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ID0301916200

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    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Inhalt: Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958 (Drucksache 277); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 292) 917 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); 917 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) . . . 917 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . • 917 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 929 D, 944 D Wehner (SPD) 930 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 945 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 947 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 959 C Frau Wessel (SPD) 964 D Lemmer, Bundesminister 976 A Dr. Kliesing (CDU/CSU) (§ 36 GO) 979 D Erler (SPD) (§ 36 GO) . . . . . . 980 C Dr. von Merkatz (DP) 981 A Döring (Düsseldorf) (FDP) 988 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . . . . 996 C Strauß, Bundesminister 1003 C Nächste Sitzung 1012 C Anlagen • 1013 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958 917 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr. Atzenroth 21. 3. Dr. Baade 21. 3. Bazille 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 21. 3. Conrad 18. 4. Cramer 21. 3. Euler 21. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21. 3. Dr. Furler 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Geiger (München)* 21. 3. Gottesleben 8. 4. Graaff 22. 3. Dr. Greve 22. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 4. Frau Dr. Hubert 12. 4. Illerhaus* 21. 3. Jahn (Frankfurt) 29. 3. Jürgensen 31. 3. Frau Kipp-Kaule 29. 3. Dr. Kopf* 21. 3. Kroll 21. 3. Kunst 21. 3. Kunze 15. 5. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg* 29. 3. Lücker (München)* 21, 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mauk 21. 3. Mellies 25. 4. Müller (Worms) 22. 3. Neumann 12. 4. Dr. Oesterle° 21. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pütz 22. 3. Rademacher 21. 3. Ramms 31. 3. Scheel* 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 22. 3. Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Struve 22. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 21. 3. Walter 21. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. b) Urlaubsanträge Diel (Horressen) 19. 4. Anlage 2 Drucksache 292 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) (Drucksache 277) Berichterstatter: Abgeordneter Pernoll Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 19. März 1958 mit dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) - Drucksache 277 - befaßt. Nach längerer Aussprache hat der Ausschuß einstimmig der Verordnung mit den aus der Anlage sich ergebenden Änderungen zugestimmt. Bonn, den 19. März 1958 Pernoll Berichterstatter
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    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bin dem Herrn Präsidenten dankbar, daß er damit auch auf der Wertskala der Getränke die Dinge wieder richtiggerückt hat.
    Der oberste Zweck der Politik in dieser Welt ist eine Frage der Daseinsbehauptung im physischen und im moralischen Sinne. Fragen des Schicksals und das Ringen mit den Wechselfällen und Bedrohungen des Daseins, also Grundfragen der Politik, können nicht allein mit den Mitteln des logischen Verstandes gemeistert werden. Die gestaltenden Kräfte in der Politik sind nicht klügelnde Erwägung und Kombinationen, sondern letztlich Kräfte der Haltung, des Mutes und der seelischen Standfestigkeit und der Unbeirrbarkeit des Willens. Politik der Daseinsbehauptung ist keine kalkulatorische Angelegenheit, schon gar nicht in gefährlichen Zeiten. Im Ringen um Überzeugungen, Auffassungen und den klaren Willen, das klare Ziel unserer Politik haben manche sich in Gedankenspielereien verloren, in Hypothesen und Annahmen, und daraus Schlüsse gezogen, ja haben sich auch in Ausweglosigkeiten eingebildeter Art drängen lassen. Das Richtige in der Politik läßt sich nicht erklügeln, und das Rechte ist immer mehr eine Angelegenheit des Charakters als eine Angelegenheit des Verstandes. Der politische Entschluß sollte nicht vom rationalen Kalkül allein, sondern entscheidend auch vom Instinkt, vom gesunden Instinkt regiert werden, zur richtigen Zeit am rechten Ort im rechten Maß das Mögliche zu erkennen und zu tun.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich halte die volle tatkräftige und überzeugte Integration in das politische und militärische System der NATO für eine Mittelmacht, wie Deutschland sie heute in seinem freien Teil ist, für die einzige Möglichkeit des Überlebens in Freiheit. Dieses System wird so viel wert sein, als die Völker an Bündniswilligkeit und Abwehrgeist aufbringen und ein Bewußtsein der Interdependenz, der gegenseitigen Schicksalsabhängigkeit, zu entwickeln vermögen.
    Daraus folgt, daß wir die Politik der Friedenserhaltung durch die Strategie der indirekten Verteidigung so wirksam wie möglich machen müssen. Wenn also eine Bewaffnung mit Kernwaffen notwendig wird, dürfen wir uns dieser schweren Last und Verantwortung nicht entziehen. Denn Gewalt kann nicht durch Wehrlosigkeit begrenzt und in Schranken gehalten werden. Es kommt darauf an, die Gewalt zu begrenzen.
    Das ist ein wirklich sehr ernstes, schweres Thema. Ich bin mir bewußt, daß die Kernwaffen als Ausrottungsmittel und ihre wahllose Verwendung zur totalen Vernichtung jeglichen Lebens sittlich verwerflich und ein Frevel an Gottes Schöpfung sind. In der Kernwaffenstrategie ist ein militärischer
    Nihilismus zum Ausdruck gekommen, der selbst die Elemente des Krieges in der Sinnlosigkeit des gegenseitigen Selbstmords aufhebt. Aber, so frage ich, ist es sittlich gerechtfertigt, daß man die Begrenzung dieser Mittel beseitigt, indem man auf die Möglichkeit der Vergeltung verzichtet? Ist es sittlich gerechtfertigt, die Mittel der Begrenzung dieser atomaren Gewalt abzulehnen, wenn diese damit zu Mitteln absoluter Unterwerfung von Wehrlosen werden?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich bin mir bewußt — ich sage das vor allen Dingen für meine politischen Freunde —, daß die Hypothese von der Vergeltungsdrohung keine wirkliche Begrenzung und kein wirklicher Schutz vor gegenseitiger Ausrottung, also vor der unvorstellbaren Katastrophe des Selbstmords unserer Zivilisation, ist. Solange aber die Begrenzung nur durch Abschreckung möglich ist und der Atomfrevler damit rechnen kann, daß er durch einen Überfall von dem mehr oder weniger Betroffenen nicht mit Vergeltung bedacht wird, schwebt die Menschheit eben in dieser Gefahr.
    Es gibt da nur zwei Möglichkeiten: Entweder es werden Mittel gefunden, die eine absolute Abwehr der Kernwaffen möglich machen — ich glaube, die Forschung ist sehr bald so weit, daß sie diese Mittel gefunden hat —, oder aber — das ist das bessere — wir kommen tatsächlich zu einer allgegemeinen Abrüstung, und zwar dann nicht nur der atomaren, sondern auch der konventionellen Waffen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Bis dahin muß aber nicht nur die Abschreckung wirksam aufrechterhalten bleiben, sondern auch das Interesse daran wachgehalten werden, die Probleme der Abrüstung wirklich zu lösen.
    Lassen Sie mich zum Schluß in zwei Ausblicken etwas sagen aus dem Versuch heraus, eine konstruktive Vorstellung zu entwickeln. Ich glaube, daß es das wichtigste Ziel der auswärtigen Politik in der gegenwärtigen Situation ist, zu einer Entspannung zu kommen. Die Ursachen der Spannung liegen in der Expansionspolitik der Sowjetunion. Diese Expansionspolitik hat Mißtrauen erzeugt. Mißtrauen erzeugt Wettrüsten und Wettrüsten wieder Mißtrauen; das ist der Teufelskreis, der Circulus vitiosus, in dem wir uns befinden.
    Was kann man zur Einleitung der ersten Schritte tun, um dieses Mißtrauen abzubauen und damit zu substantiellen Verhandlungen über eine allgemeine kontrollierte Abrüstung aller Waffenarten zu kommen? Ich halte es für notwendig, die diplomatischen Kontakte, auch die inoffiziellen Kontakte, zu intensivieren, um zunächst einmal überhaupt das allgemeine Verständnis, eine Atmosphäre des gegenseitigen Sichverstehens, des Ausräumens von Mißverständnissen zu erlangen und zu zeigen, daß man an der Entspannung zutiefst interessiert ist. Ich glaube, man sollte hier viel mutiger sein. Je mehr Menschen miteinander sprechen, um so eher ist die Möglichkeit gegeben, daß man in dem anderen nicht unbedingt den Teufel sieht.



    Dr. von Merkatz
    In Spannung befinden sich aber nun nicht Menschen, die sich vertragen könnten, sondern Machtpotentiale, die sich gegenseitig im Wettrüsten steigern.
    Ein Kardinalpunkt der Entspannung ist, glaube ich, daß man die Sowjetunion, koste es, was es wolle, endlich zu Abrüstungsverhandlungen an den Tisch bringt, sei es über die Vereinten Nationen, sei es über eine Gipfelkonferenz oder wie auch immer.
    Ich möchte sehr bejahen, was ich nach unserem Verteidigungsminister, dem Kollegen Strauß, das Straußsche Prinzip nenne, daß der erste Schritt jeweils erst dann durchgeführt wird, wenn die zweite Stufe der Entspannungsentwicklung bereits verbindlich beschlossen ist. Ich halte das für eine gute dynamische Methode diplomatischer Art, um voranzukommen.
    Eines muß klargestellt werden, damit da keine Irrtümer entstehen: eine Entspannungspolitik bedeutet noch nicht eine Politik der Überwindung des Status quo. Ich kann mir sehr wohl bei dem Bestreben, wie es die Sowjetunion an den Tag legt, auch eine Entspannung beim Status quo denken, obgleich das nur eine scheinbare Entspannung wäre. Darin liegt die Gefahr für die Deutschen. Es muß eines der wichtigsten diplomatischen Anliegen sein, dafür zu sorgen, daß nicht durch einen Entspannungseffekt auf der Grundlage des Status quo unser wichtigstes Interesse verlorengeht, nämlich die Spaltung Deutschlands zu überwinden. Das muß mit eingeschlossen sein, wenn wir jemals zu einer inneren und damit auch zu einer äußeren Befriedung kommen wollen; das muß mit eingeschlossen sein bei dem Beginn von Verhandlungen, von Zugeständnissen. Wenn dieses wichtigste Interesse, die Spaltung unseres Landes zu überwinden, mit in der Diskussion bleibt, sind wir an jeder Entspannung interessiert; andernfalls laufen wir Gefahr, daß für alle Zeiten der Ansatzpunkt dafür verlorengeht, unsere innere Befriedung zu erreichen.
    Wer Entspannung will, darf nicht nur über Abrüstung, über militärische Fragen verhandeln, sondern der muß auch die politischen Spannungsursachen und die Überwindung des Status quo ansprechen und verbindliche Zusagen erhalten, daß über diese Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt verhandelt wird.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Solange die Sowjetunion an der Ausübung ihrer Macht auch in Gebieten außerhalb ihrer nationalen Sphäre festhält, bedeutet eine sogenannte Entspannung nur den Gewinn einer verhältnismäßigen Ruhe und einer vorläufigen Atempause; aber die Gefahr des Konflikts wird nicht beseitigt. Eine politische Entspannung auf soliderer Grundlage und von größerer Beständigkeit kann nur durch Selbstbescheidung beider Machtblöcke, des Westens und des Ostens, erreicht werden. Eine nur militärische Abrüstung läßt das Interesse an den politischen Entspannungsmaßnahmen zur Überwindung des Status quo erlahmen.
    Eine Gipfelkonferenz muß also Klarheit sowohl über die methodischen Grundlagen und Prinzipien als auch über den schrittweisen Weg schaffen, unter Wahrung vergleichbaren Machtpotentials militärischer Art weiterzukommen und so Zug um Zug, Leistung um Gegenleistung die politischen Machtpotentiale auszugleichen, in das Gleichgewicht zu setzen.
    Nun ein Wort zum Problem des europäischen Sicherheitssystems, von dem gesprochen wurde. Wenn man diese Frage richtig durchdenkt, erkennt man, daß ein solches europäisches Sicherheitssystem nicht der Ausgangspunkt, sondern das Produkt, das Ergebnis nicht nur einer Abrüstung, sondern auch einer politischen Entspannung ist. Dann erst werden alle die damit zusammenhängenden Fragen reif; durch Vorleistung und Verzicht können die Dinge überhaupt niemals zu einem glücklichen Ergebnis in Europa gebracht werden. Denn es genügt nicht, daß ich etwas leiste und daß damit der Gegner alles erhält, was er politisch gewollt hat; denn dann hat er kein Interesse mehr daran, die Sache weiterzubringen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)

    Vielleicht sehen Sie diesen einen Punkt, der meinen Freunden und mir so wesentlich ist. Das Entspannungsproblem kann bei der Abrüstung angefaßt werden. Kommt man hier vorwärts und kommt man auch in den großen politischen Fragen vorwärts, ist ein europäisches Sicherheitssystem das Ergebnis und die Frucht dieser Dinge. Es ist, methodisch gesehen, völlig falsch, zu glauben, man könne in diesem Zeitpunkt einen Teilplan wie den Rapacki-Plan zum Ausgangspunkt erfolgversprechender diplomatischer Verhandlungen und überhaupt zur Diskussionsgrundlage machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das europäische Sicherheitssystem wird die Frage zu beantworten haben, wer wen wann und wo regiert. Das europäische Sicherheitssystem muß auf dem Grundsatz der Selbstbestimmung Europas und des Selbstbestimmungsrechts der europäischen Völker und Staaten aufgebaut werden. Bei Errichtung des europäischen Sicherheitssystems muß dafür gesorgt werden, daß alle Staaten ein gleiches Recht und gleiche Pflichten, je nach ihrer geographischen Lage, je nach ihrer Einordnung haben. Ich wende mich gegen die Auffassung, als könne ein Statusvertrag über Deutschland ohne weiteres zugestanden werden. Das wäre nichts weiter als eine deutsche Diskriminierung, eine ungleiche Behandlung, mit dauernden Interventionsrechten und Interventionsmöglichkeiten. Hier sind schwere Denkfehler gemacht worden, die man bei Verhandlungen vermeiden müßte.
    Der Staatsmann muß, um mit Friedrich Meinecke zu sprechen, nach Staatsräson handeln. Die Staatsräson auferlegt uns schwere Verantwortung und verlangt von uns eine große Festigkeit des Willens, wenn wir überleben wollen, wenn wir nämlich Sicherheit, Freiheit und Frieden erhalten wollen und im Rahmen einer unerläßlichen Entspannung die deutsche Einheit wiedergewinnen wollen. Die



    Dr. von Merkatz
    Frage nach Frieden und Freiheit und Wiedervereinigung richtet sich an die ganze Tiefe unseres Wollens. Hölderlin sagt, daß in der Tiefe der Not das Rettende wächst. Das Rettende ist die Unerschütterlichkeit unseres Willens, frei zu bleiben und unseren Landsleuten in der Zone Freiheit und Selbstbestimmung zurückzugewinnen, und unseren Willen in der Bereitschaft auch zum Opfer zu verwirklichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, einige der Vorstellungen meiner Freunde darzulegen. Wir sind gegen Pläne und Konzeptionen, aber wir sind für Methoden, die sich nach den Regeln einer erfolgreichen Diplomatie in der Geschichte bewährt haben. Methodisch richtig vorgehen und die Probleme in der richtigen Rangordnung und Verknüpfung sehen, darauf kommt es an; nicht aber auf Pläne, die immer nur den Verzicht, das Kompromiß, die halbe oder die ganze Kapitulation in sich schließen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Döring.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Döring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich bin der erste Neuling in dieser Legislaturperiode, der in dieser Debatte spricht.

    (Abg. Majonica: Nein, Herr Dr. Gradl!)

    Vielleicht ist es für Sie ganz interessant -- für die Christlich-Demokratische Union besonders —, einmal zu hören, welchen Eindruck ein solcher Neuling vom Verlauf einer solchen Debatte bekommt.

    (Abg. Huth: Oh, sind Sie gar nicht überheblich! — Sie sind ein bißchen überheblich!)

    Ich habe eine ganze Reihe Erfahrungen gemacht.
    Zwei sehr lustige Erfahrungen. Wir sitzen da so an einer Nahtstelle zur CSU. Als ich gestern einen Zwischenruf machte, rief einer meiner Nachbarn: „Halt dein Maul!" Sehr lustig!

    (Zuruf von der CSU: Das war kein Zuruf! — Abg. Huth: Die einzige Sprache, die Sie richtig verstehen! — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Als ich ihn dann fragte, ob er sich nicht zu entschuldigen beabsichtige, meinte er, das sei bayerische Mundart.

    (Heiterkeit.)

    Ich fand auch das sehr lustig.
    Weniger lustig fand ich allerdings dann im Verlaufe der Debatte so Rufe wie: „Der Nazi-Döring!".

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

    Noch weniger lustig fand ich Zurufe, wie sie bei der Rede der Frau Kollegin Wessel sich bemerkbar machten, nämlich: „Da spricht ein Flintenweib!"

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Noch weniger lustig fand ich, daß, als unlängst einmal der Bundeskanzler über eine Äußerung des Oxforder Professors Taylor sprach, einer unserer Nachbarn, der die Ansicht dieses Professors ablehnte, zu uns herüberrief: „Ist das ein Wunder? Das ist doch ein Jude!"

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das waren so die ersten Eindrücke.

    (Zuruf von der CDU CSU: Da müssen Sie aber einmal den Beweis antreten, wenn Sie solche Behauptungen aufstellen!)

    — Ich bin gern bereit, den Namen des Kollegen nachher dem Gruppenführer der CSU zu nennen, wenn er das wissen will.

    (Abg. Huth: Sie verstehen bloß noch die alte Sprache, Herr Döring: Gruppenführer usw. Davon kennen Sie ja etwas!)

    — Ich hatte das eigentlich für eine ganz geeignete Bezeichnung gehalten. Sie nennen sich doch Landesgruppe.
    Ich war auch etwas überrascht, als ich gestern die Worte des Kollegen Kiesinger hörte, die er am Schluß sprach, als er die Verdienste des Bundeskanzlers herausstellte. Er sagte: „Dieser Mann hat jahrelang zäh und unverdrossen um das Vertrauen im Westen geworben." Ich habe hier den Eindruck gewonnen — als ein Neuling, meine Damen und Herren —, daß es dieser Bundeskanzler allerdings unterlassen hat, zäh und unverdrossen um das Vertrauen einer Opposition zu ringen, die immerhin fast die Hälfte der deutschen Wählerschaft repräsentiert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Abg. Rasner: Das hörte auf, als Sie in Düsseldorf an die Macht kamen!)

    Um so mehr habe ich mich gefreut, als ich heute schon an der ganzen Art, wie der Herr Minister für gesamtdeutsche Fragen hier auftrat, doch immerhin Ansätze feststellen konnte, die vielleicht einmal wieder zu einer Diskussion führen.
    Ich möchte allerdings, wenn ich den Verlauf dieser Debatte betrachte, dem Herrn Bundeskanzler recht geben, der gestern sagte, es sei doch eine Art von Wirrwarr entstanden. Ich kann mir vorstellen, daß der Rundfunkhörer, der dieser Debatte gefolgt ist, es sehr schwer hat, sich ein Bild zu machen, worum hier eigentlich noch gerungen wird, und daß es für ihn sehr schwer ist, sich eine Meinung aus den Äußerungen in dieser Debatte zu bilden.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Oh, so dumm ist das deutsche Volk nicht!)

    Die Regierungssprecher haben sich auch redlich bemüht, Dunkel ins Licht zu bringen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD. Abg. Huth: Da brauchen wir Sie dazu, um diese Feststellung zu machen! Da sind Sie gerade der richtige dafür!)

    Ursprünglich — wenn ich hier einmal eine bekannte Formel unseres Bundeskanzlers gebrauchen



    Döring (Düsseldorf)

    darf — war die Sache nämlich ganz einfach. Ursprünglich ging es darum, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei in einer Anfrage drei Fragen an die Regierung gestellt hat. Ich will sie, damit man überhaupt wieder auf den Ausgangspunkt der Diskussion zurückkommt, in kurzen Worten wiederholen. Wir haben die Bundesregierung gefragt, ob sie sich bei unseren westlichen Verbündeten bemühen will, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundlagen für den Status eines wiedervereinigten Deutschlands geklärt werden, eine Frage, die auch in anderer Formulierung aufgetaucht ist, nämlich, ob man auf einer solchen Gipfelkonferenz einen Friedensvertrag erörtern soll.
    Wir haben zweitens die Frage gestellt, ob die Bundesregierung die Absicht habe, eigene Gedanken im Sinne der Schaffung einer atomwaffenfreien, militärisch entschärften Zone zu entwickeln, und wir haben drittens gefragt, ob die Bundesregierung bereit sei, in einen Meinungsaustausch mit Polen einzutreten. Der polnische Außenminister hat ähnliche Vorstellungen entwickelt.
    Zur ersten Frage haben wir vom Herrn Bundeskanzler selbst und auch von Kabinettssprechern erfahren, daß die Bundesregierung offensichtlich nicht die Absicht hat, an die westlichen Verbündeten in der von uns gewünschten Form heranzutreten und sie zu bitten, einen Friedensvertrag oder die Grundlagen für den Status Gesamtdeutschlands auf einer Gipfelkonferenz zu erörtern.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    Zur zweiten Frage haben wir durch den Herrn Bundesaußenminister gehört, daß die Bundesregierung keine eigenen Vorstellungen entwickeln will und entwickeln wird. Auf die dritte Frage, ob man in einen Meinungsaustausch mit Polen eintreten will, haben wir bisher überhaupt keine Antwort bekommen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist auch eine!)

    Aber eines ist aus dem Verlauf dieser Debatte klargeworden: daß sich heute hier die Bundesregierung darum bemüht, auch die formale Legitimation dafür zu bekommen, nunmehr in dieser Bundesrepublik atomar aufzurüsten.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Schmidt [Hamburg] : Leider wahr!)

    Man muß das einmal ganz deutlich sagen, sonst könnte nämlich bei den Rundfunkhörern der Eindruck entstehen, es würde hier nur theoretisiert. Von diesem Tage an, von diesem Sitzungsabschnitt an wird in dieser Bundesrepublik atomar aufgerüstet werden. Das •muß klar herausgestellt werden.
    Zur Frage 1 unserer Anfrage, ob sich die Bundesregierung um die Erörterung eines Friedensvertrags bemühen wolle, gab es in der Öffentlichkeit eine Diskussion, zusätzlich ausgelöst zunächst durch ein Aide-memoire, das die Sowjetunion an die Vereinigten Staaten gesandt hatte, worin enthalten war, daß man bereit sei, der Behandlung eines deutschen Friedensvertrags auf einer Gipfelkonferenz nicht zu widersprechen.