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ID0301910100

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    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Inhalt: Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958 (Drucksache 277); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 292) 917 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); 917 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) . . . 917 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . • 917 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 929 D, 944 D Wehner (SPD) 930 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 945 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 947 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 959 C Frau Wessel (SPD) 964 D Lemmer, Bundesminister 976 A Dr. Kliesing (CDU/CSU) (§ 36 GO) 979 D Erler (SPD) (§ 36 GO) . . . . . . 980 C Dr. von Merkatz (DP) 981 A Döring (Düsseldorf) (FDP) 988 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . . . . 996 C Strauß, Bundesminister 1003 C Nächste Sitzung 1012 C Anlagen • 1013 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958 917 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr. Atzenroth 21. 3. Dr. Baade 21. 3. Bazille 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 21. 3. Conrad 18. 4. Cramer 21. 3. Euler 21. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21. 3. Dr. Furler 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Geiger (München)* 21. 3. Gottesleben 8. 4. Graaff 22. 3. Dr. Greve 22. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 4. Frau Dr. Hubert 12. 4. Illerhaus* 21. 3. Jahn (Frankfurt) 29. 3. Jürgensen 31. 3. Frau Kipp-Kaule 29. 3. Dr. Kopf* 21. 3. Kroll 21. 3. Kunst 21. 3. Kunze 15. 5. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg* 29. 3. Lücker (München)* 21, 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mauk 21. 3. Mellies 25. 4. Müller (Worms) 22. 3. Neumann 12. 4. Dr. Oesterle° 21. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pütz 22. 3. Rademacher 21. 3. Ramms 31. 3. Scheel* 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 22. 3. Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Struve 22. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 21. 3. Walter 21. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. b) Urlaubsanträge Diel (Horressen) 19. 4. Anlage 2 Drucksache 292 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) (Drucksache 277) Berichterstatter: Abgeordneter Pernoll Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 19. März 1958 mit dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) - Drucksache 277 - befaßt. Nach längerer Aussprache hat der Ausschuß einstimmig der Verordnung mit den aus der Anlage sich ergebenden Änderungen zugestimmt. Bonn, den 19. März 1958 Pernoll Berichterstatter
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    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verhältnismäßige Stille des Nachmittagsbeginns ermutigt mich, einen Gedanken zu verwirklichen, dessentwegen ich ursprünglich überhaupt das Wort erbeten hatte. Sie ermutigt mich, der vielen Menschen zu gedenken, die jenseits der Elbe und jenseits des Brandenburger Tores mit leisegestelltem Rundfunkgerät unseren Verhandlungen folgen, um ein Wort der Ermutigung, der Hoffnung, der Stärkung zu empfangen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich weiß nicht, ob diese Menschen bisher mit uns recht zufrieden gewesen sein mögen; aber ich möchte sagen — und ich glaube, in Ihrer aller Namen zu sprechen —, daß hinter dieser sie verwirrenden Vielfalt unserer politischen Auseinandersetzungen doch ein gemeinsamer Wille besteht, der gemeinsame Wille, ihnen zu helfen, ihnen wenigstens geistig zur Seite zu stehen, solange wir nicht wirklich mit ihnen vereinigt sind. Ich möchte ihnen sagen, daß auch hinter manchen vielleicht unerfreulich klingenden Debatten doch letzten Endes das leidenschaftliche Ringen um eine tragbare Lösung zu spüren ist.
    Meine Damen und Herren, wir haben vorgestern im Europa-Parlament — in das mich das Vertrauen dieses Hauses berufen hat — die feierliche konstituierende Versammlung dieser Vertretung gehalten. Es war für uns, die wir aus der Ferne kamen, doch ein etwas betrübender und bedrückender Gedanke, daß so viele Völker, die eigentlich dazugehören, an dieser feierlichen Veranstaltung nicht beteiligt gewesen sind.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß unsere politischen Freunde, die christlich-demokratischen Fraktionen aus den sechs westeuropäischen Ländern, in ihrer Erklärung aus diesem Anlaß ausdrücklich ihre Verbundenheit mit den Menschen auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs zum Ausdruck gebracht und den Wunsch und den Willen kundgetan haben, ihnen so bald als möglich die Freiheit der Entscheidung eines etwaigen Beitritts zu verschaffen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn die Tausende und Zehntausende, die uns zuhören, vielleicht nicht recht zufrieden mit uns sein mögen, so möchte ich ihnen und vielleicht auch uns allen eine Erkenntnis vor Augen halten, ohne die die deutsche Situation heute nicht recht verstanden werden kann. Es ist die Erkenntnis von dem verhängnisvollen Dualismus der deutschen



    Dr. Friedensburg
    Aufgaben, von dem Widerstreit zwischen den beiden großen Pflichten, die unserem Geschlechte in dieser Zeit gestellt sind und die miteinander zu vereinbaren ungeheure Schwierigkeiten bietet. Meine Damen und Herren, wir haben die Aufgabe der Wiedervereinigung, und ich bin der letzte, der nicht ihre Vordringlichkeit betonen will. Ja, ich möchte sagen, wir haben gar nicht das Recht, in Ruhe zu essen und zu trinken und zu schlafen und unsere Feste zu feiern, ehe wir nicht die Wiederherstellung unseres Landes erreicht und den 17 Millionen Menschen den Anspruch auf Freiheit und auf Recht und Ordnung wiederverschafft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber neben dieser gewiß überragenden Aufgabe ist uns eine zweite Verpflichtung gegeben. Das ist die Verpflichtung der Abwehr des Bolschewismus von unserem Lande und der Abwehr des Bolschewismus vielleicht stellvertretend für einen großen Teil der Welt. Auch dieser Verpflichtung können und dürfen wir uns nicht einen Augenblick entziehen. Wir müssen uns ihrer ständig bewußt sein.
    Die unheilvolle Verstrickung der Lage bringt es nun einmal mit sich, daß wir die Wiedervereinigung nur mit der freiwilligen Zustimmung eben jener Macht erreichen können, gegen die wir uns gleichzeitig in Erfüllung der anderen Pflicht mit allen Kräften unseres Herzens und unseres Geistes zu wehren haben. Man kann der deutschen Situation, man kann aber auch den einzelnen politischen Maßnahmen nicht gerecht werden, wenn man sich nicht dieses Konfliktes ständig bewußt ist. Ich versuche immer den Mißbrauch des Wortes „tragisch" als eines bloßen Superlativs von Unglück zu bekämpfen, den Mißbrauch, der sich in unsere Sprache eingeschlichen hat. Hier handelt es sich um eine wahrhaft tragische Verstrickung im Sinne der alten klassischen Definition als eines tödlichen Konflikts zwischen zwei großen sittlichen Aufgaben. Wir bitten unsere Freunde auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, niemals zu vergessen, daß wir beide Aufgabe zu erfüllen haben und daß je nach der Situation, je nach der Dringlichkeit des Augenblicks uns mal die eine, mal die andere stärker vor Augen steht. Vielleicht tun wir ein Unrecht, wenn wir unter dieser Voraussetzung parteipolitisch mal das eine auf der einen Seite und mal das andere auf der anderen Seite überbetonen.
    Es ist vielleicht geradezu ein Unglück für den Wiedervereinigungsgedanken und für den Gedanken der Sicherheit, daß er von den Parteien dieses Hauses, sicherlich in guter Absicht, sicherlich in ehrlicher Überzeugung, zum Gegenstand der parteipolitischen Auseinandersetzung gemacht worden ist. Wir werden uns, glaube ich, besser verstehen und wir werden vielleicht eher zu der uns allen doch irgendwie vorschwebenden gemeinschaftlichen Arbeit gelangen, wenn wir uns jenes Konfliktes bewußt bleiben, Verständnis haben und Nachsicht dafür üben, daß uns das eine einmal etwas dringlicher erscheint als das andere. Ich glaube auch, daß man die Politik der Bundesregierung und die Politik unseres Kanzlers besser und gerechter würdigen wird, wenn man sich dieses tragischen Konflikts stets
    richtig bewußt ist. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, unser Land gegen ein Übergreifen des Bolschewismus zu schützen, und das ist nun einmal nach der Lage der Dinge die unmittelbarere Aufgabe, diejenige, die noch weniger als die andere irgendeinen Aufschub verträgt. Mit Recht haben wir heute immer wieder betonen hören, daß erst auf Grund der geschützten sicheren Stellung eine aktive Wiedervereinigungspolitik möglich sein wird.
    Ich möchte unseren Brüdern und Schwestern auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs und uns selbst aber auch etwas zu den Vorschlägen sagen, die wir von den dortigen Machthabern und von der Sowjetregierung in immer wiederholter Erklärung über die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung hören. Das ist das Problem der Verhandlung mit den Ostberliner Machthabern, das ist das Problem der Gründung einer deutschen Konföderation. Ein Wort dazu scheint mir auch notwendig, weil man, vielleicht weniger in diesem Hause, aber bei manchen politischen Gruppen außerhalb des Hauses, auch Gruppen, die dem einen oder anderen von uns nahestehen mögen, in einer begreiflichen Ungeduld über das Ausbleiben einer aussichtsreichen Wiedervereinigungsentwicklung mit dem Gedanken liebäugelt, man müßte doch in der einen oder anderen Weise den Wünschen der Sowjetregierung nachgeben.
    Soweit ich bisher übersehen kann, sind wir uns alle hier in diesem Hause darin einig, daß eine Verhandlung, ein Sich-an-den-Tisch-Setzen, ein SichAuseinandersetzen mit der Regierung GrotewohlUlbricht nicht in Frage kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber es ist notwendig, sich doch einmal über die bloße instinktive, gefühlsmäßige Ablehnung einer solchen Verhandlung hinaus klarzuwerden, weshalb wir das nicht können, ja nicht einmal dürfen. Ich glaube, Ihrer aller Einverständnis zu besitzen, wenn ich feststelle, daß das Kriterium für die Anwendbarkeit solcher Maßnahmen in der Antwort auf die Frage besteht, ob die Zwangsherrschaft, die die Russen dort eingerichtet haben, gestärkt wird, wenn wir mit ihr verhandeln. Nach diesem Kriterium kommt ein Verhandeln dieser Art nicht in Frage. Ich halte es nicht für ausreichend, daß uns die Leute nicht gefallen. Bismarck hat einmal sehr richtig gesagt: Wer sich in der Politik von Sympathie oder Antipathie leiten läßt, ist ein Landesverräter. Das gilt sicherlich gerade auch für Verhandlungen in den Fragen der Wiedervereinigung. Man muß den Mut haben, auch die Dinge zu tun, die uns unsympathisch sind, wenn wir nur damit einen Schritt weiterkommen.
    Ich halte es auch nicht einmal für ausreichend, zu fragen, ob die Machthaber dort auf streng verfassungsmäßige, in unserem Sinne verfassungsmäßige Weise an die Gewalt gekommen sind. Das Leben bringt es mit sich, daß wir uns mit manchen Leuten auseinandersetzen müssen, auch wenn wir über deren staatsrechtliche Legitimation im Zweifel sein können. Das ist es nicht. Ausschlaggebend ist, daß sie gar nicht entscheiden können, daß sie gar nicht die Möglichkeit haben, in den Verhandlungen mit



    Dr. Friedensburg
    uns zu irgendeinem praktischen Ergebnis ohne die Zustimmung der wirklichen Autoritäten zu gelangen. Vielleicht etwas deutlich ausgedrückt, heißt es: man spricht nicht mit dem Pförtner über den Ankauf eines Hauses, sondern wendet sich an den Hausbesitzer.
    Die Regierung Grotewohl/Ulbricht ist im Jahre 1948 eingesetzt worden. Die Menschen sind von den sowjetischen Besatzungsbehörden sorgfältig ausgesucht worden. Ich erinnere dann an die Junitage 1953, als sich die Bevölkerung — insbesondere die braven Arbeiter — gegen diese Regierung erhoben hat. Sie existierte damals überhaupt nicht mehr. Der stellvertretende Ministerpräsident dieser sogenannten Regierung ist, ohne daß sich irgendeine Hand zu seinem Schutze rührte, im Triumph durch die Straßen von Ost-Berlin weggeführt worden. Es existierte überhaupt keine Gewalt. Erst als die Russen, die wahren entscheidenden Kräfte, ihre Panzer einsetzten, konnte sich Herr Ulbricht mit seinen Leuten wieder aus den Verstecken hervorwagen. Es hat einige Tage gedauert, bis diese sogenannte Regierung überhaupt wieder als Regierung vor ihrem Volke erschienen ist.
    Man kann von uns nicht verlangen, daß wir diese Leute, die lediglich Besatzungsorgane sind, die lediglich Beauftragte sind, deren Existenz in jeder Stunde nur von dem Schutze der sowjetischen Macht abhängt, als eine Regierung ansehen, mit der verhandelt werden könnte.
    Bitte, Kollege Erler!


Rede von Fritz Erler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Friedensburg, meinen Sie nicht, daß das soeben ein glänzender Beweis dafür war, wie notwendig es für die Wiedervereinigung in Freiheit sein könnte, die Frage des Truppenabzugs ganz energisch zur Diskussion zu stellen?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Kollege Erler, es ist gar keine Frage, daß wir damit auch dieses Problem der Lösung näherbringen würden. Ich wüßte hier niemanden, der nicht gern bereit ist, über eine vollständige Abrüstung und Räumung mit jeder Besatzungsmacht zu verhandeln.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich glaube auch, daß wir die Frage der sogenannten Konföderation in diesem Licht zu beurteilen haben. Das Wort klingt ein bißchen verschwommen, ein bißchen verlockend. Kollege Gradl hat gestern sehr richtig gesagt, daß darin die technische Kunst der Sowjetpolitik bestehe, solche Begriffe in die Luft zu werfen und die Menschen damit irgendwie anzulocken. Was soll Konföderation heißen? Eine Konföderation muß doch — wenn wir uns darunter etwas vorstellen sollen und wenn das für uns irgendeinen Fortschritt bedeuten soll — irgend etwas an Gemeinschaft schaffen.
    Wir sollten einmal fragen, wie sich denn die Sowjetregierung eine solche Konföderation in ihren Auswirkungen vorstellt. Soll das heißen, daß, sagen wir einmal, die Lebensmittelrationierung im anderen Teile Deutschlands aufhört? Ich glaube, ein
    guter Teil unserer Kollegen weiß gar nicht mehr, daß drüben seit nun nahezu 20 Jahren die Lebensmittel rationiert sind, daß die Grundration an Fleisch noch heute knapp drei Pfund für den ganzen Monat, an Fett knapp zwei Pfund für den ganzen Monat beträgt. Soll Konföderation zweier deutscher Landesteile heißen, daß der eine Landesteil in diesem Zustand verbleibt, der doch ein schlagender Beweis für die Unfähigkeit und die Ungeeignetheit des dort herrschenden Systems ist, der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Herr zu werden und der Bevölkerung eine bessere Lebenshaltung zu verschaffen? Keiner kann doch von uns verlangen, daß wir ein System in ein neues, vereinigtes Deutschland hinübernehmen, das seine Ungeeignetheit so deutlich erweist.
    Im Jahre 1951, am 1. November, hat man drüben das Gesetz über den Fünfjahresplan verabschiedet, — vor sieben Jahren! In diesem Gesetz ist gesagt, daß die Lebensmittelrationierung spätestens im Jahre 1953 aufgehoben werden müsse. Noch heute, sieben Jahre nach der Verkündung dieses Gesetzes und fünf Jahre nach dem letzten Termin, den das Gesetz setzt, ist die Lebensmittelrationierung noch völlig in Kraft. Man will uns zumuten, die dort geschaffenen Errungenschaften oder, wie sie unser Berliner Freund und Kollege Brandt gelegentlich nennt, „Erzwungenschaften" in unser neues Deutschland hinüberzunehmen. Meine Damen und Herren, können wir es den Deutschen denn zumuten, ein so ungeeignetes, so unfähiges System in einem wiedervereinigten Deutschland zu dulden?
    Ich darf an eine andere Tatsache erinnern. Unter sämtlichen Ländern der Erde ist die sogenannte DDR — ich habe es heute vormittag in den Statistiken noch einmal nachgeprüft — das einzige Land, in dem die Bevölkerung abnimmt. Nach dem eigenen Eingeständnis der dortigen amtlichen Statistik hat in acht Jahren, von 1948 bis 1956, die Bevölkerung um anderthalb Millionen Menschen abgenommen, also um nahezu 10 %, während bei uns die Bevölkerung um 4,8 Millionen Menschen — das sind auch etwa 10 % — zugenommen hat. Diese Abnahme ist erstens auf eine höhere Sterblichkeit, zweitens auf eine niedrigere Geburtenziffer und drittens vor allem auf die ständige Abwanderung in den anderen Teil Deutschlands zurückzuführen. Ich möchte die Russen fragen: wollen wir in einer Konföderation den Zustand aufrechterhalten, daß täglich Hunderte und Tausende vom einen Teil Deutschlands ständig in den anderen hinüberströmen? Und wenn sie sagen, das solle nicht sein, ja, soll dann der Eiserne Vorhang aufrechterhalten bleiben, soll der SSD der Staatssicherheitsdienst — weiter funktionieren, und sollen weiter die drakonischen Gesetze gelten, soll weiterhin Hilde Benjamin Recht oder, wie wir es auffassen, Unrecht sprechen in den deutschen Gerichten? So wäre der Zustand nur nebeneinander aufrechtzuerhalten.
    Meine Damen und Herren, ein wiedervereinigtes Deutschland ist für uns und vor allen Dingen für die 17 Millionen Menschen drüben keine geographische Addition, ist nicht die Schaffung irgend-



    Dr. Friedensburg
    eines Sammelsuriums, bei dem auf der Landkarte nachher „Konföderiertes Deutschland" drüberstehen kann, sondern ist doch ein Land, wo ein Mindestmaß von gleichem Recht, gleicher Ordnung, gleichem Gesetz, gleicher Freiheit für alle Deutschen gilt. Eine Konföderation zwischen zwei Teilen Deutschlands, von denen der eine über sich selbst bestimmen' kann, der andere Teil aber dieses erste und wichtigste Recht, das wir heute jedem Stamm im dunklen Afrika zusprechen, nicht besitzt, ist kein vereinigtes Deutschland in unserem Sinne.

    (Beifall in der Mitte.)

    Man mag vielleicht sagen: Nun, das braucht ja auch nicht gleich zu sein, es kann ein Anfang sein. Meine Damen und Herren, hier steckt der eigentliche Pferdefuß. Durch eine solche Konföderation erreichen wir genau das Gegenteil dessen, was wir wollen, d. h. wir befestigen das Regime von Grotewohl und Ulbricht in diesem deutschen Landesteil.
    Wir wollen die geheimnisvolle Wirkung der modernen Publizistik mit ihrem Fernsehen, Radio und ihren illustrierten Zeitschriften nicht unterschätzen. Wenn einmal monatelang, womöglich jahrelang, über diese Dinge verhandelt wird und unsere Vertreter und die Vertreter der mitteldeutschen Regierung immer am gleichen Tisch zu sehen sein werden, dann können wir vor den eigenen Menschen der Zone und vor der ganzen Welt doch nicht den Standpunkt aufrechterhalten, daß das gar keine Regierung ist. Mit diesem geheimnisvollen Mittel würden wir zur Stärkung oder, sagen wir: I zur Schaffung einer gewissen Autorität für sie überhaupt erst beitragen, also das Letzte tun, was wir eigentlich tun dürfen. Ich nehme an, es wird heute noch über die staatsrechtliche Konstruktion einer solchen Konföderation zu sprechen sein. Ich hoffe, daß tut mein gelehrter Freund von Merkatz.
    Aber ich bitte Sie, die Dinge einmal nüchtern und rücksichtslos bis zum Ende zu durchdenken, um sich dann darüber klar zu sein, daß uns hier etwas zugemutet wird, was seinem Wesen nach absurd und unzumutbar ist und wozu wir niemals die Hand bieten können.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich glaube allerdings — und ich bitte unseren Kollegen Wehner, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich mich nun an ihn wende —, daß manche Vermittlungsvorschläge genauso ungeeignet sind. Kollege Wehner hat der „Süddeutschen Zeitung" ein Interview gegeben und in der Zeitschrift „Geist und Tat" einen Aufsatz zu diesen Problemen veröffentlicht. Ich gebe zu: wie alles, was auf diesem Gebiet erscheint, hat auch das meine lebhafte und fast gierige Aufmerksamkeit erregt. Ich habe mir gedacht: hier wird vielleicht einmal etwas vorgeschlagen, was uns einen Schritt weiterführen könnte. Kollege Wehner, es tut mir leid — Sie wissen, daß ich Ihren leidenschaftlichen Einsatz für die deutsche Wiedervereinigung respektiere —, aber was Sie da vorschlagen, ist überhaupt nicht einmal diskussionsfähig.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es soll als erster Schritt eine deutsche Wirtschaftsvereinigung geschaffen werden. Das heißt, Sie wollen das Pferd am Schwanz aufzäumen. Was vielleicht das schwierigste Stück der ganzen Wiedervereinigung ist, wollen Sie als Einleitung versuchen.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Sie haben wohlweislich darauf verzichtet, das im einzelnen zu erläutern. Sie haben davon gesprochen, daß man die Rechtshilfe in der Frage der Alimentenverpflichtungen usw. regeln könne. Ich glaube, das verdient den etwas anspruchsvollen Namen „Wirtschaftsvereinigung" nicht. Nirgends wird es so schwer sein, Feuer und Wasser, Schwarz und Weiß, ja gestatten Sie den Vergleich, Himmel und Hölle zu verbinden, wie gerade auf dem Gebiet der Wirtschaft, wo ein Zusammenwirken überhaupt unmöglich ist, zumal doch die sowjetische Regierung und die von ihr beauftragten Leute alles daransetzen, den Landesteil auf der anderen Seite der Elbe auf wirtschaftlichem Gebiet unserer Wirtschaftsentwicklung zu entfremden.
    Fast noch schlimmer ist der zweite empfohlene Schritt. Ich bitte den Kollegen Wehner, es mir auch hier nicht übelzunehmen, wenn ich das ausdrücklich anspreche. Ich tue es, weil ich davor warnen will. Nicht jeder Vorschlag ist geeignet; er muß durchdacht sein und Hand und Fuß haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    In der „Süddeutschen Zeitung" hat Kollege Wehner als zweiten Schritt einen gemeinsamen Investitionsfonds empfohlen. Für diejenigen unter Ihnen, die wirtschaftlich nicht besonders geschult sind — und ich glaube, ich darf den Kollegen Wehner dazu rechnen, was kein Vorwurf ist —, klingt das so hübsch. Die Schaffung eines Investitionsfonds heißt aber doch letzten Endes, daß wir Herrn Ulbricht in seinem Regime nun noch mit unserem Geld unterstützen sollen, damit seine Herrschaft überhaupt nicht mehr abgelöst werden kann.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Ich glaube, Herr Wehner erwartet selber nicht, daß Herr Ulbricht mit seinen D-Mark-Ost zur Investition für uns beitragen wird. Ein solcher Vorschlag kann überhaupt erst in Frage kommen, wenn wir durch unseren Einsatz die Lebensverhältnisse dort ernsthaft bessern können.

    (Abg. Erler: Das ist doch der Sinn des Vorschlags!)

    Ich denke, Herr Kollege Wehner wird mir zugeben — wir sind uns sicher darin einig daß im Falle der Wiedervereinigung kein Opfer hoch genug sein wird, um die Lebenshaltung dort zu bessern.

    (Zuruf von der SPD: Wer soll sie denn bessern?)

    — Wir bessern sie jedenfalls nicht, indem wir Herrn Ulbricht Geld geben, damit er seine Volkspolizei und seine Volksarmee aufbauen kann.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Ich wiederhole es: kein Opfer — ich bin sicher, daß wir uns da völlig einig sind —, das eines



    Dr. Friedensburg
    Tages gebracht werden wird und gebracht werden muß, ist hoch genug, um die Lebenshaltung der 17 Millionen zu bessern und um die industrielle und wirtschaftliche Ausrüstung dort einigermaßen auf den Stand zu bringen, den wir in Westdeutschland haben.

    (Zuruf von der SPD: Wann denn?)

    Aber solange diese Unterstützung, dieser Einsatz nur dazu dienen kann, das dortige Regime zu festigen, ist kein Pfennig dafür zu zahlen.

    (Abg. Erler: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

    — Bitte.