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ID0301801500

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    Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist im allgemeinen nicht üblich — ich kann wohl sagen: sehr ungewöhnlich —, daß durch Fragen des Mitgliedes eines Parlaments der Chef der Regierung des betreffenden Landes gezwungen wird, Auskunft, und zwar genaue Auskunft, über Gespräche zu geben, die er mit dem Botschafter einer fremden Macht gehabt hat.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich bedauere außerordentlich, daß der Herr Abgeordnete Mende mich in diese sehr unangenehme Lage versetzt hat. Ich bedauere das um so mehr, als ich mit ihm noch vor, ich glaube, zwei Tagen eine Aussprache über diese Frage gehabt habe.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Herr Abgeordneter Mende hat behauptet, daß von der Bundesregierung eine absichtliche Irreführung, jedenfalls eine fahrlässige Falschunterrichtung der deutschen Öffentlichkeit vorgenommen worden sei. Er hat weiter gesagt, daß grob fahrlässig falsche Meldungen mit tendenziösem Hintertergrund von der Bundesregierung ausgegangen seien. Er hat endlich nach dem Aide-memoire gefragt, das mir gestern der Botschafter der Sowjetunion, Herr Smirnow, im Namen seiner Regierung überreicht hat.
    Was dieses Aide-memoire angeht, so ist zwischen dem Botschafter und mir vereinbart worden, daß bis auf weiteres beide Seiten über dieses Aide-memoire schweigen. Wer von Ihnen weiß, daß diplomatische Verhandlungen nun wirklich nicht gewissermaßen auf offenem Platz geführt werden können, wird das verstehen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich kann Ihnen aber eins sagen: In diesem Aide-
    memoire steht nichts drin, was bei der heutigen De-

    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    batte die Position der Bundesregierung stärken oder die Position der Opposition schwächen würde.

    (Lachen und vereinzelte Zurufe.)

    — Ja, meine Damen und Herren, was daran zu lachen ist, das ist Ihr Geheimnis. Meines ist es nicht. Es bezieht sich gar nicht auf die heutige Verhandlung. Es wird ja wohl auch der Tag kommen, an dem dieses Aide-memoire in beiderseitigem Einvernehmen der Öffentlichkeit übergeben wird. Dann werden Sie sich davon überzeugen können, daß ich mit dieser Erklärung recht gehabt habe. Warten Sie also mit Ihrem Urteil bitte bis dahin ab.
    Nun hat aber Herr Abgeordneter Mende geglaubt, die Geschichte mit dem Friedensvertrag, mit dem einen Friedensvertrag oder mit zwei Friedensverträgen hier anschneiden zu sollen. Das ist mir sehr unangenehm, weil ich dadurch gezwungen bin, einen Teil der beiden Gespräche, die ich mit dem Botschafter Smirnow darüber gehabt habe, Ihnen mitzuteilen. Herr Botschafter Smirnow hat mich am Tage nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub, am 6. März, im Auftrag seiner Regierung aufgesucht. Nach dem Verlauf dieses Gesprächs konnte es keinem Zweifel unterliegen. daß er der Auffassung war, auf der Gipfelkonferenz sollten zwei Friedensverträge abgeschlossen werden. Ich habe ihm dann gesagt: Wie denken Sie sich das denn? Das ist doch für uns völlig unmöglich. Er hat darauf zur Antwort gegeben: .Sie haben ja vielleicht noch Zeit, vorher ein konföderatives Organ zu schaffen, und dieses konföderative Organ könnte dann einen Friedensvertrag mit Deutschland unterschreiben.
    Kurze Zeit darauf habe ich Herrn Kollegen Ollenhauer zu mir gebeten, und wir haben dort auch über diese Frage gesprochen. Ich habe dann den Herrn Kollegen Mende in Begleitung des Herrn Kollegen Maier vorgestern bei mir gehabt.

    (Zurufe: Umgekehrt!)

    — Also meinetwegen umgekehrt, das ist mir noch lieber.

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

    Herr Kollege Mende hat mir dann über, das Gespräch berichtet, das er mit dem sowjetischen Botschafter über die Frage: ein Friedensvertrag oder zwei Friedensverträge? gehabt hat. Ich habe mir seine Ausführungen notiert und habe ihm gesagt: Obgleich das an sich etwas ungewöhnlich ist, nachdem Herr von Brentano Ihnen im Auswärtigen Ausschuß zugesagt hat, die Frage werde geklärt werden, werde ich Herrn Botschafter Smirnow zu mir bitten.
    Infolgedessen ist Herr Botschafter Smirnow gestern am späten Nachmittag, gegen Abend, bei mir gewesen. Ich habe ihm gesagt: Sehen Sie, Herr Botschafter, ich habe diese Auffassung über das, was Sie mir gesagt haben; Herr Mende hat etwas ganz anderes gesagt, er hat mir über das Gespräch mit Ihnen erklärt, nach Ihrer Auffassung komme nur e i n Friedensvertrag mit Deutschland in Frage, und die Verhandlungen über diesen Friedensvertrag würden nicht etwa mit der Gipfelkonferenz abgeschlossen sein, sondern sich über lange Zeit hinziehen; dann könne man ja sehen, zu welchen Ergebnissen man komme; was ist nun richtig?
    Darauf hat er mir gesagt: Ich habe mit dem Herrn Abgeordneten Mende ja doch nur ganz wenige Worte gesprochen.

    (Abg. Dr. Mende: Zweieinhalb Stunden, Herr Bundeskanzler!)

    — Dann sagen Sie ihm das! Ich kann nur wiederholen, was er mir gesagt hat.

    (Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Dr. Mende: Vielleicht ist es wieder ein Mißverständnis?)

    — Ich will es Ihnen dann genauer sagen: „Wir haben gemeinsam gegessen und getrunken und dann einige Sätze gesprochen. Dann habe ich mich an meine Arbeit begeben." Das hat er gesagt.

    (Heiterkeit in der Mitte.) Aber das sind Nebensächlichkeiten.

    Ich will Ihnen nun kurz wiederholen, was er mir gestern gesagt hat. Er hat weder gesagt, das, was er Herrn Mende gesagt habe, sei richtig wiedergegeben, noch hat er gesagt, das, was ich Ihnen gesagt habe, sei richtig wiedergegeben, sondern er hat mir gesagt, er sei hier, um den Auftrag seiner Regierung zu erfüllen, und er müsse also erklären, es komme für die Gipfelkonferenz nur e i n Friedensvertrag in Frage, aber über die Wiedervereinigung Deutschlands dürfe auf dieser Gipfelkonferenz nicht gesprochen werden.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ich habe ihm dann erwidert: Aber, lieber herr Botschafter, wie stellen Sie sich denn die Sache vor? Es sitzt also auf dieser Gipfelkonferenz Herr Ulbricht da, und ich sitze da! Sie sagen, wir seien zwei souveräne Staaten, und dann sollen wir einen gemeinsamen Friedensvertrag mit Ihnen schließen. Wie stellen Sie sich das technisch überhaupt vor? Darauf hat er mir erwidert: Vielleicht haben Sie vor der Gipfelkonferenz noch genügend Zeit, um eine Konföderation mit der DDR herbeizuführen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Also dieselbe These, die sich immer in den offiziellen Schriftstücken sowohl Bulganins wie Chruschtschwos findet, die sich auch findet in dem Brief, den Herr Bulganin an Herrn Macmillan gerichtet hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Der betreffende Passus darin lautet — ich habe die Übersetzung erst diese Nacht bekommen —:
    Unseres Erachtens könnte auf der Konferenz auch das Problem des Abschlusses eines deutschen Friedensvertrages erörtert werden. Die Sowjetregierung schlägt vor, die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zur Teilnahme an der Erörterung dieser Frage einzuladen. Selbstverständlich kann, wie die Sowjetregierung wiederholt erklärt hat, das Problem des Zusammenschlusses der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zu einem einzigen Staate — das



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    liegt völlig im Zuständigkeitsbereich dieser beiden deutschen Staaten — nicht Gegenstand einer Erörterung auf der bevorstehenden Gipfelkonferenz sein.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Damit kann ich, glaube ich, diese Frage verlassen und zu den sehr wichtigen Fragen übergehen, die heute und morgen vor uns liegen. Ich möchte weder mich noch meine Kollegen im Kabinett erschöpfen durch die Beantwortung der tausend Fragen, die Herr Mende soeben an uns gestellt hat. Man kann diese Fragen aus dem Protokoll heraussuchen und kann sie ihm schriftlich beantworten. Auf der Tagesordnung stehen ganz bestimmte Fragen. Auf diese Fragen werden die zuständigen Fachminister antworten, und ich behalte mir vor, auch in die Debatte einzugreifen.
    Die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, „betreffend die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen", die Große Anfrage der FDP und schließlich auch die Entschließungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion, die auch zur Abstimmung kommen werden, gipfeln letzten Endes in der einen Frage: Wollen wir in der NATO bleiben oder nicht? Das ist die Frage, um die es sich handelt. Da wollen wir uns kein X für ein U vormachen, sondern ganz klar und deutlich über diese Frage vor Ihnen und damit vor dem deutschen Volke sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auf die einzelnen Pläne — Rapacki-Plan usw. — und die Vorschläge über die Tagesordnung einer Gipfelkonferenz heute einzugehen, halte ich nicht für opportun. Der Zeitpunkt dazu wird hoffentlich kommen. Ich halte es deswegen nicht für opportun, weil überhaupt noch keine Klarheit über das besteht, was von irgendeiner Seite beabsichtigt ist. Es liegen zur Zeit sieben Pläne à la Rapacki und 21 Vorschläge zur Tagesordnung einer Gipfelkonferenz vor, und fast jeder Tag bringt in einem diplomatischen Schriftstück wieder etwas Neues und wieder etwas anderes. Ich wiederhole: wenn einigermaßen zu erkennen ist, ob diese Gipfelkonferenz kommt, ob diese ganzen Fragen nun wirklich zur diplomatischen Verhandlung kommen, dann wird Ihnen die Bundesregierung ihre Stellungnahme dazu mitteilen. Wenn wir jetzt anfingen, alles das zu diskutieren, würde, wie ich fürchte, der Wirrwarr — und es ist augenblicklich ein Wirrwarr über diese Fragen in der Welt — nur noch größer werden.
    Ich habe den Stenographischen Bericht des Bundestages über die Verhandlungen, die im Dezember 1954 über den Beitritt der Bundesrepublik zum Atlantikvertrag stattgefunden haben, zur Hand genommen. Bei der Lektüre der Ausführungen, die damals gemacht worden sind, kehren einem natürlich die ganzen Tatbestände wieder sehr klar ins Gedächtnis zurück, und man stößt auf eine auffallende Parallele zur gegenwärtigen Lage. Von der damaligen Bundesregierung und der großen Mehrheit des Hauses, die hinter ihr stand, wurde seinerzeit zur Begründung des Eintritts in die NATO auf
    die Agressivität der sowjetischen Politik, auf ihr Ziel, Beherrschung der Welt durch den Kommunismus, und auf die dadurch begründete Notwendigkeit, in die politische Gemeinschaft der freien Völker des Westens mit allen Rechten und mit allen Pflichten einzutreten, hingewiesen.
    Übrigens hat Herr Mende — es sei in Parenthese bemerkt, er wird es gar nicht beabsichtigt haben — dadurch, daß er all die Äußerungen unserer früheren Gegner angeführt hat, eigentlich eine ausgezeichnete Rechtfertigung dafür gegeben, daß wir uns damals diesen unseren früheren Kriegsgegnern in der NATO angeschlosen haben, damit deren Absichten bezüglich des deutschen Volkes endgültig vom Tische herunterkamen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, dem damaligen Beschluß des Bundestages, in die NATO einzutreten, war das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vorangegangen. Das Scheitern ist wesentlich auf sowjetrussischen Einfluß zurückzuführen.
    Als nach dem Scheitern der EVG die Aufnahme Deutschlands in die NATO in Sicht kam — dank der Initiative des damaligen englischen Ministers des Auswärtigen Eden —, hat die Sowjetunion in Noten an Frankreich, an Großbritannien und an die Vereinigten Staaten vom 23. Oktober 1954 plötzlich wieder die Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, aber in der von ihr früher auf der Berliner Konferenz entwickelten Weise, aufgegriffen. Auf der Berliner Konferenz hat sie vorgeschlagen: freie Wahlen in Deutschland nach russischem System und eine Neutralisierung Deutschlands unter ständiger intensiver Kontrolle der Vier Mächte. Sie hat die Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands erst in dem Augenblick, wo es sich darum handelte, ob wir in die NATO eintreten würden, wieder aufgegriffen. Es ist klar: sie wollte damit den Eintritt der Bundesrepublik in die NATO inhibieren, stoppen.
    Wir erleben jetzt etwas ganz Ähnliches. Vielleicht kommt eine Gipfelkonferenz, und vielleicht wird auf dieser Gipfelkonferenz auch etwas Gutes für Deutschland herauskommen. Auch hier möchte ich betonen — gegenüber Zweifeln, die laut geworden sind —: die deutsche Bundesregierung wünscht dringendst das Zustandekommen einer Gipfelkonferenz, die wenigstens in einem Punkte eine Erleichterung der entsetzlichen Lage bringt, in der die gesamte Welt sich jetzt befindet.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Gipfelkonferenz wird sich auf alle Fälle auch mit der Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands beschäftigen. Die Ausrüstung der deutschen Wehrmacht schreitet fort. Die NATO selbst steht waffentechnisch und strategisch vor einer Umorganisation. Wiederum also, wie im Jahre 1954, sind entscheidende politische und militärtechnische Veränderungen in Sicht, und wiederum sucht auch jetzt die Sowjetunion durch eine große Anzahl sehr langer Briefe und Noten, die an
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonin, Donnerstag, den 20. März 1958 843
    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    alle möglichen Staaten gerichtet sind, Uneinigkeit unter den Völkern des Westens und Zweifel hervorzurufen und so diese Veränderungen zu verhindern.
    Ich sagte soeben, die NATO stehe waffentechnisch und damit auch taktisch und strategisch vor einer Umorganisation. Es handelt sich um die Einführung von Raketenwaffen und die Frage der nuklearen Waffen im Bereich der NATO. Diese Anwendung — und ich wünsche, daß sehr viele Deutsche das hören — der waffentechnischen Entwicklung auch in der NATO ist für die militärische und die politische Situation in der gesamten Welt und damit auch für Deutschland entscheidend.

    (Beifall in der Mitte.)

    Gegen sie richtet sich in erster Linie die Agitation der Sowjetunion. Dabei hat die Sowjetunion selbst die Entwicklung der Waffentechnik mit allen Mitteln betrieben und sie sich in ausgedehntestem Maße zunutze gemacht.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    In der Bundesrepublik wird in bestimmten Kreisen behauptet, die Aufrüstung der deutschen Bundeswehr mit nuklearen Waffen und Raketenwaffen würde zum Untergang Deutschlands führen, vergrößere die Spannungen in der Welt, verhindere die Wiedervereinigung, führe letzten Endes zum globalen Atomkrieg und damit zu einer fürchterlichen Katastrophe. Die Kreise, die das behaupten, schlagen daher vor, daß sich die Bundesrepublik unter keinen Umständen an dieser Neuorganisation der NATO beteiligen dürfe, daß sie weder nukleare Waffen noch Raketen haben dürfe.
    Wir leben in einer grausamen Welt, in einem schrecklichen Zeitalter. Wir leben in einer Zeit, wie es sie, so glaube ich, noch niemals gegeben hat, soweit das geschichtliche Denken reicht. Ich bin aber der Auffassung, daß uns gerade diese Tatsache verpflichtet, diese ganzen Fragen mit aller Ruhe, mit aller Sorgfalt und mit aller Nüchternheit zu überlegen und zu prüfen. Wenn wir das tun, dann kommen wir nach meiner sehr, sehr sorgsam gebildeten Überzeugung zu folgenden Ergebnissen.
    Der potentielle Gegner der NATO ist die Sowjetunion, der Ostblock. Die Sowjetunion ist mit nuklearen Waffen und Raketen aufgerüstet. Wenn ein wichtiger Teil der NATO nicht Waffen gleicher Stärke wie der potentielle Gegner besitzt — der Herr Verteidigungsminister wird darüber noch sprechen —, ist sie bedeutungslos und zwecklos geworden.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wenn es die strategische Planung der NATO — die wir natürlich nachprüfen müssen und nachprüfen werden — verlangt, daß auch wir, die Bundesrepublik, von dieser Fortentwicklung der Waffentechnik Gebrauch machen, und wenn wir uns dann weigern, das zu tun, scheiden wir damit aus der NATO aus. Um diese Frage — ich habe das schon einmal gesagt und betone es nochmals — dreht sich, wenn man die Dinge substantiell sieht, unsere ganze Diskussion, also um die Frage: Sollen und müssen
    wir im Interesse des deutschen Volkes und im Interesse des Friedens in der Welt in der NATO bleiben, auch wenn es sich als nötig erweist, die waffentechnische und strategische Entwicklung der NATO mitzumachen?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich halte es wirklich für notwendig, Ihnen in all dem Wirrwarr von Briefen, von Vorschlägen, von Plänen, von Artikeln, von Drahtnachrichten usw. die Situation so klar vor Augen zu führen, daß jeder in der Lage ist, sich eine Überzeugung so oder so zu bilden, damit jeder auch im deutschen Volke in der Lage ist, sich eine Überzeugung darüber zu bilden, ob die bisher von uns geführte Politik gut war, ob wir sie fortsetzen müssen oder ob Verhältnisse eingetreten sind, die eine Änderung unseres politischen Verhaltens verlangen, ab wir aus der NATO ausscheiden sollen.
    Die deutsche Politik muß meines Erachtens zum Ziel haben: Rettung des Friedens in der Welt,

    (lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Rettung des Friedens in der Welt durch kontrollierte allgemeine Abrüstung,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! und erneuter Beifall)

    und zwar sowohl auf dem Gebiet der nuklearen wie der konventionellen Waffen, dadurch allgemeine Entspannung, Sicherung unserer Freiheit und Wiederherstellung . unserer Einheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir uns Rechenschaft geben über die Politik Deutschlands, wie sie war und wie sie jetzt gestaltet werden muß, dann müssen wir doch von der Lage in der Welt ausgehen. Ein Land von dem wirtschaftlichen Potential und in der geographischen Lage Deutschlands wird niemals ein isoliertes Dasein führen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das Geschick Deutschlands ist untrennbar verbunden mit dem Geschick der anderen Völker.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir werden uns mit ganzer Kraft in den Dienst der Verhütung einer Weltkatastrophe stellen müssen; denn wenn eine Weltkatastrophe käme, dann würde Deutschland in sie hineingerissen werden, gleichgültig, ob es bewaffnet ist .oder ob es nicht bewaffnet ist.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU. — Bewegung bei der SPD.)

    Das ergibt sich aus der Natur eines globalen nuklearen Krieges, der weiteste Flächen umfassen würde, und aus der geographischen Lage Deutschlands.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Wittrock: Wem erzählen Sie das eigentlich !)

    Wenn ein solcher Krieg jemals entbrennen sollte und wenn er allein zwischen den nuklearen Großmächten, den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Sowjetrußland, ausbrechen würde und wenn alle anderen Länder in Europa sich neutral erklä-
    844 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958
    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    ren würden, würde trotzdem Westeuropa in den Strudel mit hineingezogen werden, weil die atomaren Explosionen in zu großer Nähe von ihm erfolgen würden und auch weil kein kriegführender Teil der anderen den Besitz so hockentwickelter Länder, wie es die westeuropäischen sind, gestatten würde.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Wir. haben im Interesse unserer Selbsterhaltung die Pflicht, alles zu tun, daß jede Katastrophe vermieden wird. Das können wir nur dann, wenn wir in der NATO bleiben, die NATO stärken, nicht aber durch Verweigerung sich etwa ergebender Verpflichtungen die NATO schwächen, aus ihr ausscheiden. Wir sind ein wichtiger Bestandteil der NATO und wir würden durch vertragswidriges Verhalten die NATO zerstören. Wir haben die Pflicht, alles zu tun, was wir können, um auf diese Weise die Möglichkeit eines Auswegs aus der furchtbaren Situation, in der die Welt sich befindet, mitzuschaffen.

    (Zuruf von der SPD: Die allgemeine Aufrüstung!)

    Seien Sie sich über eines klar: Die Weltlage ist, seitdem wir im Jahre 1954 .in die NATO eintraten, viel kritischer und gefährlicher geworden.

    (Widerspruch und Lachen bei der SPD. — Abg. Erler: Das ist dabei herausgekommen!)

    — Ach, meine Damen und Herren, ich wußte ja, wie Sie diesen Satz quittieren würden, aber hören Sie, was ich jetzt weiter sagen werde! Sie ist nicht durch unseren Eintritt in die NATO gefährlicher und kritischer geworden.
    Wollen wir die Dinge nun doch einmal real sehen! Glauben Sie und darin sehe ich die Zuspitzung der ganzen Lage —, daß sich Sowjetrußland seit 1954 in did Angelegenheiten des Orients hineingemischt hat, weil wir in die NATO eingetreten sind?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daran sind wir nun wirklich völlig unschuldig. Aber machen Sid sich bitte einmal klar, was diese politische Taktik der Russen für uns bedeutet! Sowjetrußland sucht im vorderen Orient immer mehr Fuß zu fassen und in das Mittelmeer zu kommen; ein von seinem Standpunkt aus, wenn es die Welt beherrschen will, sehr kluger Zug.
    Wenn Sowjetrußland über den Orient in das Mittelmeer kommt, dann ist Westeuropa in der Zange: einmal vom Mittelmeer aus und auf der anderen Seite hier vom Osten, von unserer Ostgrenze aus. Dadurch hat sich die Lage in der Welt seit 1954 wirklich kritischer gestaltet, als sie je vorher gewesen ist.
    Meine verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns nun diejenigen Mächte betrachten, die im Besitz nuklearer Waffen sind — das sind die Vereinigten Staaten, das ist Großbritannien, das. ist Sowjetrußland —, dann, glaube ich, ist das eine ganz klar: weder die Vereinigten Staaten noch Großbritannien verfolgen aggressive Tendenzen..

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diejenige nukleare Macht — es hat keinen Zweck,
    sich darüber zu streiten, wieviel nukleare Waffen
    sie hat; sie ist im Besitze eines erheblichen Teils nuklearer Waffen, das steht fest —, die aggressive Tendenzen verfolgt, das ist Sowjetrußland.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU )

    Auch daran kann doch kein Zweifel bestehen. Demokratisch regierte Länder, wie die Vereinigten Staaten, wie Großbritannien, können ja überhaupt keinen Aggressionskrieg führen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    es hindern sie die demokratischen Einrichtungen daran.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber ein diktatorisch regierter Staat,

    (Abg: Dr. Mende: Suez!)

    das wissen wir doch — und Sowjetrußland ist ein diktatorisch regierter Staat —, kann ohne Rücksicht auf irgendwelche demokratische Hemmungen zu einem Angriffskrieg übergehen.

    (Abg. Dr. Mende: Die These ist durch den Suez-Fall leider erschüttert, Herr Bundeskanzler!)

    — Herr Mende, ich lasse mich durch Sie nicht herausfordern. Wenn Sie die Einzelheiten über den
    Suez-Fall wissen wollen, dann lesen Sie doch das
    bekannte Buch, das in Paris darüber erschienen ist!
    Sie werden einen vergnügten Nachmittag haben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diejenigen, die glaubten, daß mit dem Tode Stalins eine andere, eine nichtaggressive Ara der russischen Politik eintreten werde, sind bitter enttäuscht worden. Auf dem Kongreß der Kommunistischen Parteien der sozialistischen Länder im November 1957 ist in der Schlußdeklaration vom 16. November 1957 — sie ist am 22. November durch TASS veröffentlicht worden — ausdrücklich die Beherrschung der Welt als das Ziel des Kommunismus erklärt worden..

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Diese Erklärung des höchsten Organs der kommunistischen Länder ist bisher von niemandem widerrufen worden.
    Wir haben auch in der jüngsten Geschichte Beweise von der Aggressivität der Sowjetunion, wir haben die Unterwerfung der Satellitenstaaten. Diese Aggressivität der Sowjetunion hat sich durch das Selbstbewußtsein, das sie durch den Besitz der nuklearen Waffen bekommen hat, noch gesteigert. Das wird offenbar einmal durch die Politik im Mittleren Osten, dann aber auch durch das Verhalten Sowjetrußlands in den ganzen Bemühungen um eine kontrollierte Abrüstung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darauf möchte ich Ihre und der deutschen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit einmal sehr nachdrücklich lenken.
    Der Unterausschuß der Abrüstungskommission der UNO hat vom 18. März bis zum 6. September 1957 Sitzungen abgehalten. Der Sowjetunion sind weitestgehende Angebote gemacht worden; sie sind alle veröffentlicht. Sie hat stereotyp nein gesagt. Es haben dann in der UNO Verhandlungen über die Abrüstung stattgefunden, und zwar begannen



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    sie unmittelbar, nachdem die Londoner Konferenz zu Ende gegangen war, am 17. September 1957. Am 14. November 1957 ist in der Vollversammlung der UNO eine Resolution zur Abrüstung angenommen worden. Bei der Abstimmung über diese Resolution haben sich 15 Staaten der Stimme enthalten. 56 Staaten haben der Resolution zugestimmt. 9 haben mit Nein gestimmt; das waren die Ostblockstaaten unter Führung der Sowjetunion.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Gerade wir in diesem Hause haben schon in früheren Diskussionen immer wieder die UNO als die höchste Autorität bezeichnet, und wir sollten diese Vorgänge in der UNO auch in diesem Falle mit der Aufmerksamkeit betrachten, die ihnen gebührt.
    Nach dieser Ablehnung — Ablehnung durch
    Sowjetrußland und Annahme durch 56 Mitglieder — wurde in der UNO eine Weiterführung der Verhandlungen durch die Abrüstungskommission der UNO vorgeschlagen. Sofort hat die Sowjetunion durch ihre Vertreter am 10. Oktober und am 4. November 1957 in der UNO erklärt, sie werde sich an den Verhandlungen der Abrüstungskommission und ihres Unterausschusses nicht mehr beteiligen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, gibt es einen stärkeren Beweis dafür, von welcher von Selbstüberschätzung getragenen agressiven Gesinnung die Sowjetunion beseelt ist?
    Dann ist in der UNO am 19. November 1957 eine Resolution zur Abstimmung gestellt worden, durch die die Abrüstungskommission von 11 auf 25 Mitglieder erweitert werden sollte, und zwar waren da Mitglieder in Aussicht genommen, die der Sowjetunion sympathischer waren. Bei der Abstimmung über diese Resolution über die Erweiterung der Abrüstungskommission, die Sowjetrußland entgegenkommen wollte, haben sich 11 Staaten der Stimme enthalten, 60 Staaten haben mit Ja gestimmt, 9 Staaten mit Nein; das waren dieselben Staaten, die auch damals mit Nein gestimmt hatten: der Ostblock unter Führung der Sowjetunion.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Ich glaube, ein überzeugenderer Beweis für das intransigente Verhalten der Sowjetunion in der uns
    und die ganze Welt zutiefst berührenden Frage der
    Abrüstung ist überhaupt nicht mehr zu erbringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun behaupten Vertreter der Sowjetunion, sie habe ihren Willen, abzurüsten, dadurch gezeigt, daß sie eine Anzahl von Truppen entlassen habe. Ich kann Ihnen erklären: Sowjetrußland hat in den letzten Jahren nicht nur nuklear hoch aufgerüstet, es hat auch auf dem Gebiete der konventionellen Waffen außerordentlich vieles geschaffen und aufgerüstet, so daß die Entlassung dieser Truppen keine Verminderung der Kampfkraft Sowjetrußlands in irgendeiner Weise bedeutet und nicht als Zeichen des Friedens gewertet werden kann. Ich glaube, gerade die durch das russische Nein zur Zeit sich auf dem toten Punkt befindlichen Abrüstungsverhandlungen, in London sowohl wie in der UNO, die gleichzeitig in stärkster Weise weitergetriebene Bewaffnung der Sowjetunion und die Proklamation der kommunistischen Parteien vom November 1957 zeigen — das muß ich sagen — klar und deutlich, in welcher Gefahr sich die freien Völker der Welt befinden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun wird von den Wortführern der Bewegung gegen eine Bewaffnung unserer Wehrmacht mit nuklearen Waffen — von der ich soeben sprach — behauptet, es gebe nur die Wahl zwischen dem Atomtod und Unterlassung der nuklearen Bewaffnung. Dieser Satz, meine Damen und Herren, ist völlig unrichtig.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Einmal glaube ich, Ihnen doch wesentliche Argumente dafür beigebracht zu haben,

    (Lachen bei der SPD — Zuruf links: „Beigebracht" ist richtig!)

    daß die Unterlassung der nuklearen Bewaffnung kein Schutz ist, und zweitens, meine Damen und Herren: wenn wir dieser Parole folgen, dann beschwören wir nach der Überzeugung der Bundesregierung geradezu die Gefahr eines grauenvollen Krieges herauf.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es gibt nicht nur Atomtod oder Unterlassung der nuklearen Bewaffnung, es gibt ein Drittes, und dieses Dritte ist das Ziel, das wir mit unserer Politik erstreben. Dieses Dritte ist die Verhütung jedes Atomkrieges durch allgemeine und kontrollierte Abrüstung.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nur diese allgemeine, kontrollierte Abrüstung kann
    in Wahrheit die Welt vor den furchtbaren Schrekken eines Atomkrieges bewahren. Ich habe darüber
    genug gesprochen, meine Damen und Herren, aber
    glauben Sie mir, es ist so: solange in der Welt
    Mächte im Besitz dieser nuklearen Waffen sind,
    droht immer die Gefahr, daß sie gebraucht werden

    (Abg. Wittrock: Also!)

    und daß dadurch über die ganze Welt, auch über die Nichtbewaffneten, das Unheil hereinbricht. Daher glaube ich, statt uns auseinanderzusetzen über Dinge, über die man natürlich verschiedener Meinung sein kann, sollten wir uns zusammenfinden in der Parole: Kontrollierte Abrüstung in der gesamten Welt. Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe eingangs gesagt, daß, wenn die Bundesrepublik sich weigern sollte, den zur Zeit noch nicht feststehenden, aber durch die moderne Entwicklung eventuell notwendig werdenden Umorganisationen strategischer und ausrüstungsmäßiger Art der NATO stattzugeben, damit die NATO auseinanderfällt. Dann ist die Lage unendlich viel gefährlicher, als sie zur Zeit ist. Sie ist aus zwei Gründen gefährlicher. Wenn zwei große Mächte Differenzen miteinander haben, wie die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, dann sind Verhandlungen nur mit Erfolg zu führen, wenn die beiden Mächte entsprechend stark sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    Das gilt vor allem für Verhandlungen mit der Sowjetunion. Die Aussichten, in Verhandlungen mit der Sowjetunion zu einem Ergebnis zu kommen, sind um so größer, je stärker derjenige ist, der ihr Verhandlungen vorschlägt.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wenn aber die NATO auseinanderfällt, dann stehen sich auf der Welt nur noch gegenüber: auf der einen Seite die Vereinigten Staaten, vielleicht mit England, auf der anderen Seite die Sowjetunion. Dann sind wir, meine Damen und Herren, politisch einflußlos geworden, und dann werden wir ein Objekt — und lediglich ein Objekt — der Politik anderer Länder.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, glauben Sie nicht, daß ich Gefahren an die Wand male, die nicht bestehen! Die Gefahren bestehen.
    Ich möchte Ihnen hier eine Meldung von AP vorlesen. Der Mitverfasser des amerikanischen Rockefeller-Berichts über militärische Gesichtspunkte amerikanischer und internationaler Sicherheit, Kissinger, vertragt im „Foreign Affairs" die Ansicht, daß Europas Weigerung, amerikanische Raketen anzunehmen, nur seine Abhängigkeit von Amerika erhöhen würde. Er sagt weiter:
    Statt das amerikanische Angebot nur unter dem Gesichtspunkt des ausschließlichen Nutzens für Amerika zu betrachten, sollten Europäer verstehen, daß es das einzige Mittel darstelle, mit dem Europa die Mitbestimmung über seine Zukunft sicherstellen könne. Wenn die USA durch eine europäische Weigerung der Annahme der Raketen allein die Verantwortung für die Verteidigung der freien Welt übernehmen, dann übernehmen sie auch die Verantwortung für die Bestimmung des Casus belli. Die Entscheidung darüber, wie auf eine Aggression in Europa zu reagieren wäre, läge dann nicht mehr in Europa.

    (Abg. Schmid [Frankfurt] : Wo denn sonst?!)

    Mit der Zeit könnte diese Situation das herbeiführen, was viele Europäer am meisten fürchten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, das ist logisch und richtig. Wenn wir bei großen politischen Fragen in Richtung auf eine Entspannung mitsprechen wollen, dann müssen wir auch bereit sein, die entsprechenden Lasten auf uns zu nehmen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich habe von der NATO bisher nur im militärischen und militärpolitischen Sinne gesprochen. Aber, da es sich hier um unser Verbleiben in der NATO handelt, bedenken Sie doch bitte auch einmal, was die NATO sonst bedeutet. Die NATO ist doch nicht nur ein militärisches Defensivbündnis, sie ist auch ein Bündnis, das sich in großem Maße mit anderen Fragen beschäftigt. Auf der Pariser Konferenz ist betont worden, daß die Signatarstaaten anstreben, Gegensätze in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit zu fördern. Ferner ist ausdrücklich erklärt worden, daß der NATO-Vertrag nicht nur den gegenwärtigen Sicherheitsforderungen genügen solle, sondern auch den Weg aus einer verworrenen internationalen Vergangenheit in eine bessere Zukunft zeigen wolle. Die Beschlüsse, die auf der Konferenz in Paris gefaßt worden sind, auf der sämtliche Regierungschefs der NATO-Staaten anwesend waren, zeigen das sehr klar. Es wurde wiederum bekräftigt — und davon müssen Sie und muß die Weltöffentlichkeit Kenntnis nehmen —, daß das Hauptziel der westlichen Bemühungen eine umfassende kontrollierte Abrüstung bleibt.
    In Paris haben sich die westlichen Staatsmänner wieder bereit erklärt, jeden denkbaren Vorschlag zu diskutieren und jeden vernünftigen Weg zu einer allgemeinen Abrüstung zu gehen.
    Die NATO ist im Laufe der Entwicklung, wenn sie auch bei ihrer Gründung vornehmlich ein militärisches Defensivbündnis war, zu einem allgemeinen, großen politischen Bündnis geworden, das auf die gesamte Weltpolitik bestimmend einwirkt. Daher sollte man sich doch sehr gründlich die Frage überlegen: Soll dieses kleine Deutschland — meine Damen und Herren, lassen wir doch endlich einmal den deutschen Größenwahn beiseite! —

    (Beifall in der Mitte — Beifall und Zurufe von der SPD)

    sich von diesem großen Bündnis zurückziehen und seinen Einfluß in diesem Bündnis preisgeben?

    (Abg. Ehren: Wo Sozialdemokraten dabei sind!)

    Wie stark der Einfluß der NATO ist, können Sie auch daraus ersehen, daß bei allen Londoner Abrüstungsverhandlungen eine Konsultation mit allen NATO-Partnern stattgefunden hat, daß alle Vorschläge im Einverständnis aller NATO-Partner gemacht worden sind. Das gleiche gilt für alle Antworten, die jetzt auf die Briefe der sowjetrussischen Staatsmänner gegeben werden. Alle diese Fragen werden unter den NATO-Partnern in Paris in voller gegenseitiger Offenheit diskutiert, und das Ergebnis wird den Regierungen der NATO-Partner zur Genehmigung unterbreitet.
    Ich darf vielleicht auch daran erinnern, daß das Schlußkommuniqué der Pariser Konferenz ausdrücklich hervorhebt, daß die NATO-Partner die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit fordern; alle stehen hinter uns.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr gut! — Vereinzelt Lachen bei der SPD.)

    — Jeder lacht, wo er es für nötig hält.

    (Beifall in der Mitte.)

    Lassen Sie mich nun noch ein Wort in eigener Sache sagen. Ich bin wegen der Erklärung, die ich in Paris abgegeben habe, in der deutschen Öffentlichkeit ganz außerordentlich gelobt worden. Ich hatte es nach meiner Meinung schon vorher verdient.

    (Heiterkeit. — Beifall in der Mitte.)

    Aber ich habe mir nun noch einmal die Erklärung,
    die ich damals abgegeben habe, genau durch-



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    gelesen, ob ich denn wirklich plötzlich aus einem Saulus ein Paulus geworden sei;

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    das ist nämlich gesagt worden. Ich finde dies nicht.
    Wenn Sie wollen, bin ich nach wie vor ein Saulus.

    (Heiterkeit. Zuruf des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

    — Was meinen Sie?

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Dann kämen Sie nicht in den Himmel! — Gegenruf des Abg. Kiesinger: Falsche Theologie!)

    Ich habe in Paris ausgeführt, was ich auch hier und was ich immer ausgeführt habe. Ich habe es wörtlich vor mir. Ich will es Ihnen nicht ganz vorlesen. Ich habe ausgeführt, daß die politische Entwicklung der letzten Monate keine Faktoren zeige, die uns zu der Hoffnung berechtigten, daß wir uns bereits auf dem Wege zu einer Entspannung befinden. Ich habe weiter ausgeführt, daß uns gar nichts dazu berechtige, mit unserer Arbeit in der NATO irgendwie nachzulassen, im Gegenteil. Ich habe ferner ausgeführt — und das sage ich auch hier, meine Damen und Herren —, daß wir jederzeit bereit sind, mit Sowjetrußland zu verhandeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu ist die Bundesregierung nach wie vor bereit. Natürlich gehören zum Verhandeln zwei. Über die Frage, die uns so sehr am Herzen liegt, über die Wiederherstellung der deutschen Einheit, bin ich noch mehr bereit zu verhandeln als über einen Friedensvertrag.
    Mir liegt am Herzen — und ich hoffe, auch Ihnen , daß wir endlich dazu kommen, daß die 17 Millionen Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang so leben können, wie sie wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich maße mir kein Urteil über die Regierungsmethoden Sowjetrußlands an; ich maße mir kein Urteil darüber an, was dort geschieht. Aber das eine weiß ich, meine Damen und Herren: daß die Deutschen für eine solche Regierungsmethode keine geeigneten Objekte sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Darum glaube ich — ich habe das auch der
    sowjetrussischen Regierung mitteilen lassen —, wir sollten diese ganze Frage nicht nur unter nationalen oder nationalistischen Aspekten oder Aspekten des Machtbereichs, sondern unter dem Gesichtspunkt betrachten, daß dort 17 Millionen Deutsche zu einer Lebens- und Denkungsweise gezwungen werden, die sie nicht wollen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir würden in der Befriedung der Welt, in der Entspannung und in unserem Verhältnis zu Sowjetrußland unendlich viel weiter sein, wenn endlich einmal den Deutschen in der Sowjetzone gestattet würde, frei zu sein und frei zu leben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist der Wunsch, den ich habe, völlig frei von
    jedem nationalistischen Überschwang. Um die Menschen handelt es sich, und auf die Menschen kommt es an. Wenn ich mit den Leuten spreche, die von dort herüberkommen — wohl jeder von uns spricht mit solchen Leuten , und wenn ich dann höre, unter welchem Druck die Menschen leben, dann glaube ich, auch Sowjetrußland müßte doch einsehen, daß es diese Leute auch nicht mit Zwang zu Kommunisten machen kann. Sie bleiben Deutsche und sie sollen Deutsche bleiben. Es ist ein elementares Menschenrecht, um das es sich hier handelt, daß diese Menschen nach ihrem eigenen Gutdünken frei leben können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, es gibt noch einen Punkt, der, glaube ich, in der Frage der Wiedervereinigung doch einmal erwähnt werden muß, weil er nach meiner Überzeugung auf sowjetrussischer Seite eine große Rolle spielt. Das ist das Vorkommen von Uranerzen in der Ostzone. Das ist ein Punkt von außerordentlich großer Bedeutung, auch für Sowjetrußland; das gebe ich ohne weiteres zu. Aber ich bin der Auffassung: Da lassen sich doch Kautelen schaffen! Es gibt doch eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß das Uranerzvorkommen nicht der Freiheit unserer Brüder und unserer Schwestern hinter dem Eisernen Vorhang entgegensteht!

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Großen Anfragen, diejenige der CDU/ CSU und diejenige der FDP, werden in einem Augenblick gestellt, in dem die außenpolitische Diskussion tatsächlich erneut in Fluß gekommen zu sein scheint. Die Auseinandersetzungen über die Vorbereitungen und Abhaltung einer sogenannten Gipfelkonferenz sind auf höchster Ebene im Gange. Die Bundesregierung hat es deshalb auch begrüßt, daß sie die Gelegenheit hat, in diesem Zeitpunkt präzise Fragen zu beantworten und damit auch der irrigen Auffassung entgegenzutreten, daß in der Beurteilung der weltpolitischen Lage durch die Bundesregierung ein Wandel eingetreten sei. Darüber hinaus hat aber die Bundesregierung auch keinen Zweifel, daß eine negative Entscheidung ihr den Vorwurf eingetragen hätte, das Parlament sei nicht rechtzeitig in die Diskussion um die Willensbildung einbezogen worden. Die Bundesregierung möchte nicht den Anschein erwecken, als müsse sie einer Auseinandersetzung über die bisherige Außenpolitik etwa aus dem Wege gehen. Es gibt keine einzige Frage, auf die eine exakte und präzise Antwort zu geben sie nicht bereit ist. Trotzdem erscheint es mir sinnvoller, wenn wir den Blick auf die Zukunft richten und uns darüber unterhalten, was geschehen kann und was geschehen muß.
    Als erste wurde der Bundesregierung die Frage gestellt, ob nach ihrer Auffassung die Wiedervereinigung Deutschlands auf einer bevorstehenden Gipfelkonferenz behandelt werden müsse, und dar-



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    hinaus, ob eine wirkliche Lösung der internationalen Spannungen ohne eine Antwort auf die deutsche Frage denkbar sei. Meine Damen und Herren, nach der Überzeugung der Bundesregierung wäre es tatsächlich eine gefährliche Selbsttäuschung, Wenn wir oder wenn andere Staaten im Osten und im Westen glaubten, die auf der Welt lastende Spannung zwischen der kommunistischen und der freien Welt könne auf der Grundlage der widernatürlichen Teilung Deutschlands beseitigt werden. Wir sind nicht so selbstbezogen, zu glauben, daß die Teilung Deutschlands die alleinige oder die entscheidende Ursache dieser Spannung sei. Wohl kann man annehmen, daß es ohne den tiefen politischen und psychologischen Gegensatz zwischen diesen beiden Teilen der Welt, der Welt des totalitären Kommunismus und der Welt der freiheitlichen Demokratie, nicht zur Spaltung Deutschlands gekommen wäre. Aber heute, wo sie da ist, hat sie sich leider zu einer durchaus selbständigen Quelle und Ursache internationaler Spannungen entwickelt. Es ist von dieser Stelle aus oft genug schon gesagt worden, worin diese Gefahren bestehen. Es genügt, wenn ich an den ständigen Flüchtlingsstrom aus der Zone erinnere, an die künstliche Abschnürung der alten Reichshauptstadt Berlin, an das Gefälle des Wohlstands vom Westen nach dem Osten und an die Willkürmethoden der Zonenregierung, über die wir täglich und stündlich neue Mitteilungen erhalten.
    Auf die Frage, ob die Wiedervereinigung Deutschlands oder, richtiger gesagt, ob die Herstellung einer dem Willen des deutschen Volkes entsprechenden freiheitlichen Ordnung in Deutschland auf einer Gipfelkonferenz behandelt werden muß, gibt es darum nach der Überzeugung der Bundesregierung nur eine klare Antwort: ja.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Darum wird sich die Bundesregierung wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft dafür einsetzen, daß dieses Thema zu einem der Themen der Gipfelkonferenz gemacht wird.
    Ich sage das nicht ohne eine Einschränkung. Es gibt bis zur Stunde leider kein Anzeichen dafür, daß die Regierung der Sowjetunion ernsthaft bereit wäre, über diese Frage zu verhandeln.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    Dafür gibt es um so mehr Anzeichen dafür — zum
    Teil hat sie der Herr Bundeskanzler schon erwähnt —, daß die Sowjetunion entschlossen ist, mit äußerster Härte an ihrer Theorie von der selbständigen Existenz zweier deutscher Staaten festzuhalten.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    In allen ihren mündlichen und schriftlichen Erklärungen haben die Sprecher der Sowjetunion dies in den vergangenen Wochen und Monaten bekräftigt. Ich brauche nur an die Rede zu erinnern, die am 22. Januar der sowjetrussische Parteisekretär Chruschtschow in Minsk gehalten hat. Er hat sich
    dort — mir scheint, das ist schon wieder in Vergessenheit geraten dahin geäußert, daß die Deutschlandfrage unter den gegenwärtigen Verhältnissen vor allem die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden auf dem Boden Deutschlands bestehenden souveränen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung betreffe. Er wiederholte, es sei der Standpunkt der Sowjetregierung, nur das deutsche Volk könne die Deutschlandfrage lösen, wobei er hinzufügte, das bedeute, daß man den Wunsch der Werktätigen der DDR, ihre sozialistischen Errungenschaften nicht beseitigt zu sehen, berücksichtigen müsse.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat Herr Mende nicht gesagt!)

    Ich glaube, wir brauchen uns über diese ,,sozialistischen Errungenschaften" nicht zu unterhalten; wir kennen sie. Aber ich habe doch den Eindruck, daß zuweilen auch diese Frage schon wieder etwas verniedlicht wird.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es wird schon so dargestellt, als gehe es letztlich nur um die Diskussion, was nun im Hinblick auf gewisse Maßnahmen geschehen soll, die dort vollzogen wurden, etwa Bodenreform oder Sozialisierung von Betrieben. Meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht in dieser Frage täuschen! Noch vor wenigen Tagen hat der Kontrollkommissar der SED Mattern vor dem Bezirksparteiaktiv der Dresdener SED-Leitung sehr klar gesagt, was die SED unter diesen „Errungenschaften" versteht. Er betonte, die größte Errungenschaft, die verteidigt werden müsse, bedeute die Einheit der Partei, die zweite die Staatsmacht der Arbeiter und der Bauern, und an dritter Stelle stehe der Aufbau des Sozialismus. Diese Errungenschaften seien die Grundlage, die auch im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands niemals verlassen werden dürfe.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ein gleiches hat er wenige Tage später vor der „Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenz" in Leipzig ausgeführt.
    Die Sowjetunion hat laut ihre volle Übereinstimmung mit solchen Äußerungen der sogenannten Regierung der DDR bekundet. Zuletzt hat Radio Moskau noch mitgeteilt, es sei unverständlich, warum die Konferenz überhaupt nach Wegen zur Wiedervereinigung Deutschlands suchen solle. Es ist uns auch bekannt, daß auf dem 40. Jahrestag der sowjetrussischen Armee Herr Chruschtschow im Gespräch mit einigen Partnern die Äußerung tat, Deutschland sei früher in eine Reihe von Staaten geteilt gewesen; über die Wiedervereinigung könne man vielleicht in hundert Jahren sprechen.

    (Abg. Kiesinger: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist allerdings nicht bereit, sich mit solchen Erklärungen der Sowjetunion abzufinden, und sie hofft, daß das ganze Volk ihr darin folgen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die zweite Frage steht in einem inneren und, wie ich glaube, unlösbaren Zusammenhang mit der er-



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    sten. Wenn die Bundesregierung gefragt wird, ob sie eine Behandlung von Fragen der europäischen Sicherheit auf der Konferenz für nützlich halte, solange die Behandlung der Wiedervereinigungsfrage von der Sowjetunion abgelehnt werde, so kann die Bundesregierung darauf nur mit einem klaren Nein antworten. Die Antwort muß „Nein" lauten, weil die Sicherheit des freien Europa unter den gegenwärtigen Bedingungen am wirksamsten durch die bereits bestehenden Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet ist. Es muß klar und unmißverständlich ausgesprochen werden: Solange die Teilung Deutschlands besteht, kann die Sicherheit des freien Europa durch Vereinbarungen über militärisch verdünnte oder atomwaffenfreie Zonen, durch teilweise oder vollständige Truppenabzüge, durch Auflösung überseeischer Stützpunkte oder ähnliche Vorschläge nur gefährdet, aber nicht verbessert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das scheint wohl auch der Grund zu sein, warum die sowjetische Außenpolitik mit einer wohlüberlegten Beharrlichkeit immer wieder neue sogenannte Sicherheitsvorschläge unterbreitet und in der durch die verständliche Furcht vor einem atomaren Krieg beunruhigten öffentlichen Meinung des Westens Verwirrung zu stiften versucht.
    Das Ziel einer solchen Politik ist in Wahrheit die Aushöhlung und die allmähliche Zerstörung des westlichen Sicherheitssystems, vor allem der Atlantischen Gemeinschaft.
    Meine Damen und Herren! Nach der Überzeugung der Bundesregierung ist — der Herr Bundeskanzler ist in seinen einleitenden Worten darauf schon eingegangen — die Nordatlantische Gemeinschaft ein Zweckverband, der gegründet wurde und aufrechterhalten wird, um kin sehr konkretes Ziel zu erreichen: die Verteidigung unseres Lebens und unserer Lebensordnung, nämlich der Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Solange die Sowjetunion an ihrer vermeintlichen Mission festhält, den Kommunismus über die Welt auszubreiten — und bis zur Stunde ist eine Änderung in dieser Haltung nicht eingetreten —, gibt es in der Tat kein wirksameres und kein besseres Instrument für unsere Verteidigung als die NATO.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daraus werden wir in jedem Falle die nötigen Konsequenzen ziehen.
    Ich darf wohl daran erinnern, daß diese Verbindung von Sicherheit und Wiedervereinigung, nach der hier gefragt worden ist, einer der Hauptpunkte der Verhandlungen auf der Genfer Gipfelkonferenz von 1955 war. In der damals auch von Herrn Bulganin und auch von Herrn Chruschtschow angenommenen Direktive vom 23. Juli 1955 wiesen die vier Regierungschefs ihre Außenminister an, die Prüfung folgender Fragen vorzunehmen: europäische Sicherheit und Deutschland, Abrüstung, Entwicklung von Kontakten zwischen Ost und West. Haben wir Deutsche denn Anlaß, den Feststellungen des amerikanischen Präsidenten in seiner Note vom 3. März
    zu widersprechen, in der er es als unerläßlich bezeichnet hat, bei einer neuen Konferenz an die Ergebnisse der Genfer Konferenz anzuknüpfen? Haben wir Deutsche Anlaß, die übereinstimmende Erklärung des amerikanischen Außenministers Dulles in seiner Pressekonferenz am 4. März zu bezweifeln, der — wie ich glaube, mit Recht — gesagt hat, es wäre sehr wenig sinnvoll, eine neue Gipfelkonferenz damit zu beginnen, daß man die Ergebnisse der ersten Gipfelkonferenz zunächst begräbt? Ich fürchte, meine Damen und Herren, wenn wir uns auf eine solche Taktik einließen, wären wir nach einigen weiteren Gipfelkonferenzen im wahrsten Sinne des Wortes ausverkauft.
    Es sind nun in der letzten Zeit eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, die man ja auch behandeln könnte, Vorschläge, von denen man sagte, daß ja auch sie die Sicherheit in Europa bringen oder verstärken könnten. Ich brauche nicht zu sagen — Sie dürfen es versichert sein! —, daß die Bundesregierung Vorschläge dieser Art sorgfältig geprüft hat und auch in Zukunft prüfen wird. Aber es genügt nicht, daß in dem einen oder anderen Vorschlag vielleicht auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Bei der Bedeutung dessen, was auf dem Spiel steht, müssen solche Vorschläge bis zur letzten Konsequenz — und daran scheint es mir oft zu fehlen — durchdacht sein.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Es wird sicher nur wenige Vorschläge geben, die nur negativ, oder wenige Vorschläge, die nur positiv zu werten sind. Darum kann man die Entscheidung nur nach einer sehr sorgfältigen Abwägung des Für und Wider treffen.
    Nach welchen Maßstäben diese Entscheidung zu treffen ist — ich komme bei der Behandlung des Rapacki-Plans noch einmal kurz darauf zurück —, mag Ihnen folgende Fragestellung zeigen: Sind solche Vorschläge tatsächlich geeignet, die Kriegsgefahr zu vermindern? Sind solche Vorschläge tatsächlich geeignet, einen Zustand der Entspannung herbeizuführen oder auch nur einzuleiten, der diesen Namen verdient, oder dienen sie nicht dem Selbstbetrug? Dienen sie wirklich, wenn auch nur mittelbar, der Sache der deutschen Wiedervereinigung, oder verändern sie — das ist eine ernste Frage — in solchem Maße das gegenwärtige Gleichgewicht der Kräfte und der strategischen Positionen zum weiteren Nachteil des Westens, daß dadurch gewisse möglicherweise entstehende Vorteile aufgewogen, ja, mehr als aufgewogen werden?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wenn man diese Maßstäbe zugrunde legt, kommt man zum Ergebnis, daß die Frage der europäischen Sicherheit tatsächlich nicht von der Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit gelöst werden kann.
    Auf die dritte von der Fraktion der CDU/CSU gestellte Frage lautet die Antwort: Die Bundesregierung hält ,an dem Grundsatz fest, daß für die Wiedervereinigung freie Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unerläßlich sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Sie sieht keinen Anlaß, von der bisher von allen Parteien des Deutschen Bundestages vertretenen Auffassung abzugehen, daß Verhandlungen mit der sogenannten Regierung der DDR kein geeigneter Weg zur Wiedervereinigung sind.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Man könnte die Frage stellen, ob es überhaupt nötig ist, nach den zahlreichen Äußerungen, Erklärungen und Resolutionen, die auch in diesem Hause abgegeben und angenommen wurden, noch eine solche Feststellung zu treffen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Aber gewisse Diskussionen, die in der Öffentlichkeit entstanden sind, scheinen mir das notwendig zu machen. Dazu gehört auch der Angriff gegen die Bundesregierung, der auch heute andeutungsweise wiederholt wurde und der darauf hinausläuft, die These, daß freie Wahlen am Anfang der Wiedervereinigung stehen müßten, habe verheerend gewirkt; diese These sei eine — wurde uns damals sogar unterstellt — bewußte Sabotage an der Verwirklichung des Gedankens der Wiedervereinigung.
    Diese Forderung kann in der Tat zweierlei bedeuten, einmal, daß die freien Wahlen am Anfang des eigentlichen Wiedervereinigungsverfahrens stehen sollen. Mit anderen Worten: wenn einmal eine konkrete Einigung mit den vier Mächten darüber erzielt ist, daß die Einheit Deutschlands unter bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten Datum wiederhergestellt werden soll, so müßte nach dieser Parole nicht etwa mit der Bildung einer provisorischen gesamtdeutschen Regierung, sondern mit freien Wahlen in ganz Deutschland begonnen werden. Aus diesen Wahlen müßte eine Nationalversammlung, aus dieser eine gesamtdeutsche Regierung hervorgehen.
    Wenn das gemeint ist, möchte ich allerdings für die Bundesregierung keinen Zweifel daran offenlassen, daß wir auch heute noch unverändert zu dieser These stehen, zu einer These, die ihre Bekräftigung in zahlreichen Entschließungen gefunden hat, die einmütig — allenfalls gegen die Stimmen der Kommunistischen Partei — in diesem Hause angenommen wurden, zu einer These, die auch Herr Kollege Wehner selbst unterstrichen hat, als er sagte:
    Die freien Wahlen, die Bildung der Nationalversammlung und der gesamtdeutschen Regierung und dann Friedensverhandlungen und schließlich Verhandlungsfrieden sind eine sozusagen unter allen Umständen einzuhaltende Reihenfolge.

    (Hört! Hört! und Beifall in der Mitte.)

    Ich kann nicht einsehen, daß diese Überlegungen in den letzten Jahren irgend etwas von ihrem Wahrheitsgehalt verloren hätten. Sie sind heute noch so gültig und so richtig wie je zuvor.
    Die Parole „Freie Wahlen zuerst" könnte allerdings auch in einem anderen Sinn verstanden werden, nämlich als Forderung, daß bei den Verhandlungen mit der Sowjetunion über die Wiedervereinigung zunächst überhaupt über nichts anderes gesprochen werden dürfe als über freie Wahlen. Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß das niemals die Auffassung der Bundesregierung war.

    (Abg. Wehner: Niemals — sagen Sie!)

    Die Vorschläge, die mit Zustimmung der Bundesregierung am 28. Oktober 1955 in Genf von den drei Westmächten vorgelegt worden sind, beweisen, daß das Gegenteil richtig ist. In diesen Vorschlägen heißt es, der Vertrag würde nur in Verbindung mit der Wiedervereinigung in Kraft treten; er würde in Phasen ausgeführt werden. Wir hatten gleiches festgestellt in den beiden Memoranden an die Sowjetregierung vom 2. September 1956 und vom 20. Mai 1957. Ich habe auch in der Regierungserklärung im Dezember 1955 auf eine übereinstimmende Entschließung der Beratenden Versammlung des Europarates verwiesen, in der die Parallelität der Vorgänge ausdrücklich festgestellt worden ist. Ich habe diese Feststellung als richtig aufgenommen und unterstrichen.
    Wir Waren uns immer des inneren Zusammenhangs zwischen diesen beiden Problemkreisen durchaus bewußt. Wir waren immer bereit, uns in ein System europäischer Sicherheit einzuordnen, in dem andere unsere Sicherheit und wir gleichzeitig die Sicherheit der andern wirksam zu garantieren vermögen. Aber will denn jemand in diesem Hause ernstlich daraus die Konsequenz ziehen, daß wir darum auch auf freie Wahlen und auf die Entscheidungsfreiheit verzichten sollten? Die Bundesregierung ist nicht bereit, einen solchen Verzicht auszusprechen, noch dazu in einem Augenblick, in dem niemand zu übersehen vermag, was wir für einen solchen Verzicht als Gegenleistung erhalten würden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist doch die Frage, ob wir überhaupt berechtigt wären, einen solchen Verzicht auszusprechen; denn wir würden damit eine Entscheidung einer gesamtdeutschen Regierung, eines gesamtdeutschen Parlamentes präjudizieren. Auf jeden Fall aber kann ich mir nicht denken,

    (Abg. Wehner: Also was dazu für eine Stirn gehört!)

    daß in einem freigewählten deutschen Parlament jemand ist, der einer freigewählten Vertretung des ganzen deutschen Volkes das Recht bestreiten wollte, frei zu sein in der Beurteilung von Vorschlägen, die man vielleicht einmal dem deutschen Volke machen wird, frei zu sein in der Entscheidung über die Ausgestaltung der inneren, der politischen, der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung, frei zu sein in der Fortsetzung der europäischen Politik, frei zu sein in ihrem Bekenntnis zur unlösbaren Verbundenheit des deutschen Volkes mit den freien Völkern der Welt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die nächste Frage ist die nach der Stellung der Bundesregierung zum Vorschlag einer Konföderation zwischen Bundesrepublik und DDR. Ich glaube,



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    ich kann diese Frage im Zusammenhang mit dem Teil der letzten Frage behandeln und mich darauf beschränken, zu erklären: Die Bundesregierung bestreitet — ich glaube, wie jede der hier vertretenen politischen Parteien, und ich erinnere hier an die Erklärungen, die Herr Kollege Ollenhauer noch im September 1955 und im Februar 1956 abgegeben hat — die demokratische Legitimation der Regierung von Pankow, und sie weiß, daß die Anerkennung dieser Regierung die Anerkennung der Teilung Deutschlands bedeuten würde. Sie verspricht sich nichts davon, ein Gespräch zu führen mit Männern, denen diese Legitimation fehlt, und sie glaubt auch nicht, daß man ernsthaft über die freiheitliche Ordnung eines Volkes von 68 Millionen sprechen kann mit denen, die 17 Millionen Deutschen die primitivsten Freiheitsrechte verweigern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Bundesregierung lehnt aber auch den Gedanken einer Konföderation ab. Ein Staatenbund, eine Konföderation ist ein völkerrechtlicher Vertrag unabhängiger Staaten. Man mag zweifeln, ob das deutsche Volk heute da anknüpfen will, wo vor 150 Jahren seine Einigungsbestrebungen begonnen haben. Aber das entscheidende Problem liegt nicht bei der staats- oder völkerrechtlichen Struktur; das entscheidende Problem liegt darin: Die Konföderation, wie man sie uns nunmehr vorschlägt, soll nicht zwei Staaten zueinander führen, die sich zu gleichen politischen und ethischen Grundsätzen des Lebens bekennen; im Gegenteil, in der sowjetisch besetzten Zone soll alles beim alten bleiben. So bedeutet ja der Vorschlag der Konföderation nicht mehr und nicht weniger als den Umweg zum „Gesamtdeutschen Rat". Wir haben bisher der Versuchung widerstanden, uns mit Herrn Ulbricht an einen Tisch zu setzen. Dabei sind wir nicht davon ausgegangen, daß die Eigenschaft eines Menschen, Deutscher zu sein, schon genügt, ein Gespräch zu führen. Ein sinnvolles Gespräch vermag ich nur mit dem zu führen, der gleiche Vorstellungen hat und sich zu gleichen Zielen bekennt. Können wir uns eine Verständigung zwischen dem Staat einer Hilde Benjamin und einem freiheitlichen Rechtsstaat, wie ihn die Bundesrepublik darstellt, ernsthaft denken? Aber ich glaube, daß wir über diese Frage der Konföderation kaum mehr zu sprechen brauchen, denn ich kann mir nicht denken, daß in den Ausführungen auch des Herrn Kollegen Mende, als er von den Auftragsverhandlungen sprach, etwa die Bereitschaft hat erkennbar werden sollen, die Frage einer Konföderation ernsthaft zu diskutieren.
    Mit der nächsten Frage erbittet die Fraktion Auskunft darüber, welche Schritte die Regierung unternommen hat, ihre politische Auffassung mit den an der Gipfelkonferenz voraussichtlich beteiligten Bündnispartnern zu beraten. Nun, meine Damen und Herren, hierzu hat der Bundeskanzler sich schon geäußert, und es genügt, wenn ich feststelle, daß wir mit allen unseren Bündnispartnern in einer laufenden unaufhörlichen Konsultation stehen, einer Konsultation, die im NATO-Rat in Paris durchgeführt und durch die ständige Begegnung und Berührung der Botschafter in den Hauptstädten der
    beteiligten Nationen ergänzt wird. Ich glaube —und ich kann das mit großer Befriedigung sagen —, die eingehenden Diskussionen im Rahmen der Atlantischen Gemeinschaft haben bisher immer wieder von neuem gezeigt, daß in allen wesentlichen Fragen und gerade auch in den wesentlichen Fragen, die uns als deutsche Menschen unmittelbar berühren, eine volle Übereinstimmung zwischen den Bündnispartnern zu erreichen war.
    Welche Vorstellungen wir von den Vorbereitungen und den Möglichkeiten einer solchen Konferenz haben, ist in einem Schreiben enthalten, das der amerikanische Präsident Eisenhower am 12. Januar an die sowjetrussische Regierung gerichtet hat und in dem es heißt, die Vereinigten Staaten seien bereit, im Zusammenhang mit der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands gemeinsam mit anderen Regierungen über spezifische Vereinbarungen bezüglich der Stärke der Streitkräfte und ihre Dislozierung sowie über weitgesteckte vertragliche Vereinbarungen zu verhandeln, und zwar nicht nur für den Fall einer Aggression.
    Meine Damen und Herren, hier ist, glaube ich, ein sinnvolles Thema einer Außenministerkonferenz und einer Gipfelkonferenz umrissen, denn hier steckt die Bereitschaft, über alle Fragen zu sprechen, deren Lösung zu einer Entspannung beitragen könnte, auch über die Deutschlandfrage. Allerdings glaube ich, daß diejenigen, die einen Katalog von Themen aufstellen und ihn den anderen unter der Bedingung übermitteln, daß die anderen nicht das Recht haben sollten, eigene Themen vorzuschlagen, nicht eine Gipfelkonferenz fördern, sondern sie in Wahrheit sabotieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Fraktion der FDP hat einige Fragen vorgelegt. Sie fragt zunächst, ob die Bundesregierung bereit sei, sich bei den Vier Mächten dafür einzusetzen, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland erörtert werden. Ich glaube, ich habe diese Frage schon in meinen einleitenden Worten beantwortet, als ich von dem Wunsche der Bundesregierung, von ihrem unausgesetzten Bemühen sprach, die Wiedervereinigung als solche auf die Tagesordnung der Gipfelkonferenz zu bringen. Nach der Erklärung, die Herr Kollege Mende gegeben hat, war ich mir des Sinnes dieser Frage nicht ganz bewußt geworden. Was war gemeint? Etwa ein Vertrag der Vier Mächte untereinander, der die Wiedervereinigung ermöglichen, der die Grundlage der Wiedervereinigung sein soll, oder ein Vertrag, der für den Fall der deutschen Wiedervereinigung das Sicherheitsproblem behandeln soll? Oder war damit nur der Friedensvertrag gemeint?
    Die beiden ersten Probleme können selbstverständlich auf einer Gipfelkonferenz besprochen werden. Sie stehen ja in einem inneren und unlösbaren Zusammenhang mit der Frage der Wiedervereinigung. Aber gegen die isolierte Behandlung des Friedensvertrages hat die Bundesregierung begründete Bedenken, nachdem die Sowjetunion eindeutig erklärt



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    hat, daß sie zwar bereit sei, über einen Friedensvertrag, aber nicht über die Konsequenzen des Friedensvertrages, nämlich über die Wiedervereinigung zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Kollege Mende hat versucht, uns klarzumachen, das sei gar nicht so gemeint; die Sowjetunion meine nicht zwei Friedensverträge, sondern einen Friedensvertrag mit zwei deutschen Staaten, und nach seinem Abschluß könne sich im Laufe der Zeit diese Entwicklung vollziehen. Meine Damen und Herren, was hier vorgetragen wurde, erinnerte ein wenig an das Hexen-Einmaleins: „aus zwei mach eins". Wenn man nämlich von einem Friedensvertrag mit Deutschland spricht, muß man sagen, wer der Partner dieses Friedensvertrages sein soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieser Partner ist bis zur Stunde nicht vorhanden, und die Sowjetunion lehnt es ab, einen legitimierten Partner zu bestellen. Der Herr Bundeskanzler hat an das Gespräch erinnert, das gestern stattgefunden hat, und in dem seitens der Sowjetunion wieder auf die Möglichkeit einer Konförderation, eines Gesamtdeutschen Rates oder ähnlicher Einrichtungen verwiesen worden ist.
    Wenn die Sowjetunion nach wie vor sagt, das Problem der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands dürfe nicht auf der Tagesordnung stehen und nicht verhandelt werden, wie soll dann ein Friedensvertrag behandelt werden, der ja diese Wiedervereinigung zum Ziel haben muß?! Dabei stelle ich die Frage, was eigentlich geschehen wird, wenn die beiden deutschen Regierungen zu Vorschlägen oder zu Plänen über einen Friedensvertrag verschiedene Erklärungen abgeben. Ich könnte mir allerdings ohne übertriebene Phantasie denken, daß es in zahlreichen Fällen so sein würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Kollege Mende hat dann gefragt, ob wir etwa die Gipfelkonferenz scheitern lassen wollten, wenn die Sowjetunion darauf bestehe, die DDR zu konsultieren. Ach, meine Damen und Herren, wir haben gar nichts dagegen, wenn zum Gefolge des Herrn Chruschtschow und des Herrn Bulganin auch ein paar Mitglieder der DDR gehören. Daran wird die Bundesregierung keinen Anstoß nehmen. Wir haben es Gott sei Dank nicht nötig, in solch einem Gefolge zu sitzen, denn wir haben die Gewißheit, daß diejenigen, die unsere Sache in unserer Abwesenheit vertreten, das mit derselben Klarheit und derselben Entschiedenheit tun, wie wir es selbst täten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang die Äußerung des Herrn Kollegen Mende, die Bundesregierung habe die Öffentlichkeit fahrlässig falsch informiert, entschieden zurückweisen. Die Bundesregierung hat das gesagt, was bisher zu lesen war und was auch in der gestrigen Unterredung mit dem sowjetrussischen Botschafter bekräftigt wurde. Die Einstellung der Sowjetunion lautet: Wir sind
    bereit, einen Friedensvertrag über Deutschland zu behandeln, ohne daß wir zulassen, daß die Frage der Einheit Deutschlands erörtert wird. — Damit dürfte nach unserer Meinung und der unserer Partner dieser Punkt von der Tagesordnung verschwinden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung ist weiter gefragt worden, ob sie im Hinblick auf die in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit erörterten Pläne über eine von Atomwaffen freie, von Atomwaffenanlagen freie und militärisch entschärfte Zone einen eigenen Vorschlag machen wolle.
    Einen eigenen Vorschlag wird die Bundesregierung nicht machen. Sie wird in voller Übereinstimmung mit ihren Verbündeten Vorschläge dieser Art prüfen und gemeinsame Gegenvorschläge entwikkeln.
    Herr Kollege Mende hat in diesem Zusammenhang wieder Kritik geübt; ich möchte darauf eingehen. Ich muß, Herr Kollege Mende, hier die Frage stellen, ob Sie nicht in der Lage waren, die Ihnen zur Verfügung stehende Dokumentation zu lesen, oder ob Sie bei diesem Angriff gewußt haben, daß er ungerechtfertigt ist. Sie haben sich auf Herrn Richard Crossmann, auf Herrn Elliot und auf Herrn Robens bezogen. Ihnen, meine Damen und Herren, und auch Ihnen, Herr Kollege Mende, kann ich nur sagen, ich bestreite, daß diese Abgeordneten erklärt haben, die Bundesregierung habe den Eden-Plan vom 18. Juli 1955 abgelehnt oder auch nur Bedenken dagegen geäußert.

    (Hört! Hört! und Beifall in der Mitte.)

    Das genaue Gegenteil ist richtig. Ich habe an diesen Besprechungen selbst teilgenommen.

    (Erneute Hört! Hört!-Rufe von der Mitte.)

    Wir haben den Eden-Plan vom 18. Juli 1955, der auch den Gedanken einer verdünnten Zone enthält, unterstützt: Dieser Eden-Plan ist dann in das Gesamtprojekt der westlichen Alliierten hineingekommen, das am 28. Oktober 1955 mit unserer eindeutigen Billigung vorgelegt worden ist.

    (Abg. Wehner: Das Hexeneinmaleins des Eden-Plans! Schüttle durcheinander! — Zuruf des Abg. Erler. — Gegenrufe von der Mitte.)

    — Herr Kollege Wehner, warten Sie nur, ich komme schon darauf. Sie scheinen die Dokumentation erfreulicherweise besser zu kennen als Herr Kollege Mende.
    Der englische Premierminister Eden hat in einer Diskussion am 22. Juli 1955 einen weiteren Plan entwickelt, der zunächst auf der Grundlage der Teilung Deutschlands verwirklicht werden sollte. Wir haben in der Tat gegen diesen Plan Bedenken erhoben. Ich kann nur feststellen, daß es — dies war das Ergebnis der schon damals bestehenden vortrefflichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit — leicht gelungen ist, die englische Regierung davon zu überzeugen, daß dieser Gedanke nicht glücklich ist. Offensichtlich hat deswegen die englische Regierung diesen Plan fallenlassen, der ohnehin von



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    Herrn Eden in der Diskussion am 22. Juli nur als ein Versuchsprojekt bezeichnet worden war. Der Plan, den Herr Eden am 18. Juli vorgelegt hat und der Gegenstand der endgültigen Vorschläge wurde, die in den Sicherheitsvertrag aufgenommen worden sind, den die drei westlichen Alliierten den Russen in Genf vorgelegt haben, ist mit der vollen Zustimmung der Bundesregierung in diese Vorschläge aufgenommen worden, und die Bundesregierung steht heute noch zu dieser Zustimmung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die letzte Frage der FDP, die sich teilweise mit der vorletzten Frage nach dem Rapacki-Plan überschneidet, stellt uns vor ein Problem. Hier müssen wir, glaube ich, eine klare Antwort geben. Der Herr Kollege Mende hat vorhin meinen alten Freund, Herrn Schlange-Schöningen, zitiert. Vielleicht darf ich mir erlauben, ihn einmal selbst zu zitieren. Herr Kollege Mende hat am 10. Mai 1957 hier im Bundestag erklärt:
    Wer es wagen würde, die Verbindung der Bundesrepublik zur freien Welt zu durchschneiden, würde die Schlagader durchschneiden und die Bundesrepublik zum sogenannten „volksdemokratischen" Staat ausbluten lassen.

    (Zurufe von der Mitte: Hört! Hört! — Abg. Dr. Mende: Wer will denn das?)

    — Ich darf fortfahren:
    Uns Freien Demokraten ist ein zweigeteiltes Deutschland, in dem wenigstens wir 51 Millionen Bundesrepublikaner frei sind und frei reden können und woraus 17 Millionen in Mitteldeutschland eine Hoffnung schöpfen, immer noch angenehmer als ein einiges Deutschland von 70 Millionen unter dem Sowjetstern, Hammer und Sichel, als Volkdemokratie.

    (Lachen und Zurufe von der Mitte. — Abg. Dr. Mende: Sehr richtig! Jedes Wort wird heute bestätigt und wiederholt!)

    Jetzt werde ich meinen Freund SchlangeSchöningen zitieren. Ich kann Ihnen nämlich sagen, daß Herr Schlange-Schöningen die Dinge etwas klarer, glaube ich, als Sie durchdacht hat. Er hat in seinem, von Ihnen inkriminierten Artikel gesagt:
    Bevor an einen Rückzug fremder Truppen aus Deutschland gedacht werden kann, muß dieses eine sichergestellt sein: unsere amerikanischen Partner müssen in Europa bleiben, aus verschiedenen Gründen; sie müssen bleiben, weil ihre Sicherheit mit der Sicherheit Europas heute untrennbar verbunden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mende: Einverstanden! Vollkommen richtig, aber sie müssen nicht in der Bundesrepublik bleiben, sie müssen in Europa bleiben! — Lachen in der Mitte. — Abg. Schmücker: Das entscheiden Sie!?)

    — Lassen Sie mich ausreden! — Hier kommen wir
    zu der Frage, die wir nicht so diskutieren und so
    entscheiden können, wie einmal gesagt wurde, nach
    dem Spruch: Ich bitt' dich, heil'ger Florian, verschon mein Haus, zünd' andere an!"

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist eine tragische Tatsache, daß unsere Sicherheit heute von der Abschreckungskraft der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten abhängt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Daß diese Feststellung wohl richtig ist, wird niemand bestreiten. In dem letzten Jahrgang der Zeitschrift für Außenpolitik können Sie lesen:
    Man kann getrost davon ausgehen, daß unsere wirkliche Sicherheit gegenüber der Sowjetunion in der Abschreckungskraft der Vereinigten Staaten liegt. Die Aggression kann nur verhindert werden, wenn die Sowjetunion weiß, daß ihr Hinterland Schauplatz der massiven Vergeltung durch die Vereinigten Staaten ist. Das ist schrecklich, aber wahr.
    Dieses ernste Zitat stammt aus der Feder unseres verehrten Kollegen Erler.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nun stelle ich allerdings die Frage, ob denn diejenigen, die heute sagen, man müsse in Deutschland den atomwaffenfreien Raum schaffen, auch auf die Gefahr hin, daß die Amerikaner Deutschland verlassen, sich den Gedanken eigentlich in der letzten Konsequenz überlegt haben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Glaubt irgend jemand ernsthaft, daß wir unseren Verbündeten sagen können: In Deutschland gibt es keine Atomwaffen, ihr habt natürlich hierzubleiben, um uns zu schützen, und ringsherum müssen die Atomwaffen gestapelt werden, damit der Vergeltungsschlag ins Hinterland geführt werden kann; aber wir wollen uns nicht daran beteiligen!? — Meine Damen und Herren, es gibt nur eine ganze Sicherheit oder eine völlige Unsicherheit. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung oder einen Entzug aus dieser gemeinsamen Verantwortung.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Nur dann können wir damit rechnen, daß andere unsere Sicherheit schützen, wenn wir uns politisch und moralisch verpflichtet fühlen, auch zu dem Schutz der Sicherheit anderer beizutragen.

    (Lebhafter Beifall bei. den Regierungsparteien.)

    Von diesen Erkenntnissen wird sich die Bundesregierung bei ihren weiteren Entscheidungen leiten lassen. Der Herr Bundeskanzler hat unterstrichen, und ich glaube, ich kann es auch für die gesamte Koalition, die hier sitzt, sagen: es ist der Wunsch und das Bemühen der Bundesregierung, alles zu tun, um die Spannung aus der Welt zu schaffen, alles zu tun, daß wirklich einmal von der Abrüstung nicht nur geredet, sondern mit ihr begonnen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber es scheint mir falsch, es scheint mir gefährlich, wenn wir glauben, wir könnten solche Maß-



    Bundesaußenminister Dr. von Brentano
    nahmen in geographisch kleinen, beschränkten Räumen durchführen. Es geht auch hier nicht um die Einordnung des einen oder anderen kleinen Landes in einen solchen Plan. Es geht tatsächlich darum, ein neues Verhältnis zwischen den Großmächten der Welt herzustellen. Dazu müssen wir beitragen, indem auch wir bereit sind — natürlich —, Verpflichtungen auf uns zu nehmen, aber Verpflichtungen, die auch andere auf sich nehmen. Ich erkenne die Logik des Satzes nicht an, daß eine Atomwaffe, die hier zur Verteidigung steht, gefährlicher sei als eine Atomwaffe, die in Rußland für den Angriff gerichtet wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich bin mir natürlich klar darüber, daß in einigen der hier besprochenen Fragen erhebliche Meinungsverschiedenheiten — wie so oft — bestehen bleiben. Trotzdem habe ich die Hoffnung, daß wir in einigen wesentlichen Fragen im Grundsätzlichen zu einer Einigung kommen. Ich glaube, sie kann in folgenden Punkten hergestellt werden: in der Ablehnung eines Friedensvertrages, der mit zwei deutschen Staaten geschlossen werden müßte, in der Ablehnung unmittelbarer Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten DDR, in der Übereinstimmung, daß freie Wahlen am Beginn der Wiedervereinigung stehen müssen, aber auch in der Übereinstimmung, daß freie Wahlen das Ergebnis einer Einigung unter den vier Mächten über die Wiedervereinigung und die Frage der europäischen Sicherheit sein werden, weiter in der Übereinstimmung, daß eine sogenannte Konföderation zwischen zwei angeblich gleichberechtigten deutschen Staaten nicht der geeignete Weg zur Wiedervereinigung wäre, sondern im Gegenteil dazu beitragen würde, die Teilung Deutschlands auf unbestimmte Zeit zu verhärten. Vielleicht stimmen wir auch darin überein, daß eine wirksame kontrollierte Abrüstung das oberste Ziel internationaler Verhandlungen sein muß, auch darin, daß die europäische Sicherheit und die allgemeine kontrollierte Abrüstung nicht auf der Grundlage der fortbestehenden deutschen Teilung geschaffen werden bzw. durchgeführt werden kann. Einig sind wir uns wohl auch in dem Wunsche, daß die Abrüstungsverhandlungen im Rahmen der für diese Verhandlungen zuständigen Vereinten Nationen geführt werden, was naturgemäß nicht ausschließt, daß Verhandlungen über diesen Gegenstand auch eine bevorstehende Gipfelkonferenz beschäftigen sollten, und grundsätzlich besteht wohl auch Übereinstimmung, daß Teilmaßnahmen, die eine etappenweise Verwirklichung der angedeuteten Ziele zum Gegenstand haben, nicht dazu führen sollten, die machtpolitische Lage der einen oder anderen Seite zu verbessern oder zu verschlechtern.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung glaubt, daß diese Aussprache tatsächlich von hohem Wert wäre, wenn wenigstens über einen Teil dieser Fragen, die ich hier angeschnitten habe, eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt würde, die es der Bundesregierung ermöglichte, die so zum Ausdruck kommende Auffassung als die des ganzen
    deutschen Volkes im internationalen Gespräch zu vertreten.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU und der DP. Meine Damen und Herren, eine Bemerkung zum Ablauf der Debatte. Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Das Haus tritt um 14 Uhr 30 wieder zusammen. Es beendet seine Sitzung heute um 21 Uhr und beginnt morgen vormittag um 9 Uhr wieder. Ich unterbreche bis 14 Uhr 30. (Unterbrechung der Sitzung von 12.55 Uhr bis 14.30 Uhr.)