein schutzloses Land sind. Diese Tatsache wird auch durch den Aufbau unserer Bundeswehr in keiner Weise beeinträchtigt. Nichts kann doch die ungeheure Gefährdung unserer Existenz klarer beleuchten als das ständig an einem Zwirnsfaden hängende Schicksal von 2,5 Millionen unserer Brüder und Schwestern im Westsektor von Berlin. Leistungen werden ja nie gern aufgebracht, Herr Kollege Schoettle, das wissen wir alle. Aber über die Notwendigkeit, hinreichende Leistungen für Berlin aufzubringen, besteht in diesem Hohen Hause überhaupt keine Meinungsverschiedenheit.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Nur setzt das - das muß ich mit einem kleinen
    Akzent auch einmal sagen — natürlich auch eine
    gewisse Selbstkritik Berlins an seinen eigenen Ausgabewünschen voraus — ich will mich in dieser Beziehung ganz vorsichtig ausdrücken —, und da haben wir nicht immer die feste Überzeugung, daß alle diese Wünsche in vollstem Umfang berechtigt sind.
    Zu den bisherigen Ausgaben für die Bundeswehr in dem Maße, wie der Haushalt sie verzeichnete, waren wir durch eine Reihe von Verträgen mehr oder weniger stark verpflichtet. Ich finde es außerordentlich nützlich, daß uns in den immer sehr lesenswerten Vorbemerkungen, die wir auch in diesem Jahr in Gestalt eines dicken Bandes vorgelegt bekommen haben, gerade die Entwicklung unserer Zahlungsverpflichtungen auf diesem Gebiet vom Jahre 1949 bis zum Jahre 1957 so ausführlich dargestellt worden ist.
    Wer sich diese Seiten einmal zu Gemüte führt, wird doch an einem nicht vorbeikommen können. Er wird sich vor der bewundernswürdigen Zähigkeit verneigen müssen, mit der der verflossene Finanzminister Fritz Schäffer mit unseren früheren Besatzungsmächten und heutigen Verbündeten verhandelt hat. Er hat hier ein Musterbeispiel seiner vielgerühmten Hartnäckigkeit geliefert. Denn was da allein an Forderungen von der anderen Seite abgewandt werden konnte, stellt doch immerhin eine Leistung in Milliardenhöhe dar.
    Ich bitte doch bei aller Kritik an den Ansätzen der vergangenen Jahre eines nicht ganz zu vergessen. Das ist, glaube ich, ein Argument, über das es keinen Streit geben sollte; ich als kleines Mitglied des Hohen Hauses darf hier wohl das ruhig aussprechen, was ein Finanzminister nicht ohne weiteres aussprechen kann. Ich möchte nämlich einmal die Frage stellen: Wie hoch wären denn die Stationierungskosten ausgefallen und welche Forderungen hätte die Gegenseite mit Recht erhoben, wenn in den vergangenen Jahren seit 1945 bei uns nicht diese Ansätze für Verteidigungszwecke im Haushalt gestanden hätten?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen dieses Thema aus nationalpolitischen Gründen hier nicht vertiefen. Aber in einem Zeitpunkt, in dem auch in London — vielleicht schon heute am Nachmittag — erneut Verhandlungen über diese Dinge gepflogen werden, ist es notwendig, die Zwangslage, in der wir uns in den vergangenen Jahren befunden haben, richtig einzuschätzen und daraus auch bestimmte Konsequenzen zu ziehen.
    Jedenfalls stehe ich mit meinen Freunden auf dem Standpunkt: die Forderungen an unsere Verbündeten wären unzumutbar, wollten wir uns nicht selbst die gleichen Leistungen auferlegen, die wir zu ihrem und unserem Schutz von den anderen heute fordern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Dinge bedürfen zwar einer gerechten Aushandlung zwischen den Verbündeten, unsere An-



    Dr. Vogel
    Sicht dazu muß aber doch klar ausgesprochen werden.
    Meine Damen und Herren, ich darf Ihre besondere Aufmerksamkeit auf eine völlig neue Entwicklung in unserem Haushalt lenken. Mein Herr Vorredner hat hier schon über die Frage der Wiedergutmachungsleistungen gesprochen. Sie wird auch noch in den kommenden Monaten der Gegenstand von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sein. Mit dem gleichen Nachdruck erkläre auch ich für meine Freunde, daß wir uns niemals gegen eine wirklich angemessene Wiedergutmachung gewandt haben. Nur hatten wir zu verzeichnen, daß der Betrag von 8 Milliarden DM, der ursprünglich bei der Einbringung des Gesetzes als erforderlich bezeichnet wurde, inzwischen bereits auf 18 Milliarden DM angestiegen ist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das ist immerhin ein Vorgang, der auch haushaltsmäßig bestimmte Konsequenzen auslöst. Aber wir bitten Sie, daraus nicht zu folgern, daß die Bereitschaft meiner Freunde gemindert ist, im Rahmen des volkswirtschaftlich Möglichen das zu tun, was die Ehre des deutschen Volkes gegenüber den früher Verfolgten und Bedrückten gebietet. Darin sind wir uns, glaube ich, völlig einig.
    Im Zusammenhang damit wird der Hinweis für Sie von Interesse sein, daß wir heute bereits Auslandsleistungen nach Gesetzen und Verpflichtungen haben, die eine Höhe von 4 Milliarden DM pro Jahr erreicht haben. Das ist eine völlig neue Entwicklung bei uns, die wir vor allen Dingen im Hinblick auf die Anhäufung von Gold- und Devisenvorräten in Höhe von 22,3 Milliarden DM etwas schärfer sehen müssen, als das bis jetzt der Fall war. Darunter fallen die Rüstungseinfuhren, darunter fallen die Zahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, darunter fallen die Zahlungen an die Europäische Atomgemeinschaft — um nur einmal die größten Ziffern vorwegzunehmen — und zum erstenmal auch die Zahlungen nach dem Londoner Schuldenabkommen mit fast 400 Millionen DM pro Jahr. Das sind Dinge, die uns in den nächsten Jahren wahrscheinlich weitaus mehr beschäftigen werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.
    Nun lassen Sie mich auch einmal zu einigen Wünschen und Sorgen kommen, die im Zusammenhang mit diesem Haushalt offen ausgesprochen werden müssen. Herr Kollege Schoettle, Sie dürfen versichert sein, nicht nur Sie haben bei einem 39,2-
    Milliarden-Haushalt Sorgen, sondern auch wir haben bestimmte Sorgen. Auch wir haben im Zusammenhang damit Wünsche hier vorzutragen, selbst auf die Gefahr hin, daß man diese Dinge in der Presse vielleicht wieder allzu groß aufbauscht und daß daraus mit leichter Hand sofort wieder das Wort „Krise" gemacht wird. Eine Krise herbeizuführen ist immerhin, glaube ich, schon eine Angelegenheit, die weitaus ernsterer und weitaus schwerwiegenderer Begründungen bedarf als das, was ich jetzt vortragen möchte.
    Ich möchte zunächst einmal einiges zu den Personalien sagen. Hier hat der Bundesfinanzminister
    recht, wenn er sagt, die neu ausgebrachten 2050 Stellen im Bundeshaushalt 1958 bringen insgesamt nur eine Mehrbelastung von 25 Millionen DM mit sich. Aber wir sind uns völlig darüber im klaren, daß diese 25 Millionen DM alle Jahre nicht nur wiederkehren, sondern sich automatisch steigern. Wir sind uns auch darüber im klaren gewesen, daß wir nach einer sehr dankenswerten Veröffentlichung, die mein Kollege Niederalt vor einigen Tagen in Bayern vorgenommen hat, in den Jahren 1955 bis 1957 nicht weniger als 6193 neue Dienstposten in der Verwaltung — wenn Sie wollen — zu beklagen haben

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    und daß der Mehraufwand dafür runde 75 Millionen DM erfordert. Ich verschließe meine Augen keinesfalls vor bestimmten zwingenden Notwendigkeiten; das haben wir auch in der Vergangenheit nicht getan. Wir nehmen genauso wie Sie für uns in Anspruch, die einzelnen Anforderungen nach ihrer Notwendigkeit und nach ihrer Begründung hin sorgfältig überprüft zu haben. Sie können uns natürlich mit Recht sagen, daß die Mehrheit dieses Hauses diese Mehranforderungen gebilligt hat. Aber Sie werden schwerlich leugnen können, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie in der Mehrzahl dieser Fälle — wir wollen einmal von dem Verteidigungshaushalt absehen — in der Bewilligung mit uns einer Meinung waren und daß Sie häufig genug — ich sage das nicht ohne einen gewissen Seitenblick —, wenn Sie bei uns die Absicht spürten, etwas zu kürzen, vielleicht aus dem begreiflichen Bestreben heraus, uns auch einmal einen Seitenstich zu versetzen, Ihrerseits eher bereit waren, etwas zu bewilligen, als wir es waren, daß das Pendel dann wohl auch hin und wieder nach der anderen Seite ausgeschlagen hat. Aber insgesamt ist ein großer Teil dieser neuen Stellen die zwangsläufige Folge von Gesetzen, die dieses Hohe Haus beschlossen hat. Daran kommen wir leider nicht vorbei.
    Nehmen Sie nur einmal die Neuanforderungen im Haushalt 1958. Da sehen Sie das neue Kartellamt mit 88 neuen Stellen, von denen wir genau wissen, daß es einige hundert werden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Einige hundert?)

    — Natürlich, Frau Weber, es werden einige hundert werden; denn dieses Kartellamt stellt erst einen Anfang dar. — Nehmen Sie den Flugsicherungsdienst, nehmen Sie die notwendigen Korreferate zum Gemeinsamen Markt, nehmen Sie die neue Abteilung mit 84 neuen Posten, die im Bundeswirtschaftsministerium als Pendant zum Gemeinsamen Markt entsteht. Das sind Zwangsläufigkeiten, an denen wir leider nicht vorbeisehen können.
    Wir haben uns trotzdem entschlossen, jetzt eine Art von Überrollung eintreten zu lassen und — wir laben beim Einzelplan 10, beim Ernährungsministerium, einen Anfang gemacht — nur diejenigen Ausgaben zu bewilligen, die wir auf Grund zwingender gesetzlicher Vorschriften, auf Grund tarifpolitischer Vorschriften und aus sonstigen zwin-



    Dr. Vogel
    genden politischen Erfordernissen für notwendig halten, wobei wir einen möglichst strengen Maßstab anlegen wollen.
    Der Bundeskanzler selber hat — Herr Kollege Niederalt hat diesen Ausspruch, ich glaube, mit einem gewissen Vergnügen, zitiert — am 29. Oktober 1957 in seiner Regierungserklärung gesagt:
    Ein Ministerium ist ähnlich wie ein Polyp, der, sicher oft gegen die Absichten seines Ministers, seine Polypenarme ausstreckt, um immer mehr zu bekommen.
    Wir können den Herrn Bundeskanzler zu dieser
    Einsicht nur beglückwünschen, und ich hoffe, — —

    (Abg. Schoettle: In seinem unmittelbaren Amtsbereich hat er einen ganz hübschen Polypen!)

    — Ja, aber das ist nur ein sehr kleiner Polyp (Abg. Wehner: Aber ein sehr saugkräftiger!)

    im Vergleich zu den Polypenarmen, die seine Minister ausgestreckt haben. Wer sich z. B. das anschaut, was in der Folge des Organisationserlasses des Herrn Bundeskanzlers eingetreten ist, der kann nur mit Bedauern feststellen, daß wir den alten Vorgang wieder erleben: daß überall da, wo Aufgaben an andere Ressorts abgegeben worden sind, das abgebende Ministerium das Bestreben zeigt, seinen vollen Personalstand zu wahren, und in dem neuen Hause die Stellen neu, also doppelt erscheinen. Wir hatten diesen Vorgang schon einmal bei der Übergabe der Kompetenz für Geld und Finanzen vom Bundesfinanzministerium zum Bundeswirtschaftsministerium zu beklagen und sehen ihn jetzt, glaube ich, in voller Blüte von neuem bei den parallelen Anforderungen des Bundeswirtschaftsministeriums, des Auswärtigen Amtes, des Atomministeriums und des Bundesfinanzministeriums im Hinblick auf die Fragen der supranationalen Behörden.
    Derartige Dinge bedürfen unbedingt einer schärferen Kompetenzabgrenzung, als sie bisher vorhanden ist, und wir richten an das Bundeskabinett die dringende Bitte, sehr bald zu einer solchen Kompetenzabgrenzung zu gelangen und im Zusammenhang damit auch die meiner Überzeugung nach reichlich überflüssigen Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen einzelnen Häusern so bald wie möglich zu beseitigen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich spreche hier von den Abgrenzungen zwischen Bundesinnenminister und Bundesverteidigungsminister, zwischen Auswärtigem Amt und Bundeswirtschaftsministerium und von der leidigen neuen Frage der Zuständigkeit für die Wasserwirtschaft usw. — Alles das sind Dinge, die aus der Welt geschafft werden können und möglichst bald aus der Welt geschafft werden sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir möchten auch an das Bundeskabinett die dringende Bitte richten, sein Augenmerk schärfer als bisher auf die Flut von neuen Gesetzesvorlagen zu richten. Wir glauben, daß die Entwürfe vieler
    fleißiger Referenten in den Bundesressorts durchaus Anerkennung verdienen; aber ob sie unbedingt über das Bundeskabinett immer an das Hohe Haus weitergeleitet werden müssen, das ist eine ganz andere Frage.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie muß verneint werden!)

    Dieses Haus hat wahrhaftig nur allzuwenig Zeit für die Behandlung der großen Anliegen unserer Nation, und es sollte nach Möglichkeit davon verschont werden, sich mit zu vielen kleinen, unbedeutenden Vorlagen zu befassen, die allein dem Ressorteifer und dem Fleiß einzelner Referenten entspringen, für deren Behandlung aber eine zwingende Notwendigkeit für uns nicht vorliegt. Mehr noch als bisher sollte auch bei dieser Gelegenheit darauf geachtet werden, welche haushaltsmäßigen Folgen ein großer Teil dieser Entwürfe zwangsläufig haben muß.
    Ich darf in diesem Zusammenhang eine Bemerkung über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern machen, obwohl das eine Angelegenheit ist, die in einem anderen Zusammenhang ausführlicher diskutiert werden soll. Sie, Herr Bundesfinanzminister, haben, glaube ich, bei den Argumenten, die gegen die Beschlüsse des Bundesrates im ersten Durchgang des Haushalts sprechen, ein Argument übersehen oder vergessen; ich weiß nicht, ob Sie es mit Absicht getan haben. Sicher aber spricht die Entwicklung des Steueraufkommens im letzten Vierteljahr ebenso sehr gegen die Ansprüche, die die Länder auf die 650 Millionen DM erhoben haben, wie die beiden anderen Argumente, die Sie genannt haben. Es ist kein Zweifel, daß das Steueraufkommen und vor allem die Reserve — sie ist auch von Ihnen erwähnt worden —, die sich wegen der zu späten Veranlagung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Jahre 1956 und 1957 ergeben wird, die Länder ungleich mehr begünstigen werden als den Bund.

    (Abg. Niederalt: Aber es bleibt die Unterschiedlichkeit in der Finanzstärke!)

    - Auf die komme ich gleich noch zu sprechen.
    Daß der interne Finanzausgleich zwischen den Ländern eine Sonderaufgabe darstellt, die sich mit jedem Jahre zwingender für uns ergibt, wird davon gar nicht berührt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich bin der Überzeugung — ob alle meine Freunde mir hier zustimmen werden, weiß ich nicht —, daß auf die Dauer gesehen eine Existenzberechtigung nur ein Land haben kann, das finanziell in der Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Nur Länder, die finanzkräftig genug sind, ihre Landeshoheit aufrechtzuerhalten, werden sich behaupten können.

    (Abg. Dr. Gülich: Das ist aber interessant!)

    — Das ist eine sehr interessante Angelegenheit, und ich glaube, Herr Professor Gülich, gerade Sie als früherer Finanzminister des Landes SchleswigHolstein werden sich dieser Überzeugung zuallerletzt entziehen können. Wir müssen aber vorerst



    ) Dr. Vogel
    einmal zu einem neuen Ausgleich zwischen den Ländern gelangen. Auf weite Sicht werden wir hier — das ist meine persönliche Auffassung; sie braucht nicht die Auffassung meiner Fraktion zu sein —nicht um eine Neuordnung herumkommen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Darin stimme ich, glaube ich, mit sehr vielen kundigen Leuten in Deutschland, nicht nur mit den Finanzwissenschaftlern, überein.
    Wir sind weiter der Auffassung, daß wir die bis jetzt angelegte Sonde der Sparsamkeit nicht nur beim Verwaltungsaufbau und bei der Stellenausstattung der einzelnen Bundesressorts ansetzen sollten; vielmehr hat die gleiche Sparsamkeit beim Verwaltungsaufbau der deutschen Bundeswehr obzuwalten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Zwei Dinge sind hier zu unterscheiden: auf der einen Seite das notwendige Maß an Sicherheit, das wir hundertprozentig bejahen, das erreicht werden muß, auf der anderen Seite die Kosten, die damit verbunden sind. Hier ist vor allem die Frage zu stellen, was für uns wichtiger ist: eine effektive Abwehrkraft aufzubauen oder einen Verwaltungsapparat von solchen Ausmaßen, daß er keineswegs ein Vorteil für die Verteidigungsstärke der Bundeswehr zu sein braucht.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Angesichts einer Zahl von bereits 70 000 zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr sind, glaube ich, derartige Besorgnisse durchaus angebracht, und wir werden uns bei der Behandlung des Einzelplans 14 von niemandem in der Sorgfalt übertreffen lassen, die Dinge auf ihren Nutzen hin genau zu überprüfen. In einer ganzen Reihe von Fällen haben wir Einsparungen erzielen können, und wir hoffen sie auch im kommenden Jahre zu erzielen.
    Ich muß noch auf einen anderen Fall zu sprechen kommen, der meine Freunde bewegt hat und uns zu einer sehr dringenden Bitte an das Bundeskabinett veranlaßt. Ich meine die Finanzierung des von Frankreich aufgekauften Passagierschiffes „Pasteur", ein Musterbeispiel, wie wir es in der Zukunft nicht wieder zu erleben hoffen. Am Schluß der zweiten Legislaturperiode ist bei der Beratung des Verkehrshaushalts ein Beschluß des Bundestages zustande gekommen, wonach für Bundeszuschüsse für Passagierschiffe kein Leertitel ausgebracht wird. Trotzdem haben wir erleben müssen, daß Ressortmitglieder hier Bindungen eingegangen sind, die heute schwer oder nur unter sehr großem Schaden rückgängig gemacht werden können.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Wehner: Das schadet aber dem Minister nichts!)

    — Ich komme jetzt gleich darauf zu sprechen, Herr Kollege Wehner. Ich möchte hier ganz offen aussprechen, daß wir diesen Fall zum Anlaß nehmen werden, uns einmal genauestens schildern zu lassen, wie es überhaupt zum Eingehen derartiger Verpflichtungen kommen konnte, die eine glatte
    Desavouierung des Beschlusses dieses Hohen Hauses darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Wir möchten auch hier mit allem Nachdruck erklären, daß wir hoffen, es habe sich hier um den letzten Fall dieser Art gehandelt.
    Es wirft auch kein gutes Licht auf die Disziplin der Ressorts, wenn wir auf der anderen Seite feststellen, daß neue Anforderungen von nicht weniger als 6,5 Milliarden DM an den Bundesfinanzminister gestellt worden sind.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich hätte gewünscht, daß sich die anderen Ressorts bei der auch ihnen bekannten Finanzlage des Bundes ein wenig aufgeschlossener gezeigt hätten, so daß nicht erst hier ein Abstrich bis auf 1,8 Milliarden DM einschließlich der Verteidigungsausgaben hätte vorgenommen werden müssen.
    Noch ein offenes Wort an den Herrn Bundesfinanzminister. Ich glaube nicht, daß die Art, wie der kleine Grenzverkehr gehandhabt wird, vor allen Dingen die Herabsetzung der zollfrei nach Deutschland eingeführten Mengen auf winzige Grammbeträge, dem Bundesfinanzminister heute einen wesentlichen finanziellen Vorteil einbringt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Die daraus resultierende Verärgerung nicht nur unserer Mitbürger, sondern vor allen Dingen der Ausländer, die erfreulicherweise in immer größerer Zahl zu uns kommen, wiegt schwerer als die Vorteile, die Sie daraus haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Ich möchte darum bitten, die bisherigen Maßnahmen zu überprüfen. Vielleicht könnte das, wenn man sich hier etwas großzügiger erwiese, auch der Ausgangspunkt dafür sein, das auch von Ihnen angeführte notwendige Heer von 35 000 Zoll- und Finanzbeamten ein wenig zu reduzieren.

    (Abg. Krammig: Was sagen die Geschäftsleute im Grenzbezirk dazu?)

    — Die Geschäftsleute im Grenzbezirk werden sich zunächst einmal darüber beschweren, aber ich glaube, daß die frühere Regelung großzügiger war, und sie hat sich auch jahrelang behaupten können, ohne daß ein wesentlicher Schaden angerichtet worden ist.

    (Abg. Krammig: Dann müssen wir das Zollgesetz ändern!)

    Lassen Sie mich noch einmal — ich bin zu Beginn meiner Darlegungen schon darauf zu sprechen gekommen — eines ganz offen aussprechen. Wenn ich an all das denke, was in den nächsten Jahren unvermeidlich noch auf uns zukommen wird, so kann ich mich einer gewissen Besorgnis nicht erwehren. Unbestreitbar werden wir nach dem, was wir aus den Zeitungen entnehmen können und was die bisherigen Verhandlungen schon ergeben haben, auch mit einer Verkürzung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 45 Stunden rechnen müssen. Das wird generell eine ganz erhebliche Steigerung der



    Dr. Vogel
    Verwaltungskosten mit sich bringen. Die Verwaltungskosten bei Bund und Ländern betragen schon über 16 Milliarden und sind gegenüber dem Vorjahr um rund l'/2 Milliarden gestiegen. Ich weiß nicht, ob dieser Prozeß auf die Dauer weitergeführt werden kann, ohne daß letzten Endes der Haushaltsausgleich vor allem bei den Ländern beeinträchtigt wird. Ich sehe es vor allen Dingen einmal unter diesem Gesichtspunkt; ich glaube, die Frage ist ernst genug, daß wir sie aufmerksam betrachten.
    Ich habe bereits angedeutet, daß wir nur mit einer sehr, sehr verkürzten Behandlung der einzelnen Haushalte überhaupt das Ziel schaffen können, das wir alle hier im Hohen Hause uns gesteckt haben: den Haushalt noch bis zu den großen Ferien zu verabschieden. Das wird allerdings nicht nur an die Gesundheit der Mitglieder des Haushaltsausschusses, sondern darüber hinaus auch an die Disziplin aller Fraktionen des Hohen Hauses gewisse Anforderungen stellen. Ich habe daher die dringende Bitte, daß man uns in dieser Arbeit nicht hindert, sondern sie fördert; denn wenn wir im Haushaltsausschuß nicht rechtzeitig zu Rande kommen, wird auch ein sehr vitales, menschliches Interesse des Hohen Hauses berührt; die Ferien können dann nämlich nicht so zeitig anfangen, wie wir uns das eigentlich vorgenommen haben.
    Wir werden trotz der Kürze der Zeit auf eine Reihe von Problemen ein überdurchschnittliches Maß an Beratungszeit verwenden müssen, nicht nur auf den Verteidigungshaushalt, von dem wir bereits gesprochen haben, sondern genauso auf das Problem des Straßenbaues und auch auf die Förderung von Forschung, Wissenschaft und Nachwuchsfragen. Das werden wohl die Kernprobleme sein.
    Wir sind der Überzeugung, daß wir keine Ursache haben, uns in irgendeiner Weise von Depressionshypnosen beeinflussen zu lassen. Wir glauben, daß der Bundesfinanzminister und das Bundeskabinett immer noch hinreichende Möglichkeiten in ihrer Hand haben, falls tatsächlich der Einsatz von staatlichen Mitteln zur Steigerung der Konjunktur notwendig sein sollte. Bis jetzt ist das unserer Überzeugung nach nicht nötig. Kein Volk kann sich auf die Dauer Jahre hindurch in einer Boomstimmung halten. Wir haben in den vergangenen Jahren gewisse Folgeerscheinungen zu beklagen gehabt. Es gibt auch heute leider noch Menschen, die glauben, die Produktivität müsse alle Jahre um 15 % steigen, und wenn der Satz darunter sinke, müsse man Alarmrufe ausstoßen.
    Wir sind keinesfalls dieser Überzeugung. Wir möchten vielmehr den Appell wiederholen — auch der Bundesfinanzminister hat ihn in einem Nebensatz anklingen lassen —, den wir auch in den vergangenen Jahren an unsere Freunde und an das Hohe Haus gerichtet haben. Wir haben auf unsere Fahne von jeher die Parole geschrieben: Maßhalten in allen Dingen!

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn wir in der Ausgabenwirtschaft das Notwendige für die Verteidigung, für die innere Stabilität
    und für die soziale Sicherheit des deutschen Volkes tun, können wir all diese Probleme sehr wohl unter einen Hut bringen. In einem solchen Maßhalten können wir durchaus nicht nur zu dem kommen, was wir die Verteidigung des Lebensstandards des deutschen Volkes nennen, sondern darüber hinaus auch zur notwendigen Verteidigung der Freiheit dieses Volkes und damit auch der Freiheit der freien Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in jedem Jahr hat auch in diesem das hohe Haus die Einbringung des Haushalts — in diesem Jahr eines 40-Milliarden-Haushalts — mit Gelassenheit und die Rede des Finanzministers ohne seelische Erschütterung hingenommen. Ob das gut, ob das richtig ist, sei dahingestellt. Trotzdem scheint es mir -- mein Gefühl kann mich täuschen —, daß in der heutigen Rede ein neuer Akzent zu spüren war.
    Ich habe den Eindruck, daß die Bundesregierung heute den Haushalt nicht eingebracht, sondern durch den Mund des Herrn Bundesfinanzministers der Volksvertretung mitgeteilt hat. Die alten Fuhrleute des Haushaltsausschusses wissen, wie riskant es ist, bei der Vorlage des Haushalts allzu viele Versprechungen zu machen. Denn wir wissen, daß wir in einigen Monaten klüger sein werden und daß die Haushaltssuppe, die heute so ein wenig unter dem Motto „Hoffnungslos, aber nicht verzweifelt" serviert wurde, wiederum heißer gekocht ist, als wir sie dann bei den letzten Abstimmungen — wir wollen einmal sehen, wann sie stattfinden — zu uns nehmen. Die Regierung hat gesagt, man bitte freundlichst zu entschuldigen, daß der Haushalt so spät komme, man wolle es gewiß nicht wieder tun. Nun, wir sind gebrannte Kinder und hören die Botschaft. Es gehört schließlich zum altehrwürdigen Metier des Finanzministers, auch über dem ohnedies gewohnt grauen Alltag der Finanzen immer noch ein paar ganz besonders düstere Wolken aufziehen zu lassen, damit unsere — des Parlaments — bewährte Bewilligungsfreude gelähmt wird und das 40-Milliarden-Projekt nicht noch einige große Aufgaben aufgeladen bekommt.
    Betrachtet man nämlich den Haushaltsplan — sehr viel Zeit hatten wir dazu ja nicht; im großen ganzen haben ihn die Fraktionen gestern frühbekommen—, so hat man den Eindruck, daß er so sehr viel Sensationelles nicht enthält, auch nicht so viel Neues an gedanklichem Fortschritt, aber vielleicht einige Enttäuschungen. Diese Enttäuschungen zeigen uns, daß wir so ganz allmählich doch in einen recht verhängnisvollen Kurs unserer Finanzpolitik hineingeraten. Ich darf gleich am Anfang sagen: Was wir an Fritz Schäffer hatten, mögen wir seine Thesen geteilt haben oder nicht, das wußten wir alle in diesem Hause. Es war Ordnung in den Finanzen,



    Lenz (Trossingen)

    und wir konnten nie überrascht werden, daß kein Geld mehr da war; es war höchstens umgekehrt.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr richtig!)

    Aber jetzt haben wir alle — verehrte Frau Kollegin Weber, ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht — ein wenig das unbehagliche Gefühl, daß es um eine mit vielen Worten verbrämte Aufweichung nicht nur unserer guten Mark, sondern unserer letztlich nicht sehr phantasievollen, aber doch ganz soliden finanzpolitischen Prinzipien geht. Ich weiß nicht, ob wir auf diese Weise nicht langsam in den leider sehr deutlich spürbaren internationalen Entwertungsstrudel hineinkommen.
    Zunächst möchte ich Herrn Kollegen Schoettle auch im Namen meiner Freunde beipflichten, wenn er sich gegen die Behandlung des Parlaments, die in der verspäteten Einbringung des Entwurfs und der Forderung nach überstürzter Verabschiedung liegt, kräftig zur Wehr gesetzt hat. Man muß sagen, daß hier eine prächtige Logik vorliegt. Man nimmt sich selber vier Monate mehr Zeit als eigentlich üblich, verlangt aber von uns, verlangt vom Haushaltsausschuß, verlangt vom Plenum, daß diese Verspätung eingeholt und der Haushalt zum selben Zeitpunkt wie im Vorjahr verabschiedet wird.

    (Zuruf des Abg. Wehner: „Obrigkeit".)

    Ich will gar nicht besonders dramatisch werden,
    Herr Kollege Wehner, es steckt natürlich darin. Ich
    sage auch: der Haushalt ist uns „mitgeteilt" worden.
    Wir wissen genau, daß ein Haushaltsplan, der erst am Ende des Rechnungsjahrs, für das er bestimmt ist, fertig wird, an sich seinen Sinn verliert. Hinzu kommt, daß die Exekutive, was wir überhaupt nicht leiden können, eigentlich, solange wir den neuen Haushalt nicht verabschiedet haben, Herr der Situation ist und allein regiert. Aber wir möchten unsere Pflicht nach gründlicher Prüfung des Haushaltsentwurfs nachkommen. Wir haben ein kräftiges Mißtrauen gegen alle Versuche, etwas zu schnell an den kritischen Augen des Haushaltsausschusses vorbeiziehen zu lassen. Wer besondere Eile hat, hat Grund dazu. Diese Gründe können nur sein, daß man eine sorgfältige Aufhellung dieses oder jenes Punktes nicht wünscht. Ein paar von diesen Punkten kennen wir schon. Sie werden im Ausschuß gebührend zur Sprache gebracht werden.
    Dazu kommt vielleicht noch ein Zweites. Wenn der Finanzminister die Lage schon mit Düsterkeit gezeichnet hat, können wir schlecht in voller Unbekümmertheit über seinen Haushaltsplan leichtfertig hinwegsehen. Schließlich haben wir — wir, das Parlament, die neueste Gesetzgebung — das berühmte Drittel Sozialprodukt, das für öffentliche Zwecke benötigt wird, weit überschritten. Es ziemt sich wohl schon aus diesem Grunde, den geradezu furchtbaren Trend zu weiteren Ausgabenerhöhungen mit aller Sorgfalt zu untersuchen. Ich glaube, der Ausschuß ist sich darüber klar, daß er beschleunigt arbeiten muß. Aber er sollte sich jedem Versuch einer Überrollung mit Schärfe entgegenstellen.
    Ich möchte auch persönlich feststellen, daß ich den Eindruck bekommen habe, daß nach unserer Auffassung die Regierung diese Zeit nicht hätte zu nehmen brauchen. Der Entwurf, der doch in einer ganzen Menge von Punkten nach wie vor die kräftige Hand des Vorgängers verrät, war ja praktisch im Oktober vorigen Jahres fertig. Es ist eine für mein Empfinden überflüssige Pause eingetreten, die, soweit man sehen kann, einiges Geld gekostet hat.
    In der Öffentlichkeit ist sehr viel darüber gesprochen worden, und man hat dem neuen Herrn Bundesfinanzminister Kränze gewunden, mit welcher Energie er die Mehranforderungen der Ressorts zurückgedämmt hat. Man spricht von der Summe von 4,7 Milliarden DM. Eine Heldentat, die sein Vorgänger offenbar nie vollbracht hat! Dies ist aber nicht wahr. Wenn ich mich recht entsinne, waren es bei Herrn Schäffer immer mindestens 4, manchmal sogar 6 bis 7 Milliarden DM, die dem sogenannten Rotstift zum Opfer fielen; und damals hatten wir volle Kassen.
    Jetzt hat man offenbar die letzte Schublade des Juliusturms aufgezogen. Ich frage: hat man sich wirklich ernsthaft um Kürzungen oder Streichungen bemüht, oder ist nicht sogar ein Teil dieser 4,7 Milliarden DM vom Vorgänger des Herrn Etzel abgesägt worden? Hat man nicht — sonst wäre der Haushalt in seinem Volumen ja nicht so groß bzw. größer geworden — vielleicht doch ein wenig zu konzessionsfreudig manchem Ressort recht gegeben? Wo sind die Kürzungen und Streichungen, die wirklich wehgetan haben?
    Ich habe den Eindruck, daß auch dieser Haushalt in Wirklichkeit leider den Weg einer neuen Ausgabenförderung gegangen ist. Man versucht zwar, es nicht wahrzuhaben, aber ich kann es nicht sehen. Wenn man die Einzelpläne durchblickt, findet man die alten Bekannten wieder. Ich verbrenne mir jedes Jahr an dieser Stelle den Mund, und ich tue es auch diesmal wieder, wenn ich voller Besorgnis auf diese Ausgabensteigerungen und auf die immer größer werdende Knechtschaft des einzelnen in der öffentlichen Finanzverstrickung hinweise.
    Mit einer Logik, die sich nur gegen sich selbst richten kann, hat der Finanzminister davon gesprochen, daß die Fordernden letzten Endes auch immer die Zahlenden seien. Aber ich finde in diesem Haushaltsplan nichts, was darauf hindeutet, daß man aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen hat. Wir hören die Sorgen der Zukunft, wir hören den Jammer um die kommenden großen Verpflichtungen. Aber man hört in der Öffentlichkeit schon gar nicht mehr hin, wenn wir dieses Thema anschlagen. Wir haben es lange genug gehört, und immer war die Kasse noch voll. Und jetzt werden wieder die sogenannten Juliusturm-Milliarden als eine Form von „Fritz-Schäffer-Gedächtnisfonds"

    (Heiterkeit — Beifall rechts)

    zum Ausgleich in den Topf geworfen, damit der
    verfassungsmäßige Haushaltsausgleich gewahrt
    wird. Aber wir alle wußten doch — wir sind ja nicht Auguren, sondern ganz ernsthafte Leute —, daß am Ende dieses Rechnungsjahrs das gleiche Bild erscheint, daß nämlich die Kasse noch nicht leer und andererseits der Berg der Verpflichtungen noch



    Lenz (Trossingen)

    höher ist. Ich komme zum Verteidigungshaushalt, dessen Verpflichtungen ja diesen Berg bilden, noch zurück. Ich will nur sagen, daß ich immer wieder Schmunzeln begegne, wenn man die Sache mit der Einstellung der 3 Milliarden DM Kassenmittel drannimmt. War das denn nicht der Hauptvorwurf gegen Fritz Schäffer?, fragte man allgemein, und man kann diese Frage nur bejahen. Es wäre eine Leistung gewesen, diese 3 Milliarden DM für ihre wirkliche Bestimmung zu sichern und dafür einmal die Ausgaben so hart anzupacken, wie es unser immer bescheidener werdender Anteil am Ergebnis der nationalen Arbeit verlangt. Dieser Haushalt bringt all unsere alten Freunde wieder, und er hat infolgedessen kein Geld für die notwendigen großen Aufgaben, bei deren Lösung wir von Jahr zu Jahr mit den gleichen Unzulänglichkeiten weiterwursteln.
    Wir machen uns aber auch darin nichts vor, daß dieser Haushaltsplan eine Anzahl Risiken mehr enthält als seine Vorgänger. Ich weiß, offengestanden, wirklich nicht, Herr Minister, was es nach den leider sehr enttäuschenden Einnahmen des Jahres 1957 für einen Sinn haben kann, mit den Schätzungen für das Jahr 1958 über das Zulässige weit hinauszugehen. Den Satz auf Seite 12 der Haushaltsrede, wo es vom „Zweckpessimismus" heißt: „Ich brauche diese optimistischen Einnahmeschätzungen auch, um weiteren Wünschen nach Ausgabeerhöhungen und Einnahmesenkung entgegenzutreten", habe ich nicht verstanden. Höhere Titel auf der Einnahmeseite können doch nur bedeuten, Platz für neue Ausgaben zu schaffen.
    Nach den Äußerungen kurz nach Ihrem Amtsantritt, Herr Minister, in denen Sie uns Hoffnung machten, Sie würden diesen Haushalt von soundso vielen Subventionstiteln befreien, waren wir voller Erwartung. Was ist geschehen? Als die Bundesbahn ihre neuen Tarife erhielt und der Steuerzahler für diese Preiserhöhungen rund 700 Millionen DM aufzubringen hatte, dachten wir: jetzt ist die neue Weiche gestellt. Schauen wir in den Haushalt, so stellen wir zu unserem Schrecken fest, daß die neue Subvention der Bundesbahn noch größer ist als die alte abzüglich der Tariferhöhung. So ist es auch in anderen Haushalten. Wo Einnahmetitel vergrößert worden sind, marschieren auf dem Rücken dieser Titel neue Ausgaben in die Arena des Haushalts ein.
    Die von dem Föderalisten Fritz Schäffer mit erstaunlich geringer Begeisterung gegebenen Kassendarlehen an die Länder sind im Haushaltsplan 1958 unter den Rückeinnahmen aufgeführt. Wer in diesem Hohen Hause glaubt schon, daß diese Darlehen zurückgezahlt werden?! Da wir gerade bei den Ländern sind, frage ich, wer der Ansicht ist, daß der Bund in diesem Jahr bei den Bundesanteilen und den übrigen Streitfragen mit den Ländern keine Federn lassen muß? Ich habe den Eindruck, daß sich der Herr Bundesfinanzminister durch freundliche Gespräche auf einiges eingelassen hat und, wie wir glauben, leider einen Teil dieser Zeche wird bezahlen müssen. Wir haben in den letzten Jahren in diesem Hause aus schmerzhaften Erfahrungen immer mehr und mehr gelernt, daß es ein verhängnisvolles Unterfangen ist, in dem kalten, glasklar abgegrenzten Gebiet der Finanzbeziehungen zwischen
    Bund und Ländern mit allgemeinen und freundlichen Redewendungen neue Diskussionen zu entfachen. Wer hier die Tür aufmacht, bekommt sie nicht mehr zu, und man hört ja, daß der Herr Finanzminister allerhand Entgegenkommen angekündigt hat, um aus dieser bösen Sache herauszukommen. Wer die Erklärungen des Bundesrats zum Bundeshaushalt liest, wird das dunkle Gefühl nicht los, daß die Länder diesmal an einem recht starken Hebel sitzen.
    Aber diese Risiken sind neu geschaffen worden, und man fragt sich, wie der Herr Bundesfinanzminister auf die Dauer auch nur bei 50 % igem Erfolg die im Winde flatternden Einnahme- und Ausgabezahlen wieder zu einem Ausgleich zusammenbringen will. Denn darüber sind wir uns klar: der jetzige Ausgleich steht auf dem Papier. Schon aus diesem Grunde lehnen wir es ab, an dem beabsichtigten Schnellkochkurs für Budgetverabschiedungen teilzunehmen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Aber ich glaube — ich glaube es sogar zu wissen —, daß der Herr Finanzminister auch die dunkelste Steile seines Haushaltsentwurfs kennt und daß er angesichts der riesigen Fragezeichen seiner Einnahmeseite hierauf seine Hoffnungen setzt. Sie ahnen es, meine Damen und Herren: es ist der Verteidigungshaushalt. Ich möchte nicht in einen falschen Verdacht kommen. Die Freien Demokraten bejahen die Notwendigkeit — die bittere Notwendigkeit —, für unsere Sicherheit große finanzielle Opfer zu bringen. Was ich hier meine, betrifft die haushaltsmäßige Behandlung des Einzelplans 14 mit seiner kurzen aber überaus wechselvollen Geschichte. Dieser Einzelplan 14 ist ja alles in allem genommen der eigentliche Vater des berühmten Juliusturms, wenn man die Besatzungsmittel abzieht, die inzwischen völlig verschwunden sind. Man kann sagen, daß der Verteidigungshaushalt seit seinem Bestand alle, die Bundesregierung und den Bundestag, zum Narren gehalten hat. Einmal waren über 5 Milliarden eingestellt, und nur 100 Millionen wurden ausgegeben, und so ging es Jahr für Jahr und geht es weiter. Herr Schäffer bekam die Prügel, weil der Verteidigungsminister ihm nicht die richtigen Zahlen geliefert hat.
    Ich glaube, daß die Sache diesmal nicht wesentlich anders ist, allerdings nicht mehr mit einigen Milliarden, aber sicherlich und wahrscheinlich mit einer ganzen runden Milliarde, die nach meinem Empfinden zuviel drinsteht, weil der Verteidigungsminister sie trotz aller Versicherungen nicht wird ausgeben können. Man könnte sie vielleicht als eine Manövriermasse verwenden, man könnte vielleicht die Steuern senken oder könnte den Straßenbau ein wenig bedienen. Wie hat man in den letzten Jahren mit den Zahlen des Verteidigungshaushalts gespielt! Noch kurz vor den Septemberwahlen hat der Herr Bundesverteidigungsminister erklärt, daß er schon in den ersten 9 Monaten des Rechnungsjahrs 1958 mindestens 10 Milliarden DM ausgeben werde; auch seinen 57er Ansatz wolle er ganz ausschöpfen. Man kann annehmen, daß 2 Mil-



    Lenz (Trossingen)

    liarden DM von diesen 57er Mitteln übrigbleiben werden und daß auch 1958 keine 9 Milliarden DM, geschweige denn 10 Milliarden DM ausgegeben werden. Er hat schließlich auch noch seine Ausgabenreste, von denen heute schon gesprochen wurde und von denen wir wissen, daß sie doch einen ganz entscheidenden Beitrag zu dem berühmten Zerwürfnis zwischen Kanzler und Finanzminister geleistet haben. Wenn man jetzt den Haushaltsplan von 1958 ansieht, ergibt sich, daß Herr Schäffer nachträglich recht behalten hat. Die Verpflichtungen aus den alten Ermächtigungen sollen aus neuen Mitteln getragen werden. Man kann die Beteiligten dazu nur beglückwünschen. Aber ich bleibe dabei: der 10-Milliarden-Ansatz für 1958 ist vielleicht kein Kuckucksei, Herr Schoettle, vielleicht kein Straußenei, Herr Dr. Vogel, aber er scheint mir ein Windei zu sein; es dürften höchstens 9 Milliarden DM, wenn nicht weniger benötigt werden. Hier ist eine Kernfrage des Haushalts 1958. Ich habe mich sehr gefreut, Herr Kollege Vogel, daß Sie Ihre Bereitschaft erklärt haben, dieses Problem ganz sauber und gründlich auszudiskutieren.
    Wenn man dieser Ansicht folgt — und warum sollte sie falsch sein, nachdem sie sich in ein paar Jahren als richtig erwiesen hat? —, dann wird klar, daß das Wort des Finanzministers vom Wandeln hart am Rande des Defizits vielleicht Material für Schlagzeilen und kluge Aufsätze, aber noch nicht Wirklichkeit ist. Die Folge dieser neuen Haushaltspolitik, die der neue Minister eingeschlagen hat, wird leider nur sein, daß wir weiter im Besitz von Mitteln bleiben und daß er neue Konzessionen an Interessenten, an Länder, an Alliierte usw. finanzieren muß. Später wird — darüber sind wir uns wohl auch klar — der Katzenjammer kommen, und wir haben uns vorher der Mittel beraubt, um unseren Verpflichtungen gerecht werden zu können. Dieses Defizit — Herr Dr. Vogel, Sie haben es auch angesprochen, und es ist Ihnen ebenfalls klar —, nicht das des jetzt vor uns liegenden Haushaltsentwurfs, sehen wir vor uns, wenn wir in die finanzielle Zukunft blicken. Deshalb stehen wir mit so großen Vorbehalten den Erklärungen von heute früh gegenüber, die letztlich allen Versprechungen zu bieten haben, die aber wahrscheinlich nicht eingehalten werden können. Ist es denn nicht irgendwie köstlich, zu hören, daß „leider" keine andere Möglichkeit bestanden habe, als die 3 Milliarden Kassenmittel zu Deckungsmitteln zu machen? Sicher werden wir, sicher wird das Haus wieder angegriffen werden, daß wir so etwas mitgemacht haben. Wir werden zu Recht angegriffen werden, daß wir diese Sünde wider den Geist des Haushalts wiederum begehen, daß wir neuen Ausgaben Tür und Tor öffnen. Darauf ergeben sich dann in der Öffentlichkeit die Sätze vom „Milliardentaumel des Parlaments" und ähnliche Bemerkungen mehr. Hier liegt der Grund: weil wir immer wieder in unserer Mehrheit ja dazu sagen, daß man den Haushalt mit der Kasse decken kann!
    Zu vielen der hier berührten Themen könnten geistreiche Beiträge geliefert werden, aber ich will Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Ich
    nenne nur die Einheit der öffentlichen Finanzen, das angeblich so bedenkliche Steigen der öffentlichen Ausgaben an allen Fronten, Probleme des Wohlfahrtsstaates, die gewaltigen Sozialaufwendungen, die Bemühungen der Bundesregierung um eine Vereinfachung und Einschränkung der Verwaltung. Ich weiß nicht, ob der Kollege Bergmeyer anwesend ist; auch er weiß, es hat keinen Sinn, darüber zu sprechen. Wer glaubt denn ernstlich daran, daß sich in den festgefahrenen Gleisen noch allzuviel rangieren ließe!

    (Abg. Niederalt: Dann müssen wir resignieren!)

    — Leider können diejenigen, die laufend mit diesen Dingen zu tun haben, das Gefühl der tiefen Resignation nicht loswerden.
    Der Herr Bundesfinanzminister sprach von den stürmischen Zeiten, die im nächsten Jahre und im übernächsten Jahre heranrücken. Warum schafft man sich, wenn man das glaubt oder wenn man das weiß, zu den Schwierigkeiten, die man ohnehin schon hat, noch zusätzlich Konflikte?
    Über ein Wort des Herrn Finanzministers — es steht, glaube ich, nicht in der Regierungserklärung, aber es ist in der Öffentlichkeit gesagt worden —, über den Satz, daß sich die Bundesregierung um eine Beschränkung der Personalausgaben bemühen werde, haben wir doch ein wenig — entschuldigen Sie! — lächeln müssen. Man betrachte nur diesen Haushaltsplan, der — das Wort stammt, glaube ich, von Ihnen, Herr Kollege Schoettle — personell geradezu aus den Nähten platzt!
    Man darf in diesem Punkt nicht immer nur auf die Zahl der 2050 Stellenvermehrungen blicken, man muß auch einmal auf die Stellenhebungen sehen, auf die Stellenhebungen, mit denen sich vornehmlich die Ministerien gesegnet haben. Auch hier muß leider von einer gewissen Konzessionsfreudigkeit oder Uninteressiertheit des Finanzministers gesprochen werden. Mir haben Ressortvertreter gesagt, daß er sich im allgemeinen an diesen Dingen nicht beteiligt habe, Ressortvertreter, die mit einer legitimen Kombination von Herzklopfen und Magenbeschwerden zu den Referentenbesprechungen gekommen und dann herausgegangen sind und gesagt haben: Der neue Herr, er ist ja gar nicht so schlimm.

    (Heiterkeit.)

    Da kann man doch nur ganz gerade heraus fragen: Wo liegt denn das Geld? Wo denn sonst, wenn nicht bei den Ausgaben für neue Beamte und Angestellte! Die kosten nicht nur die 25 Millionen D-Mark im Jahre, die sich da summieren, sondern diese neuen Beamten schaffen sich neue Aufgaben, und für diese neuen Aufgaben verschaffen sie sich neue Mittel.

    (Abg. Niederalt: Das ist es! — Das ist der Kern!)

    Leider ist da eine neue Art eingezogen, die uns Schwaben, die wir für sparsam gelten, gar nicht so recht gefällt, und die mit der gebotenen Leistung



    Lenz (Trossingen)

    nichts zu tun hat. Ich spreche damit ein heikles Thema an, auch auf die Gefahr hin, mir Feinde zu schaffen. Man muß sich in der Tat einmal fragen, wie viele Leute in Bonn sehr hohe Gehälter beziehen. Man wird da erstaunliche Feststellungen machen. So ein schlichter Ministerialdirektor mit 35 000 DM Brutto ist schon gar nichts mehr. Von einem Ressort erzählt man sich, daß es doppelt so viele Planstellen bekommen habe, als es sich vorsichtigerweise selber ausgerechnet hatte.

    (Lebhafte Zurufe. — Abg. Dr. Gülich: Deutlicher werden!)

    — Bei der ersten Lesung ist man im allgemeinen ein wenig allgemein. Gerade mit Rücksicht auf solche Dinge, Herr Kollege Gülich, sind wir nicht gewillt, die Haushaltsberatungen im Geschwindschritt zu durcheilen, selbst wenn wir alle wohl der Meinung sein werden — ich habe das wenigstens den Ausführungen von Herrn Kollegen Vogel entnommen —, man solle einen Teil der Personalfragen ausklammern.
    Über etwas hat der Herr Finanzminister nicht gesprochen: über den Ausverkauf seines eigenen Hauses aus Anlaß der Kabinettsbildung. Die planmäßige Schwächung des Finanzressorts, die dabei stattgefunden hat, wirft schwere Fragen auf, die die Linie der deutschen Finanzpolitik unmittelbar berühren. Es wird sich herausstellen, ob der Regierungschef gut beraten war, als er aus einem der besten Bonner Ministerien einzelne Stücke herausriß und sie guten Freunden gab oder zur Herstellung der konfessionellen Parität verwendete. Mit einem schwachen Finanzminister ist uns nicht gedient.
    Warum hat man andererseits — um einen Gegenvorschlag zu machen — kein Europaministerium geschaffen, das die doch so dringend notwendige Koordinierung der Europafragen in den Bürokratien hätte vornehmen können? Man fragt sich: Mit wem spricht eigentlich jetzt Herr Hallstein, wenn er nach Bonn kommt? Immer nur mit den Europaabteilungen der einzelnen Fachministerien, oder überhaupt nicht? Das wäre doch immerhin etwas gewesen. Nachdem kürzlich von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, klar herausgestellt worden ist, daß die Organisationsgewalt kein Reservat der Regierung ist, wird man sich vielleicht fragen müssen, ob man nicht von unserer Seite einmal hier im Parlament ein Wort dazu sagen sollte.
    Nun, ich möchte den Haushaltsausschußberatungen nicht allzusehr vorgreifen. Wir versprechen, an diesen Beratungen mit der im Haushaltsausschuß seit Jahr und Jahr geübten Fairneß und Sachlichkeit mitzuarbeiten und bei der Lösung der vielen Fragen mitzuwirken. Aber wir stellen jetzt schon .mit Nachdruck fest, daß wir gegen die Gesamtanlage des Haushalts schwere Bedenken haben und daß uns der hier vorliegende Kompromiß zwischen alten, guten und neuen, bedenklichen Plänen nicht gelungen zu sein scheint. Die 40 Milliarden, die es zu verteilen gibt, flößen uns Schrecken ein, weil nur noch Statistiken, aber keine Menschen
    mehr hinter den von Jahr zu Jahr ansteigenden Zahlen sichtbar sind. Wir haben immer das verteilt, was die Verteidigung unverbraucht gelassen hat. Jetzt verkriecht man sich hinter angeblichen Dauerlasten, die sowohl eine Steuersenkung als auch ein Verbleiben bei den bisherigen Ausgabezahlen unmöglich machen. Das ist und bleibt unser Haupteinwand gegen diesen Haushalt, daß er den Versuch einer wirklichen Bändigung der Ausgaben-wünsche und damit einer Beendigung dieser modernen Form der Sklaverei überhaupt nicht mit Ernst unternommen hat.
    Herr Bundesfinanzminister, ich pflege bei der Haushaltsrede mit irgendeinem klassischen Zitat zu beginnen oder zu schließen. Ich habe in Hebbels Nibelungen nachgesucht, ob Hebbel den König Etzel irgend etwas Gescheites sagen läßt.

    (Heiterkeit.)

    Es ist mir nicht recht geglückt, und ich habe wiederum zu meinem Landsmann Schiller gegriffen, der Wallenstein in seiner weltanschaulichen Verstrickung sagen läßt — und das scheint mir ein wenig auf Ihre Lage zu passen, der Sie sich vielleicht in der Lage Wallensteins befinden —:
    „Eine Mauer
    Aus meinen eigenen Taten baut sich auf, die mir die Umkehr türmend hemmt."

    (Beifall bei der FDP und SPD.)