Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Frau Wessel hat es für richtig befunden, sich unter Herausstellung ihres katholischen Christentums zur Begründung ihrer politischen Einstellung auf Pius XII. zu berufen. Sie werden es verstehen, wenn ich sage, daß ich als katholischer Christ nur mit sehr großem Zögern und außerordentlichen Bedenken bereit bin, ihr auf diesem Wege zu folgen. Aber ich halte es für meine Pflicht, das zu tun, weil Frau Wessel nach meiner Überzeugung hier in einer Art zitiert hat, die die Auffassungen des Heiligen Vaters nicht objektiv und daher innerlich unwahrhaftig wiedergibt. Ich glaube, daß das nicht der Würde und der Autorität entspricht, die Äußerungen des Heiligen Vaters zu derartig wichtigen Fragen im katholischen Raum erheischen.
Lassen Sie mich meinen Vorwurf, den ich gegen Frau Wessel erhebe, mit zwei Zitaten belegen, die
980 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode —19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958
Dr. Kliesing
Frau Wessel bewußt der Öffentlichkeit vorenthalten hat. Ich sage „bewußt" deshalb,
weil sie sich in der gleichen Quelle — nämlich der Herder-Korrespondenz — befinden, die Frau Wessel hier angegeben hat.
Bei dem ersten Zitat handelt es sich um ein Zitat aus der Ansprache des Heiligen Vaters vom 30. September 1954 an die Teilnehmer des 8. Ärztlichen Kongresses. Es heißt dort folgendermaßen:
Ist der moderne totale Krieg, besonders der ABC-Krieg, grundsätzlich erlaubt? Es kann kein Zweifel darüber bestehen, namentlich wegen der Schrecken und unerläßlichen Leiden, die durch den modernen Krieg hervorgerufen werden, daß es ein der strengsten nationalen und internationalen Sanktionen würdiges Verbrechen darstellt, ihn ohne gerechten Grund zu entfesseln, d. h. ohne daß er durch ein evidentes Unrecht von äußerster Schwere, das auf andere Weise nicht verhindert werden kann, aufgezwungen ist.
Man kann auch die Frage nach der Erlaubtheit des Atomkrieges, des chemischen und bakteriologischen Krieges grundsätzlich nur für den Fall stellen, daß er als unvermeidlich zur Selbstverteidigung unter den angegebenen Bedingungen beurteilt wird.