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ID0301810000

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    Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte!


Rede von Karl Wienand
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Kiesinger, Sie haben vorhin mit Empörung zum Ausdruck gebracht

(Zuruf von der Mitte: Sie wollen doch eine Frage stellen!)

— ich komme zu der Frage —, daß Sie eine Unterstellung vom Kollegen Maier

(Zuruf von der Mitte: Er ist Abgeordneter!)

— ist das nicht unser Kollege? —, vom Abgeordneten Dr. Maier vorhin vernommen hätten, der Herr Minister Strauß wolle schießen. Sie haben dann mit Empörung gesagt, daß Sie das als eine Verleumdung betrachten. Und jetzt komme ich zu meiner Frage: Sind Sie mit mir einig, daß ich, wenn Sie zum mindesten jetzt die Unterstellung uns gegenüber bringen, wir setzten die Freiheit aufs Spiel, dann auch das als Verleumdung zurückweisen darf?

(Beifall bei der SPD.)


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    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege, nicht das mindeste in meinen Worten deutete darauf hin, daß ich unterstellen wollte, daß etwa die Sozialdemokraten die Freiheit unseres Landes wissentlich und willentlich aufs Spiel setzen würden. Heute nachmittag hat jemand — es war wohl mein Kollege Strauß — auf einen Zwischenruf von Herrn Wehner gesagt: Jawohl, wir anerkennen das große Verdienst der Sozialdemokratie — ich erinnere an die Urabstimmung damals —, wir anerkennen das Verdienst Kurt Schumachers daran, daß die deutsche Arbeiterschaft oder jedenfalls der Teil der



    Kiesinger
    deutschen Arbeiterschaft, der sich zur Sozialdemokratie bekennt — zu uns bekennen sich genauso viele Arbeiter oder noch mehr —, bei der Freiheit geblieben ist.
    Die Frage ist eine andere. Ich hoffe doch sehr —
    so habe ich auch Ihre Argumente verstanden mit Ausnahme dieser einzigen bedauerlichen Andeutung von Herrn Erler, von der er leider Gottes nicht deutlich genug abgerückt ist —, ich hoffe doch sehr, Sie wollen auch uns nicht willentliche Verletzung der Interessen unseres Volkes vorwerfen! Ihre Argumente gehen doch vielmehr dahin, daß unsere Politik nicht die richtige Politik sei. Nun, das ist demokratische Kritik; das müssen wir uns gefallen lassen, das müssen auch Sie sich gefallen lassen.

    (Abg. Jacobi: Aber es gibt einen Spruch, der lautet: Sie wissen nicht, was sie tun!)

    — Lieber Herr Kollege Jacobi, das ist ein sehr billiges Argument. Ich könnte es Ihnen zurückgeben; aber ich bin gerade dabei, zu versuchen, Ihnen klarzumachen, was wir uns unter unserer Politik denken.
    Herr Kollege Arndt sagte heute, man höre einander schon nicht mehr zu. Bitte, hören Sie zu, was ich nun dazu sagen will.

    (Zurufe von der SPD.)

    Es gibt immer wieder die Verdächtigung aus Ihren Reihen, daß unsere Politik, insbesondere in der Frage der Wiedervereinigung, keine ehrliche Politik sei. Von diesem Tenor waren die Ausführungen der Herren Kollegen Dehler und Heinemann in der Nacht zum 23. Januar getragen.

    (Zuruf von der SPD: Waren sogar bewiesen!)

    — Was sogar bewiesen sei, Sie hören es. Herr Heinemann sagte damals, die Sowjetunion habe in ihrer Note vom März 1952 angeboten — nun wörtlich —: „Wiederherstellung der deutschen Einheit, Redefreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, freie wirtschaftliche Entwicklung, nationale Streitkräfte für ein wiedervereinigtes Deutschland, Aufnahme in die Vereinten Nationen, gesamtdeutsche Regierung, hervorgehend aus freien Wahlen, alles das unter der Bedingung, daß Deutschland sich nicht an Militärbündnissen beteilige".
    Herr Dr. Heinemann, ich wage es, den Beweis anzutreten, daß diese Behauptung objektiv unwahr ist. Obwohl Sie, Herr Dr. Heinemann, sich über die Zwielichtigkeit der sowjetrussischen Ausdrucksweise nicht im unklaren sein können, obwohl Sie wissen, was dort Ausdrücke wie „Redefreiheit", „Pressefreiheit", „Demokratie" usw. bedeuten, haben Sie auch im schriftlichen Protokoll des Bundestages nicht eines dieser Worte in Anführungsstriche gesetzt.

    (Abg. Wehner: Beckmesser!)

    — „Beckmesser", Herr Wehner? Sie nennen es „Beckmesserei", obwohl wir wissen, daß der sowjetrussische Ausdruck „friedliebender, demokratischer Staat" noch nie auf einen anderen Staat angewendet worden ist als auf die Sowjetunion selbst, ihre Satelliten und Mitläufer?

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich will Ihnen beweisen, Herr Kollege Wehner, was es mit dieser Beckmesserei auf sich hat.
    Herr Heinemann, Sie haben an jenem Abend nicht gesagt, was Sie hätten sagen sollen

    (Lachen bei der SPD — Zurufe von der SPD: Haben Sie es denn gesagt? — Sie haben doch auch geschwiegen!)

    — drum sage ich es jetzt —,

    (Zuruf von der SPD: Da haben Sie lange Zeit dazu gebraucht!)

    daß die Sowjetunion während des Notenwechsels des Jahres 1952 die Anerkennung der Oder-NeißeGrenze verlangte. Das war auch in dem Bündel von Angeboten der Sowjetunion enthalten. Warum haben Sie es verschwiegen? Sie haben verschwiegen, daß die Sowjetunion die Wiedervereinigung Deutschlands mit der „beckmesserischen" Einschränkung, Herr Wehner, anbot, daß das wiedervereinigte Deutschland ein „demokratischer, friedliebender Staat" sein müsse, also einer jener Staaten, die unter sowjetrussischer Herrschaft stehen. Sie haben verschwiegen, daß die Sowjetunion in ihrer Note vom 23. August 1952 diese Wiedervereinigung verstanden wissen wollte als „eine Vorbereitung für die endgültige Umgestaltung des politischen Lebens in Deutschland".

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Sie haben nicht gesagt, daß die Sowjetunion in diesem Zusammenhang für kommunistische Organisationen volle Bewegungsfreiheit bei den Wahlen forderte, aber andererseits verlangte, daß Organisationen verboten werden sollten, die, wie sie sich ausdrückte, der Demokratie und der Sache der Erhaltung des Friedens feindlich seien. Ist das nicht auch ein uns wohlbekannter Sprachgebrauch der Sowjetrussen? Diese „Leute, die dem Frieden und der Sache der Demokratie feindlich sind" — mein Freund Tillmanns hat es schon einmal im Zusammenhang mit der Note von 1952 gesagt —, sind wir alle in diesem Hause. Was bedeutet also die Forderung der Sowjetunion in diesem Zusammenhang? Warum gehen Sie über diese Ausdrucksweise hinweg? Warum greifen Sie nur das heraus, von dem Sie glauben, daß es Ihrem Wunschdenken günstig sei?
    Herr Heinemann, Sie haben auch kein Wort zu den sowjetrussischen Vorstellungen über die Reihenfolge der von den Sowjetrussen vorgeschlagenen Verhandlungen gesagt. Diese Reihenfolge, die außerordentlich bedeutungsvoll, die geradezu das entscheidende Element der Verhandlungen ist, kommt am klarsten in der sowjetrussischen Note vom 23. August 1952 zum Ausdruck. Dort heißt es:
    Die Sowjetregierung schlägt vor, eine Konferenz von Vertretern der vier Mächte mit folgender Tagesordnung einzuberufen: erstens, Vorbereitung eines Friedensvertrages mit



    Kiesinger
    Deutschland; zweitens, Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung; drittens,
    — erst drittens! —
    Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen und Bildung einer Kommission zur Prüfung der Frage, ob in Deutschland die Voraussetzungen für die Durchführung derartiger Wahlen gegeben sind.
    Was bedeutet das denn? Das bedeutet, daß die Sowjetunion durch die Noten vom Jahr 1952 tatsächlich keine freien Wahlen angeboten hat. Sie schob die Vorbereitung eines Friedensvertrags und. die Schaffung einer sogenannten gesamtdeutschen Regierung an die Spitze, um sich dadurch jede Möglichkeit für die weitere Behandlung freizuhalten, um vor allen Dingen entweder wahrhaft freie Wahlen verhindern zu können oder solche Wahlen durchzusetzen, die ihrer eigenen Vorstellung von freien Wahlen entsprachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist wirklich nicht schwer, sich vorzustellen, was geschehen wäre, wenn man sich darauf eingelassen hätte. Nach den Besprechungen über den sogenannten Friedensvertrag und der Einsetzung einer sogenannten gesamtdeutschen Regierung unter Beteiligung Pankows hätte die Sowjetunion jede Möglichkeit gehabt, die Verhandlungen nach ihrem Willen zu leiten und sie auf alle Fälle endlos zu verzögern Wie sie sich die Prozedur vorstellte, ergibt sich daraus, welche Organisationen begünstigt, welche Organisationen verboten sein sollten. Glaubt jemand im Ernst, die Sowjetunion hätte damals wirklich freie Wahlen gewollt und zugestanden, freie Wahlen, die die Beendigung des kommunistischen Systems in der Zone und gewaltige Erschütterungen im ganzen Satellitenraum nach sich gezogen hätten?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Mattick: Warum haben Sie es nicht probiert?)

    — Darauf komme ich zurück. Was die Sowjetunion beständig wollte, war die Isolierung Deutschlands von der freien Welt.
    Herr Dehler hat in der Debatte vom 23. Januar dem Herrn Bundeskanzler mit besonderer Schärfe den Vorwurf des schlechten Willens in der Frage der Wiedervereinigung gemacht. Er meinte:
    Man will nichts aus den letzten vierzig Jahren lernen; nicht die einfachsten Tatsachen nimmt man zur Kenntnis: daß innere Vorgänge einer Diktatur niemals die Haltung einer Diktatur nach außen ändern.
    Das meinte er, weil er sagte, der Bundeskanzler warte darauf, daß in der Sowjetunion innere Vorgänge eines Tages auch eine Änderung ihrer Außenpolitik herbeizögen.
    In derselben Rede, zehn Minuten später, hat Herr Thomas Dehler gesagt:
    Wir wisen jetzt, daß damals, im März 1952,
    Stalin innenpolitisch in einer verzweifelten
    Lage war. Wir wissen heute, wie dieser so allmächtig erscheinende sowjetrussische Diktator in Wirklichkeit ein vereinsamter Mensch war. Er hat uns in dieser schwierigen inneren Lage, um seine Schwierigkeiten nach außen abzulenken, diesen Vorschlag gemacht.'
    Herr Thomas Dehler, wir haben so oft die betrübliche Feststellung machen können, daß Ihre Reden von heute denen von gestern und die von gestern denen von vorgestern widersprachen, wie etwa, als Sie — ich glaube, es war 1956 — ausdrücklich entgegen dem Bundeskanzler erklärten, die Bundeswehr müsse mit atomaren Waffen Ausgerüstet werden,

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

    weil, wie Sie meinten, sich die Kriegsgefahr überall da vergrößere, wo atomare Waffen fehlen.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Heute hören wir das Gegenteil. Nun, zwischen zwei Reden kann allerlei passieren,

    (Abg. Mattick: Na eben, das haben wir bei Ihnen auch schon gemerkt!)

    aber sich in derselben Rede zu widerlegen, das beweist einen ungewöhnlich hohen Grad liberaler Disputierlust.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber zurück zu Herrn Heinemann, dessen Rede mehr systematische Konsequenz, aber nach meiner bescheidenen Meinung nicht viel weniger Irrtum enthielt. Herr Heinemann, es ist Ihr gutes demokratisches Recht, die von der Bundesregierung und von uns im Jahre 1952 und danach verfolgte Politik zu tadeln. Zum Beispiel die Parole: Zuerst freie Wahlen!" Sie haben diese Parole eine „ungewöhnlich verheerende" Parole genannt, die in tückischer Weise Wahres und Falsches miteinander vermengte. Nicht wahr, das sollte doch den Eindruck erwecken, als ob wir uns, als ob insbesondere der Bundeskanzler — den Sie ja in diesem Zusammenhang anklagten — sich einer solchen Tücke schuldig machten? Aber, Herr Heinemann, Sie haben wieder verschwiegen, daß diese Parole „Zuerst freie Wahlen!" die gemeinsame Parole aller demokratischen Parteien in diesem Bundestag war.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Bundestag hat am 3. April 1952 als Antwort auf die Sowjetnote vom 10. März mit allen Stimmen gegen die der Kommunisten eine Entschließung angenommen, die folgenden Passus enthielt, den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vielleicht vorlesen darf:
    Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, erneut bei den Besatzungsmächten darauf hinzuwirken, daß freie Wahlen für eine gesamtdeutsche Nationalversammlung unter Zugrundelegung der vom Bundestag am 6. Februar 1952 gebilligten Wahlordnung und unter internationaler Garantie durchgeführt werden und daß für die auf Grund dieser Wahlen zu bildenden staatlichen Organe innen- und außenpolitische Entscheidungsfreiheit sichergestellt wird.



    Kiesinger
    Darum ging es ja, um diese Frage der außenpolitischen Entscheidungsfreiheit. Und Herr Kollege Wehner hat in jener Sitzung die schlagende Formulierung gefunden — Herr von Brentano hat es schon erwähnt —, als er sagte:
    Freie Wahlen, Bildung der Nationalversammlung und der gesamtdeutschen Regierung, dann Friedensverhandlungen und schließlich Verhandlungsfriede sind eine sozusagen unter allen Umständen einzuhaltende Reihenfolge.
    Wenn w i r uns also damals geirrt haben sollten — ich glaube es nicht —, dann haben sich alle Parteien dieses Hauses geirrt mit Ausnahme der Kommunisten — und die wußten, was sie wollten.

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

    Paul Sethe, der eine politische Geschichte dieser Jahre zuschreiben versuchte, meint, die Opposition habe sich leider erst sehr spät von dieser gemeinsamen Politik abgewandt. Darf ich Sie daran erinnern, wie lange wir diese gemeinsame Politik noch miteinander trieben? Ich erinnere Sie z. B. an die gemeinsame Entschließung des Bundestags vom 25. Februar 1954 nach der Berliner Konferenz, in der es wieder heißt:
    Der Deutsche Bundestag bedauert auf das tiefste, daß die Berliner Konferenz keine Lösung der Deutschland-Frage gebracht hat. Aus den Stellungnahmen des sowjetischen Außenministers geht eindeutig hervor, daß die Sowjetunion heute nicht willens ist, die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zuzulassen.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.) Ein gemeinsamer Beschluß des Bundestages!

    Ich rufe weiter in Ihre Erinnerung die — bei einer Enthaltung — einstimmig 'angenommene Entschließung des Deutschen Bundestages noch am 26. Februar 1955, in der es heißt:
    Der Deutsche Bundestag fordert daher Verhandlungen der vier Mächte mit dem Ziele:
    a) Wahl eines gesamtdeutschen Parlaments in allen Zonen auf der Grundlage eines demokratischen, allgemeinen, freien und gleichen Wahlrechts;
    b) Schaffung einer gesamtdeutschen Verfassung und Bildung einer gesamtdeutschen Regierung durch das gesamtdeutsche Parlament;
    c) Durchführung der Wiedervereinigung auf der Grundlage einer solchen Verfassung;
    d) alles dies unter internationalem Schutz. Und:
    Der Deutsche Bundestag fordert, es möge so bald wie möglich ein Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen werden, der in gleicher Weise für die beteiligten Mächte wie für die in ihren Entschlüssen freie gesamtdeutsche Regierung annehmbar wäre.
    Herr Heinemann, da ist sie immer wieder, diese
    Parole „Freie Wahlen zuerst" und „Entscheidungsfreiheit für die gesamtdeutsche Regierung", und 480 Tückebolde haben sie angenommen; ein weißer Rabe hat dagegen gestimmt. Nein, Herr Heinemann, so dürfen wir doch nicht miteinander reden. Sie können uns doch nicht tadeln, weil wir damals gemeinsam diese Politik gemacht haben. Es läßt sich darüber streiten, ob die Parole „Freie Wahlen zuerst" richtig war oder nicht — ich glaube, sie war mindestens in der damaligen Zeit richtig. Aber dann muß man wenigstens alles sagen. Denn wenn man eines verschweigt, sagt man in allem die Unwahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nehmen wir einmal an, wir hätten damals alle zusammen tatsächlich unrecht gehabt. Sie haben dann immer noch nicht — ich spreche jetzt gar nicht von der verlangten Anerkennung der Oder-Neiße-Linie und anderen schweren Bedingungen der Sowjetunion — auf die eine Forderung hingewiesen, die zu erfüllen bis zu dieser Stunde keine Partei dieses Hauses bereit war. Es handelt sich um die Forderung der Bildung einer sogenannten gesamtdeutschen provisorischen Regierung unter Beteiligung der kommunistischen Vertreter Pankows vor der Abhaltung freier Wahlen. Wären Sie, Herr Heinemann, damals bereit gewesen, sich dieser Forderung der Sowjetunion zu beugen? Sind Sie es heute? Damals waren es die Parteien dieses Hauses nicht. Wir fragen in dieser Sitzung des Deutschen Bundestages, ob die Parteien dieses Hauses auch heute noch dieser Forderung der Sowjetunion auf Einsetzung einer gesamtdeutschen Regierung vor der Abhaltung freier Wahlen widerstreben.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der CDU/CSU: Er soll antworten! — Abg. Wehner: Wir haben nicht die Methoden, die Sie haben!)

    Herr Sethe, den ich als einen der Geschichtsschreiber dieser Jahre erwähnte, kritisiert uns wie Herr Heinemann, daß wir gemeinsam zwischen 1952 und 1955 am Vorrang der freien Wahlen festgehalten haben. Aber Herr Sethe gibt redlicherweise zu, daß auch die damals Verhandlungsbereiten
    — wie er wörtlich sagt —
    sich darüber klar waren, daß im Endergebnis keine freien Wahlen
    — wie er meint —
    im vollen Sinne des Wortes abgehalten worden wären. Mit Hilfe einer Einheitsliste, die nicht zu vermeiden gewesen wäre,
    — meint er —
    wäre es den Bolschewiken — das sind seine Worte —
    wohl gelungen, noch 50 bis 100 Kommunisten in, eine gesamtdeutsche Nationalversammlung hineinzubringen.
    Er meint, man hätte sich damit abfinden sollen. Nun, das ist ein Argument, das ist ein redliches Argument. Der Mann sieht,. daß es damals in Wahrheit nicht um freie Wahlen ging. Ich bin der Überzeugung, die Sowjetrussen hätten sich sogar darauf




    Kiesinger
    nicht eingelassen, es sei denn, sie hätten diese starke kommunistische, von ihr unterstützte Minorität mit Hilfe ihrer ständigen Interventionen als Trojanisches Pferd zur Zerstörung der deutschen Freiheit benutzt.
    Man muß auch — worauf Wilhelm Comides aufmerksam gemacht hat — die Sowjetnote vom 10. März 1952 im Zusammenhang mit den gleichzeitig, am 19. März 1952, den Vereinten, Nationen vorgeschlagenen Abrüstungsprogrammen sehen. Das hätte dann wie folgt ausgesehen: Liquidierung allermilitärischen Stützpunkte, Abzug aller westlichen Truppen, Anerkennung der Oder-Neiße-Linie, Trennung Deutschlands vom Westen, proportionale Herabsetzung der Streitkräfte um ein Drittel — also Aufrechterhaltung der bedrohlichen konventionellen Übermacht der Sowjetunion in Europa — und Verbot aller Atomwaffen. Dieses Programm, meine Damen und Herren, hätte, wenn es erfüllt worden wäre, eine überwältigende politische und militärische Vormacht der Sowjetunion geschaffen. Eine Vorherrschaft der Sowjetunion in Europa wäre die Folge gewesen. Ein isoliertes Deutschland hätte ihr gegenübergestanden, und dieses Deutschland wäre von jener kommunistischen Minderheit — jenen fünfzig bis hundert kommunistischen Abgeordneten, die Herr Sethe in Kauf nehmen wollte — unterwühlt worden, weil diese Minderheit dreist und gewalttätig unter dem Schutz der Sowjetunion aufgetreten wäre. Wir hätten dann etwas anderes erlebt als jene kleinen Kommunisten, die einmal in
    diesem Hause an der äußersten Linken saßen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Schreckensgemälde!)

    Ich glaube, damit kann man dieses Kapitel abschließen. Sie können uns sagen — das haben Sie, Herr Wehner, gelegentlich getan —: „Gut; ich bin selber skeptisch, ich glaube selber nicht daran, daß große Ergebnisse herauskommen. Aber dann laßt uns doch einmal testen, ausprobieren!"

    (Abg. Wehner: Und es ist unfair von Ihnen, es jetzt so darzustellen, als seien wir der, der dies angeregt hätte! Das wissen Sie ganz genau zu unterscheiden!)

    — Also entschuldigen Sie, Herr Wehner — was soll ich gesagt haben, was Sie angeregt hätten?

    (Abg. Wehner: Wenn unsere Zitate nicht ausreichen, dann flüchten Sie in andere Zitate, um ein Bild von uns zu machen, das nicht stimmt! — Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Herr Kollege Wehner, wenn Sie damit sagen wollen — und dies wäre eine erfreuliche Feststellung daß Sie die politische Auffassung des Herrn Gustav Heinemann nicht teilen, dann würden wir das begrüßen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Als dann im Zusammenhang mit der Genfer Konferenz die neue Formel kam, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nur durch Verhandlungen der beiden angeblich souveränen deutschen Staaten erfolgen könne, da war das in der Substanz nichts wirklich Neues. Ich habe Ihnen dargelegt, daß in all diesen Jahren die Sowjetunion uns immer den Köder, den Anschein der freien Wahlen vorgehalten hat. In all den Jahren hat sie sich aber die Möglichkeit gewahrt, durch ein notwendiges Zusammenwirken der beiden sogenannten deutschen Staaten, nämlich in dem Prozeß der Einsetzung der. gesamtdeutschen provisorischen Regierung, genau dasselbe zu erreichen, was sie nachher mit der plumperen Formel des Herrn Chruschtschow — Verhandlungen der beiden deutschen Staaten — erreichen wollte. Dies ist eine neue Formel; es ist aber in Wahrheit keine neue Politik.
    Der Herr Dehler — und damit schließe ich dieses Kapitel ab — hat in jener verhängnisvollen
    — wie mit Recht gesagt worden ist: gespenstischen
    — Nacht dem Herrn Bundeskanzler den Willen zur deutschen Einheit abgesprochen. Meine Damen und Herren, das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf. Um ihn aber zu kennzeichnen, verweise ich darauf, daß derselbe Thomas Dehler am 7. Oktober 1954, lange nach den Noten des Jahres 1952, ein halbes Jahr nach der Berliner Konferenz, hier im Bundestag von dieser Tribüne aus folgendes Zeugnis abgelegt hat:
    Ich habe immerhin vier Jahre mit dem Bundeskanzler im Kabinett gesessen. Ich habe von ihm
    nie ein Wort, nie eine Silbe gehört, aus der
    man hätte folgern können, daß er nicht genau
    so wie wir in der Wiedervereinigung das
    wesentliche, das aktuelle Ziel sieht, daß er
    nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, dieses
    Ziel zu erreichen.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien. — Abg. Schröter [Berlin] : Er hat doch gesagt, er war der gläubige Thomas! Damals aber, in der Nacht, da haben Sie geschwiegen!)

    — Meine Damen und Herren, es ist einmal aus einem ungläubigen Thomas ein gläubiger Thomas geworden; hier offenbar aus einem gläubigen ein ungläubiger.

    (Heiterkeit.)

    Ich hoffe, daß er wirklich glaubt, was er sagte, und
    daß ihm nicht blindes Ressentiment damals bei der
    Rede in der Nacht im Januar das Wort geführt hat.
    Der Herr Bundeskanzler ist in jener Nacht aufgefordert worden, zurückzutreten, weil seine Politik gescheitert sei.

    (Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Heute abend fiel das Wort, der Herr Bundeskanzler sei immer zuerst Parteimann und immer in zweiter Linie Staatsmann. Nun, Herr Dr. Maier, in der Welt kennt man diesen Mann als einen der bedeutenden Staatsmänner unserer Epoche.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) Andere, die ihn kritisieren, kennt man kaum als Parteimänner.


    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Corterier: Vielleicht werden Sie jetzt Minister, Herr Kiesinger! — Weitere Zurufe von der SPD.)




    Kiesinger
    — Meine Damen und Herren, soeben ist mir zugerufen worden: „Jetzt werden Sie vielleicht Minister!"

    (Heiterkeit.)

    Ich muß diesen Zuruf doch aufnehmen. Meine Herren Kollegen, ich habe zum Bundeskanzler durchaus kein sentimentales Verhältnis; es stünde ihm auch schlecht an.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Er fordert dazu nicht heraus, und Sie alle wissen, daß ich versuche, meine eigene Meinung und meinen eigenen Standpunkt gegenüber dem Herrn Bundeskanzler durchzusetzen. Das hat er auch in den vergangenen Tagen deutlich zu spüren bekommen.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD und Heiterkeit.)

    Daß ich heute abend, Herr Kollege Dr. Maier, nicht im Büßerhemd dastehe, hat seinen Grund nicht nur' darin, daß es in der Garderobe des Bundestages noch keine Büßerhemden gibt, sondern deswegen, weil wir' keine Büßer sind.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir alle kennen den Herrn Bundeskanzler. Wir alle wissen, daß er einen kraftvollen Willen hat, und — in Parenthese gesagt — wo wären wir, wenn er diesen eigensinnigen Willen in den vergangenen Jahren nicht gehabt hätte?

    (Stürmischer Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Nicht mehr Beckmesser, sondern Sänger! — Lachen bei der SPD.)

    — Ja, ich will ein bißchen singen, Herr Wehner.

    (Heiterkeit.)

    Gestern abend, als ich den Herrn Bundeskanzler verließ, nachdem wir mehrere Stunden lang miteinander diskutiert hatten, nicht wahr, Herr Krone und Herr Gerstenmaier,

    (Abg. Wehner: Diskutiert?)

    — oh ja, hart diskutiert, Herr Wehner —, da sagte ich am Schluß dem Herrn Bundeskanzler: Herr Bundeskanzler, wissen Sie, was für eine nette Geschichte über Sie im Umlauf ist? Er wußte es nicht. Ich sagte ihm: Es geht die Geschichte um, ein Fraktionskollege habe ihm einmal, als er auch hart mit ihm diskutierte, am Schluß gesagt: Herr Bundeskanzler, Sie wollen, daß wir zu allem, was Sie machen, Ja und Amen sagen. Der Bundeskanzler habe erwidert: Oh nein, mir genügt Ihr Ja.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun, selbst dieses Ja — meine Damen und Herren, Sie dürfen es mir glauben — ist in den vergangenen Jahren nicht immer sofort gefallen und nicht immer leicht gefallen und manchmal — auch Sie wissen es — wurde es ein Nein. Es ist doch merkwürdig: wenn einmal einer beileibe nicht aus der Fraktion der CDU wegläuft, sondern nur aus ihrem Fraktionszimmer, dann füllt das die Schlagzeilen unserer deutschen Tageszeitungen; offenbar,
    weil man sich von der Struktur der CDU eine falsche Vorstellung macht.

    (Lachen bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Aber eines fand ich ein bißchen töricht heute, nämlich den Hinweis darauf, wir wären so unparlamentarisch, daß wir eine Anfrage, die wir an die Regierung richten, vorher mit dieser Regierung besprechen. Wissen Sie, so weit treiben wir das theoretisch-parlamentarische Spiel wahrhaftig nicht, daß wir sagen, nur weil wir CDU-Leute in den Bänken des Parlaments sitzen und Ihr CDU-Leute da oben sitzt, sprechen wir nicht mehr miteinander.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte wissen, was die SPD-Fraktion täte, wenn sie eine SPD-Regierung hier oben sitzen hätte; dann ginge es noch strammer zu.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber es geht um die künftige Außenpolitik des Landes. Wir haben danach gefragt, Sie haben danach gefragt. Wir stehen vor der Gipfelkonferenz. Alle Welt schaut auf diese Konferenz und hofft, daß sie der Menschheit wenigstens die Lösung einiger der schweren Probleme unserer Zeit bringt. Auch wir wünschen, daß diese Gipfelkonferenz durchgeführt wird, auch wir wünschen, daß sie zu einem Erfolg kommt. Aber dieser Erfolg ist nicht so billig zu erlangen, wie es manche Schlagworte, die auch heute wieder in diesem Hause gefallen sind, wahrhaben wollen. Obwohl es klar zutage- liegt, ist offenbar diese tragischklare. Lage unserer Bundesrepublik für manche Intellektuelle zu klar, und da müssen sie Gedankenschwierigkeiten hineintragen. Obwohl klar zutage liegt, wie die harten Tatsachen stehen, geht das Wunschträumen, das Rechnen ohne den, Wirt, das Projektemachen ohne reale Basis in unserem Lande weiter. Kaum ist eine neue Parole aus Moskau da, so findet sie schon ihren neuen deutschen Parteigänger: in Düsseldorf auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen FDP, und in der Märzausgabe des „Sozialdemokrat". Der Herr Bundesminister hat bereits erwähnt, was dort geschrieben wurde. Aber es ist so beängstigend, daß ich es noch einmal vollständig zitieren muß. Das Mitglied des Bezirksvorstandes Hessen-Süd der SPD, Walter Müller, schrieb da, und es wurde im „Vorwärts" — wie gesagt — nachgedruckt:
    Mit der DDR ist über die Schaffung gesamtdeutscher Einrichtungen zu verhandeln, die alle Schwierigkeiten für einen umfassenden wirtschaftlichen und kulturellen Austausch sowie für den freien Austausch von Personen und Sachen prüfen. Aber auch dann werden die freien Wahlen zu einem gesamtdeutschen Parlament nur den Abschluß einer Entwicklung bilden, für die eine sozialistische Umgestaltung der Bundesrepublik die Zwischenstufe eines föderativen Staatenbundes und die allgemeine militärische Entspannung wichtigste Voraussetzungen bilden.

    (Abg. Rasner: Was heißt das? — Abg. Wehner: Das werden Sie morgen hören! Hoffentlich können Sie die Nacht schlafen!)




    Kiesinger
    — Herr Wehner, hoffentlich werden wir es morgen hören, und zwar auch aus Ihrem Munde.

    (Abg. Wehner: Jawohl! Beunruhigen Sie sich nicht! Zerbrechen Sie sich nicht unsere Köpfe!)

    — Ich beunruhige mich, Herr Wehner; denn Sie haben in „Geist und Tat" vor kurzem folgende Sätze geschrieben: Deutschland müsse im Zeichen des demokratischen Sozialismus vereinigt werden. Nun, wenn Sie damit meinen, des sozialdemokratischen Sozialismus, dann glaube ich zwar nicht, daß das geschehen wird. Aber ich würde geben diese Formulierung nichts einwenden. Nun kommt aber ein Satz, der ist verhängnisvoll. Herr Wehner spricht von Scharfmachern auf beiden Seiten der Demarkationslinie, und er sagt: „Die politischen Sachwalter des Großbesitzes haben die Spaltung Deutschlands zur Wiederherstellung ihrer Macht und ihrer Vorrechte ausgenützt."

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Völlig riditig! — Reine Wahrheit! — Gegenrufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Abg. Majonica: Reiner Klassenkampf!)