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ID0301802500

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    Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sie meinen, man kann Batteriestellungen bauen und man kann sie nicht bauen. Ob man sie bauen oder nicht bauen soll, ist keine Frage moralischer Erwägung; das ist in diesem Fall eine Frage des sicherheitsmäßigen Kalküls. Wenn ich damit jemandem den Zutritt versperre, dessen Eintritt bei mir ich für sehr widerwärtig halte, dann baue ich die Batteriestellungen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Wobei der Konditionalsatz zu beweisen wäre, Herr Minister!)

    Ich habe das deshalb in Erinnerung gerufen, weil ich es tatsächlich einmal auch zur Rechtfertigung unseres Standpunktes anführen wollte. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, auch zu verstehen, daß man, gerade wo es um schwerwiegende Entscheidungen geht, nicht einfach aus der Tagespolitik oder aus den Schlagworten heraus urteilt, die man von dieser oder jener Seite hört, sondern versucht, sich ein, und sei es auch nur ein subjektives moralisches Fundament für das zu verschaffen, was man zu tun vorhat oder was man für notwendig hält. Deshalb ist nicht zu bestreiten, daß die Sowjets mit der Proklamation ihres Willens zur deutschen Einheit immer unerfüllbare Bedingungen, wie ihre Teilnahme an der Kontrolle über die Ruhr, verbunden haben. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß sie sofort nach dem Einmarsch und nicht erst nach der Gründung der Bundesrepublik, nicht erst nach unserem Eintritt in die Montanunion oder in die NATO, auf den Spitzen der Bajonette der Besatzungsmächte mit der klassenkämpferischen Umwälzung in ihrer Zone von oben begonnen haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Ob das Bodenreform oder Entnatifizierung oder Sozialisierung oder Kollektivierung war — der Prozeß hat bereits im Jahre 1945 eingesetzt.
    Wenn man einmal nachprüft, was wir alles auf Grund des sowjetischen Vetos nicht hätten tun dürfen, dann kommt man zu folgenden heute, nachträglich gesehen, kaum mehr faßbaren Überlegungen. Wir hätten nicht die Verschmelzung der amerikanischen und der britischen Zone vornehmen dürfen; denn das spaltet Deutschland, hieß es. Wir hätten nicht die Währungsreform durchführen dürfen, weil sie eine gesamtdeutsche Währung verhindere. Wir hätten nicht die Bundesrepublik ins Leben rufen dürfen, weil sie gegen ganz Deutschland sei. Wir hätten nicht in den Europarat und nicht in die Montanunion eintreten dürfen! Wir hätten selbstverständlich nicht die Pariser Verträge abschließen dürfen, und wir durften auch nicht in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und nicht in die Europäische Atomgemeinschaft — mindestens an zweien dieser Organisationen waren Sie von der Opposition mitbeteiligt — eintreten. Denn jedesmal hieß es aus Moskau: Wenn ihr das macht, ist es ein Akt zur Verewigung der deutschen Spaltung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Als die Bundesrepublik gegründet war, änderte sich nicht das Ziel, da änderte sich nur die Taktik. Nachdem man immer scheinbar nur nachgezogen, d. h. die längst vollzogenen Tatsachen nach außen zugegeben hatte, hieß die Taktik dann: Jetzt muß ein gesamtdeutscher Rat, ein Konsultativorgan — neuerdings heißt es Konföderation — eingerichtet werden; jetzt müssen es die Deutschen unter sich ausmachen. Darum wage ich sehr wohl, einmal die Frage auch hier zu stellen — wenn es auch heute beinahe schon in Deutschland und wenn es hier in diesem Hause schon zu erregten Gegenrufen gekommen ist —: Wer verewigt denn die deutsche Spaltung? Wer verhindert denn die deutsche Wiedervereinigung? Doch niemand anders als der, der dem deutschen Volk das Selbstbestimmungsrecht vorenthält!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Arndt anders denkt, aber ich glaube nicht, daß die Sowjetunion sich durch das, was wir hier sagen, in ihrer Verhandlungsbereitschaft oder in ihrer Konzessionsfreudigkeit beeinflussen läßt, wenn wir Tatsachen feststellen, die für sie gar keine moralische Herabsetzung sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ein moralische Herabsetzung sind sie nur nach dem Sittenkodex der Demokratie, beileibe nicht nach dem Sittenkodex eines diktatorischen oder totalitären Staates.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe in diesem Hause schon öfter die Frage gestellt, die von dem uns heute beschäftigenden Problem Wiedervereinigung, Sicherheit und Atomwaffen nicht zu trennen ist: Was will denn eigentlich die Sowjetunion? Ich bin bisher nur in meinen Überlegungen zu drei Auffassungen gekommen. Will sie Sicherheit und wirtschaftliche Wohlfahrt für ihr eigenes Reich, für ihren eigenen Staat, Sicherheit und wirtschaftliche Wohlfahrt und Stabilität ihres Regimes? Um Herrn Arndt eine ganz klare Antwort zu geben: Es wäre töricht und



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    es wäre verbrecherisch, an einer Austreibung des Kommunismus mit Atomwaffen im Stile einer modernen Atomwaffenkreuzzugstheorie zu denken. Ich glaube, niemand von uns denkt daran. Falls das jemals so verstanden worden sein sollte, dann darf ich hier in aller Schärfe und Deutlichkeit feststellen: Der Kommunismus läßt sich nicht mit Atomwaffen bekämpfen! Nur seine weitere Ausdehnung läßt sich durch Abschreckung eines Angriffs, durch das Vorhandensein solcher Waffen verhindern. Der andere Kampf muß auf diplomatischem, politischem, wirtschaftlichem und psychologischem Weg ausgekämpft werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Frage war eigentlich: Was will die Sowjetunion? Will sie Stabilität ihres Regimes, will sie wirtschaftliche Wohlfahrt ihrer Bürger und will sie Sicherheit nach außen? Ich glaube, darauf läßt sich eine befriedigende Antwort finden. Wenn das ihr Ausgangspunkt ist — das sollte man feststellen, dafür wären geeignete Wege zu finden —, dann wird — vielleicht nicht schnell, vielleicht aber in einer Periode geduldig ertragener Jahre — eine Lösung möglich sein. Wenn ihre Absicht allerdings ist, über diesen oder jenen Plan, über die Phase der Koexistenz, über die innere Auflösung der NATO oder über die Auflösung der NATO unter dem Terrordruck der Atompanik die Herrschaft über Europa als vorletzte Stufe vor dem Endkampf mit den USA zu erringen, dann tun wir gut daran, das Potential der freien Welt nicht zu schwächen, damit wir diesen Plan durchkreuzen, d. h. dem Mörder in den Arm fallen können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Soviel zur zweiten Hypothese.

    Die dritte Möglichkeit liegt in der Frage: Wissen die Sowjets selbst nicht, was sie wollen, und können wir Einfluß darauf nehmen, daß sie das eine oder andere wollen? Ich glaube, die sowjetische Politik hat bisher nicht bewiesen, daß die Sowjetunion nicht weiß, was sie will. Immerhin — daran kann man einfach nicht vorbeigehen; es hat gar keinen Sinn, in Entrüstung nach dieser oder jener Seite zu sprechen — tritt der expansive Weltkommunismus, der kommunistische Imperialismus immer noch in drei Erscheinungsformen auf. Eine Erscheinungsform ist der sowjetische Staat, der sich der Mittel der Diplomatie, der Außenpolitik, der Kulturpolitik, der Sportförderung, der wirtschaftlichen Beziehungen, des Außenhandels usw. bedient. Eine andere Form ist die Kommunistische Internationale. Was würde man heute sagen, wenn irgendein Staat auf der Welt, sagen wir die USA oder Großbritannien, eine bestimmte ideologisch fundierte Parteiorganisation hätte, eine sozialrevolutionäre oder religiösrevolutionäre Parteiorganisation hätte und in achtzig oder neunzig Ländern der Welt Parteien dieser Art unterhielte, deren Funktionäre regelmäßig in der Zentrale zusammengerufen, dort mit Material, mit Anweisungen, mit moralischer Rückendeckung versehen und dann wieder zurückgeschickt werden, um zu Haus die bestehende Gesellschaftsordnung sobald wie möglich und notfalls auch auf dem Wege der Gewalt umzustürzen?! Das ist doch bis zur Stunde bei der Kommunistischen Internationale noch der Fall!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Man könnte darüber reden, wie die Situation wäre, wenn Moskau das einstellte, wenn man nicht mehr die Agenten für Afrika, Asien und Südamerika schulte, wie es heute noch geschieht. Tausende von Agenten werden geschult, Hunderte gehen monatlich hinaus. Sie wissen doch selbst, was in Afrika geschieht — nicht ohne Schuld gewisser anderer Mächte —, was in Südamerika, in gewissen asiatischen Bereichen geschieht. Das ist doch Aggression! Niemand behauptet, daß die Sowjetunion so plump ist wie Hitler, ein militärischer Aggressor zu sein.

    (Abg. Majonica: Das ist sie auch gewesen!)

    — Herr Kollege Majonica, für die Sowjetunion ist die militärische Aktion nur ein Ausschnitt aus der reichhaltigen Palette ihres Instrumentariums.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn es ohne Gewalt und ohne Tote abgeht, ist es ihr lieber.
    Sie will aber auch das Risiko bemessen halten, und darin liegt unsere Chance, die Chance für unsere Sicherheitspolitik. Darin liegt auch die Chance für eine Lösung auf dem Wege zur Abrüstung, zur Entspannung und all dieser Probleme. Die Sowjetarmee ist sicherlich nur ein Werkzeug der politischen Strategie, sie ist nicht der Sinn und der Inhalt der politischen Strategie.
    Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, bitte ich Sie, zu der Frage — die Sie mir nicht übelnehmen und nicht als eine Suggestivfrage oder meinungsbildende oder beeinflussende Frage auffassen wollen —, ob nach Ihrer Meinung nach wie vor und unverändert eine sowjetische Gefahr besteht und ob es nötig ist, sich gegen sie zu schützen, ganz klar Stellung zu nehmen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das hat nichts mit einer billigen Identifizierung oder Unterstellung zu tun. Man kann sich — wie in England die Sozialisten gegenüber Hitler es in den dreißiger Jahren getan haben — moralisch und politisch himmelweit von einem System unterscheiden und trotzdem nicht die rechtzeitige Vorsorge treffen, sich vor einem Übergreifen dieses Systems zu schützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn diese Frage beantwortet wird, sollte man nicht Ausdrücke gebrauchen wie die, daß die sowjetische Armee oder die Gefahr der Sowjetunion von dem Bundeskanzler, der Regierung und den Regierungsparteien als Kinderschreck an die Wand gemalt werde. Die Frage ist nicht die, daß wir die Rote Armee brauchen, um damit unsere Politik zu rechtfertigen. Unsere Politik ist so, weil die sowjetische Strategie sich bisher so verhalten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Ursache und Wirkung!




    Bundesverteidigungsminister Strauß
    Zu der Frage „verhandeln oder nicht" habe ich mich schon geäußert. Selbstverständlich verhandeln! Ich begehe keine Fahnenflucht und brauche auch nachher kein pater peccavi zu sagen, wenn ich ein Wort aufgreife, das aus Ihren Reihen kommt: Lieber zehn Jahre verhandeln, als einen Tag Atomkrieg führen! Darüber, glaube ich, gibt es gar keine Meinungsverschiedenheit. Aber wenn man mit den Sowjets verhandelt, muß man wissen, mit wem man verhandelt. Und wenn man weiß, mit wem man verhandelt, dann ist es nur eine Feststellung von Tatsachen, wenn ich sage, daß die Sowjetunion seit 1925 58 Verträge, Vereinbarungen und Abkommen politischen Inhalts mit fremden Regierungen geschlossen und davon 47 gebrochen, verletzt oder ohne Verhandlungen einseitig gekündigt hat.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Von 11 Nichtangriffspakten hat sie 10 gebrochen, davon 4 nach 1945, von 18 Bündnissen 15, davon 11 nach 1945. Die Sowjetregierung hat 6 Friedensverträge abgeschlossen, davon mittlerweile 3 gebrochen. Von sämtlichen in Jalta getroffenen Abkommen ist ein einziges eingehalten worden, nämlich die Zusage, in den Krieg gegen Japan einzutreten,

    (Lachen in der Mitte)

    und das ist geschehen im August 1945, um noch rechtzeitig an der asiatischen Beute beteiligt zu werden.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)

    — Das ist doch nicht zu bestreiten! Deshalb geht es nicht um die Frage „verhandeln oder nicht", sondern um die Frage der Verhandlungsplattform und der Verhandlungsbasis und die Frage der zu fordernden Garantien.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Darüber sollte man, ganz gleich, wie man sich im Tenor verhält, sich eigentlich einig sein und gar keinem Zweifel hingeben.
    Die wirkliche Sicherheit — ich muß auch hier dem zustimmen, was Herr Kollege Erler in einer der letzten Debatten gesagt hat — liegt heute nicht mehr im Technischen, sie liegt auch nicht mehr im Militärischen. Es gibt gegen diese Waffen keine Sicherheit im technischen Sinne, wenn sie einmal angewendet werden. Man soll sie auch nicht verniedlichen, sondern ganz offen sagen, was ein weltweiter, globaler, totaler, nuklearer Krieg bedeuten würde. Die Sicherheit liegt heute nicht mehr im Militärischen; sie liegt sicher und sie könnte liegen im Moralischen, wenn die Maßstäbe gemeinsam sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Weg dazu liegt in der Politik. Der Beweis dafür liegt in der Bereitschaft zur kontrollierten Abrüstung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte drei Gesichtspunkte nennen, die leicht, isoliert für sich allein gegriffen, wieder in der üblichen Art, einen Satz herauszunehmen, gegen den Urheber verwendet werden können. Weder Abrüstung noch Frieden noch Wiedervereinigung sind
    absolute Werte. Abrüstung im Sinne einer einseitigen Abrüstung, daß man selbst keine Waffen hat, können wir jederzeit haben, wenn wir wollen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Frieden in dem Sinne, daß man sich nicht zu wehren braucht oder sich nicht mehr wehren kann können wir auch jederzeit haben. Aber auch Frieden ist kein absoluter Wert; er kann nur ein relativer Wert sein. Und Wiedervereinigung? Ich gebrauche einen völlig eigenen Gedankengang: Ist es denn wirklich die Wiedervereinigung, die uns in erster Linie drängt, quält, bedrückt und treibt? Es ist doch weniger die Wiedervereinigung im Sinne der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands; es ist doch mehr das Herzensanliegen der Wiederherstellung demokratischer und menschenwürdiger Zustände in diesem Gebiet.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gab nach dem ersten Weltkrieg ja auch ein Wiedervereinigungsproblem anderer Art: Zusammenschluß zwischen der Weimarer Republik, zwischen dem Deutschen Reich und Osterreich. Wir wissen, daß das Wiener Parlament, ich sage es jetzt aus dem Gedächtnis, ich glaube, 1919 einstimmig beschlossen hat, den Anschluß an das Deutsche Reich zu vollziehen. Wir wissen ebenso sicher, daß dank der Genialität der deutschen Politik in absehbarer Zeit wohl kein Wiener Parlament noch einmal dasselbe beschließen würde.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Aber der Zusammenschluß zwischen Deutschland und Österreich war ein Herzensanliegen von Millionen von Menschen, bis er von einem Verbrecher mißbraucht wurde. Angenommen, die Weltmächte, die großen Siegermächte hätten das Programm gehabt — das sie auch hatten —, aber: konsequent durchgesetzt, nach dem Kriege diesem Deutschland die Möglichkeit zu nehmen, eine Kräftekonzentration zu bilden, ein Deutschland, von dem aus wieder ein Krieg gestartet werden kann, und sie hätten uns auferlegt, bis zum Jahre X unter Herstellung völlig freiheitlicher Zustände die drei westlichen Besatzungszonen unter einem Staat zu haben, dazu die heutige sowjetische Besatzungszone, sagen wir, in einem Staatswesen, wie es heute Österreich darstellt, mit den dort bestehenden Verhältnissen, mit der dort bestehenden großen Koalition, mit dem dort herrschenden politischen Proporz und mit dem dort herrschenden System Raab-Schärf oder RaabPittermann — ja, wäre dann die Frage der Wiedervereinigung für uns das Gewissensproblem, das es heute ist? Darum ist „Wiedervereinigung" für sich allein irreführend, es ist die Wiederherstellung demokratischer Zustände und menschenwürdiger Verhältnisse in diesem Gebiet.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Darf ich im zweiten Teil meiner Ausführungen etwas zum Zweck unseres Verteidigungssystems sagen. Kollege Arndt. Kollege Mende haben heute, wenn auch mit ganz drastisch unterschiedlichen Nuancen, bestimmte Auffassungen vertreten. Wenn



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    man diese Debatte heute hört, dann möchte man oft ein beklemmendes Gefühl empfinden, ein beklemmendes Gefühl, als ob die berechtigte Furcht vor der Wirkung der nuklearen und der thermonuklearen Waffen als politischer Explosivstoff für die Sowjetstrategie bereits gewisse Erfolge bei uns errungen hätte — die berechtigte Furcht!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was ist der Zweck des Bündnissystems, in dem wir uns befinden? Ich habe heute ausgeführt, daß es sowohl der Natur der Regierungen, der Natur der politischen Systeme der Mitgliedstaaten wie auch der Natur des Bündnissystems nach unmöglich ist, mit diesem Bündnis einen aggressiven oder gar einen präventiven militärischen Akt zu unternehmen. Ich glaube auch, daß ich keine besondere Legitimation vom Regierungschef brauche, wenn ich sage,

    (Abg. Dr. Mommer: Vorsicht!)

    daß die Bundesregierung und — ich glaube, ich brauche auch keine formelle Zustimmung der Mehrheitskoalition in diesem Hause — daß auch die Koalition niemals in ein militärisches Bündnis eintreten würden, dessen Zweck es wäre, politische Ziele mit Gewaltanwendung zu erreichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sprechen damit ein klares Nein zur Gewaltanwendung als einem Mittel der Politik.
    Der Zweck dieses Bündnisses ist es — solange die Verhältnisse so sind, wie sie sind und wie sie nicht durch Interpretation oder subjektive Analyse geändert werden können —

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    nicht, einen kommenden Krieg zu gewinnen, sondern ist es, den Ausbruch des dritten Weltkrieges unmöglich zu machen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Kollege Arndt hat heute auch in die Geschichte zurückgegriffen und hat davon gesprochen, daß ja auch im Jahre 1914 Demokratien in den Krieg hineingeschlittert sind, in Verblendung hineingeschlittert sind. Das ist richtig. Damals gab es in allen Staaten einen hochexplosiven Nationalismus, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, auch in Rußland, auch anderswo. Damals glaubte man, Territorialprobleme geringeren Umfangs mit Blut und Eisen lösen zu müssen. Diese Zeit ist längst vorbei. Der zweite Weltkrieg wäre nicht gekommen, wenn ihn nicht Deutschland eröffnet hätte und wenn man nicht der deutschen Politik unter der Leitung eines verbrecherischen Subjekts die Möglichkeit gegeben hätte, ihn zu eröffnen.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU. — Abg. Mattick: Wo bleibt der Beifall?)

    — Ich glaube, die Dinge sind zu ernst, als daß man darüber lachen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich gehöre zwar nicht zum Klub der unschuldigen HJ-Leute, aber man kann diese nicht für schuldig
    erklären, ganz bestimmt nicht. Meine Generation — das darf ich mit dem Kollegen Mende sagen — ist damals nur sehr passiv und beobachtend beteiligt gewesen. Aber es geht heute nicht um Schuld oder Unschuld, die man von damals heute noch nachträglich verteilen soll, sondern es gilt, aus diesen Dingen zu lernen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Und den Elementen im westlichen Ausland, die die Gefahr Hitler immer unterschätzt haben, eine Vorbereitung der Abwehr gegen ihn verhindert oder verzögert haben, ist das Lachen vergangen, als seine Panzer vor den Toren von Paris und am Kanal standen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Da konnte keiner mehr etwas dagegen unternehmen.
    Ich weiß, wie gefährlich der Irrealis in der Politik, der Rückblick auf die Historie ist. Ich bin heute noch fest davon überzeugt: hätte Hitler im Jahre 1939 gewußt, daß der Überfall auf Polen den Krieg und die Vernichtung Deutschlands bedeuten würde, er hätte ihn nicht angefangen, obwohl er ein Verbrecher war. Sogar das muß und kann noch in das Kalkül eingestellt werden. Die Ungewißheit darüber, ob ihm die freie Welt energisch entgegentreten wird, hat ihn zu dem Abenteuer verführt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sage ich: das hat mit der subjektiven Frage der Moral und der Schuld bei ihm gar nichts zu tun. Denn man kann auch nicht einem Hausbesitzer die Schuld an einem Mord geben, wenn er seine Tür nicht verriegelt, aber man kann ihm sehr wohl Fahrlässigkeit und Saumseligkeit vorwerfen, wenn es sich um ein gefährdetes Viertel handelt.
    Die Frage, vor der wir heute stehen, wie man einen dritten Weltkrieg verhindern kann, wo sich immerhin Waffen von einem kontinentalen Zerstörungsausmaß in den Händen auch skrupelloser Machthaber befinden, kann man nur damit beantworten, daß der Krieg verhindert werden kann, wenn der Angreifer weiß, daß der Angriff auf irgendein Mitglied des Bündnisses — ein großes oder ein kleines, ein schwaches oder ein starkes Mitglied — den Rückschlag sämtlicher Kräfte des gesamten Bündnisses auslösen würde.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, auch wenn man es uns oft nicht gern glaubt, sage ich: was wäre uns lieber, als anders zu sprechen! Aber die Wasserstoffbombe und überhaupt die nuklearen Waffen befinden sich in den Händen der Sowjets. Die Rakete von über 1000 km Schußweite ist in Einführung bei der Truppe, die Mittelstreckenrakete wird es in kurzer Zeit sein. Die interkontinentale Rakete mit einem sich ständig vervollständigenden Arsenal von Wasserstoffköpfen wird ebenfalls in wenigen Jahren in den Händen der Sowjets sein. Die haben das doch nicht getan, weil wir in die NATO eingetreten sind, — um heute dieselbe Frage noch einmal in anderem Zusammenhang zu stellen. Wir müssen den Sinn dieses Bündnisses, der darin liegt, den dritten Welt-



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    krieg zu verhindern, durch unseren aktiven Beitrag erfüllen helfen.
    Kollege Erler hat in zwei Verlautbarungen — die eine war, glaube ich, in der Neuen Rhein-Zeitung und die andere war eine Wiedergabe seiner Äußerungen in der Neuen Welt — zum Ausdruck gebracht, daß die Aufgabe der Bundeswehr darin bestehe, ein Gegengewicht zur Ulbrichtschen Volksarmee zu schaffen, und daß das unsere militärische Zielsetzung, sei es im Bündnis, sei es außerhalb des Bündnisses, sei. Sicherlich befinden sich in der Sowjetzone mehr Bewaffnete als in der Bundesrepublik, und sicherlich befanden sich schon viele Jahre, bevor bei uns mit der Verteidigung begonnen wurde, militärische Einheiten in der Sowjetzone. Aber ich möchte auch hier versuchen, ein sehr realistisches Bild zu bieten: Wir trauen diesen Einheiten nicht sehr viel Kampfkraft zu, weil ihnen, wie es sich am 17. Juni 1953 gezeigt hat, die innerliche, moralische Berechtigung für eine militärische Verwendung fehlt, so daß sie keine zuverlässigen Einheiten wären, sicherlich dann nicht, wenn der erste Rückschlag gekommen wäre. Unsere Aufgabe ist nicht, Herrn Ulbricht ein Pari zu bieten. Unsere Aufgabe ist es, die kriegsverhindernde Barriere, die kriegsabschreckende Wirkung der Gesamtbündnisstaaten um unseren Anteil zu erhöhen und um dieses Maß auch die Aussicht zu erhöhen, den dritten Weltkrieg nicht erleben zu müssen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich weiß, wie schwer es erstens ist, die Strategie der indirekten Verteidigung selber konsequent zu durchdenken — es ist ungeheuer schwer —, und zweitens, diese Strategie verständlich zu machen. In beidem sind Sie uns in der Opposition hinsichtlich der vulgären Wirkungskraft der Argumente ohne Zweifel voraus.
    Die Strategie der indirekten Verteidigung beruht darauf, daß man das, was man früher aufgeboten hat, um einen Krieg zu gewinnen, heute aufbieten muß, um ihn zu verhindern. Im ersten und im zweiten Weltkrieg fielen die militärischen Entscheidungen immer so, daß wir die Blitzsieger in der ersten Phase waren, daß es in der zweiten Phase ein Hin und Her gab und daß wir in der dritten Phase regelmäßig die „zweiten Sieger" waren.
    Die technische Entwicklung, die Zerstörungskraft der Waffen, die Schnelligkeit, mit der sie getragen werden, bieten heute einem Angreifer, der ohne Rücksicht auf die öffentliche Meinung seines Landes und die politische Struktur seiner Nation losschlagen kann, ungeheure Vorteile, Deshalb muß, solange die Sowjetunion nach der Analyse der Lage, nach der Prüfung der politischen Situation fähig ist, einen solchen Angriff zu unternehmen, und solange sie nach der Mentalität ihrer Machthaber auch keine Garantie dagegen bietet, die kriegsverhindernde Wirkung des Bündnisses aufrechterhalten werden. Anders läßt sich eine deutsche Sicherheitspolitik nicht machen.
    Wir wissen doch aus der Vergangenheit, daß der frühere deutsche Generalstab das Rundumdenken hatte. Da hat man die Fälle Anton bis Zeppelin — Blau, Gelb, Weiß, Grün usw. — gehabt, und da hatte
    man eine Lösung für Westen und Osten — und nun kam der Norden noch hinzu — in Generalstabsstudien niedergelegt. Die Zeit der Auseinandersetzung der europäischen nationalstaatlichen Demokratien oder auch nichtnationalstaatlichen Demokratien ist historisch vorbei. Es gibt heute für die militärische Vorbereitung zur Verhinderung eines Krieges nur mehr einen einzigen Fall; das ist der Fall Rot und sonst kein Fall mehr auf der ganzen Welt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Kollege Arndt hat heute zum Ausdruck gebracht, man müsse eine Zone der Entspannung schaffen, um von da aus das Problem der Abrüstung anzugreifen. Er hat sich zu einem gefährlichen Wort verstiegen — ich glaube, ich habe es richtig niedergeschrieben —, als er sagte, daß der Versuch, zu einem umfassenden Abrüstungsabkommen zu gelangen, identisch damit ist, die Abrüstung unmöglich zu machen.

    (Abg. Wehner: Da haben Sie aber schlecht mitgeschrieben!)

    — Wer ein umfassendes Abrüstungsabkommen verlangt, verhindert damit einen wirksamen Schritt zur Abrüstung. Ich zitiere es jetzt einmal sinngemäß; ich bin jederzeit bereit, mich belehren zu lassen. Aber der Sinn war der: Ihr verlangt zuviel in der Regierung, und darum kann auch nicht der Anfang gemacht werden. Das war doch der Sinn dieser Ausführungen.
    Nun, es ist gar kein Zweifel, daß es nicht möglich sein wird, in einem Übergang von 24 Uhr bis 0 Uhr eine umfassende Abrüstung zu erlangen. Es ist ganz klar, daß sowohl die Verhandlungen über die Abrüstung lange Zeit erfordern — das hat die Vergangenheit ja bewiesen; das Ergebnis war gleich Null —, aber daß auch die Durchführung einer solchen Abrüstung mit all den Institutionen, die eingesetzt werden müssen, lange Zeit dauern würde. Die Frage ist nicht die, ob man einem ersten Schritt zustimmt oder nicht, sondern die Frage ist die, ob man einem ersten Schritt nur dann zustimmt, wenn der zweite und der dritte Schritt nach aller politischen Wahrscheinlichkeit damit verbunden sind. Das ist die entscheidende Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe in einer Fraktionssitzung meiner Partei persönliche Überlegungen, die im Zusammenhang mit dem Rapacki-Plan entstanden sind und auf die Herr Kollege Mende heute Bezug genommen hat, erwähnt. Sie sind in die Öffentlichkeit gedrungen. Ich habe keine Bedenken getragen, sie auch in einem Artikel als Überlegungen über die Punkte, über die man sprechen müßte, darzulegen. Alle Überlegungen führen dazu, daß eine geographische Teillösung für die Abrüstung eine geographische Entwaffnung ist; denn die modernsten konventionellen Waffen ergeben im Verhältnis zu den Atomwaffen mindestens dieselbe Proportion wie eine Armbrust im Verhältnis zu einem Maschinengewehr. Wahrscheinlich stimmt dieser Vergleich noch nicht einmal in den Dimensionen. Eine geographische Entwaffnung, mit der nicht der vertragsmäßige Zwang verbunden ist, die Stufe 2 und die Stufe 3 einzuführen, ist nichts anderes — es tut mir leid, das sagen zu müs-



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    sen — als eine entscheidende militärische Schwächung der NATO in Europa, eine Verstärkung der kriegsanziehenden Wirkung und eine Ausschaltung Deutschlands aus den politischen Ereignissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Nun, Herr Kollege Mende, muß ich auf einige Fragen von Ihnen eingehen, soweit ich es kann. Aber die Opposition hat in ihrer Gesamtheit wirklich keinen einheitlichen Zungenschlag. Als Herr von Eckardt einmal sagte, der Bundeskanzler lehne den Rapacki-Plan ab, er habe sich ein Gutachten militärischer Sachverständiger eingeholt, da hieß es: Aha, die Generäle machen wieder Politik, und die Bundesregierung und ihre Abgeordneten sind nichts anderes als nur die Willensvollstrecker der Generalstabsoffiziere. Auf der anderen Seite der Opposition des Hauses tönt es umgekehrt: Die Generäle sind ja für den Rapacki-Plan, aber die Politiker ziehen nicht mit; man solle den Generälen doch dann folgen, wenn sie positiv dazu ständen. Könnten Sie sich vielleicht unter sich einmal einigen, wofür wir sein sollen? Das wäre eine geschlossene Antwort.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Sehr billig!)

    — Diesen Ausdruck muß ich ablehnen. Sie haben den Vorwurf erhoben, der Bundeskanzler habe sein Urteil getreu dem Vorschlag der Generäle gebildet. Herr Kollege Mende hat gesagt, er habe brauchbare Anhaltspunkte dafür, daß die Politiker den RapackiPlan ablehnten und die Generäle und Generalstabsoffiziere des Bundeswehrführungsstabs ihn partiell weitgehend empfohlen hätten. Das ist doch nur eine Feststellung von Tatsachen und nichts anderes.
    Ich habe das Original sogar bei mir. Die Zusätze, Herr Kollege Mende, die ich gemacht habe — ich bin bereit, sie Ihnen im Original zu zeigen —

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Das dürfen Sie nicht! Der Kanzler hat das untersagt!)

    — doch, darf ich schon; wir sind ja in einer CDU-Regierung —;

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    erstrecken sich auf zwei Punkte. Ich habe als Zusatz 1, Herr Kollege Mende, den Bundeswehrführungsstab darauf aufmerksam gemacht, daß es angesichts des Vorhandenseins von Mehrzweckewaffen — Sie wissen, was damit gemeint ist — in den Händen der Amerikaner und Briten und ganz sicher auch drüben, Artillerie und Raketen, und angesichts des geringen Gewichts von taktischen Atomsprengkörpern auch unter der strengsten Kontrolle möglich ist, auf dem Luft- oder Landweg überraschend Atomsprengkörper in diese Zone zu bringen; man möchte das mit aufnehmen. Die zweite Bemerkung hieß: Dieses Gutachten nimmt nicht Stellung zur politischen Seite des RapackiPlans, weder zur Frage der Auswirkung gegenüber dem Osten, noch zur Frage der Auswirkung gegenüber dem Westen. Ich habe das ausdrücklich eingefügt — und so ist es dem Herrn Bundeskanzler
    übergeben worden —, um festzulegen, daß der Bundeswehrführungsstab ausschließlich die militärischen Argumente pro und kontra liefert, die der Politiker braucht und die der Staatsmann braucht, um seinen Entschluß fassen zu können, nicht mehr und nicht weniger. So viel zur Beherrschung der Politik durch die Generäle oder zu den militaristischen Politikern!


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt (Hamburg)?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte sehr!