Rede:
ID0302200400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Vogel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. h. c. Pferdmenges, Ritzel, Gehring und Höcker 1173 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 (Nachtragshaushaltsgesetz 1957) (Drucksache 299) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300) — Erste Beratung —; Antrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr (Drucksache 237); Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59) (Schriftliche Begründung: Anlage 2, S. 1215); Antrag der Fraktion der FDP betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (Drucksache 208) Etzel, Bundesminister 1174 A Schoettle (SPD) 1187 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 1196 C Lenz (Trossingen) (FDP) 1205 C Schild (DP) 1209 D Ausschußüberweisungen 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lebensmittelgesetzes (Drucksache 316) — Erste Beratung — . 1212 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewichtsbezeichnung an schweren, auf Schiffen beförderten Frachtstücken (Drucksache 254) — Erste Beratung — 1212 D Entwurf eines Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts (Drucksache 278) — Erste Beratung — 1213 A Siebzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Harmonisierte Eisen- und Stahlzölle) (Drucksache 253) 1213 A Nächste Sitzung 1213 C Anlagen 1215 22. Sitzung Bonn, den 16. April 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Aigner 16.4. Frau Albertz 16. 4. Frau Albrecht 17. 5. Dr. Arndt 19.4. Dr.-Ing. E. h. Arnold 19.4. Bauknecht 10.5. Dr. Becker (Hersfeld) 19.4. Dr. Böhm 18. 4. Dr. Bucerius 19. 4. Dr. Burgbacher 16.4. Conrad 18. 4. Dr. Dehler 19. 4. Diehl (Horressen) 5.5. Dr. Elbrächter 16.4. Even (Köln) 19.4. Felder 30. 4. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Furler 19.4. Gedat 18. 4. Gehring 19. 4. Geiger (München) 16.4. Gerns 16.4. Dr. Greve 21.4. Freiherr zu Guttenberg 16.4. Frau Hamelbeck 18.4. Heye 16.4. Hilbert 18.4. Höcherl 10.5. Höfler 16.4. Frau Dr. Hubert 17.5. Jacobs 24.4. Dr. Jordan 18.4. Frau Kipp-Kaule 19.4. Kirchhoff 18. 4. Koenen (Lippstadt) 19. 4. Kriedemann 19.4. Könen (Düsseldorf) 16.4. Kunze 15. 5. Leber 16. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30.4. Dr. Maier (Stuttgart) 26.4. Maucher 16.4. Mauk 16.4. Frau Dr. Maxsein 18.4. Mellies 25.4. Merten 19.4. Dr. Meyers (Aachen) 16.4. Frau Nadig 16.4. Paul 30.4. Dr. Pferdmenges 18. 4. Rademacher 19. 4. Ramms 18.4. Scharnberg 16.4. Scheel 16.4. Schneider (Bremerhaven) 18.4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18.4. Schultz 16.4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Schwarzhaupt 19.4. Simpfendörfer 19. 4. Teriete 16. 4. Walpert 19.4. Wehr 16.4. Frau Wolff (Berlin) 16.4. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Bauereisen 26.4. Frau Dr. Brökelschen 26. 4. Dr. Eckhardt 30. 4. Eichelbaum 3.5. Dr. Frey 26. 4. Dr.. Friedensburg 30.4. Häussler 30. 4. Heinrich 15.5. Frau Herklotz 25. 4. Iven (Düren) 26. 4. Meyer (Oppertshofen) 26.4. Frau Niggemeyer 30. 4. Scheppmann 2.5. Sträter 26. 4. Struve 7.5. Dr. Wahl 15.5. Dr. Zimmer 26. 4. Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Preusker zu dem Antrag der Fraktion der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Fraktion der DP hat mit Drucksache 59 dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, durch den die Bundesregierung ersucht werden soll, unverzüglich Verhandlungen mit den Ländern mit dem Ziel der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung aufzunehmen und dem Bundestag die entsprechenden Gesetzesvorlagen zur Änderung des Grundgesetzes sowie die weiter hierzu erforderlichen Gesetzesvorlagen zuzuleiten. Die Fraktion der Deutschen Partei hat dieses Problem der Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung gerade zu Beginn der 3. Legislaturperiode aus den gleichen Gründen zur erneuten Erörterung gestellt, aus denen heraus auch die Bundesregierung selbst bei der Einbringung ihrer Steuervorlagen einen funktionierenden Finanzausgleich zwischen den reichen und den armen Ländern als Gretchenfrage der Zukunft eines gesunden bundesstaatlichen Aufbaus bezeichnet hat. Um jede Mißdeutung von vornherein auszuschließen: Sowohl die Entwicklung der letzten Jahre, wie auch die tatsächliche Gesetzgebung haben bewiesen, daß angesichts der im Grundgesetz verankerten Aufteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern 1216 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 und der Form der Mitwirkung von Bundesrat und Bundestag beim Zustandekommen von Steuergesetzen die Frage der Organisation unserer Finanzverwaltung keine Kardinalfrage eines mehr föderalistischen oder mehr unitarischen Bekenntnisses ist. Es herrscht wohl gegenwärtig auf allen Seiten Einmütigkeit darüber, daß in der Bundesrepublik nicht wie in einer europäischen Konföderation souverän bleibende Staaten vorsichtige Vereinbarungen über einen noch vor der Bewährungsprobe stehenden Staatenbund treffen, sondern daß hier vielmehr deutsche Bundesländer im historischen Bewußtsein ihrer untrennbaren Zusammengehörigkeit eine Regelung suchen, die sowohl-ein Höchstmaß an Eigenständigkeit der Entwicklung in den einzelnen Bundesländern wahrt wie auch gleichzeitig ein Höchstmaß an gemeinsamer Blüte auf allen Gebieten der Kultur, Wirtschaft und sozialen Wohlfahrt sichert. Die Frage des organisatorischen Aufbaus des Finanzwesens ist also in der Bundesrepublik kein Ding und Dogma an sich — über diese Zeiten sind wir erfreulicherweise hinausgewachsen —, sondern eine reine Vernunftfrage der größten Zweckmäßigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Es ist nun einmal mit dem Finanzwesen eines Staates etwas ganz Besonderes und Empfindliches. Es gibt viele Dinge, die in ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit vielleicht nicht minder wichtig sind, bei denen man aber die Durchführung völlig unbesorgt soweit dezentralisieren kann, wie man will. Ich darf als Beispiel vielleicht das Gebiet der Veterinärmedizin nennen. Die Bekämpfung der Tierseuchen ist für die menschliche Gesundheit zweifellos von überragender Bedeutung. Trotzdem kann es hier kaum eine Problematik wegen der zweckmäßigsten Durchführung geben, weil selbst bei völliger Dezentralisation keine grundlegenden Ermessensfragen aufgeworfen werden. Maul- und Klauenseuche ist nun einmal Maul- und Klauenseuche; sie kann in Schleswig-Holstein wie in Baden-Württemberg nur mit den gleichen Mitteln und in der gleichen Weise bekämpft werden. Demgegenüber gibt es in unserer Finanzverwaltung leider unendlich viele Ermessensentscheidungen von allergrößter wirtschafts-, sozial- und kulturpolitischer Bedeutung, ja schlechthin von entscheidender Bedeutung für die Eigenständigkeit der einzelnen Länder. Dieser Ermessensspielraum liegt hei unserer Finanzverwaltung der Natur nach vor allem 1. im Zeitpunkt, in der Zeitdauer und in der mehr oder weniger streng gehandhabten Art der Steuerveranlagung, Steuerprüfung und Festsetzung von Vorauszahlungen, 2. im Verfahren der Stundung und des Erlasses von Steuern, 3. im Verfahren bei der Bewertung aller Wirtschaftsgüter und des Vermögens sowie in der Anerkennung von Abschreibungen und Wertberichtigungen. Man mag die Dinge drehen und wenden wie man will. Es ist einmal gesagt worden, der Geldbeutel sei nun einmal der empfindlichste Körperteil, und daran ist sicherlich viel Wahres, wenn und solange Steueranteile des Staates am Einkommen von und mehr, zumindest in der Wirtschaft, wenn man alles zusammenrechnet, die Regel und nicht die Ausnahme sind. Man kann also das Problem der ungeteilten oder geteilten Finanzverwaltung nicht gut an den historischen Beispielen aus dem Steuerparadies vor dem 1. Weltkrieg oder der immer noch ungleich glücklicheren Weimarer Zeit messen, sondern nur an der harten Wirklichkeit unseres augenblicklichen Zeitalters einer ungeheuren deutschen Not und Armut, die trotz aller Erfolge im Wiederaufbau in den letzten zehn Jahren doch noch immer vorhanden ist. In bezug auf die in den letzten acht Jahren beim Wiederaufbau so überaus erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik hat es das böse, wirklich ad absurdum geführte Schlagwort von „den Reichen, die immer reicher würden, und den Armen, die immer armer würden", gegeben. Wenn man dieses Schlagwort überhaupt irgendwo mit einer wenigstens halben oder Viertelberechtigung zitieren kann, dann wahrscheinlich noch am ehesten in bezug auf die Situation unserer Bundesländer: hier hat sich allmählich die Erkenntnis immer breitere Bahn gebrochen, daß eine Verwaltung der Finanzen, die einen recht unterschiedlichen Ermessensgebrauch nicht soweit wie nur irgend möglich auszuschließen vermag, in der Tat reiche Länder reicher und arme Länder ärmer machen kann. Es soll deshalb auch in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnert werden, daß insbesondere auch der Parlamentarische Rat in seinen Grundgesetzbeschlüssen aus ähnlichen Erwägungen von der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung ausgegangen ist. Es waren nur die Militärgouverneure der Besatzungsmächte, die verhindert haben, daß diese gemeinsame bessere Erkenntnis Bestandteil des deutschen Grundgesetzes geblieben ist. Die Bundesrepublik ist inzwischen den damaligen Besatzungsmächten gegenüber in ihren Verfassungsbeschlüssen souverän geworden. Eigentlich sollte man schon das zum Anlaß nehmen, um nunmehr solche Fehlanweisungen der damaligen Besatzungsmächte im Sinne der besseren deutschen Auffassungen zu korrigieren. Wirklich nicht ohne Grund ist besonders in den beiden letzten Jahren die wirtschaftliche Schwäche des Kultuswesens in einzelnen Bundesländern kritisiert und dann verständlicherweise sogleich nach der Finanzhilfe des Bundes gerufen worden. Niemand kann ja im Ernst unsere Kinder in ihren Bildungs- und Lebenschancen entgelten lassen, daß sie zufällig in den armen Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder Bayern geboren sind oder aufwachsen müssen. Schließlich stehen wir doch alle auf dem Standpunkt, daß unsere Kinder das gleiche Recht auf die bestmögliche Ausbildung besitzen und wir alle die Pflicht haben, dafür zu sorgen. Ebenso ist in den letzten Jahren mit immer größerem Ernst darauf hingewiesen worden, daß aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern insbesondere ein großer wirtschaftlicher Wanderungsprozeß, vor allem nach Nordrhein-Westfalen, dem Rhein-Main-Gebiet und Baden-Württemberg, in Gang gekommen ist. Hier drohen Verödung und wachsende wirtschaftliche Schwächung gewissermaßen als eine sich selbst vorwärtstreibende Kettenreaktion auf der einen und Überbelastung in Bevölkerungsdichte sowie Investitionen auf dem Verkehrs-, Elektrizitäts-, Wasserversorgungs- und Gesundheitsgebiet auf der anderen Seite. Alle diese Entwicklungen schreien gebieterisch nach einer Korrektur. Der horizontale Finanzausgleich, der dies bewerkstelligen sollte, hat das nicht vermocht. Er ist, das muß ganz ungeschminkt festgestellt werden, am übergroßen Ermessensspielraum der geteilten Finanzverwaltung gescheitert. Sicherlich wird eine ungeteilte Bundesfinanzverwaltung noch kein automatisches Heilmittel sein. Sie vermag aber der Natur dieses besonders schwierigen Gebietes entsprechend die allein denkbare wettbewerbsneutrale Basis eines horizontalen Finanzausgleiches zwischen den armen und den reichen Ländern abzugeben. Manchem mag dies auf den ersten Blick fast etwas grotesk erscheinen. Aber entsprechend den Beschlüssen des Parlamentarischen Rates von 1948/49, der ja den föderativen Staatsaufbau wollte und gerade deshalb auch die ungeteilte Bundesfinanzverwaltung vorsah, ist es inzwischen harte Wirklichkeit geworden: Wer die Eigenständigkeit der Bundesländer unabhängig von ihren naturgegebenen wirtschaftlichen Vorteilen oder Nachteilen ernstlich will, wer die höchstmögliche Ausbildung unserer Menschen ohne Rücksicht darauf anstrebt, ob sie zufällig in „reichen" oder „armen" Ländern leben, wer nicht eine einseitige wirtschaftliche Wanderung möchte, der muß die Notwendigkeit der ungeteilten Bundesfinanzverwaltung bejahen. Die hier und da in der letzten Zeit als halbe Lösungen erwogenen sogenannten Kompromisse einer „ständigen Ministerpräsidentenkonferenz" werden auf dem Gebiet des horizontalen Finanzausgleichs mit Sicherheit noch unfruchtbarer bleiben als die „ständige Kultusministerkonferenz". Es ist einfach eine vor allem auf finanziellem Gebiet irreale Überforderung, von den Ländern zu erwarten, daß sie aktive Partner — nämlich Gebende und Nehmende — und zugleich neutrale Schiedsrichter in einer Person sein sollen. In früheren Jahren hat man die Bundesfinanzverwaltung häufig mit der Erwartung erheblicher laufender Verwaltungseinsparungen begründet. Diese lassen sich sicherlich auch erzielen, wenn man Aus- und Durchführungsanweisungen künftig nur einmal, statt bis jetzt zehnmal, erlassen muß. Wir begründen aber die nach unserer Meinung überfällige Errichtung der ungeteilten Finanzverwaltung im Bunde in allererster Linie mit der dringend gebotenen Beendigung einer kulturellen und wirtschaftlichen Verödungsgefahr in den schwachen Ländern und der Notwendigkeit der Beendigung einer kostspieligen Konzentration in den sogenannten starken Ländern. In beiden Fällen würde bei einem Beibehalten des derzeitigen Zustandes der Ruf nach dem totalen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat zwangsläufig am bitteren Ende stehen, anstatt, wie die Fraktion der Deutschen Partei wünscht, die Forderung nach der größtmöglichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des einzelnen wie auch der Gemeinden und der Bundesländer. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Eilers (Oldenburg) für die FDP- Fraktion zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1958 (Haushaltsgesetz 1958) (Drucksache 300), zur Beratung des Antrags der Fraktionen der DP, CDU/CSU betr. Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 237) und zur Beratung des Antrags der DP betr. Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung (Drucksache 59). Die Beratung und der Beschluß über den Haushaltsplan ist eines der wesentlichsten Rechte des Parlaments. Wichtig dabei aber ist vor allem die rechtzeitige Verabschiedung vor Beginn des neuen Rechnungsjahres. Dies ist um so wichtiger, als die Ausgaben des Bundes große allgemeine volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Es muß deshalb I erwartet werden, daß der Entwurf des Haushaltsplans rechtzeitig vor Ablauf des alten Haushaltsjahres im Bundestag vorgelegt wird. Haushaltsberatungen müssen gründlich sein, wenn sie einen Sinn haben sollen. Nach meiner Ansicht wäre die Verlegung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr ein gutes Mittel, in diesem Sinne zu wirken. Es ist erstaunlich, daß Bundesregierung, Bundestag und Länderregierungen die Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zwar schon oft diskutiert haben, ohne jedoch zu einem Entschluß gekommen zu sein. Dieses ist um so mehr erstaunlich, als schon 1951 alle Bundesminister, bis auf den Bundeswirtschaftsminister, einer solchen Angleichung zustimmten. Der letzte war der Meinung, daß eine pünktlichere Verabschiedung des Haushaltsplanes auch bei dem jetzigen Haushaltsjahr ausreichen müsse. Die Finanzminister der Länder hielten 1951 die Angleichung des Haushaltsjahres an das Rechnungsjahr für unzweckmäßig. Nur der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz war geneigt, der Verlegung zuzustimmen. Besonders bemerkenswert ist, daß der Bundesrechnungshof auch im Jahre 1951 eine Angleichung an das Kalenderjahr empfahl. Er stellte anheim, die damalige Bank deutscher Länder dazu zu hören. Geldmarktpolitische Erwägungen waren der Grund dazu. 1218 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 Die Bank deutscher Länder nahm positiv wie folgt Stellung: Würde das Rechnungsjahr in Zukunft am 1. Januar beginnen, so könnte der Bund, der im Januar über besonders hohe Steuereinnahmen verfügt, die mit dem Beginn des Rechnungsjahres zusammenfallenden erhöhten Ausgaben voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von Kreditmitteln finanzieren. Ein eventuell erhöhter Kreditbedarf der Länder könnte bei der im Januar üblichen Verflüssigung des Geldmarktes leichter befriedigt werden, als dies im April der Fall ist. Es will mir scheinen, allein diese Begründung wäre ein sehr gewichtiger Grund für die Verlegung auf das Kalenderjahr gewesen. Aber mitnichten! Alle Bemühungen waren umsonst. Erst im Jahre 1954 im Zusammenhang mit der Finanz- und Steuerreform wurde ein erneuter Versuch unternommen. Das Bundesfinanzministerium bat die vorher schon erwähnten Stellen nochmals um Äußerung. Am 4. März 1954 erörterten die Finanzminister der Länder abermals diese Frage. Einige Länder zeigten Neigung, andere nicht! Wie könnte es bei uns auch anders sein. Als scheinbarer Ausweg wurde vorgeschlagen, die Abteilungsleiter der Länderfinanzministerien zu der Angelegenheit zu hören. Am 19. Mai 1954 fand die Besprechung statt. Fast ohne Ausnahme waren diese Ministerialvertreter dagegen. Sie meinten, die Haushaltspraxis der Länder sei auf lokale Verhältnisse zugeschnitten und könnte deshalb nicht geändert werden. Darüber kann ich nur erstaunt sein, denn die Körperschaften, die den lokalen Verhältnissen am nächsten stehen, nämlich die Städte und Gemeinden, stimmten durch ihre Spitzenorganisationen einer Angleichung des Haushaltsjahres an das Kalenderjahr zu. Die Verwunderung über dies Versagen der Länderfinanzminister wird noch größer, wenn man einen Blick in die Geschichte wirft. 1871 hatte das Deutsche Reich für das Haushaltsjahr das Kalenderjahr bestimmt. 1877 wurde dann die Zeit vom 1. April eines Jahres bis zum 31. März des nächsten Jahres zum Haushaltsjahr bestimmt. In den Ländern aber, z. B. auch in Bayern, wurde das Kalenderjahr erst im Jahre 1920 aufgegeben. Es erhebt sich die Frage: Waren die Länder vor 1920 lokal weniger verbunden? Wie sieht es im übrigen in der Bundesrepublik aus? Die Bundesbahn arbeitet seit 30 Jahren mit dem Kalenderjahr, die Bundespost seit 2 Jahren. Auch die deutsche Sozialversicherung machte mit dem Kalenderjahr beste Erfahrungen. Die Verzahnung dieser Einrichtungen bzw. Institutionen mit dem Bundeshaushalt ist gegenwärtig sehr schwierig. Überschneidungen und zusätzliche Arbeiten verursachen ständig Mehrkosten. Viele wichtige Steuerarten werden schon jetzt nach dem Kalenderjahr veranlagt. Wie ist die Lage in Europa? Diese Frage ist wohl zeitgemäß. Die Montan-Union und der Gemeinsame Markt rechnen mit dem Kalenderjahr. In Frankreich, in Belgien und in den Niederlanden ist das Kalenderjahr das Haushaltsjahr. Ein internationaler Vergleich ist uns Deutschen also bisher erschwert. Welche anderen Gründe sprechen für die Verlegung? Die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden geben der deutschen Volkswirtschaft Aufträge von vielen Milliarden DM. Dies trifft vor allem für die Bauwirtschaft als Schlüsselwirtschaft zu. Durch die Einführung des Kalenderjahres als Haushaltsjahr werden ein besserer Wettbewerb, die rechtzeitige Ausschreibung und Vergabe der Aufträge ermöglicht. Die öffentliche Hand kann günstigere Preise erzielen und dadurch erhebliche Ersparnisse erreichen. Wir wollen doch sparen!? Eine bessere, breitere Verteilung der Arbeiten auf baugünstige Monate ist möglich. Dies ist auch lohnpolitisch sehr wesentlich. Es werden weniger Überstunden, weniger Sonntags- und Nachtarbeit erforderlich. Auch deshalb sind die Arbeiten billiger. Die Betriebe brauchen geringere Betriebsmittel bei den Kreditinstituten anzufordern. Die bessere Ausnutzung der Baumaschinen und Baueinrichtungen, eine günstigere Arbeitsverteilung auf allen Gebieten ist möglich. In der Wirtschaft können weniger unproduktive Zeiten auftreten. Der Haushalt 1958 wird frühestens Ende Juni verabschiedet. Die Folge ist, daß die einzelnen Ministerien frühestens im Juli oder August Aufträge erteilen können. Es ist gar nicht daran zu denken, vor August in den einzelnen Betrieben der Bauwirtschaft, im Hoch- und im Tiefbau den Start für die praktische Arbeit zu geben. Bauten und Straßen werden wieder bis zum Wintereinbruch nicht fertig. Verkehrsstockungen werden unausbleiblich sein, weil auch in den langen Wintermonaten Baustellen in den Straßen nicht zu vermeiden sein werden. Das Kapital für diese Arbeiten liegt fest und ist ohne rechten Ertrag. Der Beginn des Rechnungsjahres mit dem 1. Januar dagegen läßt ausreichend Zeit für Arbeitsvorbereitungen bis zum Eintritt baugünstiger Witterung. Neben fiskalischen Vorteilen stehen allgemein günstige volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die winterliche Spitze der Arbeitslosigkeit würde beim rechtzeitigen Einsetzen der Mittel der öffentlichen Hand etwa in der 2. Hälfte des Monats März oder spätestens im Monat April schneller abgebaut werden können. Millionen DM der Unterstützungen für Arbeitslose würden wahrscheinlich gespart und für produktive Zwecke freigemacht. Die Länder behaupten, ein Hindernis für die Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr sei das jetzige Schuljahr, das mit dem Haushaltsjahr übereinstimme. Der Schuletat sei der größte Etat im Länderhaushalt. Nach meiner Auffassung Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. April 1958 1219 ist diese Begründung nicht durchschlagend. Notfalls wäre sogar zu überlegen, das Schuljahr ebenfalls mit dem Kalenderjahr Bleichlaufen zu lassen. Es würde sicherlich ein Vorteil mindestens erreicht, daß der Kummer mit der versagten Versetzung einiger Kinder gleich im Silvesterrausch ertränkt wäre. Auf keinen Fall sollte man die Zeugnisse vor Weihnachten ausgeben. Als weiterer Einwand wird vorgebracht, daß die rechtzeitige Verabschiedung des Haushaltsplans im Rahmen eines Kalenderjahres wegen des Sommerurlaubs der mit dem Haushalt befaßten Volks- und Ministerialvertreter zweifelhaft sei. Keine Begründung ist verwunderlicher als diese, denn: Sind bei der Post bisher Urlaubswünsche unerfüllt geblieben? Fahren Züge weniger, werden Briefe der Post weniger zugestellt oder Renten in den Urlaubsmonaten nicht pünktlich ausgezahlt? Auch im Ausland geht es. Warum dann nicht auch bei uns? Das Kalenderjahr ist ein natürlicher Rhythmus, menschlich und auch wirtschaftlich gesehen. Alles in allem, schneiden wir endlich den alten Zopf ab im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden und schaffen wir eine moderne Frisur! Sie ist nicht nur schöner, sondern auch praktischer. Die Errichtung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung wird in diesem Zusammenhang noch stärkere Impulse auslösen können. Für eine steuerliche Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit ist sie unerläßlich. Die 1951 gehörten Sachverständigen verneinten bereits glatt, daß bei der gegenwärtigen Regelung eine gleichmäßige und gerechte steuer- liche Erfassung gesichert sei. Eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung könnte sparsamer und rationeller arbeiten. Als Beispiel mag nur verwiesen werden auf die 150 Ländererlasse in 9 Ländern zu dem § 7 c des Einkommensteuergesetzes. Diese Erlasse waren veröffentlicht. Die Zahl der nicht veröffentlichten Erlasse ist wahrscheinlich noch größer. Die Steuerfahndung ist zweifellos nicht beliebt. Bei der einheitlichen Durchführung könnten Übergriffe besser vermieden werden als in der gegenwärtigen Verwaltung bei den Ländern. Sie würde auch wirksamer sein. Die Betriebsprüfung hat mit der Steuerfahndung nichts zu tun. Dennoch kann man sich gegenwärtig des Eindrucks nicht erwehren, als würden einige Länder diese Betriebsprüfung zu einer Art Steuerfahndung mißbrauchen. Es ist wohl kein Zweifel darüber, daß alle sachverständigen Persönlichkeiten eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung als das Gebot der Stunde ansehen. Die FDP brachte bereits am 22. Mai 1951 einen entsprechenden Gesetzentwurf durch den inzwischen leider verstorbenen Bundestagsabgeordneten Höpker-Aschoff ein. Leider wurde dieser, wenn auch erst am 6. Mai 1953, in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt, weil die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung des Art. 108 des Grundgesetzes nicht erreicht wurde. Damals stimmten nur die Abgeordneten der FDP und der SPD geschlossen für diesen Antrag. Es ist erfreulich, daß nunmehr auch die CDU/CSU und die DP sich zu dieser alten Forderung der Freien Demokraten bekennen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat seine heutige Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1958 mit einer Entschuldigung begonnen, die angesichts des Termins — gute vierzehn Tage nach Ablauf des alten Haushaltsjahrs — höchst sinnvoll erscheint, wenn auch die Gründe, die der Herr Minister für die außerordentliche Verzögerung — es sind mehr als vier Monate — vorgebracht hat, keineswegs zu überzeugen vermögen. Wenn es richtig ist, was Herr Etzel an einer anderen Stelle seiner Rede sagte: daß die Haushaltswirtschaft des Bundes ein ununterbrochen fließender Prozeß sei, dann ist nicht einzusehen, warum eine Bundestagswahl und eine Regierungsneubildung den längst zur Routine gewordenen Vorgang der Haushaltsgestaltung und -planung im Schoße der Verwaltung so über jedes Maß hinaus verzögern mußten.

    (Abg. Niederalt: Aber die Steuergesetze!)

    — Die Steuergesetze sind eine fragwürdige Begründung für die Verzögerung der Einbringung des Haushalts.
    Im übrigen möchte ich gleich hier einer Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers, die er zweimal gemacht hat, widersprechen: daß der Haushalt nur eine Zäsur im Ablauf der Verwaltung sei. Das scheint mir eine völlige Verkennung der Funktion des Haushalts und der Jährlichkeit des Haushalts als einer Kontrollmöglichkeit für das Parlament zu sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn man den Haushalt zu einem nur technischen Mittel herabwürdigt, dann ist es um die Kontrolle der Verwaltung und der Regierung durch das Parlament, durch das Budgetrecht des Hauses, schlecht bestellt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich nehme aber an, daß es eher eine façon de parler bei dem Herrn Bundesfinanzminister war als der Ausdruck einer echten Überzeugung. Ich kann mir denken, daß er im Laufe seiner Tätigkeit — er ist ja noch neu im Amt — sogar auch diese Seite der Dinge in vollem Umfang erfaßt. Ich nehme es ihm nicht übel, wenn er es heute noch nicht getan hat. Er braucht ja auch eine gewisse Zeit.
    Meine Damen und Herren, die Regierung, deren Neubildung und die offenbare Umbildung ihrer politischen Vorstellungen gerade im Bereich der Finanzwirtschaft eine Begründung für die Verzögerung der Einbringung des Haushalts sein sollen, ist in ihrem Wesen ja kaum verändert worden. Nur für uns ist in diesem Zusammenhang interessant, daß der frühere Bundesfinanzminister, Herr Schäffer, jetzt in der Rosenburg residiert und daß der neue Bundesfinanzminister offenbar zuerst eine neue finanzpolitische Konzeption zu entwickeln hatte. Man kann sehr wohl die Frage stellen, ob diese Konzeption wirklich so neu ist oder ob sie nicht vielmehr den Versuch darstellt, aus der durch die bisherige Finanzpolitik selbst geschaffenen Not eine Tugend zu machen. Auf alle Fälle setzt die Verzögerung der Einbringung des Bundeshaushalts
    das Parlament unter einen außerordentlichen Druck und macht eine sorgfältige Beratung des Haushalts nahezu unmöglich.
    Auch die Hoffnung, die der Herr Bundesfinanzminister heute vormittag ausgesprochen hat, daß der nächste Haushalt, also der für 1959, vor Weihnachten 1958 von der Bundesregierung fertiggestellt und den parlamentarischen Körperschaften zugeleitet werden könne, vermag diejenigen nicht zu beruhigen, die im Parlament damit befaßt sind, den Bundeshaushalt zu beraten. Es ist nämlich ein Irrtum, zu glauben, daß wir damit wieder — um mit dem Herrn Minister zu sprechen - in den normalen Rhythmus der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes geraten wären. Selbst wenn wir das erreichen, was er in Aussicht gestellt hat, ist das keineswegs ein normaler Rhythmus; denn den hat es überhaupt noch nicht gegeben, solange die Bundesrepublik besteht. Ich darf Sie daran erinnern, daß das Haushaltsgesetz für 1954 am 26. Mai, für 1955 am 12. Juli, für 1956 am 24. Juli und für 1957 am 26. Juni in Kraft trat, also immer weit ab vom Beginn des Haushaltsjahrs, der nach dem Grundgesetz und nach der Reichshaushaltsordnung bekanntlich auf den 1. April gelegt ist.
    Diese Verzögerungen waren in keinem Fall die Schuld des Parlaments. Das muß man ausdrücklich feststellen. Sie waren vielleicht bei den heutigen Gepflogenheiten niemandes Schuld. Aber man soll nicht so tun, als ob man dadurch, daß man den Haushalt gerade noch vor Weihnachten einbringt, wirklich zum normalen Rhythmus zurückkehre. Ich bin der Meinung — und ich glaube, alle diejenigen, die die Dinge kennen, sind derselben Meinung —: solange sich die Bundesregierung nicht entschließen kann, die Vorarbeiten für den Bundeshaushalt zu einem viel früheren Zeitpunkt als bisher zu beginnen, so daß der Entwurf schon im Oktober eingebracht und dann vom Parlament ordnungsgemäß beraten und verabschiedet werden kann, so lange wird es keinen normalen Zustand auf diesem Gebiet geben.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Gerade weil eine Wende der Haushalts- und Finanzpolitik eingetreten und gleichzeitig ein Rekordhaushalt mit 39,2 Milliarden DM in der Endsumme eingebracht wurde, ist es doppelt zu bedauern, daß dieses Haus unter Zeitdruck geraten muß.
    Der neue Haushalt spiegelt nur zu einem geringen Teil bereits die Konsequenzen der Gesamtpolitik der vergangenen Jahre wider, die sich unweigerlich und mit verhängnisvollen Wirkungen in der öffentlichen Finanzwirtschaft niederschlagen müssen. Der Herr Bundesfinanzminister hat am 13. März in diesem Hause davon gesprochen, daß das gute Wetter der letzten Jahre in den Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden umgeschlagen habe und daß es den Anschein habe, als ob die Jahre 1959 und 1960 stürmisch würden. Das ist in der Tat nicht nur ein Anschein, sondern eine starke Gewißheit. Dabei ist es nicht etwa so, wie gelegentlich mit der unverkennbaren Absicht der Ablenkung gesagt wird, daß nur die ungezügelte Ausgabefreudigkeit des Parlaments in der Bewilligung



    Schoettle
    von hohen Sozialleistungen die Verantwortung für den Wetterumschlag trüge, — wobei man die Frage aufwerfen muß, ob dann nicht die Mehrheit dieses Hauses, die ja in der Vergangenheit auch so aussah wie jetzt, eine entscheidende Schuld an diesem Wetterumschlag zu tragen hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn schließlich gehört zur Verabschiedung von Gesetzen ja immer eine Mehrheit.
    Die Peitsche, die der Herr Bundesfinanzminister auch heute wieder geschwungen hat — die Inanspruchnahme des Vetorechts nach dem Grundgesetz —, ist bisher immer nur theoretisch gehandhabt worden. Sie ist niemals in der Praxis eingesetzt worden, auch nicht gegenüber der eigenen Mehrheit und gerade da nicht, weil man nämlich nicht den Mut hatte, es zu tun, aus politischen Rücksichten, wie ich verstehe.
    Die Gesamtpolitik der gegenwärtigen Regierung und insbesondere — das muß ausgesprochen werden — ihre Rüstungspolitik hat alle Voraussetzungen geschaffen, um die öffentliche Finanzwirtschaft in der Bundesrepublik in eine Sackgasse zu treiben, aus der es in Wirklichkeit nur drei mögliche Auswege gibt: nämlich entweder das Zurückschneiden wichtigster Aufgaben zugunsten des sich unweigerlich ausdehnenden Verteidigungsaufwandes oder neue steuerliche Belastungen, die sich auch schon am Horizont ankündigen — die Gespräche sind darüber ja in vollem Gange — oder eine inflationäre Entwicklung mit allen ihren Gefahren, die hoffentlich niemand in diesem Hause und in der Regierung will; ich glaube, darüber sind wir einer Meinung. Das zu sagen, meine Damen und Herren, bedeutet nichts als die Feststellung einer unangenehmen Wahrheit, einer Wahrheit übrigens, die ein hoher Beamter der Regierung, der sich allerdings rechtzeitig inzwischen eine andere Tätigkeit ausgesucht hat, mir schon vor beinahe zwei Jahren ins Ohr geflüstert hat. Er sagte mir damals: Herr Abgeordneter, wenn einmal die ganzen Rüstungskosten auf uns zukommen, dann landen wir mit unseren Finanzen im Keller.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Damit Sie jetzt nicht in den Versuch geraten, in der falschen Richtung zu suchen, welcher hohe Beamte das gewesen sein könnte, will ich Ihnen verraten: es ist keiner von den Sozialdemokraten in der Bundesverwaltung — die man dank Ihrer Personalpolitik mit der Lupe suchen kann —; ganz im Gegenteil, das sage ich ausdrücklich, ganz im Gegenteil!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat heute seinem Amtsvorgänger noch nachträglich ein Kränzchen gewunden. Ich verstehe das, und wenn es sich nur um die menschlichen und verwaltungsmäßigen Fähigkeiten des früheren Bundesfinanzministers handelt, bin ich in vollem Umfange bereit, mich einer solchen Kundgebung anzuschließen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Anders aber steht es mit den finanzpolitischen Dingen. — Meine Damen und Herren, Klatschen ist ja auch ein Vergnügen.

    (Lachen in der Mitte. — Zuruf: Sie werden doch nichts dagegen haben?)

    — Nein, im Gegenteil! Ich freue mich, wenn Sie sich körperlich betätigen; vielleicht haben Sie es so notwendig wie ich.

    (Heiterkeit.)

    Ich sage also noch einmal: der Herr Bundesfinanzminister hat seinem Amtsvorgänger nachträglich ein Kränzchen gewunden. Diese kollegiale Verbeugung steht freilich in einigem Widerspruch zu dem Umstand, daß der heutige Bundesfinanzminister doch wohl in erster Linie deshalb an seinem Platz steht, weil die Politik seines Vorgängers Schiffbruch erlitten hat

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und von so vielen Seiten und unter so vielen Gesichtspunkten einer immer stürmischer werdenden Kritik unterworfen war, daß schließlich nichts anderes übrigblieb als das „Ausweichquartier Rosenburg". So gesehen sind die Passagen in der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers, die sich mit der postumen Rechtfertigung der Juliusturm-Politik befassen, auf die Formel zu bringen: Make the best of it! Es ist aber höchstens das Zweitbeste; denn der Herr Bundesfinanzminister hat gleichzeitig dem Hause das Bild eines negativen Juliusturms in Gestalt der Ausgabenreste und der Bindungsermächtigungen vorgeführt, deren Schwerpunkt — man könnte schon beinahe sagen: naturgemäß — wiederum beim Verteidigungshaushalt liegt. Trotz aller Verschleierungsversuche ist es eben doch der Verteidigungshaushalt, d. h. die Rüstungspolitik dieser Regierung, die zum Dreh- und Angelpunkt der Finanzwirtschaft des Bundes geworden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser Haushaltsentwurf 1958 ist vom Deutschland-Union-Dienst wiederum mit der Überschrift „Haushalt der Sozialleistungen" versehen worden. Dies ist ganz einfach eine Irreführung und nichts weiter.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich werde auf das Thema „Sozialhaushalt" noch zu sprechen kommen. Aber schon hier sei gesagt: die Öffentlichkeit wird beschwindelt, wenn man ihr weismacht, daß der Schwerpunkt im Bundeshaushalt 1958 bei den Sozialleistungen liege. Es ist einfach ein mit der Wahrheit in Widerspruch stehendes Rechenkunststück,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn man behauptet, daß 40 % aller Etatansätze beim Sozialhaushalt liegen. Leider gebraucht auch die Bundesregierung in ihren offiziellen Darstellungen diesen Trick. Was wird in diese 40 % Sozialhaushalt alles hineingebaut! Dazu zählt man die Pensionslasten für die Bundesbediensteten, die eine einfache Arbeitgeberverpflichtung sind und immer waren und mit dem, was wir unter Sozialleistung verstehen, überhaupt nichts zu tun haben,

    (Beifall bei der SPD)




    Schoettle
    die Aufwendungen für die 131er, die man im besten Falle als eine Kriegsfolgelast bezeichnen kann. Über deren Höhe können Sie in den Allgemeinen Vorbemerkungen 1958 Aufschluß bekommen.
    Über Form und Inhalt der Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt wäre noch etwas zu sagen. Man hätte sie so rechtzeitig bekommen müssen, daß man Gelegenheit gehabt hätte, sie zu studieren. Der oberflächliche Eindruck ist der: sie liegen weit unter dem Niveau ihrer Vorgänger. Das ist zu bedauern, weil hier ein Ansatz für eine vernünftige Entwicklung zu dem war, was man die Grundlagen einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nennen konnte. Leider ist da ein Rückschritt eingetreten.
    Zurück zu dem, was ich sagen wollte. Auf Seite 287 der Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushaltsplan 1958 können Sie nachlesen, daß die Leistungen für die Gruppe der 131er in den Haushaltsjahren 1956, 1957 und 1958 ohne die Abfindungszahlungen der Gemeinden und anderer Körperschaften rund 4312,8 Millionen DM ausmachen. Das ist immerhin ein Brocken im Bundeshaushalt, der sich sehen lassen kann, zumal wenn man überlegt, in welcher Weise gegen die Opfer des Dritten Reichs im Zusammenhang mit der Diskussion über die Wiedergutmachung polemisiert worden ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ferner wird in die Sozialleistungen die Kriegsopferversorgung hineingeheimnißt. Sie ist schließlich auch eine Kriegsfolgelast und nichts anderes. Man soll doch die Dinge beim richtigen Namen nennen und nicht optische Eindrücke erwecken, die mit der Wirklichkeit in Widerspruch stehen. Die Beiträge zum Lastenausgleich usw. usw., das alles nennt man doch offenbar aus Gründen der Propaganda den „Sozialhaushalt". Wir halten das — ich sage das noch einmal — für eine Irreführung, zumal wenn gelegentlich aus den gleichen durchsichtigen Gründen auch noch die Beiträge der Sozialversicherten in die öffentlichen Leistungen hineingerechnet oder ihnen zugeschlagen werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist doch nun wirklich eine Übertreibung. Ich sage das nicht an die Adresse der Bundesregierung, sondern an die Adresse gewisser Leute, die glauben, man könne der Öffentlichkeit ein X für ein U vormachen.
    Man soll endlich damit aufhören und die Dinge wieder da hinstellen, wo sie hingehören. Dann wird sich zeigen, daß der Verteidigungshaushalt mit seinen 10,7 Miliarden DM in diesem Entwurf rund 27 % des Haushaltsvolumens beansprucht. Und wenn nicht alles trügt, neigt dieser Einzelplan 14 dazu — wie der junge Kuckuck im fremden Nest —, alles andere hinauszumanövrieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist deshalb kein Wunder, wenn sich die Sorgen aller Eingeweihten mehr und mehr gerade diesem Punkt zuwenden, auch wenn es nicht immer öffentlich zugegeben wird. Ich möchte nicht die Debatte über die Rüstungskosten vorwegnehmen, die wir
    in der kommenden Woche zu führen haben werden. Man darf gespannt sein, ob sich die Bundesregierung in dieser Debatte dazu verstehen wird, die Karten in vollem Umfang auf den Tisch zu legen. Ich befürchte, die Rechnung, die da aufgemacht werden wird, wird Lücken haben, zumal da die Kosten der letzten Beschlüsse der Mehrheit dieses Hauses über die Ausrüstung der Bundeswehr mit Raketen und atomaren Waffen — das steht ja doch im Hintergrund — noch gar nicht in die Rechnung eingestellt werden können. Es gibt zu viele Unbekannte in dieser Rechnung.
    Eines wissen wir heute schon — und die Verantwortlichen wissen es auch —, das ist die Tatsache, daß die jetzt schon einigermaßen übersehbaren Kosten der Rüstung jedes volkswirtschaftliche und finanzpolitische Kalkül sprengen werden. Wir haben sehr zuverlässige Zahlen zur Verfügung. Ich will es mir aber ausnahmsweise einmal bequem machen und eine Quelle benutzen, die unverdächtig ist. Es ist der „Rheinische Merkur", der in seiner Nr. 13 — freilich im Wirtschaftsteil, also etwas an der rückwärtigen Front — unter der Überschrift „Fragezeichen hinter der Rüstung" sich mit diesen Dingen beschäftigte. Schon der erste Satz dieses Artikels läßt aufhorchen, denn da wird gesagt:
    Nicht nur dem Politiker bereitet die beabsichtigte Ausrüstung der Bundeswehr mit Raketenwaffen Kopfschmerzen, ....
    — man hat manchmal den Eindruck, das sei, was die Haltung der Mehrheit dieses Hauses betrifft, eine maßlose Übertreibung des „Rheinischen Merkur" —auch dem Wirtschaftler gibt sie zu denken.
    Der „Rheinische Merkur" stellt dann fest, daß für die Erstausstattung der Bundeswehr bis zum Ende des Haushaltsjahres 1960 50 bis 55 Milliarden DM aufgewendet werden müssen, von denen bisher, also bis 1957, rund 9 Milliarden DM verausgabt seien, so daß also in den nächsten drei Haushaltsjahren zwischen 41 und 46 Milliarden DM zu verkraften wären.

    (Zuruf von der SPD: „Maßhalten"!)

    Da 10 Milliarden DM in dem Haushaltsentwurf veranschlagt sind, den wir jetzt beraten, hat der „Rheinische Merkur" durchaus recht, wenn er kopfschüttelnd feststellt, daß dann in den beiden Jahren 1959 und 1960 zuerst mindestens 15 und dann gar 20 Milliarden DM allein für die Bundeswehr im Haushalt „verkraftet" werden müßten.
    Halten Sie sich das jetzige Haushaltsvolumen mit seinen annähernd 40 Milliarden DM vor Augen und stellen Sie die beiden Zahlen, die ich genannt habe, gegenüber, dann werden Sie das Bild von dem jungen Kuckuck im fremden Nest durchaus begreifen. Wenn man nicht annimmt, daß das Volumen der künftigen Haushalte allein durch die Entwicklung der Verteidigungsausgaben maßlos in die Höhe getrieben wird, so muß man davon ausgehen, daß andere Ausgaben so stark beschnitten werden müßten, daß man das Haushaltsvolumen zwar hält, andere Dinge aber, falls man die Verteidigungs-



    Schoettle
    lasten sich in der angedeuteten Weise weiterentwickeln läßt, unter die Räder kommen. Der „Rheinische Merkur" hat auch recht, wenn er sagt, daß es sich dabei nur um die Ausstattung mit konventionellen Waffen handelt, nicht um die Ausstattung mit Raketen- und Atomwaffen, deren Kosten — immer nach diesem, dem Herrn Bundeskanzler doch nicht ganz fremden Blatt — außerhalb jeder Kalkulation liegen.
    Der „Rheinische Merkur" zerstört auch die bei manchen Leuten vorhandene naive Ansicht, daß nach dem Abschluß der Aufstellung der Bundeswehr die Sache etwa billiger werden könnte. Im Gegenteil:
    Wenn nämlich die Neubeschaffung der nach den heutigen Vorstellungen benötigten Ausrüstung abgeschlossen sein wird, muß sogleich mit der notwendigen Modernisierung begonnen werden, da ja die waffentechnische Entwicklung nicht stillsteht.
    Auch das ist ein Zitat aus dem „Rheinischen Merkur", ebenso wie die Feststellung, daß für den Unterhalt von je 100 000 Mann ohne Neuanschaffungen und ohne neue Kasernen fast 2 Milliarden DM angesetzt werden müssen. Da die Bundeswehr Ende dieses Jahres nach den jetzigen Planungen 200 000 Mann stark sein soll, kann man sich die Kosten aus dieser Position leicht selber ausrechnen.
    Der „Rheinische Merkur" deutet — für seine Verhältnisse sehr zart — an, welche Lösung man ins Auge fassen könnte: Weitere Verzögerung im Tempo für die eigentliche Aufstellungsperiode der Bundeswehr. Es dürfe eben sagt er — nicht so sein, daß der Haushalt auf Biegen oder Brechen auf die Planungen der Militärs und Techniker einfach Rücksicht zu nehmen habe, vielmehr müßten sich die Militärs und Techniker in ihren Planungen in einen vorher einigermaßen umrissenen Haushaltsrahmen einfügen, wir nicht" — auch das ist ein Zitat — „in eine heillose Defizitwirtschaft hineingeraten wollen".
    Meine Damen und Herren, ob diese vorsichtige Andeutung einmal zur Maxime der Regierungspolitik werden wird, das wage ich in allem Ernste zu bezweifeln. Was not tut, will ich deutlicher sagen als der „Rheinische Merkur". Not täte ein wirklicher Stopp der immer mehr zum Unsinn ausartenden militärischen Planungen im Bonner Pentagon. Das wäre der einzige wirkliche Weg zur Abwendung einer finanzpolitischen Katastrophe, die das ganze Gefüge unserer Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehen muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sehr viel wahrscheinlicher allerdings erscheint es uns bei der Mentalität der entscheidenden Leute hier in Bonn, daß man weiter die finanzpolitischen Tatsachen zu verschleiern versuchen wird und dem Dilemma dadurch entgehen möchte, daß man die Belastungen der Steuerzahler weiter erhöht und wichtige Aufgaben des Bundes zurückschraubt und vernachlässigt. Es ist ja kein Geheimnis, daß man sich im Schoße der Regierung mit dem Gedanken der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer beschäftigt, die dann im wahrsten
    Sinne des Wortes eine Wehrsteuer wird — wenn sie kommt. Das Schwergewicht der öffentlichen Belastung wird dann vermutlich noch stärker auf den Bund verlagert, und die Möglichkeit, den Ländern und Gemeinden aus ihrer wachsenden finanziellen Schwierigkeit zu helfen, würde noch unwahrscheinlicher, als sie sowieso schon ist. Daß diese Schwierigkeiten nicht eine Erfindung der Sozialdemokratie sind, zeigt — wenn wir die Tatsachen nicht schon selber gekannt hätten — eine Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers in seiner schon erwähnten Rede vom 13. März zu den Steuergesetzen. Dort sagte er nämlich:
    Der Bund steht nun mit der veränderten und angespannten Lage seiner Finanzen nicht allein. Bei den Ländern und Gemeinden sind ähnliche Anzeichen teils schon früher, teils auch schärfer aufgetreten.
    Die Konsequenz aus einer solchen Einsicht wäre in der Tat eine gründliche Neuordnung der Finanzverfassung und des Finanzausgleichs. Zu unserem Bedauern sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, d. h. zwischen Herrn Etzel und den Länderfinanzministern, gescheitert.
    Es ist ein bescheidener Trost — immerhin ein Trost —, daß der Bundesfinanzminister in seiner heutigen Rede im Zusammenhang mit den Bundeshilfen für einzelne Länder für die Zukunft wenigstens eine umfassende Überprüfung der geltenden Finanzverfassung für möglich hielt, und zwar einschließlich einer Beteiligung der Länder und Gemeinden an der Umsatzsteuer. Wir möchten diese Bereitschaft ausdrücklich festhalten, weil wir der Überzeugung sind, daß ohne eine solche baldige Revision der Finanzverfassung Länder und Gemeinden in zunehmendem Maße unfähig werden, die ihnen aufgetragenen Aufgaben zu erfüllen.
    Ich muß nun leider nochmals zum Verteidigungshaushalt zurückkommen. Er zeichnet sich gegenüber dem Einzelplan 14 vom Vorjahr nicht nur durch einen um eine bescheidene Milliarde höheren Endbetrag aus, sondern auch durch eine Vorbemerkung folgenden Inhalts:
    Ausgaben aus übertragenen Bewilligungen früherer Rechnungsjahre dürfen geleistet werden, soweit ihnen entsprechende Minderausgaben im Rahmen der veranschlagten Gesamtausgaben von 10 Milliarden DM gegenüberstehen.
    Das klingt für den Nichteingeweihten ganz so, als ob hier dem Herrn Bundesverteidigungsminister eine Bremse bei seinem stürmischen Drang nach vorne angelegt würde. Die Frage, die uns interessiert, ist deshalb die: Ist es tatsächlich so gemeint, oder wird nicht vielmehr hinter den Kulissen dasselbe Spiel weitergespielt, vor dem Herr Schäffer kurz vor den Septemberwahlen kapitulieren mußte? Damals steckte sich bekanntlich Herr Strauß hinter den Herrn Bundeskanzler und erreichte gegen den Widerstand des damaligen Finanzministers die Freigabe der Ausgabeermächtigungen aus den Jahren 1955 und 1956 — runde 3,5 Milliarden DM. Dabei handelte es sich keineswegs um Geld, sondern



    Schoettle
    um Ermächtigungen. Aber jetzt, nach der Kapitulation von Herrn Schäffer, mußten sie in barer Münze honoriert werden, obwohl das Geld inzwischen ausgegeben oder anderwärts festgelegt war. Wenn Sie, meine Damen und Herren, nun fragen, wo das Geld verausgabt oder festgelegt worden ist, das sich Herr Strauß noch ein zweites Mal im Bunde mit dem Herrn Bundeskanzler herausholte, dann darf ich Ihnen folgendes in die Erinnerung rufen. Es ist zu einem entscheidenden Teil von ihnen in Ihrer berühmten Kuchenkommission verteilt worden. Dabei sind freilich auch manche guten Zwecke berücksichtigt worden, auf deren Bewilligung — und auf unsere Mitwirkung dabei — wir
    ausgesprochen stolz sind.
    In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß nach den Feststellungen in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushalt 1958 mindestens seit 1955 die Ansätze für die Verteidigungskosten als überhöht betrachtet werden müssen. Ich erinnere mich an Zeiten, als wir das auch behauptet haben, und an das Echo, das wir bei diesen Behauptungen gefunden haben; heute kann man es schwarz auf weiß in einer Regierungsdrucksache nachlesen, und das ist immerhin auch schon etwas. Es ist nicht so, daß die Opposition den früheren Finanzminister zu verteidigen hätte, obwohl er sicher seine Meriten hat. Immerhin scheint er damals die richtige Auffassung vertreten zu haben, daß nämlich das Parlament die alten Ermächtigungen, denen kein Pfennig Kasse gegenüberstand, erneuern müsse, ehe sie honoriert werden.
    Aber gerade das wollte offenbar Herr Strauß damals nicht, und deshalb frage ich nach der wirklichen Bedeutung und dem Gewicht der überraschenden Vorbemerkung zu dem Einzelplan auf Seite 6, die ich vorhin zitiert habe. Es könnte nämlich auch so sein, daß Herr Schäffer zwar nachträglich recht bekäme, so als ob der Ausgabe der alten Reste Geld bei dem neuen Haushaltsansatz von 10 Milliarden DM — nach dem Wortlaut dieser Vorbemerkung — gegenübersteht. Und man fragt sich: Wer war hier zweiter Sieger? War es Herr Strauß oder Herr Schäffer oder sein Nachfolger? Oder man kann auch die Frage aufwerfen: Ist es überhaupt möglich, Reste aufrechtzuerhalten und freizugeben, gleichzeitig aber ihre Einsparung aus den neuen Mitteln zu verlangen? Warum beseitigt man die Reste nicht? Dann ist man sie endlich los! Oder hat vielleicht Herr Strauß — das ist der Sinn meiner Frage — auch hier doch noch einen Fuß in der Türe, aus der er vorher hinauskomplimentiert worden ist?
    Der Herr Bundesfinanzminister hat bereits mehrmals erklärt, daß er im Haushalt nur diejenigen Ausgaben veranschlagen werde, die tatsächlich in einem Haushaltsjahre effektiv werden können. Das entspräche durchaus dem Grundgesetz und der Reichshaushaltsordnung, nach deren Vorschriften nur wirkliche Ausgaben veranschlagt werden dürfen. Aber erstens hat der Verteidigungshaushalt schon immer eine Ausnahme gemacht und wurde unter ein besonderes Tabu gestellt. Wir sind da mißtrauisch und wir glauben nicht ohne weiteres,
    daß der ansonsten sehr lobenswerte Grundsatz des Herrn Bundesfinanzministers gerade im Bereiche Strauß angewandt worden ist. Zweitens werden wir ganz allgemein den Bundeshaushalt daraufhin prüfen müssen, ob wirklich alle Haushaltsansätze unter dem Gesichtspunkt etatisiert worden sind, daß sie in einem Jahr auch tatsächlich verkraftet werden können, wie der schöne Fachausdruck heißt.
    Wir sind auch mißtrauisch gegenüber der Ausdehnung einer anderen Art von Festlegungen im Bundeshaushalt: gegenüber der Ausdehnung von Bindungsermächtigungen, in denen nach unserer Auffassung sich wieder ein unkontrollierbarer Berg von Ausgabenermächtigungen auftürmt. Nach unserer Meinung sollte man endlich Schluß machen mit den verschiedenen Arten von Türmen, mit den Geldtürmen und mit den Verpflichtungstürmen. Wir sollten gerade in der schwierigen Lage, in die wir nicht zuletzt durch die Politik der Regierung im finanzwirtschaftlichen Bereich geraten sind, wieder zu einer übersehbaren und kontrollierbaren Ordnung zurückkehren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun eine weitere Frage an den Herrn Bundesfinanzminister. Es ist in der letzten Zeit viel davon die Rede gewesen, daß die Verbündeten der Bundesrepublik, die Truppen auf deutschem Boden stationiert haben, auch für dieses Jahr wieder Stationierungskosten fordern. Wegen dieser Frage hat sich geradezu eine Art von Abkühlung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und Großbritannien herausgestellt. In der heutigen Rede des Herrn Ministers fanden wir darüber keine Andeutungen, wenigstens nicht über diese aktuelle Phase der Entwicklung, und im Haushalt steht, worüber wir uns an sich freuen, nichts. Unsere Frage lautet, und Pressemeldungen geben zu dieser Frage Anlaß: Hat sich das Kabinett gerade jetzt vor der Reise des Herrn Bundeskanzlers nach London mit diesem Problem beschäftigt? Was ist da beschlossen worden, und was kommt möglicherweise noch auf den Haushalt zu? Man kann in der deutschen Tagespresse Andeutungen in dieser Richtung lesen. Aber es wäre vielleicht nicht ganz ohne Nutzen, wenn man auch offiziell hier eine Mitteilung an das Haus bekäme; denn schließlich muß das eines Tages, wenn materielle Verpflichtungen — nach welcher Seite immer, ob gegenüber dem einzelnen Alliierten mit seinen hier stationierten Truppen oder gegenüber der NATO — eingegangen werden, im Haushalt honoriert werden, und das sollte das Haus jetzt auch wissen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn schließlich ist die letzte Frage gerade unter dem Gesichtspunkt des Haushaltsausgleichs zwingend.
    Zum Haushaltsausgleich selber wäre vieles zu sagen. Er ist in diesem Jahr auch nur mit Hängen und Würgen erreicht worden, und mancher unsichere Posten ist geblieben. Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zu diesem Punkt haben auch gezeigt, wie schwierig die Aufgabe war. Unsicher scheinen uns vor allem die optimistischen



    Schoettle
    Steuerschätzungen des Herrn Bundesfinanzministers zu sein. Seinem Vorgänger konnte man mit Recht den umgekehrten Vorwurf machen. Er malte die Szene immer in den schwärzesten Farben und hatte dafür dann bei den Kasseneingängen in der Regel eine größere Aktionsfähigkeit, als der Haushaltsplan eigentlich zuließ. Herr Etzel bewegt sich offenbar auf der entgegengesetzten Seite. Sein Optimismus bezüglich der Steigerung des Sozialprodukts um 7 % wird heute nur noch von ganz wenigen Leuten geteilt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Auch hier liegt nach meiner Auffassung eine Gefahr.
    Nur im Vorübergehen möchte ich mich mit zwei Fragen beschäftigen, die auch dieser Haushaltsplan wieder aufwirft, aber nicht beantwortet. Das eine ist die endliche Angleichung von Haushaltsjahr und Kalenderjahr. Die Schwierigkeiten sind nicht zu verkennen. Wir kennen sie alle; sie liegen zum Teil bei den Ländern. Aber sie sollten wirklich einmal in Angriff genommen werden. Dem Hohen Hause liegt ja ein Antrag in dieser Richtung vor. Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls alle Bemühungen unterstützen, die endlich zu einer Lösung dieses Problems führen.
    Die zweite Forderung, die zu erheben wir nicht müde werden, ist die Forderung nach der Entwicklung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die endlich auch die öffentliche Finanzwirtschaft in einen zwingenden Verbund mit den übrigen Bereichen der Volkswirtschaft bringt. Ansätze dazu sind vorhanden. Der Herr Bundesfinanzminister hat sogar vor einiger Zeit, fast überraschenderweise, anerkannt, daß eine solche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wünschenswert ist. Man sollte also jetzt endlich aufhören, nur den Mund zu spitzen, sondern sollte auch wirklich pfeifen.
    Ein sehr besorgniserregendes Kapitel dieses Haushaltsplans sind die wieder erhöhten Personalaufwendungen. Der Herr Minister hat in seiner Rede fast den Eindruck erweckt, als ob er diesen Punkt zu bagatellisieren wünsche. Wir finden, ein solches Bemühen wird den Tatsachen nicht gerecht. Die Aufblähung der Verwaltung ist eine Tatsache. Es will in diesem Zusammenhang wenig besagen, daß der zivile Bedarf hinter dem Bedarf des Verteidigungsministeriums zurücksteht. Auch da erinnere ich wieder an den jungen Kuckuck. Wenn das Verteidigungsministerium allein einen Mehraufwand von 443 Millionen DM gegenüber den 312 Millionen DM insgesamt bei der zivilen Verwaltung hat, so ist das auch nicht durch den Aufbau dieses Ministeriums zu rechtfertigen. Daß man dort sehr großzügig ist, um es einmal milde auszudrücken, zeigt schon die Inflation der Generäle, die wir in diesem Bundeshaushalt haben,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    eine Inflation, die nach meiner Auffassung wieder einmal Zeugnis dafür ablegt, daß man bei uns in Deutschland bei allem Militärischen mit außerordentlichen Maßstäben mißt, sehr im Gegensatz zu manchem unserer Verbündeten,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und daß es auch heute noch manchmal so aussieht, als ob vor militärischen Forderungen die Zivilisten in der Verwaltung die Hände an die Hosennaht nähmen.
    Wir sind der Meinung, daß bei dem gesamten Komplex der Personalaufwendungen in jedem Fall und bei allen Ressorts die Berechtigung von Stellenanforderungen sorgfältig geprüft werden muß.

    (Sehr richtig! bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Wo immer eine Überrollung der Vorjahresansätze
    stattfindet, sollten die Personalanforderungen auf
    den Stand des Vorjahres zurückgeschnitten werden.

    (Abg. Niederalt: Sehr richtig!)

    Die Kollegen aus der Mehrheit, die so viel gute
    Vorsätze gefaßt haben, dürfen dabei unserer entschlossenen Bundesgenossenschaft versichert sein.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Allerdings, Herr Kollege Niederalt, kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen, die an Ihre Adresse gerichtet ist. Sie haben, worin wir Ihnen folgen, in einem weitverbreiteten Interview scharfe Kritik an der Vielzahl der Beamtenstellen geübt. Wir haben das auch getan, dabei allerdings im Haushaltsausschuß nicht nur mit dem Blick zum Publikum gearbeitet, sondern wirklich sachlich geprüft, was nötig war und was nicht. Das können Sie sich von den Angehörigen Ihrer eigenen Regierung, die im Haushaltsausschuß tätig waren, sagen und bestätigen lassen.
    Aber es bleibt festzustellen, Herr Niederalt und meine Damen und Herren: kein Beschluß, der neue Beamtenstellen schuf, ist ohne die Regierungsmehrheit erfolgt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Niederalt hätte sich nicht an die Öffentlichkeit zu wenden brauchen; die einzig richtige Adresse wäre seine eigene Fraktion gewesen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Abg. Niederalt: Das war auch mit der Sinn der Sache!)

    Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls im Haushaltsausschuß keine Politik mit der Holzaxt treiben und in jedem Falle die sachlichen Begründungen prüfen. Wir haben ja auch ein Interesse daran, daß die Verwaltung funktioniert und daß sie nicht durch zum Teil optisch sehr eindrucksvolle, aber in der Sache vielleicht doch falsche Beschlüsse gehemmt wird.
    In diesem Zusammenhang möchte ich Ihr Augenmerk auf einen Vorgang lenken, der eine etwas schärfere Beleuchtung verdient, einen Vorgang, der sich im Bereich des Auswärtigen Amts abgespielt hat. Ich will nicht zu den kürzlichen Personalveränderungen, zu dem Revirement Stellung nehmen, weder der Sache noch der Person wegen, weil ich glaube, daß das auf einer anderen Ebene zu geschehen hat, obwohl dazu auch hier mancherlei gesagt werden könnte. Ganz entschieden aber wenden wir uns neuen den Versuch des verantwortlichen Res-



    Schoettle
    sortchefs, des Herrn Bundesaußenministers, unter Berufung auf die Organisationsgewalt der Bundesregierung neue Planstellen zu schaffen, ohne daß das Parlament sie vorher bewilligt hat.

    (Hört! Hört! und Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Konsequenzen eines solchen Verfahrens — wenn es von diesem Hause geduldet würde — lassen sich leicht ausrechnen. Sie werden dann in keinem Bereich, in keinem Ressort mehr ein Halten finden.

    (Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Überhaupt ist die Bundesregierung nur allzugern bereit, das Parlament auch in kleinen Fragen vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ich sage: in kleinen Fragen. Aber diese kleinen Fragen sind manchmal bezeichnender als die ganz großen dramatischen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den völlig illegalen Beschluß der Bundesregierung, den Beamten des Bundespräsidialamtes und des Bundeskanzleramtes eine eineinhalbfache Ministerialzulage zu bewilligen. Hier hat sich die Regierung zwar schließlich eines besseren besonnen, aber der Vorgang selbst scheint mir bezeichnend zu sein.
    Ich habe in einem anderen Zusammenhang kritisiert, daß, offenbar aus Gründen der Optik, auch der Wohnungsbau in den Sozialhaushalt einbezogen wurde. Ich möchte dazu nun auch hier noch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Die Zurechnung der Förderungsmittel für den Wohnungsbau zu den sozialen Leistungen wäre nur dann vertretbar, wenn unter den sozialen Leistungen wirklich alle Leistungen verstanden würden, die für eine bessere Gesellschaftsordnung und für die Weiterentwicklung der Gesellschaft eingesetzt werden. Hier handelt es sich aber in der Regel einfach um wirtschaftspolitische Förderungsmaßnahmen, die die Unterversorgung des Wohnungsmarktes beseitigen sollen und die aus der Leistungskraft der Wirtschaft allein bisher nicht gedeckt werden konnten. Nicht umsonst stehen rund die Hälfte der Förderungsmittel im außerordentlichen Haushalt. Das heißt doch wohl, daß man annimmt, daß damit werbende Anlagen durch Darlehen gefördert werden sollen.
    In der Wohnungsbauförderung werden in aller Regel keine verlorenen Zuschüsse gegeben wie in den Bereichen der Sozialfürsorge. Es handelt sich fast ausschließlich um Darlehen an Wirtschaftsträger, die zu verzinsen und zu tilgen sind. Es bildet sich also ein besonderes öffentliches Vermögen, und im Haushalt sind ja auch nicht unbeträchtliche Einnahmen aus sogenannten Rückflüssen veranschlagt, also aus Zins- und Tilgungsbeträgen früherer öffentlicher Förderungsdarlehen. Die Mehrzahl der öffentlichen Förderungsmittel geht überdies an natürliche Personen, und zwar an private Bauherren. Sie beschaffen also nicht nur Wohnungen, sondern schaffen auch persönliches Vermögen, dazu noch meist mit Steuervergünstigungen. Schon deshalb können diese Förderungsmittel nicht als Sozialleistungen angesprochen werden.
    Lassen Sie mich schließlich noch ein Argument anführen. Die Wohnungsbauförderung ist in einer Zeit
    rückläufiger Konjunktur ein Beitrag zwar nicht zur Förderung der Konsumkonjunktur, aber doch zur Förderung einer Investitionskonjunktur. Denn die verstärkten Investitionen im Wohnungsbau werden damit eine der Stützen der gegenwärtigen Wirtschaftskonjunktur. Ich glaube, ich muß das sagen, um die Förderung des Wohnungsbaues aus dem Bereich der sozialen Wohltaten in den nüchternen Bereich zu rücken, in den sie wirklich gehört.
    Schließlich noch eine Bemerkung zum Verkehrshaushalt, ohne in Details zu gehen; dazu haben wir noch reichlich Gelegenheit. Der neue Haushaltsplan sieht erhöhte Ansätze für den Straßenbau vor. Wir anerkennen das. Aber wir stellen zugleich fest, daß die großen verkehrspolitischen Probleme dadurch bei weitem nicht gelöst sind. Für den schönen Zehnjahresplan des Herrn Seebohm ist eine befriedigende Finanzierung noch nicht in Aussicht. Die Bemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers zu diesem Thema in seiner Rede von heute früh sind im höchsten Fall eine Abschlagszahlung. Wir nehmen gern zur Kenntnis, daß der Minister bereit ist, eine Zweckbindung bestimmter Steuern aus dem Kraftverkehr und darüber hinaus noch der Mittel aus einem geplanten Straßenbaufinanzierungsgesetz ins Auge zu fassen. Das wird wahrscheinlich längst nicht ausreichen, selbst wenn man dazu noch die Kraftfahrzeugsteuer der Länder nähme. Zum anderen möchte ich doch die etwas nachdenkliche Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers unterstützen, daß es sich bei Zweckbindungen dieser Art um vorübergehende Maßnahmen handeln muß, in diesem Falle, meine ich, um eine Maßnahme zur Bewältigung eines akuten Notstandes. Denn beim Straßenbau in seiner Gesamtheit handelt es sich tatsächlich um einen solchen, man kann schon beinahe sagen, Notstand von nationalem Ausmaß, den zu beseitigen nur möglich ist, wenn man wirklich gründliche und durchgreifende Lösungen sucht. Sosehr ich im allgemeinen — aus demselben Gesichtspunkt, den der Herr Bundesfinanzminister angeführt hat, nämlich aus dem Prinzip der Gesamtdeckung im Haushalt — Bedenken gegen die Zweckbindung von Mitteln habe, würde ich doch sagen, hier muß etwas wirklich Entscheidendes geschehen, wenn wir nicht eines Tages vor einer absoluten Katastrophe in unserem Straßenverkehr stehen wollen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir können uns von dem jetzigen Stand der Dinge gerade in diesem Bereich keineswegs als befriedigt erklären und sind der Überzeugung, daß hier — ich will auch das mit aller Schärfe aussprechen — ein weit vordringlicheres Problem auf der Tagesordnung steht als etwa der Ausbau der Bundeswehr nach den Plänen des Herrn Strauß.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat heute morgen auch die These aufgestellt, daß bei uns der Sozialstaat in dem Maße verwirklicht sei, das gesamtwirtschaftlich noch vertretbar erscheine. Er hat weiterhin von versorgungsstaatlichen Traumvorstellungen gesprochen oder von einem kollek-



    Schoettle
    tiven Versorgungsstaat — das ist ein neuer Terminus, der mir eigentlich in diesem Zusammenhang noch nicht begegnet ist —, Traumvorstellungen, aus denen es nur ein böses Erwachen mit bitteren Enttäuschungen geben könne. Es ist nicht recht klargeworden, gegen wen sich diese Warnungen des Herrn Ministers richten. Wir Sozialdemokraten jedenfalls sagen ganz offen und bekennen das ohne Scheu: wir ringen um den sozialen Rechtsstaat in seiner vollen Bedeutung,

    (Beifall bei der SPD)

    der allerdings bei uns etwas anders aussehen mag als bei manchen Leuten in der politischen Nachbarschaft der Mehrheit dieses Hauses.
    Der Herr Finanzminister hat kürzlich auch von einem Marsch am Rande des Defizits gesprochen und das als eine Maxime bei seiner Haushaltspolitik bezeichnet, von einem Marsch am Rande des Defizits, an den ihn nach unserer Meinung der Umfang der Rüstungsausgaben geführt hat; ich habe das schon ausgeführt. An dieser Stelle möchte ich aber versichern, daß wir Sozialdemokraten jeden Versuch der Regierung bekämpfen werden, sich bei dieser Gratwanderung am Rande des Defizits durch die Streichung von sozialen Ausgaben und Verpflichtungen etwa Marscherleichterung zu verschaffen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Militärische Sicherheit wird auch von innen her fragwürdig, wenn sie durch soziale Unsicherheit erkauft wird. Wir haben für diese Warnung begründeten Anlaß. Denn bisher hat in unserem Lande stets die soziale Stabilität Schaden erlitten, wenn der Marsch in die Rüstung begann. In unüberlegten, unproduktiven Ausgaben wurden die öffentlichen Finanzen zu Lasten der Bevölkerung erschöpft. Nicht durch soziale Überanstrengungen, wie manche glauben machen wollen, sondern immer wieder durch Rüstungsexperimente wurde unser Volk in finanzielle, währungspolitische und schließlich auch wirtschaftspolitische Schwierigkeiten geführt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese geschichtlichen Erfahrungen beginnen langsam zunehmend in unserer sozialen Wirklichkeit wieder spürbar zu werden. Ein Beispiel dafür haben wir gehabt, als im Vorwege der Etatberatung die Streichung der Subventionen für Getreide und Zukker und die Tariferhöhungen bei der Bundesbahn erfolgten. Von diesen Streichungen wurden die Empfänger niedriger Einkommen am meisten betroffen. Eine der Folgen ist, daß die Gemeinden wegen der Verteuerung der Lebenshaltung gezwungen sind, die Fürsorgerichtsätze zu erhöhen. Auf diese Weise hat die Bundesregierung eine Art negativen Finanzausgleich zwischen Bund und Gemeinden vorgenommen.
    Die Manipulationen zur Ausbalancierung des Rüstungsetats sind aber in dem Bereich der konkreten sozialen Leistungen hervorgetreten. Ein Blick in den Haushalt lehrt, daß die sozialen Ausgaben insgesamt niedriger angesetzt worden sind als im Vorjahr, obwohl sich die Gesamtausgaben
    des Bundes zu einem Rekordetat summiert haben. Insgesamt sind 1958 rund 302 Millionen DM weniger an sozialen Leistungen als 1957 eingesetzt worden bei einem Mehr an Gesamtausgaben von rund 2 Milliarden DM. Das hat zu einem Rückgang des Anteils der Sozialausgaben im Gesamthaushalt —wenn man nicht die berühmten 40 % akzeptiert, und das tun wir unter gar keinen Umständen — von 27 auf 25 % geführt. 1950 betrug dieser Anteil noch 37,6 % und 1953 noch 30,5 %. Für das Etatjahr 1958 sind somit die Ausgaben für soziale Zwecke erstmalig nicht nur in der Relation zu den Gesamtausgaben, sondern auch in ihrer absoluten Höhe niedriger als im vorangegangenen Jahr. Besonders auffällig ist es, daß in diesem Rekordetat rund 60 Millionen DM für die Kriegsopferversorgung, also für die Opfer und Leidtragenden der beiden letzten Kriege, gestrichen worden sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Was hat die Regierung eigentlich dazu veranlaßt? Hier hat sie offenbar ohne viel Bedenken die rückläufige Zahl der Versorgungsempfänger zum Anlaß für erhebliche Kürzungen genommen. Will sie damit zu erkennen geben, daß sie nicht den Willen zu einer Verbesserung der Leistungen im Etatjahr 1958 hat? Eine Frage, die offenkundig berechtigt ist!
    Ich komme zu einem anderen Fragenkomplex; er steht zwar mit dem vorhergehenden in Zusammenhang, gleichwohl muß ich ihn etwas einleiten. Es ist ja nicht Zufall, daß bei dieser ersten Beratung zwei Komplexe in den Vordergrund treten, die nicht nur haushaltspolitisch, sondern auch allgemeinpolitisch von überragender Bedeutung sind: die Sozialpolitik und der Verteidigungshaushalt. Bei diesen beiden großen Komplexen besteht offenkundig die Gefahr, daß sie und sie vor allem als Gegensätze und bei der Verteilung der Gewichte im Haushalt als einander feindlich und sich ausschließend behandelt werden. Denn entscheidend gerade bei diesen beiden Punkten ist die Grundhaltung, der gesellschaftspolitische Ausgangspunkt der im inneren Kräftespiel mächtigsten Gruppe. Wir haben zur Mehrheit dieses Hauses, die damit angesprochen ist, und zu der von ihr getragenen Regierung nicht das Vertrauen, daß sie in der Auseinandersetzung mit den großen gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit und unseres Landes die gewaltige Bedeutung des sozialen Fundaments der Demokratie erkennt und ihre militärpolitischen Pläne und Absichten den unerläßlichen Aufgaben der sozialen Aufrüstung der Demokratie unterwirft.

    (Beifall bei der SPD.)

    Genauso wenig Vertrauen, aber um so mehr Sorge haben wir in einer anderen Richtung: daß nämlich die innere Verfassung unseres geteilten Deutschlands unter dem Einfluß der Haupt- und Grundtendenzen der gegenwärtig in der Bundesrepublik herrschenden Kräfte mehr und mehr abgleitet in die Richtung des Gestrigen, der unbewältigten Vergangenheit unseres Volkes, wie diese Erscheinung letzthin genannt worden ist. Nicht als ob ich etwa behaupten wollte, meine Damen und Herren, wir stünden bereits wieder am Vorabend
    Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 22. Sitzung. Borm, Mittwoch, den 16. April 1958 1195
    Schoettle
    einer bewußt antidemokratischen Periode; obwohl manche Züge unserer gegenwärtigen Staatspraxis in dieser Richtung auch zu Sorgen Anlaß geben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Aber es läßt sich nicht leugnen, daß sich im. Zeichen der militärischen Wiederaufrüstung der Bundesrepublik auch eine Umschichtung im Atmosphärischen in diesem Lande vollzogen hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß die Gestrigen und Vorgestrigen in ihren Irrtümern und Verbrechen sich bestätigt fühlen und sich frecher hervorwagen, als es noch vor einigen Jahren möglich war. Fälle wie der des Studienrats Zind in Offenburg oder der Prozeß gegen die SS-Mörder von Brettheim mit der dort erlebten Art des Auftretens der Angeklagten und ihrer Eideshelfer — und es gibt eine Reihe ähnlicher Fälle —

    (Abg. Dr. Menzel: Schörner!)

    sind nur Symptome einer unter der Oberfläche unseres Wirtschaftswunderlandes vor sich gehenden gefährlichen Rückwärtswendung. Wer Augen hat zu sehen, wer Ohren hat zu hören, der sollte beide Organe dazu benützen, um rechtzeitig zu sehen und zu hören, was hier unter der Oberfläche vor sich geht,

    (Beifall bei der SPD)

    und ich meine, wir alle wären verpflichtet, in dieser Richtung das zu gebrauchen, w as uns die Schöpfung gegeben hat.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Eine solche gefährliche Rückwärtswendung wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht die tatsächlichen oder vermeintlichen allgemeinen Tendenzen der offiziellen Politik der letzten Jahre die Voraussetzungen und die Atmosphäre dafür geschaffen hätten.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    Wir Sozialdemokraten — und hoffentlich wir nicht allein — beobachten diese Tendenzen mit großer Sorge und warnen die Verantwortlichen davor, die Dinge leicht zu nehmen oder gar der Entwicklung weiter Vorschub zu leisten. Was an uns liegt, werden wir tun, um einem neuen Marsch ins Unheil entgegenzutreten.
    Zum Schluß, meine Damen und Herren, melde ich für die Beratung des Bundeshaushalts noch für eine Reihe von Fragenkomplexen sozialdemokratische Bedenken, Wünsche und Forderungen an, ohne damit einen vollständigen Katalog dieser Bedenken, Wünsche und Forderungen aufstellen zu wollen. Wir werden erstens unsere alte Forderung nach einer , parlamentarischen Kontrolle der Geheimfonds wieder stellen und immer wieder stellen. Wir werden damit keine Ruhe geben. Die Entwicklung dieser Fonds und ihre Handhabung durch die Regierung, soweit Spuren Vermutungen und Schlüsse zulassen, deuten darauf hin, daß diese Mittel weder für einwandfreie noch für staatspolitisch begründete Zwecke verwendet werden. Was für den Bundesnachrichtendienst an parlamentarischer Kontrolle möglich ist, sollte in jedem anderen Falle möglich sein, wenn diejenigen, die diese Fonds verwalten, die Kontrolle nicht zu scheuen haben, nämlich die Schaffung von Kontrollkommissionen, die auch der Opposition — und ich sage das mit Nachdruck, weil ich die Opposition als ein Element des Government in einem demokratischen Lande ansehe — die Sicherheit geben, daß alles in Ordnung ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zweitens. Wir erklären, daß im Bereich des Bundesinnenministeriums folgende Fragen vor allem geprüft werden sollen — auch hier kein vollständiger Katalog; es gibt eine Reihe von Fragen, die ich hier nicht aufführe —: a) die Notwendigkeit eines Fortbestehens des Bundesgrenzschutzes in der jetzigen Form überhaupt; b) die Forderungen des Bundesministers des Innern für die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes — braucht diese Polizeitruppe im Hinblick auf den Aufbau der Bundeswehr wirklich noch Panzerfahrzeuge und Kanonen in dem geforderten Umfange? —;

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    c) die Frage, ob der Paßkontrolldienst auch jetzt noch, nachdem die Grenzübertrittsvorschriften an allen deutschen Grenzen — die Zonengrenze leider ausgenommen — so entscheidend gemildert worden sind, im bisherigen Umfange nötig ist.
    Das sind Fragen, mit denen man sich beschäftigen muß, denn ich glaube, daß hier Möglichkeiten für wirkliche Einsparungen bestehen, wenn man nur den Mut hat, sie anzugehen.

    (Sehr gut! Sehr wahr! bei der SPD.)

    Mit dieser Aufzählung will ich beileibe nicht sagen — ich wiederhole es —, daß wir gerade beim Bundesinnenministerium nicht noch zahlreiche andere Sorgen, Wünsche und schwere Bedenken hätten; dafür bürgt schon die Person des Ressortchefs.

    (Beifall bei der SPD.)

    Drittens. Wir werden. unsere Forderung nach einer weit stärkeren Förderung der Wissenschaften, der Schulen, der technischen Lehranstalten, der Studierenden wieder stellen. Was bis jetzt in diesem Bereich der Kulturpolitik getan worden ist, ist auch nach den Bemerkungen des Herrn Bundesfinanzministers von heute früh und nach dem, was im Bundeshaushaltsplan steht, weit hinter dem Notwendigen zurückgeblieben. Das Scheitern der Verhandlungen der Länder mit dem Bundesfinanzminister hat die Problematik nur noch verschärft, die aus der materiellen Unfähigkeit der Länder zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Kulturpolitik entstanden ist.
    Viertens schließlich ein Wort zum Problem der Wiedergutmachung. Diese Frage wird im Bundeshaushaltsplan durch gewisse Ansätze berührt, und sie ist in der letzten Zeit vor allem dadurch wieder in die öffentliche Diskussion getreten, daß Herr Bundesjustizminister Schäffer und andere Mitglieder der Mehrheit dieses Hauses in öffentlichen Versammlungen erklärt haben, die Wiedergutmachung



    Schoettle
    bringe die Währung in Gefahr. Es ist eigenartig: Wiedergutmachung bringt die Währung in Gefahr, die Entwicklung des Sozialhaushalts bringt die Währung in Gefahr, aber wir haben nodi kein Wort davon gehört, auch nicht offiziell, daß etwa die Rüstungslasten die Währung in Gefahr bringen könnten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Deshalb ist es nötig, hier einige Bemerkungen zur Wirklichkeit der Wiedergutmachung zu machen. Mit dem 1. April 1958 ist bekanntlich die Anmeldefrist abgelaufen. Nach Schätzungen des Bundesfinanzministers und nach meiner eigenen Überzeugung dürfte die Wiedergutmachung einen Betrag von 16 bis 18 Milliarden DM, verteilt auf sechs Haushaltsjahre bis zum Jahre 1963, erfordern, so daß auf ein Haushaltsjahr rund 2 1/2 bis 3 Milliarden DM entfallen. Davon haben 50 % der Bund und 50 % die Länder zu tragen — falls diese Summe wirklich erreicht wird —, so daß der Bund jährlich höchstens 1 1/2 Milliarden zur Verfügung stellen müßte. Man kann also von einer Währungsgefährdung durch diesen Akt moralischer Rehabilitierung des deutschen Volkes doch eigentlich nicht sprechen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Endlich noch ein Wort zum Thema Berlin. Die Stadt und das Land Berlin sind zwar für den Bund eine finanzielle Belastung — das ist unbestritten —, aber sie sind auch eine nationale Verpflichtung. Im Haushalt dieses Jahres stehen 900 Millionen. Das Land Berlin hat deutlich erklären lassen und auch entsprechende Unterlagen dafür geliefert, daß diese 900 Millionen nicht ausreichen, um das finanziell Notwendige im Rahmen des Haushalts des Landes Berlin zu befriedigen. Der Bundesrechnungshof hat ein Gutachten erstattet, das ungefähr auf dasselbe hinausläuft wie der Haushaltsansatz des Bundesfinanzministers. Bleibt es dabei, so würde das allerdings bedeuten — und das ist ziemlich offenkundig —, daß in den für Berlin entscheidenden Sektoren der Wirtschaft durch die Beschränkung des Aufbauplanes und des sozialen Wohnungsbaus Energien gelähmt würden, die bisher zu dem erfreulichen Wiederaufstieg der isolierten Stadt Berlin beigetragen haben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es würde damit die Gefahr einer Steigerung der Arbeitslosigkeit heraufbeschworen. Uns erscheint es unter allen Gesichtspunkten unmöglich, eine solche Entwicklung zu vertreten. Wir warnen vor einer solchen Politik und sind der Meinung, daß auch jetzt ernsthaft Wege gesucht werden müssen, um die Haushaltslage des Landes Berlin so zu stabilisieren, daß diese von der Sowjetzone umbrandete Insel der Freiheit in der Lage bleibt, den erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung fortzusetzen, den sie genommen hat und den sie vollenden muß im Interesse von uns allen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ein Wort zum Schluß. Wir Sozialdemokraten betrachten diesen Haushalt wie jeden zuvor unter sachlichen und unter politischen Gesichtspunkten.
    An seinen sachlichen Teilen mitzuarbeiten, sind wir durchaus bereit; dafür haben wir Sozialdemokraten in der Vergangenheit Beweise erbracht. Seine Gesamtgestalt werden wir mit, den Maßstäben unserer eigenen politischen Auffassung messen und ihn dementsprechend auch in den letzten, in den Plenarentscheidungen der zweiten und dritten Lesung behandeln.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal zwei Dinge vorwegnehmen, die bis jetzt noch nicht hinreichend erörtert worden sind: erstens den Antrag der DP, dem sich die CDU angeschlossen hat, auf Angleichung des Haushaltsjahrs an das Kalenderjahr, und zweitens einige Worte zum Nachtragshaushalt.
    Wir haben von jeher den Standpunkt vertreten, daß die Einführung des 1. Januar als Beginn des Haushaltsjahrs eine wünschenswerte Errungenschaft wäre und haben das auch Jahr für Jahr immer wieder durchzusetzen versucht. Leider sind wir dabei am Widerstand der Länder gescheitert. Jetzt ist der Antrag erneut eingebracht worden, und wir geben uns der Hoffnung hin, daß es vielleicht diesmal gelingen wird, den Widerstand auf der Seite der Länder zu überwinden und zu einer Verständigung mit ihnen zu gelangen, damit diese von der gesamten Wirtschaft und, wie ich soeben hörte, auch von der Opposition gewünschte Angleichung endlich Tatsache wird. Es ist unbestreitbar, daß für die gesamte Bauwirtschaft, sowohl für den Hochbau als auch für den Tiefbau, das Kalenderjahr, mit dem 1. Januar beginnend, einen wesentlichen Fortschritt bedeuten würde.
    Ich möchte dann noch ein paar Worte zum Nachtragshaushalt sagen. Meine Freunde haben es nicht für sehr glücklich gehalten, daß dieser Nachtragshaushalt überhaupt eingebracht worden ist. Ich glaube, die Entwicklung in den letzten Wochen hat gezeigt, daß er ohnehin nur zusammen mit dem ordentlichen Haushalt beraten werden kann, wenn auch die Verabschiedung vielleicht etwas vor der Verabschiedung des ordentlichen Haushalts erfolgen könnte. Wir haben es nicht für vorteilhaft gehalten, daß in einen Nachtragshaushalt, der einige politisch begründete neue Stellenanforderungen, der vor allen Dingen auch den Haushalt für das . neu eingerichtete Kartellamt enthält, Anforderungen hineinkamen, die sicherlich genauso gut im ordentlichen Haushalt ihren Platz gefunden hätten. Die Arbeit ist für den Haushaltsausschuß dadurch nicht erleichtert worden.
    Lassen Sie mich auch noch einige Bemerkungen vorweg zu dem machen, was der Herr Bundesfinanzminister in seiner Einbringungsrede vortrug. Wir finden diese Rede sehr offen und wir finden, daß er in sehr vielen Dingen kein Blatt vor den Mund genommen hat, daß er vielmehr etwas ein-



    Dr. Vogel
    geleitet hat, was wir für sehr begrüßenswert halten, nämlich eine rückhaltlose Offenheit über die Absichten und Pläne seines Hauses. Auf der anderen Seite hat er von sich aus — und auch das fanden wir nicht nur menschlich sehr schön, sondern auch politisch richtig — der Tätigkeit seines Vorgängers, der acht Jahre hindurch dieses Haus aufgebaut und geführt hat, in ehrenvoller Weise gedacht. Ich schließe mich diesen Worten für meine Freunde vollinhaltlich an, auch wenn wir in der Vergangenheit, sicher vor allen Dingen auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses, manchmal unsere Sorgen mit dem vorangegangenen Herrn Bundesfinanzminister hatten. In einem Punkte stimme ich sogar mit meinem Herrn Vorredner überein

    (Abg. Schoettle: Hoffentlich fällt's nicht zu schwer!)

    — das fällt mir keineswegs schwer, Herr Schoettle —, wenn ich offen ausspreche, daß auch wir manchmal gewünscht hätten, er hätte von dem Art. 113 des Grundgesetzes öfter Gebrauch gemacht.

    (Abg. Dr. Gülich: Er hat gar keinen Gebrauch gemacht!)

    — Das wissen wir sehr wohl, Herr Professor Gülich. Ich glaube, wir wären in manchen Dingen vielleicht von Schwierigkeiten verschont geblieben, wenn man von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte.
    Lassen Sie mich nun gleich den Stier bei den Hörnern fassen und auf die Punkte eingehen, die nicht nur in diesem Haushalt, sondern meiner Überzeugung nach in jedem Haushalt der freien Welt heute eine entscheidende Rolle spielen. Das sind die Rüstungsausgaben. Ich kenne keinen Haushalt in einem vergleichbar großen Industriestaat, der nicht dieselbe Sorge über Rüstungsausgaben verursacht, von der auch wir in der Bundesrepublik gequält werden. Glauben Sie ja nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, daß wir etwa diese Lasten von 10,7 Milliarden DM in irgendeiner Weise leichtnehmen. Sie dürfen vielmehr sicher sein, daß wir sie mit der gleichen Sorge, aber von ganz anderen Gesichtspunkten aus sehen, als Sie sie sehen. Ich möchte darum hier einmal die Frage aufwerfen — und diese Frage wird ja wohl in der nächsten Woche noch ausführlicher diskutiert werden, als das jetzt der Fall ist —, ob wir überhaupt jetzt schon von uns sagen könnten, wir hätten, verglichen mit anderen, gleich finanzstarken Ländern das gleiche wie andere für die Verteidigung der freien Welt aufgewandt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden uns ja eines Tages einmal klipp und klar sagen — ich hoffe, daß das auf Ihrem Bundesparteitag in Stuttgart geschieht —, was Sie von Ihrer Seite für das Limit dessen halten, was die deutsche Volkswirtschaft an Verteidigungslasten vertragen kann.
    Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß ich zweimal bei ähnlichen Anlässen, zu Ihnen gewandt, gesagt habe, wir sollten uns doch zumindest über einen Punkt völlig einig sein. Es sollte nämlich zwischen uns überhaupt keine Differenzen darüber geben, daß die Bundesrepublik zunächst einen Stand
    ihrer Verteidigung erreichen muß, der mit dem, was drüben in der DDR und in der Tschechoslowakei bereits seit Jahren latent vor uns steht, vergleichbar ist. Wir wären dann in der gemeinsamen Sorge um die deutsche Sicherheit vielleicht doch einen wesentlichen Schritt weiter.
    Ich möchte auch noch ein Weiteres sagen, um das gleich vorwegzunehmen; ich halte ursprünglich vor, es später zu erörtern. Auch wir werden uns bemühen, den Einzelplan 14 mit derselben Sorgfalt und mit derselben Genauigkeit zu betrachten, mit der wir auch andere Haushalte in der Vergangenheit durchberaten haben. Sie werden schließlich nicht leugnen können, daß — die Streichung, der berühmte Sternchenregen — die Kürzung der Generalstellen im vergangenen Jahr letzten Endes auf dem Antrag meiner Freunde und nicht zuletzt von mir selbst beruhte, so daß wir für uns in Anspruch nehmen können: auch wir haben das gekürzt, was wir nicht für notwendig halten. Wir sind fest entschlossen, das bei den neuen, auch in unseren Augen überhöhten Anforderungen für Generäle und Oberste ebenfalls zu tun.

    (Beifall in der Mitte.)

    Auf der anderen Seite dürfen wir nicht einen Augenblick das aus dem Auge verlieren, was letzten Endes doch für uns eine Existenzfrage, die Existenzfrage schlechthin, ist. Wir haben gesagt: dieses Volk hat einen Anspruch auf soziale Sicherheit, aber dieses Volk hat in gleicher Weise Anspruch auf äußere Sicherheit wie jedes andere freie Volk dieser Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Niemals aber haben wir darüber einen Zweifel offengelassen — der Herr Finanzminister Schäffer hat das in den vergangenen Jahren, glaube ich, genauso klar zum Ausdruck gebracht wie ich hier als Sprecher meiner Fraktion daß wir unter keinen Umständen zulassen werden — das sage ich heute, nach den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners, noch einmal mit doppeltem Nachdruck —, daß die notwendigen Ausgaben für die Sicherheit des deutschen Volkes irgendwie die Sicherheit der Währung beeinträchtigen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bis jetzt sehe ich, offen gesagt, auch noch keinen Grund, warum in diesem Haushalt und wahrscheinlich auch in dem nächsten Haushalt sonderliche Befürchtungen dieser Art auftreten sollten.
    Herr Kollege Schoettle, Sie haben vorhin die Rüstungsausgaben mit einem Kuckucksei verglichen. Ich wende mich gegen eine solche Verniedlichung. Es ist ein offensichtliches Straußenei.

    (Heiterkeit.)

    Es hat auch die Größe eines solchen Eies, mit 10,7 Milliarden DM.

    (Abg. Schoettle: Eine biologische Abnormität! — Abg. Dr. Gülich: Der Strauß hat ein Kuckucksei gelegt!)




    Dr. Vogel
    — Dazu dürfte er physisch nicht in der Lage sein.

    (Fortgesetzte Heiterkeit.)

    Sehen Sie sich doch einmal das an, was England im Verhältnis zu uns aufgebracht hat wir wollen von Frankreich und anderen Ländern ganz schweigen — oder was selbst Italien mit seinen uns doch bekannten sozialen Sorgen bis jetzt geleistet hat. Dann werden Sie vielleicht auch zu der Überzeugung gelangen, daß wir uns ernstlich überlegen müssen — das werden wir in der nächsten Woche diskutieren —, wo der Punkt liegt, bis zu dem wir gehen können, ohne daß wir volkswirtschaftlich einen Schaden anrichten.
    Nun lassen Sie mich einmal untersuchen, ob wir uns die wirtschaftlichen Sorgen überhaupt zu machen brauchen — jedenfalls im Augenblick —, die hier vorhin an die Wand gemalt worden sind. Mein Herr Vorredner hat es vermieden — ich erkenne es dankbar an —, hier etwa in irgendeiner Weise eine Krisenpsychose heraufzubeschwören. Er sieht wahrscheinlich — genauso wie ich es sehe —, daß wir doch — in Übereinstimmung mit so ziemlich allen wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, übrigens in Übereinstimmung auch mit dem Gewerkschaftsinstitut — gegenwärtig keineswegs den Zustand erreicht haben, den die Amerikaner mit ihrer „recession" im Augenblick zu beklagen haben. Wir geben uns keinem Zweifel darüber hin, daß die Zeit eines Booms vorüber ist und daß wir uns wieder volkswirtschaftlichen Zuständen nähern, die keineswegs als Hochkonjunktur anzusprechen sind, deren Produktivitätsfortschritte aber durchaus noch fast doppelt so hoch über dem liegen, was man stets einen normalen Produktivitätsfortschritt nannte. Wir haben uns in den Jahren vor 1914 mit einem Produktivitätszuwachs von rund 2 % pro Jahr zufriedengegeben und haben das für durchaus angemessen gehalten. Wir lagen im Jahre 1955 bei 15 % und hatten im vergangenen Jahr 7,5 % zu verzeichnen. Der Bundesfinanzminister hat für das kommende Haushaltsjahr 7 % geschätzt. Auch ich habe — wahrscheinlich mit ihm zusammen - meine Zweifel, ob diese geschätzte Rate erreicht werden kann. Jedenfalls spricht manches dafür, daß sie nicht wesentlich unterschritten wird.
    Weswegen ich mich für verpflichtet halte, gerade darauf einzugehen, ist die Tatsache, daß mit dieser Schätzung auch der neue Haushalt in irgendeiner Form steht oder fällt. Denn entweder ist diese Schätzung richtig und werden Steuereinnahmen in der erwarteten Höhe eintreffen, oder wir werden uns nicht nur „am Rande des Defizits" bewegen, sondern mitten in einem Defizit sein. Dieses Defizit wird uns dann um so härter treffen, als die Kassenreserven, wie das der Herr Bundesfinanzminister mit seltener Eindringlichkeit ausgeführt hat, in den kommenden Haushaltsjahren, vor allen Dingen im Haushaltsjahr 1959, nicht mehr zur Verfügung stehen werden.
    Es hat in der deutschen Öffentlichkeit vielleicht Aufsehen erregt, daß einer der größten deutschen Konzerne — ich spreche hier vom Siemens-Konzern — bei seiner Generalgesellschafterversammlung den Mut aufbrachte, offen zu sagen, daß man sich mit diesem Abflauen des Booms in den vergangenen Jahren durchaus einverstanden und sogar darüber befriedigt erkläre, weil man die Sicherheit einer stetigen Kalkulation den ungewissen Risiken eines solchen Booms auf -die Dauer doch vorziehe. Die Stimmen, die diesem Ausspruch Beifall zollten, haben sich in der letzten Zeit gemehrt. Ich glaube, im allgemeinen sieht man im Ausland wohl nicht ohne einen gewissen Neid nach Deutschland herüber, wo sich entgegen der Lage in England, entgegen der Lage in Finnland, in den Niederlanden, in Schweden usw. immerhin noch eine Konjunktursicherheit abzeichnet, die von der Lage in sehr vielen anderen Ländern der freien Welt erfreulich absticht.
    Lassen Sie mich hier auch gleich eine Sorge mit erwähnen. Es wäre völlig verfehlt, wenn wir nur auf unsere eigene Wirtschaftsentwicklung starrten. Wir tun gut daran, die Wirtschaftsentwicklung in der Sowjetzone mit scharfen Augen zu verfolgen. Es ist gut für uns, zu wissen, daß in der Sowjetzone der Produktivitätsfortschritt nicht 7,5 % wie bei uns betrug, sondern nach den Statistiken von drüben, deren Wert vielleicht einigermaßen zweifelhaft ist, immerhin bei 7 % lag, wenn auch auf der anderen Seite die Steigerung des privaten Verbrauchs nicht 7,5 % wie bei uns ausmachte, sondern nur 4,6 %. Hier wird das Dilemma und das Elend drüben nur zu deutlich gemacht. Wir tun gut daran, diese Entwicklung sehr aufmerksam zu beobachten, genauso wie es für uns eine notwendige Pflicht ist — gerade auch im Zusammenhang mit den erfolgreich abgeschlossenen Handelsvertragsverhandlungen mit der Sowjetunion —, die Fortschritte auch jenseits des Eisernen Vorhangs genauestens zu verfolgen und zu registrieren. Ganz offensichtlich wird drüben mit einem Investitionsaufwand unerhörten Ausmaßes der Versuch gemacht, die freie Welt wirtschaftlich einzuholen, um den eigenen Leuten gegenüber den Beweis zu erbringen, daß das kommunistische System in der Lage sei, einen Wettbewerb mit der freien Welt auszuhalten.
    Wir werden uns in den nächsten Jahren — das hat uns auch der Bundesfinanzminister mit wünschenswerter Deutlichkeit vor Augen gestellt — vor der außerordentlichen Aufgabe sehen, in unserer Bundesrepublik durch freiwilliges Sparen Investitionsleistungen zu ermöglichen, die den Fortgang unserer Konjunktur und damit auch die weitere Erhöhung des Lebensstandards der breitesten Schichten des deutschen Volkes gewährleisten. Das wird eine der wesentlichen Aufgaben der nächsten Jahre sein. Wir werden darüber nachzudenken haben, ob der Sparprämienplan des Herrn Bundesfinanzministers genügt oder vielleicht auch noch andere Mittel eingesetzt werden müssen, um dieses vordringliche Ziel zu erreichen.
    Zunächst jedenfalls möchte ich feststellen, daß die bisherige Entwicklung bei uns noch keinerlei Anlaß zur Sorge bietet. Wir erlebten im vergangenen Jahr offensichtlich den Vorgang, daß sich die Wirtschaft



    Dr. Vogel
    in Erwartung von Preissteigerungen Lager zugelegt hat, die über das normale Maß hinausgingen. Diese Lager werden jetzt abgebaut, und wir nähern uns langsam wieder dem Zeitpunkt, wo die Wirtschaft gezwungen sein wird, von neuem Lager aufzubauen, um dem gesteigerten Konsum Rechnung zu tragen.
    Die Bundesnotenbank, die uns ja in ihren Monatsberichten ein überaus aufschlußreiches Material über den Stand der Wirtschaft, der Finanzen, der Devisen liefert, hat in ihrem jüngsten Bericht vom Monat März mit Recht darauf hingewiesen, , daß wir in der nächsten Zeit aus drei, vielleicht auch aus vier Gründen eine nicht unerhebliche Steigerung der Investitionstätigkeit zu erwarten haben: erstens durch einen verstärkten Zwang zur Rationalisierung in den Betrieben selbst; zweitens durch das strukturelle Wachstum bestimmter Industriezweige, vor allen Dingen in der chemischen Industrie, der Atomindustrie usw.; drittens — auf Grund der günstigen Chancen auf dem Kapitalmarkt — durch die Möglichkeit erhöhter Kapitalbeschaffung, vor allen Dingen für die großen Werke; viertens — als Folge einer wesentlich verbesserten Lage auf dem Pfandbrief- und Hypothekenmarkt — durch die Steigerung der Hochbauprojekte, die im Januar dieses Jahres um 160 Millionen DM höher lagen als im Januar des Jahres 1957.
    Es hat sich also zunächst einmal eine Prognose als falsch erwiesen, die in der Vergangenheit von manchen Stellen sehr emsig gepflegt worden ist, nämlich die Prognose — mit den Prognosen ist das ja überhaupt so eine Sache —, daß durch die Ausgabe ) von Milliarden aus öffentlichen Rückstellungen, aus dem Juliusturm, zwangsläufig inflationäre Erscheinungen ausgelöst werden müßten. Die Entwicklung des Jahres 1957 hat erwiesen, daß das nicht der Fall zu sein braucht.

    (Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

    Wir haben im vergangenen Jahr einen Konsumstoß von über 10 Milliarden DM erlebt, der zu einem großen Teil aus den Rentennachzahlungen und aus einer ganzen Reihe ähnlicher Leistungen herrührte. Von diesem Konsumstoß von 10 Milliarden DM sind nicht weniger als 4 Milliarden DM zusätzlich gespart worden. Wir haben wohl allen Anlaß, gerade diesen breitesten Schichten des deutschen Volkes für die damit bewiesene Mäßigung und Selbstdisziplin unseren Dank abzustatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieses ungewöhnliche Sparen, das sich zum Glück auch im Frühjahr dieses Jahres fortgesetzt hat, hat nicht zuletzt auch die Normalisierung des Kapitalmarktes in Deutschland ermöglicht mit den wohltuenden Folgen, die heute überall sichtbar werden. Eine der wohltuendsten davon ist unbestreitbar die Senkung des Zinsfußes; die Herausgabe von Hypotheken und Pfandbriefen zu 7 %, vielleicht sogar in einiger Zukunft zu 61/2 oder 6 % stellt doch einen ganz erstaunlichen und von uns durchaus begrüßten Vorgang dar.
    Wir hatten ursprünglich nicht ohne Sorge die Ausweitung des Bargeldumlaufs in Deutschland be trachtet, und in der Tat konnte eine Ausweitung allein im Jahre 1957 um rund 2 Milliarden DM bis
    zu einer Höhe von 17,5 Milliarden DM am 30. November 1957 einige Besorgnisse auslösen. Aber wir konnten feststellen, daß der Bargeldumlauf am 15. März 1958 wieder auf 16,2 Milliarden DM zurückgegangen war. Ich sehe in dieser Flexibilität des Geldumlaufs ein Zeichen dafür, daß im Grunde genommen nicht mehr Geld im Umlauf ist, als es den Terminerfordernissen der Wirtschaft entspricht und als wir tatsächlich brauchen. Es ist also nicht so, daß heute in irgendeiner Form Besorgnisse über den allzu großen Geldumlauf geäußert zu werden brauchten.
    Ich darf vielleicht auch noch ein paar andere Ziffern hier anführen, die für den sozialen Standard unseres Volkes im vergangenen Jahre und in diesem ersten Vierteljahre bezeichnend sind. In dem Steuereinnahmenausweis, den das Bundesfinanzministerium herausbringt, können Sie folgende Ziffern sehen. Das Tabaksteueraufkommen ist gegenüber dem Jahre 1954/55 in dem Rechnungsjahr 1956/ 1957 um 20 % auf 2,8 Milliarden DM gestiegen. Das Biersteueraufkommen ist um 25 % gestiegen, und die Einnahmen aus dem Branntweinmonopol sind sogar um 37 % gestiegen. Ich fürchte, das wird uns im Haushaltsausschuß allerdings neue Anforderungen von der Stelle für Suchtgefahren bringen. Allerdings haben auch die Ausgaben für Lotto und Toto im Rechnungsjahr 1956/57 in Deutschland nicht weniger als eine runde Milliarde D-Mark erreicht.
    Wenn man diese Ziffern ansieht, dann wird man zumindest sagen können, daß dieses Volk einen Lebensstandard erreicht hat, der sich durchaus neben dem Lebensstandard auch sehr wohlhabender Völker der freien Welt sehen lassen kann. Herr Kollege Wehner, Sie haben neulich — ich glaube, es war in Hamburg — bei einer Versammlung den Ausspruch getan, daß „man den Lebensstandard des deutschen Arbeiters verteidigen müsse". Wir glauben, daß dazu gar keine Notwendigkeit besteht. Wir sind stolz darauf, daß wir durch unsere Wirtschaftspolitik dazu beigetragen haben, daß dieser Lebensstandard heute da ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben nicht das geringste Interesse daran, diesen Lebensstandard in irgendeiner Weise absinken zu lassen. Wir sind doch nicht so töricht, daß wir alle bisherigen Erkenntnisse der Sozial- und der Konjunkturwissenschaft beiseite stellen, die uns heute eindeutig klarmachen, daß jede große Konjunktur sich nur auf der Kaufkraft breitester Schichten des Volkes aufbauen kann. Diese Kaufkraft zu erhalten, wird mit eines der obersten Ziele unserer Wirtschaftspolitik sein. Darüber hinaus gleichzeitig die Eigentumsbildung bei den breitesten Massen zu fördern, ist eine der großen Aufgaben, die wir uns gleichfalls gestellt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Brese: Maßhalten!)

    — Auf das Maßhalten, Herr Kollege Brese, werde ich auch noch zu sprechen kommen.
    Ich möchte nun noch einige andere Dinge ansprechen. Herr Kollege Schoettle, ich glaube, Sie haben den Absatz in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers, in dem er von den Traumvorstellungen



    Dr. Vogel
    auf sozialem Gebiet sprach, offensichtlich etwas mißverstanden. Ich glaube nicht, daß die Auslegung, die Sie ihm gegeben haben, wirklich zutreffend ist. Ich bin der Ansicht, daß gerade Herr Etzel sowohl in den Jahren, in denen er Vorsitzender des Wirtschaftspolitischen Ausschusses war, wie auch nachher immer das Bestreben gezeigt hat, den Grundsatz, den ich vorhin aussprach, von der Notwendigkeit eines hinreichenden und eines guten Einkommens der breitesten Bevölkerungsschichten in der Weltöffentlichkeit zu vertreten, und daß er keinerlei Ursachen hat, diesen Grundsatz in irgendeiner Weise zu verniedlichen oder zu begrenzen.
    Wenn wir — lassen Sie mich gleich darauf etwas näher eingehen — in diesem Jahre nicht erneut eine so große Ausweitung der Sozialausgaben zu verzeichnen haben, wie das im vergangenen Jahr der Fall war, dann hat das schließlich seine wohlerwogenen Gründe. Wir werden nun einmal nicht jedes Jahr einen so gewaltigen Sprung vorwärts machen können, wie das — das ist auch von Ihrer Seite unbestritten — im letzten Jahr der Fall war; denn daß die Rentenreform eine große und weithin sichtbare Tat war, wird heute wohl von niemandem in Deutschland ernsthaft bestritten werden. Daß der neue Haushalt schon von der, ich möchte es einmal so nennen, Erweiterungsklausel des Rentenreformgesetzes in Anspruch genommen worden ist, und zwar mit 208 Millionen DM mehr, zeigt doch, daß es sich hier um einen „dynamischeren" Fortschritt von Jahr zu Jahr handelt. Das zweite große Werk, die Reform der Krankenversicherung, ist allerdings nicht schon in diesem Jahr zu erwarten, sondern wird erst im nächsten oder vielleicht übernächsten Jahr kommen; das liegt in den Schwierigkeiten dieses Problems begründet. Ganz bestimmt aber werden Sie uns nicht den Vorwurf machen können, wir wollten in diesem Haushalt in irgendeiner Form zum Ausdruck bringen, wir sähen das soziale Problem als minder wichtig an als ein anderes der großen Probleme unseres deutschen Volkes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich noch mit einigen Worten zu einem Thema sprechen, das ebenfalls Ihrer Aufmerksamkeit bedarf. Wir haben den Höhepunkt in der Anhäufung unserer Gold- und Devisenvorräte überschritten. Ich glaube, daß wir darüber eigentlich nicht traurig zu sein brauchten. Unser Bestand an Gold und Devisen betrug im Oktober 1957 23,68 Milliarden DM; wir haben zur Zeit einen Bestand von 22,7 Milliarden DM, davon 10 Milliarden DM in Gold. Im Januar hatten wir, und das war ein gewisses Alarmsignal, zum ersten Male einen Einfuhrüberschuß zu verzeichnen, und zwar von 112 Millionen DM. Im Februar schlug das Pendel wieder zurück; da hatten wir einen ungewöhnlich hohen Ausfuhrüberschuß: über 500 Millionen DM. Ich bin der Überzeugung, daß wir einen Ausfuhrüberschuß von über 4 Milliarden DM, wie wir ihn im Jahre 1957 hatten, weder in diesem Jahre noch in den folgenden Jahren wieder werden verzeichnen können.
    Wir müssen uns allerdings darüber im klaren sein, daß die Ausfuhr nach wie vor unserer größten Aufmerksamkeit bedarf. Deutschland ähnelt in seiner Wirtschaftsstruktur heute England. Für England ist
    die Ausfuhrfrage d i e Frage schlechthin. Auch für das deutsche Volk kommt die Zeit, in der wir den Fragen des Exports und der Exportförderung auch im Haushalt sehr viel mehr Beachtung werden schenken müssen, als das bisher der Fall zu sein brauchte.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Blick auch auf den neu abgeschlossenen Handelsvertrag mit Rußland werfen. Wir dürfen nicht übersehen, daß 65 % unseres Exportes in die westeuropäischen Industrieländer gehen, daß der Handel mit Sowjetrußland bisher aber nur 1 % unserer Ausfuhr betrug und nach dem neuen Handelsvertrag wahrscheinlich nur 2 % ausmachen wird. Bei den Nachforderungen, mit denen die Regierung bisher an uns herantrat, haben wir im Haushaltsausschuß feststellen müssen, daß die übergroßen Getreide- und Futtermittelvorräte, die wir in Deutschland angehäuft haben, ein Problem für sich darstellen; wir betrachten es mit steigender Sorge. Die Weiterveräußerung dieser übermäßigen Vorräte kostet uns in diesem Haushaltsjahr 79 Millionen DM. Wenn nun ein Teil der deutschen Warenlieferungen nach der Sowjetunion mit Getreidelieferungen aus der Sowjetunion bezahlt werden soll, so werden wir, fürchte ich, für den Wiederverkauf dieses Getreides noch erhebliche Mittel als indirekte Exportsubvention bereitstellen müssen. Auch diese Zusammenhänge sollte man bei einer Betrachtung der Ausweitung unseres Exports nach Sowjetrußland nicht verschweigen.
    Wenn sich im Zusammenhang mit den letzten Ereignissen an Rhein und Ruhr besorgte Blicke auch auf die Kohlenhalden gerichtet haben, so möchte ich für diesen Bereich doch einmal eine Vergleichszahl nennen. Von den 12 Millionen t, die gegenwärtig in Europa auf den Halden liegen, entfallen nur 2,98 Millionen t auf Deutschland mit einer Jahresproduktion von immerhin über 120 Millionen t, aber nicht weniger als 5,85 Millionen t auf Frankreich mit einer Jahresproduktion von etwas über 50 Millionen t und auf Belgien mit einer noch geringeren Produktion 2,78 Millionen t. Diese Sorgen lasten also ungleich schwerer auf den anderen Ländern der Montanunion, wenn wir auch diese Sorgen keineswegs kleinschreiben wollen.
    Aber alles das, was wir bis jetzt gemeinsam erreicht haben — und wir haben immerhin auch an Ersparnissen dank des wieder erwachten Sparsinns in unserem Volke über 23 Milliarden DM anhäufen können —, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bundesrepublik nach wie vor ein armes Land ist. Diese Vorstellung, daß wir ein armes Land sind, das nicht in der Lage ist, Kapitalexport in großem Ausmaße zu betreiben, dürfen wir auch bei den künftigen Verhandlungen nicht ganz übersehen. Wir haben, soweit es mir in Erinnerung ist, seit der Währungsreform für 1,5 Milliarden an Kapital exportieren können. England hat seit 1945 — allerdings mit einem Vorsprung von drei Jahren; aber auch England hatte von 1945 bis 1950 seine Umstellungssorgen — nicht weniger als 21 Milliarden Mark an Kapital exportieren können. Das zeigt deutlich, um wieviel besser die



    Dr. Vogel
    Grundstruktur eines Landes ist, das eben nicht wie das deutsche Volk zwei Inflationskatastrophen erlebt hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Infolgedessen dürfen auch keine allzu großen Erwartungen an uns gestellt werden, daß wir etwa in der Lage wären, auch für die in der wirtschaftlichen Entwicklung begriffenen Länder allzu große Summen auszuwerfen. Andere Länder sind dank ihres erhaltenen Kapitals in anderem Maße dazu in der Lage, als wir es zur Zeit sind.

    Immerhin haben wir im vergangenen Jahr 1957 eine Neukapitalbildung von nicht weniger als 14 Milliarden DM zu verzeichnen. Der Ausfluß dieser neuen Sparansammlung zeigt sich deutlich auf dem gesamten Geldmarkt und auf dem Kapitalmarkt. Ich habe die Rückwirkungen auf den Baumarkt schon kurz gestreift. Es bedeutet aber gleichzeitig — Herr Kollege Willeke, das ist für die Kommunalpolitik ein besonderer Trost — die Möglichkeit für die Kommunen, in einem ganz anderen Maße, als das bis jetzt der Fall ist, Anleihen auf dem Geldmarkt unterzubringen. Sie haben davon auch sehr reichlich Gebrauch gemacht.
    Bei dieser Gelegenheit kann ich einen kleinen Einwurf nicht unterlassen. Nach der letzten mir vorliegenden Statistik betrug die Gesamteinnahme der deutschen Gemeinden an der Steuer, die heute praktisch einzig und allein d i e Steuer der Gemeinden ist, der Gewerbesteuer, 10,5 % mehr gegenüber dem Jahr 1956, während alle anderen Steuern kaum ein ähnliches Mehraufkommen zu verzeichnen haben. Sie werden wahrscheinlich sofort einwerfen, daß das auf eine Reihe von Großstädten und von mittleren, besonders kapitalkräftigen Gemeinden beschränkt ist, und Sie werden mit vollem Recht sagen, daß die Dorfgemeinden und die Kleinstädte, die keine Industrie haben, wahrscheinlich die Leidtragenden dabei sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Da stimme ich völlig mit Ihnen überein. Insgesamt gesehen zeichnet sich in meinen Augen beinahe auch das Problem eines Ausgleichs zwischen den kapitalstarken und den anderen Gemeinden in einem anderen Maße als bisher ab; um das hier gleich einmal einzuflechten.
    Meine Damen und Herren, wir kommen auch nicht an der Tatsache vorbei, daß wir nicht nur ein kapitalschwaches Land sind, sondern daß wir darüber hinaus nach wie vor ein schutzloses Land sind. Diese Tatsache wird auch durch den Aufbau unserer Bundeswehr in keiner Weise beeinträchtigt. Nichts kann doch die ungeheure Gefährdung unserer Existenz klarer beleuchten als das ständig an einem Zwirnsfaden hängende Schicksal von 2,5 Millionen unserer Brüder und Schwestern im Westsektor von Berlin. Leistungen werden ja nie gern aufgebracht, Herr Kollege Schoettle, das wissen wir alle. Aber über die Notwendigkeit, hinreichende Leistungen für Berlin aufzubringen, besteht in diesem Hohen Hause überhaupt keine Meinungsverschiedenheit.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Nur setzt das - das muß ich mit einem kleinen
    Akzent auch einmal sagen — natürlich auch eine
    gewisse Selbstkritik Berlins an seinen eigenen Ausgabewünschen voraus — ich will mich in dieser Beziehung ganz vorsichtig ausdrücken —, und da haben wir nicht immer die feste Überzeugung, daß alle diese Wünsche in vollstem Umfang berechtigt sind.
    Zu den bisherigen Ausgaben für die Bundeswehr in dem Maße, wie der Haushalt sie verzeichnete, waren wir durch eine Reihe von Verträgen mehr oder weniger stark verpflichtet. Ich finde es außerordentlich nützlich, daß uns in den immer sehr lesenswerten Vorbemerkungen, die wir auch in diesem Jahr in Gestalt eines dicken Bandes vorgelegt bekommen haben, gerade die Entwicklung unserer Zahlungsverpflichtungen auf diesem Gebiet vom Jahre 1949 bis zum Jahre 1957 so ausführlich dargestellt worden ist.
    Wer sich diese Seiten einmal zu Gemüte führt, wird doch an einem nicht vorbeikommen können. Er wird sich vor der bewundernswürdigen Zähigkeit verneigen müssen, mit der der verflossene Finanzminister Fritz Schäffer mit unseren früheren Besatzungsmächten und heutigen Verbündeten verhandelt hat. Er hat hier ein Musterbeispiel seiner vielgerühmten Hartnäckigkeit geliefert. Denn was da allein an Forderungen von der anderen Seite abgewandt werden konnte, stellt doch immerhin eine Leistung in Milliardenhöhe dar.
    Ich bitte doch bei aller Kritik an den Ansätzen der vergangenen Jahre eines nicht ganz zu vergessen. Das ist, glaube ich, ein Argument, über das es keinen Streit geben sollte; ich als kleines Mitglied des Hohen Hauses darf hier wohl das ruhig aussprechen, was ein Finanzminister nicht ohne weiteres aussprechen kann. Ich möchte nämlich einmal die Frage stellen: Wie hoch wären denn die Stationierungskosten ausgefallen und welche Forderungen hätte die Gegenseite mit Recht erhoben, wenn in den vergangenen Jahren seit 1945 bei uns nicht diese Ansätze für Verteidigungszwecke im Haushalt gestanden hätten?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen dieses Thema aus nationalpolitischen Gründen hier nicht vertiefen. Aber in einem Zeitpunkt, in dem auch in London — vielleicht schon heute am Nachmittag — erneut Verhandlungen über diese Dinge gepflogen werden, ist es notwendig, die Zwangslage, in der wir uns in den vergangenen Jahren befunden haben, richtig einzuschätzen und daraus auch bestimmte Konsequenzen zu ziehen.
    Jedenfalls stehe ich mit meinen Freunden auf dem Standpunkt: die Forderungen an unsere Verbündeten wären unzumutbar, wollten wir uns nicht selbst die gleichen Leistungen auferlegen, die wir zu ihrem und unserem Schutz von den anderen heute fordern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Dinge bedürfen zwar einer gerechten Aushandlung zwischen den Verbündeten, unsere An-



    Dr. Vogel
    Sicht dazu muß aber doch klar ausgesprochen werden.
    Meine Damen und Herren, ich darf Ihre besondere Aufmerksamkeit auf eine völlig neue Entwicklung in unserem Haushalt lenken. Mein Herr Vorredner hat hier schon über die Frage der Wiedergutmachungsleistungen gesprochen. Sie wird auch noch in den kommenden Monaten der Gegenstand von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sein. Mit dem gleichen Nachdruck erkläre auch ich für meine Freunde, daß wir uns niemals gegen eine wirklich angemessene Wiedergutmachung gewandt haben. Nur hatten wir zu verzeichnen, daß der Betrag von 8 Milliarden DM, der ursprünglich bei der Einbringung des Gesetzes als erforderlich bezeichnet wurde, inzwischen bereits auf 18 Milliarden DM angestiegen ist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das ist immerhin ein Vorgang, der auch haushaltsmäßig bestimmte Konsequenzen auslöst. Aber wir bitten Sie, daraus nicht zu folgern, daß die Bereitschaft meiner Freunde gemindert ist, im Rahmen des volkswirtschaftlich Möglichen das zu tun, was die Ehre des deutschen Volkes gegenüber den früher Verfolgten und Bedrückten gebietet. Darin sind wir uns, glaube ich, völlig einig.
    Im Zusammenhang damit wird der Hinweis für Sie von Interesse sein, daß wir heute bereits Auslandsleistungen nach Gesetzen und Verpflichtungen haben, die eine Höhe von 4 Milliarden DM pro Jahr erreicht haben. Das ist eine völlig neue Entwicklung bei uns, die wir vor allen Dingen im Hinblick auf die Anhäufung von Gold- und Devisenvorräten in Höhe von 22,3 Milliarden DM etwas schärfer sehen müssen, als das bis jetzt der Fall war. Darunter fallen die Rüstungseinfuhren, darunter fallen die Zahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, darunter fallen die Zahlungen an die Europäische Atomgemeinschaft — um nur einmal die größten Ziffern vorwegzunehmen — und zum erstenmal auch die Zahlungen nach dem Londoner Schuldenabkommen mit fast 400 Millionen DM pro Jahr. Das sind Dinge, die uns in den nächsten Jahren wahrscheinlich weitaus mehr beschäftigen werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.
    Nun lassen Sie mich auch einmal zu einigen Wünschen und Sorgen kommen, die im Zusammenhang mit diesem Haushalt offen ausgesprochen werden müssen. Herr Kollege Schoettle, Sie dürfen versichert sein, nicht nur Sie haben bei einem 39,2-
    Milliarden-Haushalt Sorgen, sondern auch wir haben bestimmte Sorgen. Auch wir haben im Zusammenhang damit Wünsche hier vorzutragen, selbst auf die Gefahr hin, daß man diese Dinge in der Presse vielleicht wieder allzu groß aufbauscht und daß daraus mit leichter Hand sofort wieder das Wort „Krise" gemacht wird. Eine Krise herbeizuführen ist immerhin, glaube ich, schon eine Angelegenheit, die weitaus ernsterer und weitaus schwerwiegenderer Begründungen bedarf als das, was ich jetzt vortragen möchte.
    Ich möchte zunächst einmal einiges zu den Personalien sagen. Hier hat der Bundesfinanzminister
    recht, wenn er sagt, die neu ausgebrachten 2050 Stellen im Bundeshaushalt 1958 bringen insgesamt nur eine Mehrbelastung von 25 Millionen DM mit sich. Aber wir sind uns völlig darüber im klaren, daß diese 25 Millionen DM alle Jahre nicht nur wiederkehren, sondern sich automatisch steigern. Wir sind uns auch darüber im klaren gewesen, daß wir nach einer sehr dankenswerten Veröffentlichung, die mein Kollege Niederalt vor einigen Tagen in Bayern vorgenommen hat, in den Jahren 1955 bis 1957 nicht weniger als 6193 neue Dienstposten in der Verwaltung — wenn Sie wollen — zu beklagen haben

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    und daß der Mehraufwand dafür runde 75 Millionen DM erfordert. Ich verschließe meine Augen keinesfalls vor bestimmten zwingenden Notwendigkeiten; das haben wir auch in der Vergangenheit nicht getan. Wir nehmen genauso wie Sie für uns in Anspruch, die einzelnen Anforderungen nach ihrer Notwendigkeit und nach ihrer Begründung hin sorgfältig überprüft zu haben. Sie können uns natürlich mit Recht sagen, daß die Mehrheit dieses Hauses diese Mehranforderungen gebilligt hat. Aber Sie werden schwerlich leugnen können, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie in der Mehrzahl dieser Fälle — wir wollen einmal von dem Verteidigungshaushalt absehen — in der Bewilligung mit uns einer Meinung waren und daß Sie häufig genug — ich sage das nicht ohne einen gewissen Seitenblick —, wenn Sie bei uns die Absicht spürten, etwas zu kürzen, vielleicht aus dem begreiflichen Bestreben heraus, uns auch einmal einen Seitenstich zu versetzen, Ihrerseits eher bereit waren, etwas zu bewilligen, als wir es waren, daß das Pendel dann wohl auch hin und wieder nach der anderen Seite ausgeschlagen hat. Aber insgesamt ist ein großer Teil dieser neuen Stellen die zwangsläufige Folge von Gesetzen, die dieses Hohe Haus beschlossen hat. Daran kommen wir leider nicht vorbei.
    Nehmen Sie nur einmal die Neuanforderungen im Haushalt 1958. Da sehen Sie das neue Kartellamt mit 88 neuen Stellen, von denen wir genau wissen, daß es einige hundert werden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Einige hundert?)

    — Natürlich, Frau Weber, es werden einige hundert werden; denn dieses Kartellamt stellt erst einen Anfang dar. — Nehmen Sie den Flugsicherungsdienst, nehmen Sie die notwendigen Korreferate zum Gemeinsamen Markt, nehmen Sie die neue Abteilung mit 84 neuen Posten, die im Bundeswirtschaftsministerium als Pendant zum Gemeinsamen Markt entsteht. Das sind Zwangsläufigkeiten, an denen wir leider nicht vorbeisehen können.
    Wir haben uns trotzdem entschlossen, jetzt eine Art von Überrollung eintreten zu lassen und — wir laben beim Einzelplan 10, beim Ernährungsministerium, einen Anfang gemacht — nur diejenigen Ausgaben zu bewilligen, die wir auf Grund zwingender gesetzlicher Vorschriften, auf Grund tarifpolitischer Vorschriften und aus sonstigen zwin-



    Dr. Vogel
    genden politischen Erfordernissen für notwendig halten, wobei wir einen möglichst strengen Maßstab anlegen wollen.
    Der Bundeskanzler selber hat — Herr Kollege Niederalt hat diesen Ausspruch, ich glaube, mit einem gewissen Vergnügen, zitiert — am 29. Oktober 1957 in seiner Regierungserklärung gesagt:
    Ein Ministerium ist ähnlich wie ein Polyp, der, sicher oft gegen die Absichten seines Ministers, seine Polypenarme ausstreckt, um immer mehr zu bekommen.
    Wir können den Herrn Bundeskanzler zu dieser
    Einsicht nur beglückwünschen, und ich hoffe, — —

    (Abg. Schoettle: In seinem unmittelbaren Amtsbereich hat er einen ganz hübschen Polypen!)

    — Ja, aber das ist nur ein sehr kleiner Polyp (Abg. Wehner: Aber ein sehr saugkräftiger!)

    im Vergleich zu den Polypenarmen, die seine Minister ausgestreckt haben. Wer sich z. B. das anschaut, was in der Folge des Organisationserlasses des Herrn Bundeskanzlers eingetreten ist, der kann nur mit Bedauern feststellen, daß wir den alten Vorgang wieder erleben: daß überall da, wo Aufgaben an andere Ressorts abgegeben worden sind, das abgebende Ministerium das Bestreben zeigt, seinen vollen Personalstand zu wahren, und in dem neuen Hause die Stellen neu, also doppelt erscheinen. Wir hatten diesen Vorgang schon einmal bei der Übergabe der Kompetenz für Geld und Finanzen vom Bundesfinanzministerium zum Bundeswirtschaftsministerium zu beklagen und sehen ihn jetzt, glaube ich, in voller Blüte von neuem bei den parallelen Anforderungen des Bundeswirtschaftsministeriums, des Auswärtigen Amtes, des Atomministeriums und des Bundesfinanzministeriums im Hinblick auf die Fragen der supranationalen Behörden.
    Derartige Dinge bedürfen unbedingt einer schärferen Kompetenzabgrenzung, als sie bisher vorhanden ist, und wir richten an das Bundeskabinett die dringende Bitte, sehr bald zu einer solchen Kompetenzabgrenzung zu gelangen und im Zusammenhang damit auch die meiner Überzeugung nach reichlich überflüssigen Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen einzelnen Häusern so bald wie möglich zu beseitigen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich spreche hier von den Abgrenzungen zwischen Bundesinnenminister und Bundesverteidigungsminister, zwischen Auswärtigem Amt und Bundeswirtschaftsministerium und von der leidigen neuen Frage der Zuständigkeit für die Wasserwirtschaft usw. — Alles das sind Dinge, die aus der Welt geschafft werden können und möglichst bald aus der Welt geschafft werden sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir möchten auch an das Bundeskabinett die dringende Bitte richten, sein Augenmerk schärfer als bisher auf die Flut von neuen Gesetzesvorlagen zu richten. Wir glauben, daß die Entwürfe vieler
    fleißiger Referenten in den Bundesressorts durchaus Anerkennung verdienen; aber ob sie unbedingt über das Bundeskabinett immer an das Hohe Haus weitergeleitet werden müssen, das ist eine ganz andere Frage.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie muß verneint werden!)

    Dieses Haus hat wahrhaftig nur allzuwenig Zeit für die Behandlung der großen Anliegen unserer Nation, und es sollte nach Möglichkeit davon verschont werden, sich mit zu vielen kleinen, unbedeutenden Vorlagen zu befassen, die allein dem Ressorteifer und dem Fleiß einzelner Referenten entspringen, für deren Behandlung aber eine zwingende Notwendigkeit für uns nicht vorliegt. Mehr noch als bisher sollte auch bei dieser Gelegenheit darauf geachtet werden, welche haushaltsmäßigen Folgen ein großer Teil dieser Entwürfe zwangsläufig haben muß.
    Ich darf in diesem Zusammenhang eine Bemerkung über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern machen, obwohl das eine Angelegenheit ist, die in einem anderen Zusammenhang ausführlicher diskutiert werden soll. Sie, Herr Bundesfinanzminister, haben, glaube ich, bei den Argumenten, die gegen die Beschlüsse des Bundesrates im ersten Durchgang des Haushalts sprechen, ein Argument übersehen oder vergessen; ich weiß nicht, ob Sie es mit Absicht getan haben. Sicher aber spricht die Entwicklung des Steueraufkommens im letzten Vierteljahr ebenso sehr gegen die Ansprüche, die die Länder auf die 650 Millionen DM erhoben haben, wie die beiden anderen Argumente, die Sie genannt haben. Es ist kein Zweifel, daß das Steueraufkommen und vor allem die Reserve — sie ist auch von Ihnen erwähnt worden —, die sich wegen der zu späten Veranlagung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Jahre 1956 und 1957 ergeben wird, die Länder ungleich mehr begünstigen werden als den Bund.

    (Abg. Niederalt: Aber es bleibt die Unterschiedlichkeit in der Finanzstärke!)

    - Auf die komme ich gleich noch zu sprechen.
    Daß der interne Finanzausgleich zwischen den Ländern eine Sonderaufgabe darstellt, die sich mit jedem Jahre zwingender für uns ergibt, wird davon gar nicht berührt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich bin der Überzeugung — ob alle meine Freunde mir hier zustimmen werden, weiß ich nicht —, daß auf die Dauer gesehen eine Existenzberechtigung nur ein Land haben kann, das finanziell in der Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Nur Länder, die finanzkräftig genug sind, ihre Landeshoheit aufrechtzuerhalten, werden sich behaupten können.

    (Abg. Dr. Gülich: Das ist aber interessant!)

    — Das ist eine sehr interessante Angelegenheit, und ich glaube, Herr Professor Gülich, gerade Sie als früherer Finanzminister des Landes SchleswigHolstein werden sich dieser Überzeugung zuallerletzt entziehen können. Wir müssen aber vorerst



    ) Dr. Vogel
    einmal zu einem neuen Ausgleich zwischen den Ländern gelangen. Auf weite Sicht werden wir hier — das ist meine persönliche Auffassung; sie braucht nicht die Auffassung meiner Fraktion zu sein —nicht um eine Neuordnung herumkommen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Darin stimme ich, glaube ich, mit sehr vielen kundigen Leuten in Deutschland, nicht nur mit den Finanzwissenschaftlern, überein.
    Wir sind weiter der Auffassung, daß wir die bis jetzt angelegte Sonde der Sparsamkeit nicht nur beim Verwaltungsaufbau und bei der Stellenausstattung der einzelnen Bundesressorts ansetzen sollten; vielmehr hat die gleiche Sparsamkeit beim Verwaltungsaufbau der deutschen Bundeswehr obzuwalten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Zwei Dinge sind hier zu unterscheiden: auf der einen Seite das notwendige Maß an Sicherheit, das wir hundertprozentig bejahen, das erreicht werden muß, auf der anderen Seite die Kosten, die damit verbunden sind. Hier ist vor allem die Frage zu stellen, was für uns wichtiger ist: eine effektive Abwehrkraft aufzubauen oder einen Verwaltungsapparat von solchen Ausmaßen, daß er keineswegs ein Vorteil für die Verteidigungsstärke der Bundeswehr zu sein braucht.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Angesichts einer Zahl von bereits 70 000 zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr sind, glaube ich, derartige Besorgnisse durchaus angebracht, und wir werden uns bei der Behandlung des Einzelplans 14 von niemandem in der Sorgfalt übertreffen lassen, die Dinge auf ihren Nutzen hin genau zu überprüfen. In einer ganzen Reihe von Fällen haben wir Einsparungen erzielen können, und wir hoffen sie auch im kommenden Jahre zu erzielen.
    Ich muß noch auf einen anderen Fall zu sprechen kommen, der meine Freunde bewegt hat und uns zu einer sehr dringenden Bitte an das Bundeskabinett veranlaßt. Ich meine die Finanzierung des von Frankreich aufgekauften Passagierschiffes „Pasteur", ein Musterbeispiel, wie wir es in der Zukunft nicht wieder zu erleben hoffen. Am Schluß der zweiten Legislaturperiode ist bei der Beratung des Verkehrshaushalts ein Beschluß des Bundestages zustande gekommen, wonach für Bundeszuschüsse für Passagierschiffe kein Leertitel ausgebracht wird. Trotzdem haben wir erleben müssen, daß Ressortmitglieder hier Bindungen eingegangen sind, die heute schwer oder nur unter sehr großem Schaden rückgängig gemacht werden können.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Wehner: Das schadet aber dem Minister nichts!)

    — Ich komme jetzt gleich darauf zu sprechen, Herr Kollege Wehner. Ich möchte hier ganz offen aussprechen, daß wir diesen Fall zum Anlaß nehmen werden, uns einmal genauestens schildern zu lassen, wie es überhaupt zum Eingehen derartiger Verpflichtungen kommen konnte, die eine glatte
    Desavouierung des Beschlusses dieses Hohen Hauses darstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Wir möchten auch hier mit allem Nachdruck erklären, daß wir hoffen, es habe sich hier um den letzten Fall dieser Art gehandelt.
    Es wirft auch kein gutes Licht auf die Disziplin der Ressorts, wenn wir auf der anderen Seite feststellen, daß neue Anforderungen von nicht weniger als 6,5 Milliarden DM an den Bundesfinanzminister gestellt worden sind.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich hätte gewünscht, daß sich die anderen Ressorts bei der auch ihnen bekannten Finanzlage des Bundes ein wenig aufgeschlossener gezeigt hätten, so daß nicht erst hier ein Abstrich bis auf 1,8 Milliarden DM einschließlich der Verteidigungsausgaben hätte vorgenommen werden müssen.
    Noch ein offenes Wort an den Herrn Bundesfinanzminister. Ich glaube nicht, daß die Art, wie der kleine Grenzverkehr gehandhabt wird, vor allen Dingen die Herabsetzung der zollfrei nach Deutschland eingeführten Mengen auf winzige Grammbeträge, dem Bundesfinanzminister heute einen wesentlichen finanziellen Vorteil einbringt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Die daraus resultierende Verärgerung nicht nur unserer Mitbürger, sondern vor allen Dingen der Ausländer, die erfreulicherweise in immer größerer Zahl zu uns kommen, wiegt schwerer als die Vorteile, die Sie daraus haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Ich möchte darum bitten, die bisherigen Maßnahmen zu überprüfen. Vielleicht könnte das, wenn man sich hier etwas großzügiger erwiese, auch der Ausgangspunkt dafür sein, das auch von Ihnen angeführte notwendige Heer von 35 000 Zoll- und Finanzbeamten ein wenig zu reduzieren.

    (Abg. Krammig: Was sagen die Geschäftsleute im Grenzbezirk dazu?)

    — Die Geschäftsleute im Grenzbezirk werden sich zunächst einmal darüber beschweren, aber ich glaube, daß die frühere Regelung großzügiger war, und sie hat sich auch jahrelang behaupten können, ohne daß ein wesentlicher Schaden angerichtet worden ist.

    (Abg. Krammig: Dann müssen wir das Zollgesetz ändern!)

    Lassen Sie mich noch einmal — ich bin zu Beginn meiner Darlegungen schon darauf zu sprechen gekommen — eines ganz offen aussprechen. Wenn ich an all das denke, was in den nächsten Jahren unvermeidlich noch auf uns zukommen wird, so kann ich mich einer gewissen Besorgnis nicht erwehren. Unbestreitbar werden wir nach dem, was wir aus den Zeitungen entnehmen können und was die bisherigen Verhandlungen schon ergeben haben, auch mit einer Verkürzung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 45 Stunden rechnen müssen. Das wird generell eine ganz erhebliche Steigerung der



    Dr. Vogel
    Verwaltungskosten mit sich bringen. Die Verwaltungskosten bei Bund und Ländern betragen schon über 16 Milliarden und sind gegenüber dem Vorjahr um rund l'/2 Milliarden gestiegen. Ich weiß nicht, ob dieser Prozeß auf die Dauer weitergeführt werden kann, ohne daß letzten Endes der Haushaltsausgleich vor allem bei den Ländern beeinträchtigt wird. Ich sehe es vor allen Dingen einmal unter diesem Gesichtspunkt; ich glaube, die Frage ist ernst genug, daß wir sie aufmerksam betrachten.
    Ich habe bereits angedeutet, daß wir nur mit einer sehr, sehr verkürzten Behandlung der einzelnen Haushalte überhaupt das Ziel schaffen können, das wir alle hier im Hohen Hause uns gesteckt haben: den Haushalt noch bis zu den großen Ferien zu verabschieden. Das wird allerdings nicht nur an die Gesundheit der Mitglieder des Haushaltsausschusses, sondern darüber hinaus auch an die Disziplin aller Fraktionen des Hohen Hauses gewisse Anforderungen stellen. Ich habe daher die dringende Bitte, daß man uns in dieser Arbeit nicht hindert, sondern sie fördert; denn wenn wir im Haushaltsausschuß nicht rechtzeitig zu Rande kommen, wird auch ein sehr vitales, menschliches Interesse des Hohen Hauses berührt; die Ferien können dann nämlich nicht so zeitig anfangen, wie wir uns das eigentlich vorgenommen haben.
    Wir werden trotz der Kürze der Zeit auf eine Reihe von Problemen ein überdurchschnittliches Maß an Beratungszeit verwenden müssen, nicht nur auf den Verteidigungshaushalt, von dem wir bereits gesprochen haben, sondern genauso auf das Problem des Straßenbaues und auch auf die Förderung von Forschung, Wissenschaft und Nachwuchsfragen. Das werden wohl die Kernprobleme sein.
    Wir sind der Überzeugung, daß wir keine Ursache haben, uns in irgendeiner Weise von Depressionshypnosen beeinflussen zu lassen. Wir glauben, daß der Bundesfinanzminister und das Bundeskabinett immer noch hinreichende Möglichkeiten in ihrer Hand haben, falls tatsächlich der Einsatz von staatlichen Mitteln zur Steigerung der Konjunktur notwendig sein sollte. Bis jetzt ist das unserer Überzeugung nach nicht nötig. Kein Volk kann sich auf die Dauer Jahre hindurch in einer Boomstimmung halten. Wir haben in den vergangenen Jahren gewisse Folgeerscheinungen zu beklagen gehabt. Es gibt auch heute leider noch Menschen, die glauben, die Produktivität müsse alle Jahre um 15 % steigen, und wenn der Satz darunter sinke, müsse man Alarmrufe ausstoßen.
    Wir sind keinesfalls dieser Überzeugung. Wir möchten vielmehr den Appell wiederholen — auch der Bundesfinanzminister hat ihn in einem Nebensatz anklingen lassen —, den wir auch in den vergangenen Jahren an unsere Freunde und an das Hohe Haus gerichtet haben. Wir haben auf unsere Fahne von jeher die Parole geschrieben: Maßhalten in allen Dingen!

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn wir in der Ausgabenwirtschaft das Notwendige für die Verteidigung, für die innere Stabilität
    und für die soziale Sicherheit des deutschen Volkes tun, können wir all diese Probleme sehr wohl unter einen Hut bringen. In einem solchen Maßhalten können wir durchaus nicht nur zu dem kommen, was wir die Verteidigung des Lebensstandards des deutschen Volkes nennen, sondern darüber hinaus auch zur notwendigen Verteidigung der Freiheit dieses Volkes und damit auch der Freiheit der freien Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)