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ID0301906100

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    Deutscher Bundestag 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Inhalt: Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1958 (Drucksache 277); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksache 292) 917 B Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238); 917 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) . . . 917 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . • 917 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 929 D, 944 D Wehner (SPD) 930 A Dr. von Brentano, Bundesminister . 945 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 947 C Dr. Friedensburg (CDU/CSU) . . . 959 C Frau Wessel (SPD) 964 D Lemmer, Bundesminister 976 A Dr. Kliesing (CDU/CSU) (§ 36 GO) 979 D Erler (SPD) (§ 36 GO) . . . . . . 980 C Dr. von Merkatz (DP) 981 A Döring (Düsseldorf) (FDP) 988 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) . . . . . 996 C Strauß, Bundesminister 1003 C Nächste Sitzung 1012 C Anlagen • 1013 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. März 1958 917 19. Sitzung Bonn, den 21. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr. Atzenroth 21. 3. Dr. Baade 21. 3. Bazille 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 21. 3. Conrad 18. 4. Cramer 21. 3. Euler 21. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21. 3. Dr. Furler 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Geiger (München)* 21. 3. Gottesleben 8. 4. Graaff 22. 3. Dr. Greve 22. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 4. Frau Dr. Hubert 12. 4. Illerhaus* 21. 3. Jahn (Frankfurt) 29. 3. Jürgensen 31. 3. Frau Kipp-Kaule 29. 3. Dr. Kopf* 21. 3. Kroll 21. 3. Kunst 21. 3. Kunze 15. 5. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg* 29. 3. Lücker (München)* 21, 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mauk 21. 3. Mellies 25. 4. Müller (Worms) 22. 3. Neumann 12. 4. Dr. Oesterle° 21. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pütz 22. 3. Rademacher 21. 3. Ramms 31. 3. Scheel* 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 22. 3. Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Struve 22. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 21. 3. Walter 21. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. b) Urlaubsanträge Diel (Horressen) 19. 4. Anlage 2 Drucksache 292 Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) (Drucksache 277) Berichterstatter: Abgeordneter Pernoll Der Außenhandelsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 19. März 1958 mit dem Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1958 (Montafoner Braunvieh usw.) - Drucksache 277 - befaßt. Nach längerer Aussprache hat der Ausschuß einstimmig der Verordnung mit den aus der Anlage sich ergebenden Änderungen zugestimmt. Bonn, den 19. März 1958 Pernoll Berichterstatter
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    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Wehner veranlassen mich doch zu einigen Korrekturen, zu einigen Bemerkungen. Zunächst einmal hat Herr Kollege Wehner die nicht mehr sehr neue und auch nicht mehr sehr originelle Behauptung wiederholt, die Bundesregierung und die hinter ihr stehenden Parteien hätten den Eintritt in die Atlantische Gemeinschaft damit begründet, daß dieser Eintritt die Wiedervereinigung herbeiführe. Wie oft muß es noch gesagt werden, daß das nicht richtig ist, daß wir aber wohl der Meinung waren, sind und bleiben, daß wir die Wiedervereinigung nur erreichen, wenn wir sie anstreben zusammen mit Bündnispartnern, die sich dieses Anliegen zu eigen machen?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und warum ist es eigentlich so, daß man in anderen Teilen der Welt, auch in den sozialistischen Parteien, diese Dinge so klar sieht, und warum ist es so, daß man sie hier nicht sieht?
    Darf ich auf das verweisen — Sie haben von
    Osterreich gesprochen und mir damit ein Stichwort gegeben —, was noch vor wenigen Tagen der Ihnen sicherlich bekannte sozialdemokratische österreichische Nationalrat Czermetz gesagt hat? Er hat erklärt, als er über die Österreichfrage sprach, man habe geglaubt, daß das Scheitern der



    Bundesaußenminister Dr. v. Brentano
    EVG die sowjetische Nachgiebigkeit erhöhen werde. Das Gegenteil war der Fall. Nie sei die Haltung der Sowjets gegenüber den Westmächten und Österreich versteifter gewesen als nach dem Fall der EVG. Er fährt dann fort, er sei sich bewußt, daß Österreich seinen Staatsvertrag nicht in der Zeit der Schwäche nach dem Scheitern der EVG, sondern deswegen erhalten habe, weil der Westen im Zeitpunkt der Abschließung der Pariser Verträge eine entschlossene Politik der Stärke betrieben habe.

    (Hört! Hört! in der Mitte.) Soweit ein österreichischer Sozialdemokrat.

    Sie haben mir dann vorgeworfen, Herr Kollege Wehner, ich hätte gestern die Abrüstung in einer Weise mit der Frage der Wiedervereinigung gekoppelt, daß ich damit die Abrüstung praktisch unmöglich gemacht hätte. Sie haben die Politik des Alles oder Nichts beanstandet. Herr Kollege Wehner, ich glaube, Sie haben meine Ausführungen nicht gelesen. Meine Ausführungen entsprechen im wesentlichen dem, was ein anderer Redner, Herr Kollege Ollenhauer, hier im Hause einmal gesagt hat:
    So vordringlich und so umfassend das Problem der allgemeinen Abrüstung ist, es wird sich auch hier um einen langwierigen Prozeß handeln, ehe wir zu einem Erfolg kommen können. Unter keinen Umständen darf die Vorrangsbedeutung der Abrüstung dahin gehen, daß wir uns damit abfinden, die Diskussion über die Wiederherstellung der deutschen Einheit könne nur ein Resultat einer erfolgreichen internationalen Abrüstung sein. Sondern wir müssen auf der Linie argumentieren, daß die Wiederherstellung der deutschen Einheit eine Abmachung über internationale Abrüstung erleichtert, weil sie einen entscheidenden Gefahrenpunkt in der europäischen Politik aus der Welt schafft.
    Soweit Herr Kollege Ollenhauer. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich in dieser Beurteilung voll und ganz mit ihm übereinstimme. Und wenn Sie mir vorwerfen, daß ich mit meiner These die Abrüstung erschwerte, dann müssen Sie diesen Vorwurf Ihrem eigenen Parteivorsitzenden machen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es liegt mir daran, noch zu den Ausführungen zu sprechen, die Herr Kollege Wehner zu den Vorgängen in den Jahren 1952 und 1953 gemacht hat. Meine Damen und Herren, es ist wirklich an der Zeit, daß wir hier einer peinlichen Legendenbildung entgegentreten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Legenden werden nicht dadurch Wahrheit, daß man sie immer von neuem wiederholt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn man den Herrn Kollegen Wehner gehört hat, mußte man den Eindruck haben, daß die Bundesregierung im Jahre 1952 sich eifrig bemüht habe, alles zu tun, was der Einheit schädlich, und alles zu verhindern, was ihr förderlich sein könnte. Herr Kollege Wehner hat die Note der Sowjetunion genannt. Sie wissen selbst, es handelt sich insgesamt um vier Noten der sowjetischen Regierung, die im Jahre 1952 herausgegangen sind, vier Noten, in deren Beurteilung wir damals — vergessen Sie das nicht! — einig waren. Denn damals, Herr Kollege Wehner, haben auch Sie sich leidenschaftlich gegen die Vorschaltung eines Provisoriums gewandt. Das war der Ausgangspunkt der Diskussion bei allen diesen Noten, und in allen Noten war dieses Provisorium vorgeschaltet. Ich stelle mit einer gewissen Nachdenklichkeit fest, daß in dieser Frage Ihre Auffassung offenbar eine andere geworden ist; denn was Sie heute über das Gespräch mit der DDR gesagt haben, scheint mir so auszulegen zu sein, daß Ihre Bedenken gegen die Vorschaltung eines Provisoriums nicht mehr oder nicht mehr im gleichen Umfange bestehen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Aber was ist geschehen, nachdem die sowjetrussischen Noten gekommen waren? Darf ich Sie daran erinnern, daß damals die Vereinten Nationen einen Unterausschuß zur Untersuchung der Voraussetzung für. freie Wahlen eingesetzt haben? Darf ich Sie daran erinnern, daß dieser Unterausschuß am 30. April 1952 in seinem ersten Bericht erklärt hat, daß sämtliche Briefe und Anfragen an die Sowjetunion unbeantwortet geblieben seien? Darf ich Sie daran erinnern, daß dieser Ausschuß weiterhin seine guten Dienste bereitgehalten und am 5. August 1952 erneut einen Bericht erstattet hat? Darin heißt es:
    Während der drei Monate, die der Ausschuß unter nicht geringen Opfern der beteiligten Mitgliederregierungen in Genf in beständiger Tagung blieb und jederzeit bereit war, seine Aufgabe in Angriff zu nehmen, sobald es möglich war oder möglich schien, einen dahingehenden Versuch zu unternehmen, war es immer offensichtlicher geworden, daß die mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit und Unterstützung des Ausschusses bei der Erfüllung seiner Aufgaben, die auf der 6. Tagung der Vollversammlung seitens der Vertreter der UdSSR und der sowjetischen Behörden an den Tag gelegt wurde, unverändert fortbesteht.
    Meine Damen und Herren, darf ich Sie daran erinnern, daß wir dann im Jahre 1953 einmütig eine Entschließung gefaßt haben, von der Sie heute sagen, Herr Kollege Wehner, Sie hätten ihr nur zugestimmt, weil damit noch eine gewisse Freiheit der Bundesrepublik gegenüber dem Westen erhalten werden sollte? Ich darf dazu auf das verweisen, was Herr Kollege Ollenhauer an diesem Tage gesagt hat. Er hat dieser Entschließung nicht zugestimmt mit der Begründung: Wir müssen uns gegenüber dem Westen eine Entschließungsfreiheit bewahren. Er hat vielmehr gesagt:
    Was in dieser Entschließung steht, sind Feststellungen, die in den vergangenen Diskussionen gemeinsam von der Koalition und von der Sozialdemokratie getroffen worden sind. Die



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Sozialdemokratie sieht nicht den geringsten
    Anlaß, von den Beschlüssen, die hier zitiert und die mit ihrer Zustimmung gefaßt worden sind, abzugehen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Wir sind der Meinung, daß es sich hier um die Feststellung einer Selbstverständlichkeit handelt.

    (Erneute Rufe: Hört! Hört! in der Mitte.)

    Herr Kollege Wehner, danach steht es Ihnen wohl nicht gut an, heute zu sagen, man habe damals dieser Entschließung zugestimmt, weil sie ein Minimum an Freiheit gegenüber dem Westen garantiert habe.
    Darf ich Sie daran erinnern, daß die Bundesregierung am 1. Juli 1953 dann ein Sofortprogramm über die Wiedervereinigung vorgelegt hat. Die Hauptpunkte dieses Programms waren: Öffnung aller Zonenübergänge, Aufhebung der Sperr- und evakuierten Zonen, Freizügigkeit aller Deutschen in ganz Deutschland, Presse- und Versammlungsfreiheit, Zulassung der Parteien, Schaffung demokratischer Rechtsformen zum Schutze der Menschen gegen Willkür und Terror. Auch dieses Sofortprogramm wurde abgelehnt. Wir haben es damals, weil wir noch keine eigene Außenpolitik zu treiben in der Lage waren, durch die Außenminister und Ministerpräsidenten der westlichen Alliierten der Sowjetunion zuleiten lassen. Darf ich daran erinnern, daß dann die Vereinigten Staaten, Frank-
    3 reich und das Vereinigte Königreich am 15. Juli 1953 erneut eine Note an die Sowjetunion gerichtet haben. Sie 'haben eine Konferenz mit begrenzter Dauer vorgeschlagen. Sie haben das Thema für die Diskussion vorgeschlagen : Organisation freier Wahlen — Organisation freier Wahlen, meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik, in der Ostzone und in Berlin. Das Thema würde unter anderem die Aussprache über die notwendige Garantie für die Freizügigkeit des Reisens, die Aktionsfreiheit für Parteien und anderes mehr bedingen. Auch diese Note wurde abgelehnt, blieb ohne Antwort.
    Dann kam die Berliner Konferenz. Über diese Berliner Konferenz haben Sie harte Worte gesprochen, Herr Kollege Wehner. Sie waren der Meinung, daß man auch damals die Möglichkeiten nicht ausgenutzt hat. Darf ich Sie daran erinnern, daß wir hier am 25. Februar 1954 einmütig — auch mit Ihren Stimmen, Herr Kollege Wehner — eine Entschließung gefaßt haben, in der es heißt:
    Der Deutsche Bundestag bedauert auf das tiefste, daß die Berliner Konferenz keine Lösung der Deutschlandfrage gebracht hat. Aus den Stellungnahmen des sowjetischen Außenministers geht eindeutig hervor, daß die Sowjetunion heute nicht willens ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zuzulassen. Der Deutsche Bundestag dankt den Außenministern der Westmächte, daß sie sich mit großer Entschiedenheit für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit eingesetzt haben.
    Meine Damen und Herren! Diesem Dank an die Vertreter der Westmächte haben Sie sich in dieser Entschließung angeschlossen. Was soll es denn heute bedeuten, daß Sie der Bundesregierung, daß Sie den Westmächten den Vorwurf machen, sie hätten in den Jahren 1952, 1953 und 1954 alles getan, um eine Lösung der Deutschlandfrage zu sabotieren.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich glaube, daß wir hier keine gute Aussprache führen, wenn wir so tun, als läge die Schuld an dem, was wir heute zu beklagen haben, hier in Deutschland bei der Bundesregierung sowie beim Bundestag, und wenn wir darüber vergessen, daß es eine Macht gibt, an die wir eine Forderung haben, eine politische, eine menschliche, eine moralische Forderung, und daß diese eine Macht — das ist die Sowjetunion — bisher, bis zur Stunde auf diese Forderung, die wir gemeinsam mit den Nationen der freien Welt und gemeinsam mit Ihnen erhoben haben, nur nein geantwortet hat.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jaeger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Wehner hat in seinen Ausführungen, vor allem auch in seinem zweifellos von Ernst getragenem Schlußwort erneut die Frage aufgeworfen, die eine hiesige Zeitung veranlaßt hat, über die Bundestagsdebatte die Überschrift zu setzen: „Atomwaffen — ja oder nein". Zweifellos ist dies die Frage, die in dieser Debatte am meisten die Gemüter erregt, und das mit Recht, da es sich um eine Frage von ungeheurem Ernst handelt, einem Ernst, den wir weiß Gott nicht minder erkennen als diejenigen, die die Zustimmung hierzu verweigern wollen. Im Gegenteil, diejenigen, die die Verantwortung tragen, müssen sich wohl über den Ernst dieser Situation in besonderer Weise klar sein.
    Es handelt sich, wie der NATO-Oberbefehlshaber General Norstad mit Recht gesagt hat, um eine politische Entscheidung, wenn auch auf der Grundlage der heutigen Militärtechnik. Es handelt sich um eine politische Entscheidung und auch, meine Damen und Herren, um eine Entscheidung, die in diesem Hohen Hause getroffen wird. Es sind keine vollendete Tatsachen geschaffen! Tatsachen werden erst geschaffen werden, wenn dieses Haus seine Entscheidung gefällt hat.
    Der Herr Abgeordnete Dr. Arndt hat gestern den schweren Vorwurf gegen die Regierungsparteien erhoben, sie hätten die Bundestagswahl unter falschen Voraussetzungen geführt, sie hätten vor der Wahl erklärt, daß sie gegen Atomwaffen seien, und nunmehr träten sie für diese Atomwaffen ein. Meine Damen und Herren, es ist in diesem Hause üblich geworden, daß man sich immer wechselseitig zitiert. Sich selbst zitiert man wenig. Wenn sich ge-



    Vizepräsident Dr. Jaeger
    wisse Herren selbst zitieren würden, würde es vielleicht besonders interessant werden. Aber ich möchte hier zu Anfang meiner Ausführungen das wiederholen, was ich als Sprecher meiner Fraktion in Verteidigungsfragen am 22. Mai 1957, also zu einer Zeit, in der längst der Wahlkampf heraufgezogen war, zu dieser Frage in diesem Hohen Hause gesagt habe. Ich habe damals gesagt:
    . . . alle Mitglieder unserer Fraktion hoffen aus vollem Herzen, daß eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr nicht notwendig sein wird, . . . weil wir alle hoffen, daß die kontrollierte Abrüstung auf atomarem und konventionellem Gebiet bis zu dem Zeitpunkt, wo das technisch überhaupt erörterungswert ist, . . . gelungen ist.
    Diese Meinung und unser aller Hoffen, auch Ihr Hoffen, auf ein Gelingen der Abrüstungsverhandlungen gründeten sich auf die Tatsache der Konferenz in London. Diese Konferenz ist wenige Tage vor der Bundestagswahl gescheitert. Damit ist zweifellos eine ganz andere Situation geschaffen. Wir haben uns niemals gegen die Atomwaffen ausgesprochen, sondern wir haben damals die Entscheidung vertagt mit der Begründung und in der Hoffnung, daß die Abrüstungskonferenz in London uns diese Entscheidung überhaupt ersparen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß uns die Konferenz in London das nicht erspart hat, daß die Konferenz gescheitert ist, daran ist von allen Mächten am wenigsten die Bundesrepublik schuld, die dort überhaupt nicht vertreten war.
    Nun aber scheint der Zeitpunkt einer Entscheidung gekommen, nicht zuletzt auch, weil die Oppositionsparteien mit ihrem Antrag solch eine Entscheidung selbst herbeiführen wollen. Außerdem ist wegen der Dauer der Ausbildung an solchen Waffen von etwa 18 Monaten eine frühzeitige Entscheidung notwendig. Wir wollen nicht, daß dieses Hohe Haus vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wir wollen die Entscheidung selbst fällen.
    Man kann diese ernste Frage nur beantworten, indem man unserem deutschen Volk die ungeschminkte Wahrheit sagt. Man kann nicht mit Schlagworten darüber hinwegtäuschen. Wir wollen diese Auseinandersetzung in Offenheit und Redlichkeit führen. Wir wollen nichts verkleinern, und wir wollen nichts übertreiben. Von „gemütlichen Sachen", Herr Kollege Erler, haben wir alle miteinander nicht gesprochen. Wir wissen, daß moderne Waffen — auch konventionelle übrigens, erst recht diese — alles andere als gemütliche Sachen, vielmehr höchst ungemütliche Sachen sind. Aber man soll die Dinge auch nicht ins Uferlose übertreiben und soll nicht tun, als ob hier eine völlig neue Tatsache geschaffen werde, wo es sich doch, im großen gesehen, um eine längst bekannte Tatsache handelt. Seit rund vier Jahren bereits lagern auf dem Gebiet der Bundesrepublik atomare Waffen. Das wissen nicht nur die Mitglieder des Verteidigungsausschusses, das ist öffentlich gesagt worden. Ich will, damit ich einen möglichst glaubwürdigen Zeugen anführe, den Herrn Kollegen Mellies zitieren, der im „Hamburger Echo" am 23. August 1956 geschrieben hat:
    In der Bundesrepublik sind, wie jeder weiß, Atomkanonen stationiert.
    Also der Herr Kollege Mellies stellt fest, daß es jeder weiß. Dann, glaube ich, darf auch ich es feststellen, und dann geht daraus hervor, daß die von Ihnen behauptete Gefahr, die aus dem Vorhandensein solcher Sprengköpfe in Deutschland herrührt, gar nicht eine so neue Angelegenheit ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie haben recht, wenn Sie sagen — und ich bestreite das nicht —, daß die Unterscheidung, die strategischen Atomwaffen seien große und die anderen kleine Waffen, eine ungenaue, sozusagen über den Daumen gepeilte Unterscheidung ist. Wir wollen uns darauf gar nicht einlassen, sondern wir wollen ganz konkret feststellen, über was das Hohe Haus jetzt entscheiden muß und was mit der Zustimmung zu taktischen Atomwaffen nicht betroffen wird.
    Zuerst einmal werden damit für unsere Bundeswehr keineswegs Wasserstoffbomben, also die furchtbarste Waffe, die die Menschheit bisher erfunden hat, angeschafft, denn diese Waffe kann nur strategisch und nicht taktisch angewandt werden. Sodann werden damit weder Interkontinentalraketen noch die viel besprochenen mittleren Raketen angeschafft. Wir haben Grund zu der Annahme — es wurde auch schon von amtlicher Seite erklärt —, daß an die Stationierung dieser mittleren Raketen in der Bundesrepublik auf eine Reihe von Jahren nicht gedacht ist, und später wird vielleicht diese Rakete längst wieder überholt sein. Sie geben nicht Ihre Zustimmung zur Produktion atomarer Waffen, meine Damen und Herren; denn wir haben in einem Vertrag, an dem eine Reihe anderer westlicher Staaten beteiligt sind, hierauf verzichtet, und dieser Vertrag besteht in voller Gültigkeit. Schließlich und endlich aber hat auch die Bundeswehr wie alle anderen Staaten, die mit diesen Waffen ausgestattet werden, keine Verfügungsgewalt über die Atomarsprengköpfe. Diese verbleibt bei den Vereinigten Staaten.
    Wenn man der merkwürdigen Meinung ist, die der Herr Kollege Maier — verzeihen Sie, ich muß ihn ja mit dem vollen Titel anreden —, die der Herr Kollege Altministerpräsident Abgeordneter Dr. Reinhold Maier

    (Heiterkeit)

    ausgesprochen hat, daß der Herr Verteidigungsminister schießen würde, d. h. daß man einem deutschen militärischen und zivilen Vorgesetzten mehr mißtrauen muß als einem alliierten militärischen oder zivilen Vorgesetzten —, ich kann dazu nur sagen: eine sehr merkwürdige und eine sehr traurige Meinung! —,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    wenn jemand also diese Meinung teilt, so muß
    man entgegenhalten: der deutsche Verteidigungs-



    Vizepräsident Dr. Jaeger
    minister — er heiße, wie er wolle — hat gar nicht die Verfügungsgewalt. Den Schlüssel behalten nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten die Generale der Amerikaner.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sodann möchte ich einmal auf etwas aufmerksam machen, was bei dieser Waffe besonders auffällig ist. Wenn eine Waffe erfunden wird, dann ist es im allgemeinen so, daß man die Wirkung dieser Waffe zu steigern versucht und daß man sie immer weiter und immer mächtiger und immer kräftiger entwickelt. Seit die Atombombe erfunden wurde, bemühen sich die Ingenieure, diese Waffe für Zwecke der Kriegführung möglichst klein zu machen, um sie in die Hand zu bekommen. Es ist überholt, was Herr Kollege Erler sagt, daß die kleinste taktische Atombombe die Größe der Bombe von Hiroshima hat. Ich habe mich vor dieser Debatte genau bei den Fachleuten, auf die Sie sich sonst so gern berufen, erkundigt. Sie haben festgestellt, daß es bereits gelungen ist, die Bomben auf ein Drittel zu verkleinern, und man hofft, sie in Bälde auf ein Zehntel zu verkleinern.
    Meine Damen und Herren, auch diese Hoffnung ist nichts Neues. Ich darf wieder aus dem gleichen Artikel des Herrn Kollegen Mellies zitieren, der damals — schon 1956, wo er offenbar selbst schon sehr gut informiert war — gesagt hat:
    Man macht heute alle Anstrengungen, um für Waffen möglichst kleinen Kalibers auch Atomgeschosse zu verwenden. Was heute noch unmöglich erscheint, wird bei der rasenden Entwicklung morgen oder übermorgen bereits Tatsache sein.