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    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Inhalt: Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958 (Drucksache 277); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 292) 917 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); 917 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) . . . 917 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . • 917 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 929 D, 944 D Wehner (SPD) 930 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 945 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 947 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 959 C Frau Wessel (SPD) 964 D Lemmer, Bundesminister 976 A Dr. Kliesing (CDU/CSU) (§ 36 GO) 979 D Erler (SPD) (§ 36 GO) . . . . . . 980 C Dr. von Merkatz (DP) 981 A Döring (Düsseldorf) (FDP) 988 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . . . . 996 C Strauß, Bundesminister 1003 C Nächste Sitzung 1012 C Anlagen • 1013 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958 917 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr. Atzenroth 21. 3. Dr. Baade 21. 3. Bazille 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 21. 3. Conrad 18. 4. Cramer 21. 3. Euler 21. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21. 3. Dr. Furler 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Geiger (München)* 21. 3. Gottesleben 8. 4. Graaff 22. 3. Dr. Greve 22. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 4. Frau Dr. Hubert 12. 4. Illerhaus* 21. 3. Jahn (Frankfurt) 29. 3. Jürgensen 31. 3. Frau Kipp-Kaule 29. 3. Dr. Kopf* 21. 3. Kroll 21. 3. Kunst 21. 3. Kunze 15. 5. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg* 29. 3. Lücker (München)* 21, 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mauk 21. 3. Mellies 25. 4. Müller (Worms) 22. 3. Neumann 12. 4. Dr. Oesterle° 21. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pütz 22. 3. Rademacher 21. 3. Ramms 31. 3. Scheel* 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 22. 3. Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Struve 22. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 21. 3. Walter 21. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. b) Urlaubsanträge Diel (Horressen) 19. 4. Anlage 2 Drucksache 292 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) (Drucksache 277) Berichterstatter: Abgeordneter Pernoll Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 19. März 1958 mit dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) - Drucksache 277 - befaßt. Nach längerer Aussprache hat der Ausschuß einstimmig der Verordnung mit den aus der Anlage sich ergebenden Änderungen zugestimmt. Bonn, den 19. März 1958 Pernoll Berichterstatter
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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich beabsichtige, Ihnen jetzt einmal die Zusammenhänge näher darzulegen, und ich bin der Meinung, daß es jedem Abgeordneten dieses Hauses unbenommen ist, dazu Stellung zu nehmen. Ich glaube, es dient einer nicht erregten Auseinandersetzung viel besser, wenn man den anderen Menschen erst einmal in Ruhe anhört, und die scheinen wir alle verloren zu haben.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Ich gehe wieder auf das Interview zurück, das der Herr Bundeskanzler gegeben hat, und ich möchte die von ihm vertretene These hervorheben, die These von der inneren Zwangslage der Sowjetunion, der Bonner Politik nachgeben zu müssen. Aber die tatsächliche Entwicklung hat gezeigt, daß diese Auffassung zu den gefährlichen Trugschlüssen der Bonner Politik geführt hat. Eine spätere Geschichtsschreibung wird einmal die Hintergründe festzustellen haben, die für diese Entscheidungen maßgebend gewesen sind.
    Als ebenso falsch hat sich die von der Bundesregierung vertretene These erwiesen — es ist ja hier schon darauf eingegangen worden —, daß die Ratifizierung der Pariser Verträge und unser Eintritt in die NATO die Sowjetunion in der Frage der Wiedervereinigung verhandlungsbereiter machen würde. Wir müssen das Gegenteil feststellen: daß sie sich versteift hat. Das war aber bereits aus der eben erwähnten Note vom 15. Januar 1955 ersichtlich. Ich möchte daraus noch folgenden Satz zitieren:
    Die Sowjetunion hat bereits darauf hingewiesen, daß derartige Behauptungen jeder Grundlage entbehren und lediglich dazu geeignet sind, die öffentliche Meinung irrezuführen. Das geschieht, um die Ratifizierung der Pariser Abkommen in den Parlamenten einiger Staaten um jeden Preis durchzubringen. Dies wird von jenen Kreisen der Westmächte betrieben, die sich die Wiedergeburt des deutschen Militarismus als Hauptaufgabe stellen und dafür die nationale Wiedervereinigung Deutschlands opfern. Im Zusammenhang mit dieser Haltung der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs, die in grobem Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen dieser Länder hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands als friedliebenden und demokratischen Staates steht,
    — nach Ihrer Meinung in Anführungszeichen gesetzt —

    (Abg. Dr. Kliesing: Nach Ihrer nicht?)

    — und hier kommt jetzt der verhängnisvolle Satz —
    hängt die Wiedervereinigung Deutschlands jetzt in erster Linie von den Deutschen selbst, von der Haltung des deutschen Volkes ab.
    Meine Damen und Herren, bei seinem Besuch in Moskau im September 1955 mußte der Herr Bundeskanzler in besonderer Weise die Versteifung Sowjetrußlands in der Wiedervereinigungsfrage feststellen, als Chruschtschow jede Erörterung des Wiedervereinigungsproblems damit abschnitt, daß das jetzt zu spät sei. Chruschtschow sagte nach dem Bulletin vom 20. September 1955, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitiere:
    Wir haben sehr ehrlich und manchmal sogar mehr, als die diplomatische Sprache erlaubt; die andere Seite davor gewarnt, daß die Pariser Verträge und der Beitrag der deutschen Bundesrepublik zur NATO den Weg zur Lösung der deutschen Frage in der nächsten Zukunft versperren würde. . . . Wir wollen offenherzig sein: . . . Die Wiedervereinigung Deutschlands wird jetzt so ausgelegt, daß das vereinigte Deutschland der NATO angehören müßte. Und NATO ist gegen die Sowjetunion geschaffen worden. Wir wären Toren, wenn wir dazu beitragen würden, daß das ganze Deutschland der NATO angehört, und dadurch Kräfte verstärkt würden, die gegen uns gerichtet sind. Wir sind davon überzeugt, daß, wenn sich die deutsche Bundesregierung in einer solchen Lage befinden würde, sie sich ebenso verhalten würde wie wir, und sie würde recht behalten.



    Frau Wessel
    Die Heimkehr der deutschen Gefangenen aus Rußland und die natürliche Freude darüber hat damals die deutsche Bevölkerung nicht zu der Erkenntnis gebracht, wie viele politische Illusionen und Trugschlüsse der Politik der Bundesregierung mit dieser Äußerung Chruschtschows zerschlagen worden sind.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Aber auch die deutsche Bundesregierung kam nicht zu der Erkenntnis, daß die Politik der Stärke und des kalten Krieges — sie mögen sie heute die der Sicherheit nennen — nicht zur Wiedervereinigung führen wird. Wem das bisher nicht klar war, der mußte es an der Ägypten- und der Ungarnkrise sehen. Welche nüchternen Tatsachen zeigten sich, die im Fall Ungarns zu schauerlichen Erkenntnissen führten? Der Westen mußte die Ungarn ihrem Schicksal überlassen. Lediglich die Flüchtlinge nahm er auf, und von der von den Ungarn so viel erträumten Befreiung blieb auch nichts übrig.

    (Zuruf von der Mitte: Wer hat sie denn vertrieben?!)

    Die Furcht vor einem russischen Eingreifen zwang auch in der Ägypten-Krise die Amerikaner, auf ihre Verbündeten in massiver Weise einzudringen und sie zum Rückzug aus Ägypten zu bringen.
    Ich meine, diese beiden Vorgänge zeigen eindeutig, daß die Politik der Stärke an dem atomaren Gleichgewicht zwischen den beiden Weltmächten gescheitert ist. In Wirklichkeit ist es doch so: Durch den Besitz der Wasserstoffbombe und anderer furchtbarer Vernichtungswaffen ist die Sowjetunion in den vergangenen Jahren militärisch und politisch ständig stärker geworden. Das mag uns sehr nachdenklich und bedenklich stimmen, aber wir sollten es doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Kliesing [Honnef]: Gerade deshalb!)

    Um so mehr wäre es notwendig gewesen, von der Politik der Stärke, der militärischen Einschüchterung, der Strategie der Vergeltung abzulassen; denn dadurch sind nur die Sicherheitsforderungen der Russen gesteigert worden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Eine interessante Rede!)

    Auch der Preis für die Wiedervereinigung hat sich erhöht. Das ist das Verdienst der Politik der Bundesregierung. Die Zeit hat nicht für, sondern gegen uns gearbeitet. Wenn der Herr Bundeskanzler uns jetzt wie in seiner Regierungserklärung in der Sitzung vom 23. Januar Geduld empfiehlt in der Hoffnung, daß die Sowjetunion in 10, 20 oder 30 Jahren in einer Krise sein würde und dann konzessionsbereit wäre, so muß ich sagen, die bisherige Entwicklung in Rußland hat immerhin gezeigt, daß das Gegenteil der Fall ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Darum kann niemand, dem die Wiedervereinigung und das Schicksal der 18 Millionen Deutschen in der Ostzone am Herzen liegt, diesen Weg des Bundeskanzlers akzeptieren. Im Gegenteil, keine all der
    Verheißungen, die der Herr Bundeskanzler dem deutschen Volke hinsichtlich der Wiedervereinigung gemacht hat, hat sich erfüllt.
    Aber auch die Hoffnung, daß die Bundesrepublik im Kriegsfall nicht Schlachtfeld wird, wenn sie dem NATO-Bündnis angehört, hat sich als trügerisch erwiesen. Die Manöver der Carte Blanche und andere haben das Gegenteil gezeigt, und diese militärischen Erfahrungen haben es mit sich gebracht, daß die Frage der deutschen Wiedervereinigung angesichts der immer drängender werdenden Abrüstung nicht einmal mehr eine Voraussetzung oder ein Pfand für erfolgreiche Abrüstungsgespräche zwischen Ost und West ist. Die Entwicklung in der Welt ist über die Politik der Bundesregierung hinweggegangen. Das zu erkennen ist notwendig; denn alles andere ist Illusion.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich auch noch eins sagen, selbst auf die Gefahr hin — vor der zu warnen in diesem Hause so beliebt ist —, damit die Geschäfte Pankows oder Rußlands zu machen. Auch das ist eine Tatsache: die politische und militärische Stärkung Rußlands und in Verbindung damit die Illusionspolitik der Bundesregierung in den Möglichkeiten der Wiedervereinigung haben noch ein weiteres Ergebnis, das man ebenfalls zur Kenntnis nehmen sollte, auch wenn es einem nicht gefällt, nämlich die Konsolidierung der verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und innenpolitischen Situation in der DDR. Die Politik der Bundesregierung, die dadurch hervorgerufene Entwicklung in der DDR bis zur Macht des Herrn Ulbricht haben uns auch dahin gebracht, daß allgemeine Wahlen und die Wiedervereinigung nach den Vorstellungen Rußlands jetzt am Ende, nicht aber, wie es noch nach der Note der Sowjets vom 15. Januar 1955 möglich war und wie wir es alle gewünscht und vertreten haben, am Anfang des Weges stehen.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen]: Na also!)

    — Ja sicher; es ist sehr leicht, jetzt zu sagen „na also"!
    Man sollte sich seitens der Bundesregierung auch dank ihrer Politik keinen Illusionen mehr darüber hingeben, daß Moskau — schon mit Rücksicht auf seine Satellitenstaaten — nicht sein Gesicht verlieren und einen Staat fallenlassen wird, den es doch im Gegensatz zur Gründung der Bundesrepublik geschaffen hat.

    (Abg. Kiesinger: Und diese Rücksichtnahme gab es früher nicht?!)

    Dies um so weniger, als heute vierzehn Länder der Welt die DDR als eine völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Realität sehen

    (Zurufe von der Mitte: Welche Länder!?)

    und — ich sage es noch einmal, ob es Ihnen paßt oder nicht — zahlreiche andere Länder Vertrags- und Handelspartner der DDR sind.

    (Erneute Zurufe: Welche?)




    Frau Wessel
    — Das werden Sie ja durch die Herren des Auswärtigen Amts sehr schnell feststellen lassen können.

    (Heiterkeit links und Lachen in der Mitte. Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Das ist eine sehr interessante Rede!)

    Darum werden die Sowjets nicht mit den Westmächten und der Bundesregierung allein, über den Kopf von Pankow hinweg, über die Wiedervereinigung verhandeln. Das ist die Erkenntnis sehr realer Tatsachen, die ich hier aufgezählt habe, und das Ergebnis der Politik der Bundesregierung.
    Wenn man in diesem Hause versucht, dieses den Tabus und Fiktionen der Politik der Bundesregierung gegenüber auszusprechen, wie es die Kollegen Dr. Dehler und Dr. Heinemann getan haben, dann wird von dem niedrigen Niveau dieser Bundestagsdebatte am 23. Januar gesprochen, und man ist sehr schnell mit dem Cruzifige bei der Hand.
    Man war auch, meine Damen und Herren, bis zur Sitzung am 23. Januar nicht so ängstlich mit der Betonung christlicher Prinzipien und ihrer Bedeutung auf die Politik in diesem Hohen Hause, mit dem Zitieren von Stellungnahmen hoher Kirchenfürsten. Nur als Dr. Heinemann sprach, bedeutete das den Mißbrauch des Christentums.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wie falsch diese Haltung ist, möchte ich an Hand von zwei Sitzungsprotokollen des Bundestages zeigen. In der 191. Sitzung des ersten Bundestages führte der damalige Bundestagspräsident, Dr. Ehlers, folgendes aus:

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Es ist noch niemals, glaube ich, in der Geschichte der Bundesrepublik und seit langer Zeit in der Geschichte des deutschen Volkes vorgekommen, daß eine politische Entscheidung
    — gemeint war hier das Ja oder Nein zur Aufrüstung —
    so unmittelbar und stark in den religiösen Bereich vorgestoßen ist.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Abgeordnete Wessel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich glaube, es ist doch wohl besser, wenn ich zunächst weiter zitiere. Was haben denn diese Zwischenfragen für einen Zweck, wenn ich Herrn Ehlers zitiere?

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben noch niemals gemerkt, daß Christen aller Konfessionen sich durch eine Fragestellung so angesprochen fühlten wie durch diese. Ich muß sagen — und das, glaube ich, meine Damen und Herren, darf ich hier sagen, weil es niemandem in seiner persönlichen religiösen Überzeugung zu nahe tritt —: wir sind gehalten, diese Bedenken und Sorgen der Christen in unserem Volk und in allen anderen Völkern mit großer Aufmerksamkeit zu hören.
    Auch als Frau Kollegin Dr. Rehling in der 222. Sitzung des 1. Bundestags betonte, daß sie in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Evangelischen Kirche, in deren Bereich das Für und Wider eines Verteidigungsbeitrages Gegenstand lebhafter Auseinandersetzung gewesen ist, zu dieser Frage spreche, und darüber Ausführungen von ihrem christlichen Standpunkt aus machte, hat sich keine Stimme dagegen in diesem Hause erhoben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Nur bei Mitgliedern der SPD-Fraktion, bzw. bei Herrn Dr. Heinemann, bedeutet das einen Mißbrauch des Christentums.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es erhob sich auch kein Widerspruch, als Frau Kollegin Rehling in dieser Sitzung sehr dankbar die Erklärung des Bischofs Dibelius begrüßte, in der gesagt wurde, die Kirche könne es sich nicht nehmen lassen, politische Fragen auf ihren Veranstaltungen zu diskutieren.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Weniger zustimmend erklärte sich allerdings Frau Kollegin Rehling gegenüber Äußerungen des Herrn Kirchenpräsidenten Niemöller und seiner geistlichen Freunde, als sie für sich dasselbe Recht in Anspruch nahmen wie Herr Bischof Dibelius. Also auch hier gilt der Satz: Es ist nicht das gleiche, wenn zwei das gleiche tun.

    (Beifall bei der SPD. — Sehr richtig! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, gegenüber Herrn Kirchenpräsident Niemöller wurde von Frau Kollegin Rehling Martin Luthers Schrift: „Wider die himmlischen Propheten" zitiert, in der sich Luther in scharfen Worten gegen die politischen Propheten im geistlichen Rock wendete. Frau Kollegin Rehling fügte hinzu:
    Wir sollten wahrhaftig die Geschichte zu Rate ziehen und bedenken, welche Nöte solche zwangsläufig auf die Klerikalisierung der Politik hinarbeitenden Propheten uns in der Vergangenheit gebracht haben und in Zukunft noch bringen könnten.
    Sehen Sie, Frau Kollegin Kalinke, deswegen habe ich das zitiert, weil es mir eine Mahnung zu sein scheint, die, wenn sie von der CDU beachtet worden wäre, dem Bundestagswahlkampf viel von seiner Verhetzung genommen hätte. Und hoffentlich wird diese Mahnung, Frau Kollegin Rehling, bei den bevorstehenden Wahlen bei Ihnen und Ihren politischen Freunden Beachtung finden.

    (Beifall bei der SPD.)

    In den Sitzungen heute und gestern bewegt uns aber nicht nur die Frage der deutschen Wiedervereinigung und der versäumten Gelegenheiten der Bundesregierung, die Sowjets auf Grund ihrer Vorschläge einmal beim Wort zu nehmen, um festzustellen, ob denn ihre Noten nur leere Phrasen sind, sondern wir sind in weit stärkerem Maße besorgt, aus den Reden des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Verteidigungsministers und der Sprecher der



    Frau Wessel
    Regierungsparteien entnehmen zu müssen, daß die Bundesregierung zur Ausrüstung der deutschen Bundeswehr mit Atomwaffen bereit ist. Der Anlaß, der dem Kollegen Dr. Heinemann in diesem Hause den Vorwurf des Mißbrauchs des Christentums eingebracht hat, war ja die Stellungnahme evangelischer kirchlicher Kreise zur Aufrüstung in der Bundesrepublik und der damit verbundenen Bedrohung des deutschen Menschen.
    Ich möchte zu der von der Bundesregierung vorgesehenen Atomaufrüstung in der Bundesrepublik auch als Frau einige Ausführungen machen. Frau Kollegin Brauksiepe hat in der 191. Sitzung des 1. Bundestages zur Verantwortung der Frau und ihrer politischen Aufklärung interessante Ausführungen gemacht. So sagte sie nach dem Stenographischen Bericht:
    Die Frauen sind zu allen Zeiten, vor allem aber an den Kreuzpunkten ihrer Geschichte, die unsichtbaren Pfeiler der Geschichte gewesen, von deren Tragfähigkeit unendlich viel abhängt.
    Sie sprach auch von der Infiltration der Angstpropaganda, der man ein kontinuierliches und gelassenes Aufklären, eine Informationsarbeit entgegensetzen müsse,

    (Abg. Frau Kalinke: War das nicht richtig?)

    die Klarheit auch bei den zaghaften Frauen schafft.

    (Abg. Majonica: So zaghaft sind Sie gar nicht!)

    — Gestatten Sie, daß ich an diese Ausführungen von Frau Kollegin Brauksiepe anknüpfe, um die von ihr verlangte Aufklärungs- und Informationsarbeit zu leisten.
    Ich möchte — das sage ich in aller Offenheit — als katholischer Christ dafür zunächst eine Persönlichkeit anführen, die auch bei Ihnen und Ihren politischen Freunden als unbestechliche Persönlichkeit gilt, nämlich den H1. Vater Pius XII. Seit Jahren erhebt der Papst seine Mahnungen an die Staatsmänner und Völker der Welt, mit dem Wahnsinn der Atomrüstung Schluß zu machen.

    (Zuruf von der Mitte: Genau wie wir!)

    Schon im Oktober 1953 erklärte Papst Pius XII. den Krieg mit ABC-Waffen als verbrecherisch. In seiner Osterbotschaft 1954 sprach er von den Waffen, die dazu angetan seien, für den ganzen Erdkreis zu einer gefährlichen Katastrophe zu werden, die die völlige Vernichtung jedes animalischen und pflanzlichen Lebens bringt. Papst Pius XII. wies auf die biologischen Folgen hin, die durch Mutationen in den Keimen, den Mikroorganismen — auch des pflanzlichen Lebens —, entstehen, von unberechenbarer Wirkung sind, hervorgerufen durch einen dauernden radioaktiven Einfluß auf die Organismen der Menschen und ihrer Nachkommenschaft. Er wies auf die Gefahr einer Veränderung des Erbgutes und der Vererbungsfaktoren der Menschen hin und stellte die Frage — meine Damen und Herren von der CDU, auch ich stelle hier die Frage:

    Wie lange noch setzen die Menschen ihre Pläne

    (Abg. Majonica: Wollen Sie das auch den Sowjets sagen?)

    Wann wollen die Mächtigen der Nationen wahrnehmen, daß der Friede nicht in einer verschärften kostspieligen Beziehung wechselseitigen Schreckens bestehen kann, sondern vor allem in der allgemeinen christlichen Liebe und im besonderen in der freiwillig geleisteten Gerechtigkeit.
    In besonders besorgter Weise über die wachsende Gefahr der Atomdrohung äußerte sich der Heilige Vater bei einem Empfang des Sonderbeauftragten des japanischen Ministerpräsidenten, Professor Masathoshi Mathushita vom 14. April 1957.

    (Abg. Majonica: Keine Druckfehler mitlesen! — Zuruf von der Mitte: Kennen wir alles!)

    — Wenn Sie das alles kennen, dann bedauere ich alle die Reden, die hier gehalten worden sind. (Beifall bei der SPD.)