Rede:
ID0301921500

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Inhalt: Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958 (Drucksache 277); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 292) 917 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); 917 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) . . . 917 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . • 917 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 929 D, 944 D Wehner (SPD) 930 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 945 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 947 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 959 C Frau Wessel (SPD) 964 D Lemmer, Bundesminister 976 A Dr. Kliesing (CDU/CSU) (§ 36 GO) 979 D Erler (SPD) (§ 36 GO) . . . . . . 980 C Dr. von Merkatz (DP) 981 A Döring (Düsseldorf) (FDP) 988 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . . . . 996 C Strauß, Bundesminister 1003 C Nächste Sitzung 1012 C Anlagen • 1013 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958 917 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr. Atzenroth 21. 3. Dr. Baade 21. 3. Bazille 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 21. 3. Conrad 18. 4. Cramer 21. 3. Euler 21. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21. 3. Dr. Furler 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Geiger (München)* 21. 3. Gottesleben 8. 4. Graaff 22. 3. Dr. Greve 22. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 4. Frau Dr. Hubert 12. 4. Illerhaus* 21. 3. Jahn (Frankfurt) 29. 3. Jürgensen 31. 3. Frau Kipp-Kaule 29. 3. Dr. Kopf* 21. 3. Kroll 21. 3. Kunst 21. 3. Kunze 15. 5. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg* 29. 3. Lücker (München)* 21, 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mauk 21. 3. Mellies 25. 4. Müller (Worms) 22. 3. Neumann 12. 4. Dr. Oesterle° 21. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pütz 22. 3. Rademacher 21. 3. Ramms 31. 3. Scheel* 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 22. 3. Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Struve 22. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 21. 3. Walter 21. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. b) Urlaubsanträge Diel (Horressen) 19. 4. Anlage 2 Drucksache 292 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) (Drucksache 277) Berichterstatter: Abgeordneter Pernoll Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 19. März 1958 mit dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) - Drucksache 277 - befaßt. Nach längerer Aussprache hat der Ausschuß einstimmig der Verordnung mit den aus der Anlage sich ergebenden Änderungen zugestimmt. Bonn, den 19. März 1958 Pernoll Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Nach dem, was Kollege Reinhold Maier über mich und meine Rede an Äußerungen getan hat, konnte ich auch anders reagieren. Aber ich glaube, es zeugt von Großmütigkeit, wenn ich so reagiere, wie ich es getan habe.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aber er machte solche Ausführungen, und der Kollege Döring hat es in strafferem Stil wiederholt — jeder nach seiner Mentalität —:

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    „Wer so spricht, schießt auch", „Rede von Krieg und Kriegsgeschrei", „Es geht um Diplomatie und nicht um Kriegführung" und „Wir haben den Reichskriegsminister gehört" usw.
    Ich möchte den Kollegen Maier nicht ernster nehmen, als er es bei der Wahl der Formulierungen in seiner Rede offenbar selbst getan hat.

    (Heiterkeit.)

    Eines aber soll er hier wissen von dem für die Bundeswehr in Frieden nach den Bestimmungen des Grundgesetzes beschränkt verantwortlichen Minister: Die Bundeswehr ist ein Bestandteil, in ihren kampffähigen Einheiten das Glied eines großen, über die Vorstellungswelt des 19. Jahrhunderts weit hinausgehenden Verteidigungssystems, um Frieden und Freiheit zu verteidigen. Die Tatsache, daß Sie, Herr Kollege Maier, eine neu durchdachte gemeinsame Deutschlandpolitik gestern hier in Freiheit als das Gebot der Stunde vortragen konnten, verdanken Sie nicht einer persönlich abschreckenden Wirkung, die bei Ihren persönlichen Charme gar nicht möglich wäre,

    (Heiterkeit)

    sondern der Bereitschaft anderer zur Verteidigung der Freiheit, auch der Freiheit, daß in diesem Parlament frei gesprochen werden kann.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    Wer sich dafür einsetzt, sollte nicht diffamiert werden; denn ich erfülle hier nur meine Pflicht.
    Im übrigen: warum fordert Kollege Mende eigentlich eine moderne Ausrüstung der Bundeswehr? Zur Verteidigung oder zum Ausreißen? Diese Frage haben Sie gestern so gestellt. Heute ist ein Verteidigungsminister — das meine ich sehr ernst — ein Friedensminister, der zu seinem Teil dafür sorgen muß, daß nicht geschossen wird.

    (Beifall bei CDU/CSU und DP. — Zuruf des Abg. Dr. Mommer.)

    Er ist kein „Reichskriegsminister", wie Ihr etwas überholtes Weltbild es sich vorstellt.

    (Heiterkeit.)

    Im übrigen, Herr Kollege Maier — und ich sage das für die vorbereitende Arbeit zu Ihren zukünftigen Reden —, ist dieser Ausdruck eine stereotype Propagandaformel der kommunistischen Propadanda seit Jahren.

    (Erneuter Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Bucher meldet sich zu einer Zwischenfrage.)




    Bundesverteidigungsminister Strauß
    — Ich bitte nicht bei der Redezeit, im Interesse des Hauses! Sie wissen, ich bin sehr diskussionsfreudig. Ich habe noch nie auf eine Frage eine Antwort verweigert. Ich war heute sehr betroffen darüber, daß die SPD in völliger Umkehrung ihrer Maßstäbe ihre Kollegin Wessel bei der Ablehnung von Fragen unterstützt hat, nachdem man mir gestern 20 oder 30 Fragen gestellt hat, die ich ohne jede Einschränkung beantwortet habe.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von der Mitte: Die wußte, daß sie den Fragen nicht gewachsen ist!)

    — Aber die Imitation dieser Formel oder ihr Nachplappern steht dem schlecht an, der, wenn auch aus noch so guten Motiven, sich zu einem Herold einer gemeinsamen Außenpolitik der demokratischen Parteien in der Bundesrepublik machen will. Aber ich habe Ihr Wort richtig verstanden; das hieß: „Mir ist von alledem so dumm, als ging ein Mühlrad mir im Kopf herum." Darum gebe ich Ihnen ein mögliches Rezept für spätere Erkenntnisse; das stammt aus der gleichen Ecke und heißt: „Schaffe, schaffe! Raffe, raffe! O Katz, laß sause! Selber mause!"

    (Abg. Ritzel: Und Sie reden solchen Unsinn hier, Herr Minister! — Gegenruf von der CDU/CSU: Wie man in den Wald ruft, schallt es heraus! — Weitere Zurufe und Gegenrufe.)

    — Herr Kollege Ritzel, ich werde nicht mehr auf Zwischenrufe eingehen; aber das will ich sagen: was in diesem Hause Unsinn war oder nicht Unsinn war, werden eines Tages staunende Leser der Protokolle, wenn sie noch vorhanden sein sollten, feststellen, und ich weiß da nicht, wo der Unsinn mit dem größeren Prozentsatz verteilt ist.

    (Abg. Ritzel: Bei dem Ernst des Themas, um das es sich hier handelt!)

    Der Kollege Erler hat gestern seine Rede mit einer Gefühlserinnerung eingeleitet. Er sprach vom Sportpalast. Nun, ich habe mich davon persönlich nicht betroffen gefühlt; denn dann hätte sich das ganze Parlament betroffen fühlen müssen, und ich hoffe, daß sich keine Fraktion mit dem Publikum vergleichen will, das im Sportpalast eingeladen war.

    (Zuruf von der SPD: Anscheinend doch!)

    — „Anscheinend doch?" Das würde aber die Sache wesentlich ernster machen und nicht zu Ihren Gunsten ändern! Es mag sein, daß es beim Kollegen Erler so eine spontane Reaktion war.
    Ich will jetzt auf etwas zu sprechen kommen, was ich in diesen Tagen in einer Veröffentlichung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung
    - Nachrichtenzentrale — vom 20. März 1958 gelesen habe; sie ist ja jedem Mitglied des Hauses zugänglich. In dieser Veröffentlichung unter der Überschrift „Matern über kommunistische Machtpolitik" — es ist natürlich eine ostzonale Meldung — heißt es, auf einer „Zusammenkunft sozialdemokratischer Funktionäre, Betriebsräte und Vertrauensleute aus allen Ländern der Bundesrepublik mit führenden Funktionären der SED und des
    FDGB" habe nach einem — ich sage ausdrücklich die Quelle — im „Neuen Deutschland"

    (Zurufe von der SPD)

    veröffentlichten Protokollauszug Hermann Matern folgendes erklärt. — Ich weiß, daß Sie (zur SPD) jeden aus Ihren Reihen ausgeschlossen haben, der solche Tagungen besucht.

    (Abg. Wehner: Was soll denn das? — Erregte weitere Zurufe von der SPD.)

    — lch sage Ihnen genau, was ich damit meine.

    (Anhaltende Zurufe links. — Große Unruhe. — Zuruf links: Diffamierung!)

    — Ich sage Ihnen genau, was ich damit meine, und man muß in diesem Hause — —

    (Fortgesetzte Zurufe von der SPD. — Anhaltende Unruhe.)

    Man muß in diesem Hause seine Meinung sagen dürfen, ohne terrorisiert zu werden, wie es hier geschieht.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf links: Wir sind keine Kommunisten! — Weitere Zurufe links und Gegenrufe von der Mitte.)

    — ich habe, um jedes Mißverständnis auszuschalten, erklärt, daß mir wohlbekannt ist, daß Sie jedes Ihnen bekannte Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, das an solchen Tagungen teilnimmt, aus den Reihen Ihrer Partei ausgeschlossen haben;

    (Zuruf von der SPD: Warum zitieren Sie es dann? — Weitere Zurufe links)

    aber ich kann ja nicht. zwei Sätze auf einmal sagen, oder ich müßte so schnell reden wie Sie, Herr Mommer.
    Es heißt hier, Herr Matern habe erklärt:
    Es geht doch um die Macht, und die Macht ist keine Kleinigkeit, versteht Ihr? . . . Da wären wir doch rückständige Menschen, wenn wir zulassen würden, die Macht mit dem Stimmzettel zu verlieren. ... Und wenn wir einmal gemeinsam die Macht erobert haben, sollen wir dann vielleicht erlauben, daß uns die Bourgeoisie und ihre Parteien mit dem Stimmzettel die Macht wieder wegnehmen könnten? . . . Das Wichtigste ist die Macht. . . . Wir sind halt keine Pazifisten. ... Ästhetik und Ethik — alles schön und gut, aber wißt Ihr, das Wichtigste ist die Macht... .
    Er sagte: Was für die wirkliche demokratische Wiedervereinigung Deutschlands notwendig sei, das wüßten sie am besten.
    ... Es kommt doch darauf an, ganz Deutschland der Arbeiterklasse zu unterstellen.
    Sehen Sie, Herr Kollege Erler, das war eine Sportpalastversammlung, dort ist in der Weise reagiert worden, dort hat einer vorn Schlage Goebbels gesprochen, und dort ist der totale Krieg gegen die Freiheit erklärt worden!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesverteidigungsminister Strauß
    Ich maße mir nicht an, zu behaupten, daß die Verteidigung der Freiheit innerhalb der demokratischen Kräfte ein Privileg oder ein Monopol der CDU sei. Gerade weil wir wissen, daß die Verteidigung der Freiheit den Einsatz aller politischen Kräfte der Demokratie erfordert, haben wir große Erwartungen und Hoffnungen, daß Sie so wie zu Schumachers Zeiten auch heute in einer wesentlich konfuseren Situation gemeinsam Schulter an Schulter mit uns das tun, damit Klarheit und Wahrheit geschaffen werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Nicht für Atomsprengkörper! — Abg. Eschmann: Herr Strauß, bei der Atomrüstung ist die Grenze!)

    Der Herr Kollege Erler hat gesagt, die Strategie diktiere leider die Politik. Kollege Erler, das ist eine alte Auseinandersetzung zwischen uns. Man kann sie von dem Podium hier aus Mangel an Zeit schwer führen. Aber es gibt keine Politik ohne Strategie, und Strategie besteht nicht aus militärischen Erwägungen. Strategie ist ein Teil der Politik. Das wissen diejenigen, die uns um unsere Freiheit bringen wollen, sehr genau, und wenden die verschiedenen Möglichkeiten dieses Mittels an. Darum unterstellen Sie uns nicht, daß wir von militärischen Erwägungen ausgehen ! Militärische Erwägungen spielen in der Gesamtkonzeption der Bundesregierung nur die Rolle, die ihnen in dem Gesamtbau der Politik zukommt. Es gibt aber auch keine Sicherheitspolitik ohne militärische Erwägungen. Wir sind genausowenig Militaristen wie Sie, aber wahrscheinlich größere Realisten in diesem Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist der irreführende Ausdruck vom „Atomwettrüsten" gebraucht worden. Es handelt sich nicht um Atomwettrüsten. Die Zahl der Atomsprengkörper wird durch die Empfehlungen der NATO in keiner Weise vermehrt. Es dreht sich nicht darum, die Produktion von Atomwaffen auszudehnen, sondern nachdem leider die Atomabrüstung vor einigen Jahren gescheitert ist — auch darüber wäre einiges zu sagen —, dreht es sich darum, die abschreckende, die kriegsverhindernde Wirkung der Atomwaffen für große und für kleinere Kriege in den Dienst der Politik zu stellen, und um nichts anderes. Sie wissen genau, was ich damit meine, und Sie wissen genau, wie richtig der Artikel ist, den in der letzten Nummer der Zeitschrift „Außenpolitik" der Ihren Vorstellungen sicherlich nicht entfernt stehende und, ich glaube, auch sich Ihres Wohlwollens erfreuende, wenn auch nicht in Ihren Reihen stehende ehemalige General von SengerEtterlin geschrieben hat; eine höchst interessante Studie, die genau das rechtfertigt, was wir vorhaben, und die beweist, daß die Abhängigkeit von der großen strategischen Nuklearwaffe nicht dazu ausreicht, den Krieg zu verhindern, oder das Risiko so eng auf des Messers Schneide konzentriert — wie Sie es leider planen und vorhaben —, daß diese Verantwortung kein Mensch tragen kann.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es geht nicht nur darum, den großen nuklearen
    Krieg zu verhindern, da irgendein begrenzter Krieg,
    im deutschen Maßstab gesehen, genauso das Ende unserer Nation bedeuten könnte wie ein globaler Weltkrieg.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sind mir die Antwort auf die Frage schuldig geblieben. Sie sagten, wir sollten doch an Norwegen und Dänemark denken. Nun, ich darf Herrn Döring freundlichst etwas korrigieren. Es war nicht der norwegische Ministerpräsident, es war der norwegische Verteidigungsminister. Es handelte sich — das darf ich wohl sagen — um die Darstellung eines führenden sozialistischen Wehrexperten eines skandinavischen Landes, das für seinen Pazifismus — ich sage es im guten Sinne des Wortes —, für seine geschichtliche Friedensliebe ja bekannt ist. Und er hat nicht zum Ausdruck gebracht, daß er gegen die Einbeziehung Norwegens in die taktische Atomaufrüstung sei. Die norwegische Politik — so muß es jedermann lesen, es steht ja schwarz auf weiß da — ist deshalb, obwohl die Norweger an Zweizweckewaffen interessiert sind, obwohl sie die Beschaffung von Zweizweckewaffen vorhaben, „Honest John", „Little John" und ähnliche, im Augenblick nicht bereit, das amerikanische Angebot anzunehmen, weil die Amerikaner den Norwegern nicht die Verfügungsgewalt über die Atomwaffen geben. Wir denken in vielen Dingen hier viel ähnlicher oder viel gleicher wie Sie, als in dieser Debatte hier zutage trat. Wir wünschen keine Ausdehnung der Atomwaffenproduktion, weil wir genau wie Sie wissen, daß das Problem der Kontrolle um so unlösbarer wird, je mehr nationale Sonderinstanzen dann in dem großen Felde der Weltpolitik über den Einsatz der Atomwaffen im Alleingang entscheiden können.

    (Abg. Erler: Beantworten Sie uns doch einmal die Frage nach dem Inhalt der deutschfranzösisch-italienischen Abkommen!)

    Aus diesem Grunde können Sie uns nicht Norwegen entgegenhalten; wir lehnen in diesem Punkte die Haltung Norwegens ab, und wir sind völlig damit einverstanden, daß diese Waffen — wenn dieser schwere Schritt getan werden muß — nicht einer nationalen Regierung für ihre arbiträre Entscheidung zur Verfügung stehen, sondern als das kriegsverhindernde Instrument nur der Gesamtheit des Bündnisses, sei es für den ganzen Bereich, sei es für einen Teil des Bereichs, aber in der Gesamtentscheidung der Bündnispartner, zur Verfügung stehen.
    Sie sagten, Herr Kollege Erler, die Bedingungen der Sowjetunion seien von Jahr zu Jahr härter geworden. Herr Kollege Erler, das stimmt nicht! Die sind nicht von Jahr zu Jahr härter geworden; das ist weitgehend eine wunschgemäß vorgenommene Interpretation der sowjetischen Noten, TASS-Erklärungen und ähnlicher Dinge.

    (Abg. Kiesinger: Sehr richtig!)

    Die sowjetische Haltung in der Deutschlandfrage hat sich seit der Zeit um das Kriegsende herum de facto nicht geändert;

    (Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU)

    wohl in den Modalitäten, aber de facto, in den Grundlagen nicht geändert.



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    Ich darf auch hier den Kollegen Döring etwas berichtigen. Es sind keine Reminiszenzen. Reminiszenzen — ich möchte es jetzt nicht von der ironischen Seite nehmen — sind persönliche Erinnerungen. Darum ist das Wort „Reminiszenzen" ein sprachlich falscher Ausdruck, wenn man sich um das Studium der Dokumente von Jalta und Potsdam usw. bemüht. Das nur zum nächsten Gebrauch, falls Sie wieder einmal sprechen sollten und das Haus erfreuen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Es ist natürlich auch nicht möglich, hier die ganzen Dokumente von Jalta vorzulesen, geschweige denn von den anderen Konferenzen noch dazu, weil eine solche Debatte, glaube ich, Monate in Anspruch nehmen würde. Es ging mir auch nicht darum, hier Kritik und Zensuren zu verteilen. Aber vor einem bin ich erschrocken, Herr Kollege Döring, vor dem Ressentiment — um kein schärferes Wort zu gebrauchen —, mit dem Sie die Haltung der westlichen Staatsmänner bei der Konferenz von Jalta gestreift haben.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich habe hier nicht das Recht, den amerikanischen Präsidenten der Jahre 1933-1945 zu kritisieren und herunterzumachen. Daß er von einer tragischen Unkenntnis der europäischen Zusammenhänge, von einer tragischen Unkenntnis der wirklichen Ziele der sowjetischen Politik erfüllt war, von einer blinden, naiven Gutgläubigkeit in die Friedensliebe Stalins und in die Pazifizierbarkeit des Weltbolschewismus — das ist einer der großen Fehler. Aber diesen Fehler kann man nicht mit verbrecherischer Haltung gleichsetzen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Das sind zwei ganz verschiedene Dinge.

    (Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Majonica: Zumal Herr Döring dieselben Fehler macht!)

    Und Churchill war einer der ersten, Gott sei dank — wie mein Vorredner ausgeführt hat —, der für „Gnade den Besiegten!" gebeten hat und der bahnbrechend gerade bei unseren ehemaligen Kriegsgegnern in Europa war, um eine gerechte Behandlung des deutschen Volkes zu ermöglichen. Darum ist diese Parität: „Hie Roosevelt-Churchill, hie Stalin" absolut unangebracht;

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und und sollte sie für die Vergangenheit angebracht sein, dann wären wir den Russen auf den Knien dankbar, wenn sie die Haltung der Engländer und Amerikaner schon in den ersten Nachkriegsjahren jetzt wenigstens, zwölf Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation, sich zu eigen machen würden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Wort von der Teilung Deutschlands ist im Dezember 1941 von Stalin offensichtlich zum erstenmal beim Besuch Edens in Moskau in die politischen Gespräche gebracht worden. Bis dahin Teilung Deutschlands. Als die Sowjets wußten, daß sie die Gebiete jenseits der Oder und Neiße einschließlich des Ostteils von Ostpreußen sicher in ihrer Hand hatten, als sie wußten — was sie bei Teheran und Jalta noch nicht ganz sicher wußten —, wie günstig die Demarkationslinie wegen des amerikanischen Wartens an der Elbe für sie verlaufen würde, sprachen sie nicht mehr, oder schon bald nicht mehr, von Teilung, sondern von der Einheit Deutschlands. Aber die Einheit Deutschlands war immer und immer an eine Forderung gebunden — das ist dieses Junktim —, an die Forderung: Wir sind für die wirtschaftliche und politische Einheit Deutschlands, wenn unsere Reparationsbedingungen erfüllt und wenn wir an der Kontrolle über die Ruhr, d. h. an der Herrschaft über Deutschland, über ganz Deutschland, de facto beteiligt werden. Und wo die Sowjets einmal gesessen hätten — siehe ihre Ansprüche im Mittelmeer, an der Kontrolle über Libyen oder über Japan, wo sie abgewehrt worden sind —, wären sie nicht mehr herauszubringen gewesen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Darum, glaube ich, können wir den Westmächten — bei allem, was man auch an bitteren Worten gebrauchen mag — dafür dankbar sein, daß sie den bitteren Weg der staatlichen Einigung von drei Besatzungszonen einer russischen Einflußnahme auf ganz Deutschland vorgezogen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn Kollege Döring „Souveränitätsdenken der Bundesrepublik" erwähnt — er hat vielleicht die früheren Debatten nicht so in Erinnerung wie wir —: Natürlich ist die Bundesrepublik ein souveräner Staat. Natürlich ist sie hinsichtlich ihrer Rechte und hinsichtlich der Pflichten der Bürger ein Definitivum. Aber ich habe den Standpunkt hier, von diesem Platze aus, schon öfter vertreten: hinsichtlich 'der Rechte des Staates und der Pflichterfüllung der Bürger nur zu dem Zweck, damit durch unsere politische gemeinsame Arbeit aus dem Definitivum dann das Provisorium in der nachträglichen Betrachtung zustande kommt.

    (Abg. Döring [Düsseldorf]:: Sie wissen genau, was ich gemeint habe!)

    — Ich weiß genau, was Sie gemeint haben; ich wollte es nur klarstellen, um jeden falschen Zungenschlag auch Ihnen zu ersparen.

    (Abg. Döring [Düsseldorf]: Darin sind wir vielleicht sogar einer Meinung, hoffentlich!)

    Herr Kollege Erler sagte, die sowjetischen Bedingungen seien von Jahr zu Jahr härter geworden. Sie sind nicht härter geworden, wie ich in einer grundsätzlichen Ausführung bemerke. Aber, meine Damen und Herren, mich wundert, daß in diesem Notenkrieg, der im Bundestag seine Verlängerung gefunden hat, erstens eigentlich nie erwähnt worden ist, daß die Note vom März 1952 überhaupt nicht an unsere Adresse gerichtet war und daß wir damals noch drei Jahre hin hatten, bis wir überhaupt völkerrechtlich im vollen Sinne des Wortes handlungsfähig hätten werden können. Zweitens wundert mich, warum man in diesem Zusammenhang nie erwähnt hat, daß sich die Sowjetnote vom



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    10. März 1952 genau an eine Erklärung der sogen annten Regierung der sogenannten DDR anschließt. Wir waren heute tief betroffen, daß die Kollegin Wessel von der DDR gesprochen hat. Es gibt keine Deutsche Demokratische Republik als eine legitimierte Vertretung eines Teils des deutschen Volkes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Damals sagte diese Note, die Erklärung der DDR,

    (Zurufe)

    — der sogenannten DDR,

    (Heiterkeit)

    ein Friedensvertrag sei nötig, urn einen einheitlichen, unabhängigen, demokratischen und friedliebenden deutschen Staat zu schaffen.
    Am 20. Februar 1952, also sieben Tage nach der Erklärung der sogenannten DDR-Regierung hat die Sowjetregierung der Regierung der „DDR" — darf ich es hier der Abkürzung halber sagen —,

    (Zurufe von der SPD: Aha! — Heiterkeit)

    mitgeteilt — ich muß es jetzt mehrfach gebrauchen, vorher ist es nur einmal gebraucht worden, bis jetzt ist es in Anführungszeichen —: Die Sowjetregierung teilt die Auffassung der DDR. Die entsprechende Stelle in der Sowjetnote lautet bis auf das Komma genauso wie die Erklärung der sogenannten DDR vom Februar, also vom vorhergehenden Monat desselben Jahres, und diese Formulierungen gehen stereotyp durch alle sowjetischen offiziellen und offiziösen Verlautbarungen. Wir sollten uns — leider! — einmal mit dem traurigen Tatbestand abfinden, daß im bolschewistischen Sprachgebrauch die Worte „einheitlich", „unabhängig", „demokratisch" und „friedliebend" etwas ganz anderes, um es klar zu sagen, das Gegenteil von dem bedeuten, was wir darunter verstehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — — Zurufe von der SPD.)

    Die Zeitung der jugoslawischen Volksarmee ist sicherlich ein Organ, das man nicht gerade, sagen wir, als vom Bundespresse- und Informationsamt beeinflußt hinstellen kann.

    (Heiterkeit.)

    Die Zeitung der jugoslawischen Volksarmee „Narodna Armia" hat der sowjetischen Note bezüglich eines deutschen Friedensvertrages, der sowjetischen Note vom 10. März 1952, einen Kommentar gewidmet, den Radio Belgrad bereits am 12. März veröffentlicht hat. Dort heißt es — ich zitiere wörtlich —:
    Unter der Berücksichtigung der zahlreichen Täuschungsmanöver der Sowjetunion fiber deutsche Angelegenheiten kann die neuerliche Note der Sowjetunion an die Regierungen der Westmächte nur als ein neuer Versuchsballon in derselben Angelegenheit gewertet werden. Diese Note verfolgt das Ziel, Deutschland aus dem Lager der Westmächte herauszulocken,
    damit es dann leichter ein Opter der sowjetischen Hegemonie werden kann.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Die Sowjetunion könnte den Beweis für ihre ehrliche Absichten mit Deutschland am besten damit erbringen, daß sie bezüglich der deutschen Frage mit der UNO zusammenarbeitet und der UN-Kommision die Reise nach Ostdeutschland ermöglicht.
    So das Organ der kommunistischen Volksarmee Jugoslawiens in der Wertung der Note. Und hier treten Herr Dehler, Herr Heinemann und leider, mutatis mutandis, auch Herr Kollege Wehner und die Kollegin Wessel auf und werten diese sowjetische Note als ein echtes Angebot, das man in seiner Tiefe hätte ergründen müssen.

    (Lebhafte Rufe von den Regierungsparteien: Hört! Hört! — Abg. Wehner: Schießen Sie doch, wenn Sie nichts anderes wissen!)

    — Herr Kollege Wehner, das ist eine ebenso unsachliche wie unfaire Antwort.

    (Abg. Wehner: Nein, was Sie gesagt haben, war unfair! Das ist nur die Konsequenz! Ich habe gesagt, es müßte verhandelt werden! Es ging gar nicht uni die Annahme! Jetzt verdrehen Sie das am Schluß des Tages! Weiterer Zuruf von der SPD: Sie wollen doch schießen! — Glocke des Präsidenten.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Einen Augengenblick, Herr Minister! — Ich habe den Zuruf gehört „Sie wollen doch schießen". Wer hat das gesagt?

(Ein Abgeordneter der SPD meldet sich.)

— Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, ich kenne Ihren Namen im Augenblick nicht.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich muß Sie zur Ordnung rufen, Herr Abgeordneter Corterier.

(Zuruf von der Mitte: Das ist der zweite!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Lassen Sie mich noch eines sagen: Wenn man hier in diesem Hause die Stimme der Armeezeitung eines kommunistischen Staates zur Wertung der Sowjetnote nicht mehr zitieren und in Gegensatz zu der Wertung stellen darf, wie sie hier von einigen Mitgliedern des Bundestages vorgenommen worden ist, dann ist die Redefreiheit auch in diesem Bundestag schon nicht mehr gegeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    — Sie brauchen sich darüber nicht zu erregen. Aber wenn man solche Vergleiche, wenn man solche Erläuterungen nur geben kann in der ständigen Erwartung, als „Kriegsverbrecher" diffamiert oder als „Kriegshetzer" im Sowjetjargon heruntergerissen



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    zu werden, dann ist es bedauerlich weit gekommen in diesem Bundestag.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Mich wundert, daß noch niemand, wie ich vorhin sagte, die Abschlußnote der sowjetischen Regierung in dem Notenkrieg von 1952, auch an die drei Westmächte gerichtet, zitiert hat. Oder ist das geschehen?

    (Abg. Kiesinger: Ja!)

    — Ich meine die Note vom 23. August 1952, (Abg. Kiesinger: Ausführlich!)

    in der in einem Passus ganz genau geschildert ist, was die Sowjetunion als minimale Voraussetzung für die Einheit Deutschlands fordert, nämlich — ich möchte Sie nicht mit Einzelheiten aufhalten — die Bolschewisierung und nichts anderes.
    Kollege Erler hat, ebenso wie andere Redner, davon gesprochen, daß der Bundeskanzler ein sehr lobenswertes Verhalten an den Tag gelegt habe, als er im Jahre 1954 in einer Erklärung in London auf die Produktion von ABC-Waffen verzichtet habe und dann sogar in einer wahrscheinlich nur verbal irrtümlichen Ausdehnung der Londoner Verzichterklärung die Erklärung auch hier im Bundestag abgegeben habe. Der Kollege Erler hat das als eine erfreuliche Vorwegleistung bezeichnet.

    (Abg. Erler: Nein, der Bundeskanzler hat das so bezeichnet!)

    — Der Bundeskanzler? Dann ist es ja noch schöner.

    (Bundeskanzler Dr. Adenauer [zur SPD] : Sie waren doch damit einverstanden! — Abg. Erler: Ich halte es gar nicht für eine Vorleistung, sondern für eine Selbstverständlichkeit!)

    — Es war eine Selbstverständlichkeit gegenüber den Westmächten, jedes, aber auch jedes Rüstungsziel zu vermeiden, das von neuem den Verdacht hätte wecken können, daß die Bundesrepublik ihre Aufrüstung für einen anderen Zweck betreibt als ausschließlich für die Erhaltung der gemeinsamen Freiheit, der gemeinsamen Sicherheit und des gemeinsamen Friedens.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es war eine Vorleistung an die Sowjets. Aber was ist in den Jahren 1955, 1956, 1957, 1958 erfolgt? Es ist gar nichts erfolgt. Man hätte doch immerhin von sowjetischer Seite aus das Thema einmal aufgreifen sollen. Das bestärkt uns doch, genauso wie Ihr Ost-Pressedienst geschrieben hat, in der Überzeugung, daß Vorwegleistungen von den Sowjets als ein Gratisgeschenk gewertet werden, das als selbstverständlich genommen wird und von dem aus dann erst die weiteren Forderungen gestellt werden.
    Das ist bisher die ganze Linie der Sowjets gewesen. Wann haben wir in diesem Hause begonnen, über Aufrüstung zu sprechen? Im Jahre 1952!

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: 1950!)

    — In diesem Hause 1952.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Vorher war es geheim auf dem Petersberg!)

    — Wann haben die Gespräche auf dem Petersberg begonnen? Sie haben im Jahre 1950 begonnen. Wann ist die erste deutsche Einheit aufgestellt worden? Im Januar 1956 eine Lehrkompanie in Andernach. Vom Jahre 1946 an haben die Sowjets die Remilitarisierung auf dem Polizeiwege und von 1950 an auf dem Armeewege konsequent und systematisch betrieben. Man hat die Waffenlosigkeit der drei westlichen Besatzungszonen vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1956 auch nicht eine Sekunde für den Zweck zu benutzen gewagt, eine brauchbare Lösung für die deutsche Einheit anzubieten,

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ob Sie es mir glauben oder nicht, ist bei dem giftigen Ton, in dem hier zum Teil Zwischenrufe gemacht werden, beinahe gleichgültig. Ich möchte Brief und Siegel dafür geben, daß es heute noch keine einzige deutsche Kompanie, noch keinen einzigen deutschen Soldaten gäbe, wenn die Sowjetunion auf der Basis einer ehrlichen Viermächtekontrolle, einer Lebensmöglichkeit für ganz Deutschland und einer Wiedereingliederung Deutschlands in die Völkergemeinschaft der UNO ihre Nachkriegspolitik gestaltet hätte, statt von vornherein die Herrschaft und die Ausdehnung ihres Machtbereichs über ganz Deutschland und über Europa anzustreben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)

    Ich weiß, die Dinge lassen sich nicht mehr umkehren. Aber wenn ich vorhin gesagt habe: ob Sie es mir glauben oder nicht, wollte ich eine persönliche Bemerkung machen. Ich wäre dankbar dafür, wenn wir mit der Aufrüstung aufhören könnten, wenn wir uns auf ein Minimum international festgesetzter Streitkräfte beschränken könnten und wenn wir, einmal ins Utopische gehend, überhaupt zum Zustand der Entwaffnung und zu einer Polizeiorganisation übergehen, wenn wir das Tor des Verteidigungsministeriums schließen und den Schlüssel im Bundeskanzleramt abliefern könnten. Das wäre ein wunderbarer Zustand.

    (Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch einmal dazu! — Abg. Erler: Dürfen sie dann auch im Bundeskanzleramt eingeschlossen werden?)

    — Ich habe keinen zweiten Schlüssel, Herr Kollege Erler.

    (Heiterkeit.)

    Herr Kollege Erler sprach davon, daß mit dem Matador eine Pression ausgeübt werde. Nun, schon in frühen Stunden, als die Frage Matador noch kaum mir bekannt war, hat Kollege Erler in einem Interview oder in einer Presseerklärung auf die Frage, ob die Sozialdemokraten für Raketenwaffen seien, zur Antwort gegeben: Für Luftabwehr und kürzere Strecken, Matador selbstverständlich nicht. Ich glaube, ob wir Sie im September ersucht hätten, sich bis zum 3. April zu entscheiden, oder im über-



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    nächsten Bundestag, das Nein hätten wir sowieso gewußt.

    (Abg. Erler: Das ist doch kein Grund, es dem Parlament monatelang vorzuenthalten!)

    — Es ist doch nicht vorenthalten worden. (Abg. Erler: Aber ja!)

    — Das ist ja unwahr.
    Aber dann verwechselt der Kollege Erler — ich
    hoffe, es war nicht Absicht — Matador und Mittelstreckenraketen. Das sind zwei grundverschiedene Dinge.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Jedenfalls reicht Ihr Matador bis Warschau und bis Prag, und genau das wollen Sie ja!)

    — Ach, Sie meinen, er soll eher bis Leipzig und Dresden reichen?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD.)

    So kann man nicht diskutieren, Herr Kollege Schmidt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Will er auch gar nicht! — Abg. Schmidt [Hamburg]: Geben Sie selbst die Antwort, wo Sie mit dem Ding hinschießen wollen! — Abg. Dr. Kliesing: Überhaupt nicht! — Abg. Erler: Zur Parade am Bonner Bahnhof?)

    — Schießen? Erstens überhaupt nicht; zweitens, wenn wir angegriffen werden, auf militärische Ziele des Angreifers. Das steht wohl außerhalb jeder Diskussion. Oder glauben Sie, daß eine Entfernung von einigen hundert Kilometern für den Betroffenen anders ist als eine Entfernung von dreißig Kilometern? Darum geht es nicht.
    Aber ich darf nur der technischen Richtigstellung halber sagen: Der Typ, um den es sich handelt, kann vom vordersten Radargerät an mit der Wirkung einer schweren Luftmine 400 km transportiert werden.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Das ist schon wieder falsch, was Sie sagen! Tausend! Vierhundert km ist die lenkbare Strecke, weitere sechshundert km unlenkbare Strecke kommen hinzu!)

    — Kollege Erler sagte vorhin, man sollte keine Löcher in Wiesen bohren. Das ist genau das, was Sie jetzt vorschlagen: Geschosse nur unter der Ausnutzung ihrer maximalen Reichweite in die Landschaft zu schießen.
    Kollege Erler ist einer Antwort aus dem Wege gegangen.

    (Abg. Erler: Wenn Sie wollen, lese ich eine Reihe von Fragen vor, die Sie nicht beantwortet haben!)

    — Sicher, das beruht auf Gegenseitigkeit. Man hat keine Zeit, alle Fragen zu beantworten. Aber einige Grundfragen zu beantworten, hätte man immer Zeit.

    (Zurufe von der SPD.)

    Kollege Erler hat eine Frage nicht beantwortet. Ich habe ihm die Frage gestellt, ob die Sozialdemokraten in einer defensiven Wehrkonzeption bereit wären, für die Einrichtung weitreichender Luftverteidigungsmittel nukleare Sprengköpfe vorzusehen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Daraufhin sagte Kollege Erler, ohne auf diese Frage überhaupt einzugehen, unsere Gefahr seien die Tiefflieger, und die könne man und werde man mit solchen Waffen nicht bekämpfen, weil die Gefahr für uns zu groß sei. Herr Kollege Erler, Sie wissen genau — Sie haben auf diesem Gebiet genauso gute Kenntnisse wie ich —, daß für den Einsatz auf Tiefflieger bis zu einer Höhe von 6000 m die von uns in Aussicht genommenen Luftabwehrwaffen überhaupt nicht mit einem nuklearen Sprengkopf verwendet werden können. Sie wissen aber ebenso — und das sollten Sie auch der deutschen Öffentlichkeit sagen —, daß Sie, um diese Atomaktion durchhalten zu können, dem deutschen und internationalen Verteidigungssystem für hochanfliegende Flugzeuge ausreichend wirksame Abwehrwaffen verweigern würden. Deshalb verfallen Sie auf die in keiner Weise haltbare These, wir würden nur mit tieffliegenden Flugzeugen angegriffen werden. Die Kommandos der Roten Luftflotte unterstehen nicht dem Propagandabüro der SPD!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Erler: Sie werden aber auch nicht hochfliegen, damit man sie möglichst weit erkennt!)

    Herr Erler und Herr Wehner haben davon gesprochen, daß wir nach der Methode „alles oder nichts" die Abrüstung kaputt machen wollen oder de facto kaputt machen. Ich habe gestern erklärt, daß Abrüstung an sich kein absoluter Wert ist. Eine einseitige Abrüstung im Sinne einer unilateralen Kapitulation können Sie jederzeit vornehmen. Die Abrüstung hat ja für uns den Sinn, größere Sicherheit zu bekommen, genauso, wie sie auch für die andere Seite die Möglichkeit bringen soll, sich in größerer Sicherheit zu befinden oder zu fühlen. Befinden tut sie sich sowieso in größerer Sicherheit.
    Aber ich sage noch einmal: Wir sind für ein weltweites, die atomare und die konventionelle Abrüstung umfassendes Abkommen unter einer wirksamen Kontrolle. Aber wir sehen keinen Sinn in der Entwaffnung eines Volkes im Rahmen einer geographischen Teillösung, die nicht schon in sich zwangsläufig die Schritte zur Phase zwei und zur Phase drei trägt. Denn haben Sie einmal diesem Abkommen zugestimmt, haben Sie Europa militärisch hilflos gemacht, und den zweiten und den dritten Schritt können Sie dann nicht mehr gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kiesinger: Und das Gegenteil von den Spannungen ist erreicht! — Abg. Schmidt [Hamburg] : Sie haben Ihr Soll erfüllt, es ist 9 Uhr!)

    Herr Wehner hat das Wort gebraucht, man müsse ein verbessertes — —

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)




    Bundesverteidigungsminister Strauß
    — Sie hören solche Dinge nicht gern.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Ja, ja Sie haben Ihr Soll erfüllt, Herr Strauß. Es ist 9 Uhr, und Sie hatten den Auftrag, als letzter Redner zu sprechen. Das haben Sie geschafft; machen Sie Schluß!)

    — Herr Schmidt, Sie unterstellen uns Motive, von denen ich nicht hoffe, daß sie die Ihren wären.

    (Abg. Wittrock: Ein Mißbrauch der Geschäftsordnung! — Abg. Schmidt [Hamburg] : Sie hatten den Auftrag, als letzter bis 9 Uhr zu reden. Das haben Sie geschafft; nun hören Sie auf mit den Beschimpfungen!)

    — Es ist anscheinend, wenn Sie der Meinung sind — —

    (Anhaltende Unruhe und Zurufe von der SPD.)