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ID0301800600

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    Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Offensichtlich hat er das Stichwort schon jetzt bekommen!

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Wir Freien Demokraten glauben vielmehr, daß die Sowjets sich vielleicht — aber das müßte man durch die diplomatischen Vertretungen bis ins einzelne klären — die deutsche Wiedervereinigung in mehreren Phasen vorstellen, daß sie an einen langwierigen Prozeß denken, vielleicht von mehreren Jahren. Die erste Phase, von der wir glauben, daß sie auf der Gipfelkonferenz behandelt werden kann, wäre die Festlegung der Prinzipien eines Vertrages für Gesamtdeutschland oder, wie der Herr Bundestagspräsident sagte, eines Friedensvertrages. Bei diesen Prinzipien wird es sich primär darum handeln, den militärischen und politischen Status Gesamtdeutschlands festzulegen. Das ist die Ausgangsfrage, von der nach unserer Auffassung alles andere abhängt. Vielleicht auch die Frage: Darf dieses Deutschland Atomwaffen produzieren? Ich glaube, nein. Wird es sie haben dürfen? Die Frage muß beantwortet werden! Wird es eine Streitmacht haben dürfen? Ich glaube, ja. Wie stark wird sie sein? Das werden die vier Siegermächte festlegen. Vielleicht wird sogar die heikle Grenzfrage auch schon zu den Prinzipien gehören, die im ersten Stadium wenigstens erörtert werden, nachdem das letzte Stadium ohnehin nur durch eine gesamtdeutsche Repräsentanz entschieden werden kann, da im Potsdamer Abkommen eindeutig festgestellt ist, daß die endgültige Regelung der deutschen Grenzen einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben muß. Weder Bonn noch Pankow — das haben wir schon in der Saarfrage festgestellt — sind berechtigt, auf einen Fußbreit deutschen Bodens definitiv zu verzichten. Das ist eine Frage, die erst in einem Friedensvertrag durch eine gesamtdeutsche Repräsentanz enschieden werden kann.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Es ist möglich, daß die vier Siegermächte schon zu Verhandlungen über die Prinzipien die Hinzuziehung von Bonn und Pankow wünschen, gewissermaßen in einer beratenden Funktion; so scheint es ja in dem Brief des sowjetischen Regierungschefs Bulganin an den britischen Premierminister MacMillan gefordert zu sein.



    Dr. Mende
    Ich frage nun: Würde die Bundesregierung eine Behandlung der deutschen Frage daran scheitern lassen, daß möglicherweise in konsultativer Funktion auch die Pankower Vertreter da sein würden? Das ist eine sehr entscheidende Frage! Ich erinnere daran, daß schon einmal Vertreter der Bundesrepublik und Vertreter Pankows in konsultativer Funktion erschienen sind, und zwar bei der Versammlung der Vereinten Nationen im Jahre 1951, ohne daß daraus eine Anerkennung der DDR hergeleitet werden konnte. Es gibt genügend völkerrechtliche Möglichkeiten auch bei einer konsultativen Teilnahme, zu verhindern, daß Pankow daraus seine völkerrechtliche Anerkennung erschleicht. Denn hier gibt es keine Gegensätze in diesem Hause, in der Frage, daß für uns Pankow kein legitimer deutscher Staat ist und daß die Machthaber Pankows nur auf den Bajonetten der Roten Armee sitzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es ist möglich, daß dann nach der ersten Phase die Modalitäten in einer zweiten Phase ausgehandelt werden, und zwar innerhalb der beiden deutschen Teilstaaten, daß also gewisse Fragen beispielsweise des ökonomischen Angleichens, die Frage der sogenannten sozialen Errungenschaften,

    (Abg. Kiesinger: Die Eleganz, wie Sie so etwas zu sagen vermögen!)

    die Frage der Bodenreform, die Frage des Wahlgesetzes den beiden deutschen Staaten in einer Art Auftragsverhandlung zugewiesen werden. Wir haben bisher hier die Auffassung vertreten: Wir lehnen zweiseitige Gespräche und wir lehnen zweiseitige Verhandlungen mit Pankow ab; sie führen zu nichts. Wer etwas in der deutschen Frage erreichen will, muß mit dem Chef sprechen — der sitzt in Moskau — und nicht mit den Portiers; die sitzen in Pankow.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Das ist auch heute noch unsere Auffassung. Wir wollen mit den vier Siegermächten sprechen. Aber es ist eine andere Frage, ob nicht möglicherweise für die zweite Phase der Modalitäten eine Art Auftragserteilung durch alle Vier kommt.
    Die Sowjets haben nun einmal die Zwei-StaatenTheorie jahrelang vertreten. Glauben Sie, daß eine Großmacht vom Range der Sowjetunion es sich leisten kann, so von heute auf morgen von einer jahrelang vertretenen Auffassung herunterzugehen? Auch das ist eine reale Frage.

    (Unruhe bei der CDU/CSU.)

    Umgekehrt hat der Deutsche Bundestag eine Auffassung fixiert, von der er auch nicht herunter will und herunter darf: Wir sprechen nicht mit denen drüben. Bei einer solchen Auftragsverhandlung über die Modalitäten würde sowohl die Sowjetunion wie auch der Deutsche Bundestag kein Prinzip aufgeben.
    Es kommt darauf an, aus der, wie SchlangeSchöningen sagt, erstarrten Situation herauszukommen; und aus der kommen Sie nicht heraus, wenn Sie der einen Seite zubilligen, ihr sowjetisches
    Dogma aufzustellen, und Sie hier das NATO-Dogma
    aufstellen. Dann gibt es keine Wiedervereinigung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Wer die Wiedervereinigung will, muß bereit sein, auch die gegenwärtigen Blocksysteme zur Diskussion zu stellen, d. h. er muß bereit sein, ein Développement, eine Entwicklung der gegenwärtigen Vertrags- und Blocksysteme dieser Erde zu akzeptieren. Denn wer heute noch der Auffassung ist, daß die Sowjets mit ihrer Roten Armee aus Mitteldeutschland herausgehen, ohne daß die Westmächte in der Bundesrepublik ebenfalls einen gleichen Raum freigeben, ist — hoffnungslos! — ein Narr.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Die Zeit, da wir glaubten, mit Hilfe atomaren Drucks, durch eine NATO-Klammer die Sowjets aus Mitteldeutschland und aus den osteuropäischen Staaten hinauszudrücken, ist leider seit dem Augenblick vorbei, als die Sowjets in den Besitz der gleichen thermonuklearen Waffen kamen, als die Amerikaner vorher als die einzigen dieser Erde hatten. Das atomare Gleichgewicht hat die Phase des Druckes, die Phase des Roll-back beendet. Die Phase der Verhandlungen hat begonnen, und es gibt kein Zurück mehr auf das Roll-back;

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    es sei denn, meine Damen und Herren, Sie akzeptieren das, was Ihr Kollege Baron von ManteuffelSzoege hier erklärt hat: Man muß das Böse ausrotten, wenn es sein muß auch durch die Atombombe. Das Dumme ist nur, Herr Kollege von Manteuffel, wir werden mit ausgerottet, ob gut oder böse.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Eine dritte Phase wäre möglich in einer Festlegung der ausgehandelten Modalitäten. Es ist möglich, daß sich bei den Modalitäten Schwierigkeiten ergeben. Dann haben die vier Siegermächte immer noch die Möglichkeit, die Fragen an sich zu ziehen und zu entscheiden. Denn die vier Siegermächte haben ja gewisse Vorbehaltsrechte bezüglich Deutschland und Berlin als Ganzes — so steht es in den beiderseitigen Verträgen —, und die vier Siegermächte haben sich im Potsdamer Abkommen verpflichtet, die staatliche Einheit Deutschlands zu gewährleisten. Das ist für sie eine Rechtspflicht zu handeln; das ist für uns der Rechtsanspruch des deutschen Volkes auf seine staatliche Einheit.
    Die vierte Phase ist dann die Schlußphase: die Ratifikation eines solchen Friedensvertrages durch eine gesamtdeutsche Repräsentanz; wobei für uns eine solche Repräsentanz nur eine aus freien Wahlen hervorgegangene deutsche Nationalversammlung oder ein deutscher Reichstag sein kann.
    Diese vier Phasen könnten sich über Jahre erstrecken. Schließlich ist auch der österreichische Staatsvertrag nicht von heute auf morgen auf den Tisch zur Unterschrift gekommen, sondern auch er hat einen langwierigen Prozeß nötig gemacht.
    Herr Kollege Gradl hat hier gewisse Gespräche angezogen, die Vertreter der Freien Demokratischen Partei im Oktober 1956 in Weimar mit Funktionären



    Dr. Mende
    der dortigen sogenannten Liberal-Demokratischen Partei geführt haben. Wir sind damals auf der Fahrt zu einer Bundestagssitzung nach Berlin ausnahmsweise über Weimar gefahren, um einmal dort zu prüfen: Wie verhält es sich dort?

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Sie lachen auch diesmal zu früh! —

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Wir wollen prüfen: Können wir es nach der Parole „Deutsche an einen Tisch!" erreichen, daß wir sechs Versammlungen in Mitteldeutschland halten können, unter der Voraussetzung, daß wir ebenso sechs Versammlungen in Westdeutschland seitens unserer Partei der dortigen LDP anbieten? Meine Damen und Herren, eines steht auf jeden Fall fest: dieser Wunsch ging und geht nicht weiter als das Angebot des Bundesministers Lemmer, der sagt, er sei bereit, Ulbricht im Ruhrgebiet sprechen zu lassen, wenn er in Ost-Berlin sprechen darf.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Es zeigte sich allerdings, daß die Vertreter der LDP
    nicht in der Lage waren, uns diese Chance zu geben,

    (Aha-Rufe und Lachen bei der CDU/CSU)

    genauso wie Herr Ulbricht wahrscheinlich nicht in der Lage ist, Herrn Lemmer diese Chance zu geben. Aber eines steht fest — und Herr Dr. Gradl, der ja sehr viel von den Verhältnissen Mitteldeutschlands und auch von der Propaganda weiß, was ich sehr anerkenne, wird mir das bestätigen —: die Parole: „Deutsche an einen Tisch!" ist in dem Augenblick den Leuten aus der Hand geschlagen worden, als wir sie stellten und sie nicht in der Lage waren, uns diese Chance zu geben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Die Parole: „Deutsche an einen Tisch!" ist nicht mehr zu hören. Wie schwach muß das System in Mitteldeutschland sein, wenn es nicht einmal in der Lage ist, sechs Vertreter einer Partei in Mitteldeutschland sprechen zu lassen, selbst auf das Gegenangebot, sechs dortige sogenannte Volkskammerabgeordnete in der Bundesrepublik sprechen zu lassen. Auf wie schwachen Füßen muß ein solches System stehen, das einen Professor Harich zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    — Diese Möglichkeit, daß wir das sagen können, haben wir aus eigener Anschauung und nicht nur aus der Presse entnommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Es ist damals sehr bequem gewesen, bei Kempinski am Kurfürstendamm die Füße unter den Tisch zu strecken und uns drei, die wir in Weimar waren, zu kritisieren. Es war wesentlich schwieriger, nach Weimar zu fahren und sich mit drei Vertretern einer Partei, deren Führung leider auch eine halb
    kommunistische geworden zu sein scheint, auseinanderzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — OhRufe und Lachen bei der CDU/CSU.)

    Natürlich ist für uns nach wie vor die deutsche Frage nur lösbar in der Entscheidung der vier Siegermächte. Pankow hat für uns keine Legitimation. Aber was noch viel wesentlicher ist — man soll sich bei juristischen Dingen nicht selber blokkieren —: Pankow hat für uns auch keine Position, um mit uns über die deutsche Frage verhandeln zu können. Oder glauben Sie, daß, wenn Pankow entscheidet, die 22 sowjetischen Divisionen sollen abziehen, dann die Pankower auch die Rote Armee dazu veranlassen könnten? — Nein, die deutsche Frage klärt sich nur im Gespräch mit den vier Siegermächten, in diesem Falle im Gespräch mit Moskau und nicht mit Pankow.
    Der Bundeskanzler selber hat in der 101. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 22. September 1955 erklärt:
    Die Sowjetunion ist eine der vier Siegermächte, ohne deren Mitwirkung das vornehmste Anliegen unserer Politik, die Herstellung der Einheit unseres Landes, nicht verwirklicht werden kann.
    Das Fehlen von Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten, die sich daraus für uns ergebende Unmöglichkeit, unsere nationalen Anliegen auch selbst in Moskau zu vertreten, ist eine Anomalie. Würde man uns
    — so schloß der Bundeskanzler —
    auch deshalb nicht mit Recht unklug genannt haben, wenn wir das von der Sowjetregierung gemachte Angebot, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, abgelehnt hätten?
    Wir fragen: Ist es auch noch heute die Meinung der Bundesregierung, daß sie alle sich bietenden diplomatischen Möglichkeiten auch gegenüber der Sowjetunion nützt, um in der deutschen Frage voranzukommen? Herr Kollege Gradl hat es eben so dargestellt, Gespräche, Verhandlungen, Zusagen der Sowjetunion seien von vornherein indiskutabel, da man mit dieser Macht ja doch nicht verhandeln könne. Auch hier finden wir wieder das Fuldaer Manifest in seiner absoluten Ablehnung.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

    — Wenn es wirklich so ist, daß Verhandlungen mit der Sowjetunion schlechthin aussichtslos sind, daß Verträge mit der Sowjetunion schlechthin nicht abgeschlossen werden können, dann frage ich mich, warum der Bundeskanzler es dann für richtig hielt, damals mit einer solchen Macht die diplomatischen Beziehungen aufzunehmen.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Zuruf von der Mitte: Also! — Abg. Majonica: Sie dementieren sich selbst, Herr Dr. Mende!)

    Wir sind der Meinung, man muß sich auch im Verhältnis zur Sowjetunion ein gewisses Minimum an



    Dr. Mende
    Vertrauen erhalten. Wenn man nicht einmal mehr dieses Minimum für möglich hält, dann ist die Konsequenz nur noch, daß wir uns alle auf den dritten atomaren Weltkrieg einrichten.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Zuruf von der CDU: Das ist ja Unsinn! — Weitere Gegenrufe von den Regierungsparteien.)

    Im übrigen hat Ihnen Schlange-Schöning e n selbst in seinem Artikel — ich bitte, das einmal nachzulesen, da ich nicht allzuviel von Ihren Freunden zitieren will — erklärt, daß Sie nicht so sehr immer nur nachrechnen sollten, was der Sowjetunion an Vertragsbrüchen vorgehalten werden könne; uns Deutschen stünde es gut an, auch einmal zu prüfen, wieviel Vertragsbrüche wir in dieser Generation begangen haben. Dann sei es zweckmäßiger, sagt Schlange-Schöningen, — —

    (Lebhafte Zurufe von der Mitte. — Unruhe.)

    — Ja. meine Damen und Herren, Sie wollen doch hier nicht alle erklären, — —

    (Anhaltende große Unruhe in der Mitte.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dr. Mende, das „wir" ist mißverständlich. Ich nehme an, daß Sie das „wir" auf das Hitlerdeutschland beziehen und nicht auf dieses Haus.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Bemerkungen des Präsidenten weder mit Beifall noch mit Mißfallen begleiteten.

(Abg. Wehner: Sagen Sie das der Claque!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß die Kollegen der CDU, die so entsetzt sind, den Artikel Ihres Parteifreundes Schlange-Schöningen, den ich soeben zitierte, gelesen haben. Haben Sie ihn gelesen, dann werden Sie feststellen, was ich gemeint habe: wir Deutsche in dieser Generation, d. h. in den letzten dreißig Jahren. Haben Sie Ohren, zu hören!

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Ich füge noch etwas hinzu! Viele von denen der älteren Generation, die hier sitzen, haben gar keinen Anlaß, so kollektiv unschuldig zu tun.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei der FDP und SPD. — Abg. Majonica: Herr Dr. Mende, die kollektive Unschuld haben Sie in Hannover demonstriert!)

    — Herr Kollege Majonica, ich bin genauso wie Sie in der glücklichen Lage, das sagen zu können; denn wir waren 1933 keine 16 Jahre alt. Ob aber alle Mitglieder Ihrer Fraktion das sagen können, wage ich zu bezweifeln.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und SPD. — Erregte Zurufe von der Mitte. — Zuruf von der SPD: Herr Globke wird unruhig! — Anhaltende große Unruhe.)

    — Meine Damen und Herren, ich wehre mich dagegen, — —