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ID0301800200

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    Deutscher Bundestag 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. h. c. Weber 823 A Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die deutsche Frage auf künftigen internationalen Konferenzen (Drucksache 238) ; Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Gipfelkonferenz und atomwaffenfreie Zone (Drucksache 230) Dr. Gradl (CDU/CSU) 823 D Dr. Mende (FDP) 828 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 840 C, 893 B Dr. von Brentano, Bundesminister 847 D, 894 C Dr. Arndt (SPD) 854 D Strauß, Bundesminister 861 B Erler (SPD) 880 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 895 B Kiesinger (CDU/CSU) 902 C Nächste Sitzung 913 D Anlage 915 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1958 823 18. Sitzung Bonn, den 20. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 12. 4. Dr.-Ing. e. h. Arnold 20. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille * 1. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 19. 4. Bergmann * 21. 3. Birkelbach * 21. 3. Dr. Birrenbach * 21. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Burgbacher * 21.3. Conrad 18.4. Cramer 21. 3. Dr. Deist * 21.3. Deringer * 21.3. Dr. Elbrächter * 21.3. Engelbrecht-Greve * 21. 3. Felder 31.3. Dr. Friedensburg * 21. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Funk 21.3. Dr. Furler * 21. 3. Frau Dr. Gantenberg 21. 3. Gehring 22.3. Geiger (München) * 21. 3. Gottesleben 22. 3. Dr. Greve 21.3. Hahn * 21. 3. Heiland 31.3. Hellenbrock 24.3. Heye 20. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15.4. Frau Dr. Hubert 12.4. Illerhaus * 21.3. Jahn (Frankfurt) 29.3. Jürgensen 31.3. Kalbitzer * 21. 3. Frau Kipp-Kaule 29.3. Dr. Kopf * 21.3. Dr. Kreyssig * 21.3. Kunze 15.5. Leber * 21.3. Lenz (Brühl) * 21. 3. Lenz (Trossingen) 29.3. Dr. Leverkuehn * 21.3. Dr. Lindenberg * 29. 3. Logemann 20. 3. Lücker (München) * 21. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Margulies * 21. 3. Mellies 25.4. Metzger* 21. 3. Müller (Worms) 22. 3. Müller-Hermann * 21. 3. Neumann 12.4. Frau Niggemeyer 21. 3. Dr. Oesterle * 21. 3. Paul 30.4. Pelster 1.4. Frau Dr. Probst * 21. 3. Pütz 21.3. Ramms 31.3. Dr. Ratzel* 21.3. Richarts * 21.3. Frau Rudoll 20. 3. Scheel * 21. 3. Dr. Schmidt (Gellsersen) * 21. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 3. Dr. Starke 21. 3. Storch * 21.3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter * 21. 3. Frau Strobel * 21. 3. Struve 21.3. Unertl 20. 3. Dr. Vogel 22. 3. Vogt 12.4. Wehking 20. 3 Wehr 31.3. Weinkamm 29. 3. Dr. Will 21. 3. Wittmann 20. 3. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß 29. 3. Dr. Zimmermann 6. 5. * Für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johann Baptist Gradl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union hat am 27. Februar eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Der Text liegt ihnen in der Drucksache 238 vor. Thema der Anfrage ist die Behandlung der deutschen Frage auf künftigen internationalen Konferenzen.
    Noch ist nicht sicher, wann sich die Mächte am Konferenztisch gegenübersitzen. Aber in den üblichen Formen internationalen Meinungsaustausches, im Brief- und Notenwechsel, in Interviews und in Erklärungen der Staatsmänner ist die Begegnung in Wirklichkeit bereits im Gange, und die internationale Diskussion über den Inhalt einer Konferenz ist so intensiv, daß es uns notwendig erscheint, die deutschen Auffassungen nachhaltig
    — und das heißt: durch Regierung und Parlament
    — in die internationale Diskussion einzufügen. Von dem weiteren Verlauf dessen, was jetzt unter dem Kennwort „Gipfelkonferenz" in der internationalen Politik in Gang gekommen ist, hängt zuviel für Deutschland ab. In unserem Volk besteht unverkennbar die Sorge, auch der jetzt beginnende, nächste Abschnitt der Weltpolitik könnte schließlich an dem vorbeigehen, was uns besonders bedrängt.
    Es wäre deshalb, so meinen wir, ein grobes Versäumnis, den deutschen Standpunkt nicht genügend



    Dr. Gradl
    in das Bewußtsein der internationalen Politik und Öffentlichkeit zu bringen.
    Ich habe diese kurze Vorbemerkung über den Sinn dieser Debatte gemacht, weil es falsch wäre, in ihr nur eine Verlängerung der turbulenten Nacht des 23. Januar zu sehen. Dabei verhehlen wir nicht, daß uns die außenpolitische Debatte am 23. Januar, so wie sich nächtlich schließlich ergeben hat, keineswegs geeignet erscheint, unnötig lange als der deutschen Weisheit letzter Schluß zu gelten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Das heißt man Nachtisch!)

    Manches aus jener Debatte bedarf auch der Klarstellung, einfach der Geltung des deutschen Willens wegen. Außerdem wuchern seit jener Debatte in der innerdeutschen Diskussion rund um die Begriffe Pankow und Konföderation Vorstellungen, die nach unserer Meinung die deutsche Position in dem kommenden Ost-West-Ringen schwächen.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Hier Klarheit zu bringen ist auch notwendig im Interesse der Menschen in der Zone.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)

    Durch präzise Feststellungen nach draußen und durch Klärung im Innern in rechter Weise die deutsche Frage zu unterstreichen und international einzuschalten, das ist, in einem Satz gesagt, der Sinn dieser Debatte, so wie die Christlichen Demokraten ihn sehen.
    An der Spitze unserer konkreten Fragen steht die Frage, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Wiedervereinigung Deutschlands auf der Gipfelkonferenz behandelt werden muß. Eigentlich sollte sich das Ja auf diese Frage von selbst verstehen, aber tatsächlich ist das nicht selbstverständlich. In unserem eigenen Lande vertreten gewichtige Stimmen der Opposition den Standpunkt, man sollte nicht unbedingt darauf bestehen, daß die Wiedervereinigung auf die Tagesordnung kommt,

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    man sollte anderen Aufgaben den Vorrang geben.

    (Abg. Dr. Mommer: Sagen Sie das Ihrem Pressechef!)

    Unser Ausgangspunkt in dieser Frage ist von der Überzeugung bestimmt, daß eine früher oder später kommende Gipfelkonferenz ein entscheidender Versuch sein wird, die weltpolitische Situation zu entspannen. Der letzte Versuch dieser Art war im Juli 1955 in Genf, und er ist gescheitert. Seitdem sind drei Jahre vergangen. Mit Gipfelkonferenzen kann man nicht in kurzen Abständen rechnen. Bleibt eine Frage auf einer solchen Tagung ungelöst oder gar unerörtert, dann bleibt sie es nach menschlichem Ermessen für geraume Zeit. .Für wie außergewöhnlich die Sowjetunion selbst diese Gipfelkonferenz hält, zeigt sie, indem sie in ihrer Note vom 28. Februar an die Vereinigten Staaten von der „historischen Aufgabe" der Konferenz spricht. Wir
    dürfen uns also nichts vormachen. Bei dem Tauziehen um die Tagesordnung ging und geht es nicht nur um Fragen des Verfahrens, sondern um den Versuch, sachliche Entscheidungen vorwegzunehmen. Die Aufnahme der Wiedervereinigung in den Verhandlungsbereich der Gipfelkonferenz verweigern, das heißt, die Sache selbst von vornherein verweigern wollen.
    Alle sowjetischen Äußerungen im bisherigen Vorspiel der Gipfelkonferenz sprechen völlig klar aus, daß die Sowjetunion ihre Ziele auf der Basis des Status quo, auf der Basis des geteilten Deutschland, erreichen will. In den letzten Tagen hat es Rätselraten darüber gegeben, ob die Sowjetregierung es nunmehr nicht auch für möglich halte, daß ein deutscher Friedensvertrag mit einem tatsächlich repräsentativen gesamtdeutschen Gremium verhandelt werden könne. Es gab darüber widerspruchsvolle Meldungen. Solange sich, so meinen wir, die Sowjetregierung nicht verbindlich und klar anders äußert, muß man von dem ausgehen, was von ihr schwarz auf weiß vorliegt. Das ist ihr Memorandum vom 28. Februar. Dieses Memorandum zeigt keine andere Grundlage für eine friedensvertragliche Regelung als das Nebeneinander von Bonn und Pankow oder die sogenannte Konföderation beider.

    (Abg. Dr. Mommer: Was war gestern?)

    Es ist eine alte Taktik der sowjetischen Deutschlandpolitik, durch Andeutungen Illusionen zu wekken, ohne dabei die Sowjetpolitik irgendwie verbindlich zu formulieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im Grunde ist all das, was heute in sowjetische Noten und Äußerungen von 1950 bis 1955 hineingedeutet wird, durch die helldunklen sowjetischen Formulierungen in jenen Jahren ausgelöst worden. Um so mehr haben wir Anlaß, nunmehr und künftig auf Deutlichkeit sowjetischer Erklärungen Wert zu legen, um nicht neuen Stoff für neue Legendenbildung zu bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auf jeden Fall halten wir es für angebracht, daß sich die Bundesregierung hierzu äußert.
    Unsere Frage wird auch durch folgende Überlegung veranlaßt. Der Teilnehmerkreis der Gipfelkonferenz steht noch nicht fest; aber ganz sicher gehören ihm die Vier Mächte an, die 1945 in Potsdam die Verantwortung für Deutschland übernommen haben, dieselben Vier Mächte, die 1955 in Genf die Verantwortung für die Wiedervereinigung bestätigt haben. Wenn nun nach langer Zeit diese Vier, wenn auch vielleicht in größerem Rahmen, zusammenkommen, kann doch von deutscher Seite nicht darauf verzichtet werden, eine Betätigung im Sinne dieser Verantwortung zu verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn diese Mächte zusammentreffen, um gemeinsam für die Welt Frieden und Entspannung zu suchen, dann haben wir Deutsche ganz sicher die Pflicht, ihnen dabei nach besten Kräften zu helfen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




    Dr. Gradl
    Wir haben jedoch auch die Pflicht, deutlich zu verlangen, daß 13 Jahre nach Kriegsende die deutsche Einheit zu einem wesentlichen Gegenstand ihrer Verhandlungen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Muß also unter allen diesen Umständen eine deutsche Regierung nicht unbedingt daran festhalten, daß in den Kreis der Gipfelaufgaben auch die Wiedervereinigung einbezogen wird? Wenn die deutsche Regierung nicht mit größter Eindringlichkeit darauf beharrt, wer soll es sonst tun? Können wir erwarten, daß es dann andere Regierungen tun?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Mommer: Wem sagen Sie das?)

    Das etwa sind die Überlegungen, die unsere Frage veranlaßt haben, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Wiedervereinigung auf der OstWest-Gipfelkonferenz behandelt werden muß.
    Wir haben diese Hauptfrage ergänzt durch die Frage, ob die Bundesregierung der Auffassung ist, „daß keine wirkliche Lösung der internationalen Spannungen möglich ist ohne die Wiedervereinigung". Unter Deutschen ist diese Frage keine Frage. Wir sind in diesem Hause einig, daß die Spaltung unseres Landes, daß der harte und mannigfache Druck, dem die Bevölkerung Mitteldeutschlands ausgesetzt ist, eine ständige, eine sehr ernste und vielleicht eine noch wachsende Gefahr für den Frieden ist. In der Welt ist diese Überzeugung nicht überall so lebendig. Die deutsche Regierung darf deshalb nichts unterlassen, um der Illusion der Status-quo-Politik zu begegnen, der Illusion, die internationalen Spannungen in diesem Teil der Erde ließen sich lösen, wenn und solange dem deutschen Volk die nationale Einheit vorenthalten wird. Es wäre sicher Wahnsinn, den Status quo mit Gewalt zu ändern, aber es wäre, meinen wir, ebenso gefährlich, unserem Volk auf die Dauer sein Recht auf Einheit vorzuenthalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In derselben politischen Problematik wie die erste steht auch unsere zweite Frage: ob die Bundesregierung eine Behandlung von Fragen der europäischen Sicherheit auf der Konferenz für nützlich hält, wenn die Behandlung der Wiedervereinigungsfrage von der Sowjetunion abgelehnt wird. In diesem Zusammenhang würden wir es zunächst begrüßen, wenn die Bundesregierung überhaupt ihre Auffassung über die gegenwärtige Sicherheit für Europa und zumal für unser eigenes Land darlegen würde. Denn diese Sicherheit ist schließlich fundamental für alle politischen Überlegungen.
    Unsere konkrete Frage an die Bundesregierung ist auf die europäische Sicherheit abgestellt. Denn natürlich muß man unterscheiden zwischen globaler Abrüstung und Sicherheit und derselben Zielsetzung in europäischer Beschränkung. Kernwaffenverbot, allgemeine konventionelle Abrüstung oder auch die Benutzung des Weltraums für militärische Zwecke — das sind Dinge von globalem Gewicht; sie können nur global geordnet werden.
    Immer jedoch stellt sich vom deutschen Standpunkt die Frage, ob bei irgendeiner bestimmten Entwicklung nicht die Wiedervereinigung vielleicht zu kurz kommen könnte. Diese Frage bekommt, so meinen wir, entscheidende Bedeutung, wenn solche Versuche auf den engen europäischen Raum beschränkt werden und wenn man hier nur gegen die militärische Spannung angeht, hingegen die zugrunde liegende politische Spannung umgeht. Ein Beispiel hierfür ist der Rapacki-Plan. Ein anderes Beispiel bietet der Gedanke, gewissermaßen einen zentraleuropäischen Abrüstungspakt auf provisorischer Basis abzuschließen und die Wiedervereinigung für später offenzulassen. Würde in solcher Weise verfahren, so bliebe der Status quo, die politische Position. der Sowjetunion in Mitteldeutschland erhalten. Es ist kein Grund erkennbar, der die Sowjetunion dann stärker als heute veranlassen könnte, den Weg zur friedlichen Wiedervereinigung freizugeben.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    In einer Sache, in der es buchstäblich um unser Schicksal geht, kann man sich nicht auf vage Andeutungen und auf substanzlose freundliche Bemerkungen verlassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wir haben schließlich aus den Jahren nach 1945 zu deutlich in Erinnerung, mit welcher Zielstrebigkeit und Rücksichtslosigkeit die Vertreter der Sowjetunion in Mitteldeutschland auf die kommunistische Umwandlung und auf die Schaffung einer kommunistischen Ausgangsposition hingesteuert sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Blockade Berlins war nicht das einzige, sie war das drastischste Zeichen. Man mag uns Mißtrauen vorwerfen. Aber unser Mißtrauen ist — leider — durch Erfahrung begründet.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Auf der Genfer Gipfelkonferenz 1955 ist der innere Zusammenhang zwischen europäischer Sicherheit und Wiedervereinigung von allen vier Großmächten, auch von der Sowjetunion, anerkannt worden. Wenn wir an diesem Junktim festhalten, dann ist das nicht unfruchtbare Starrheit. Eine Regierung ist immer in der mißlichen Lage, ihre Überlegungen sehr vorsichtig und zurückhaltend formulieren zu müssen, zurückhaltender vielleicht, als ihre Gedanken tatsächlich sind. Aber wir würden es begrüßen — und das ist der weitere Sinn unserer Frage —, wenn sich die Regierung in der Lage sähe, wenigstens über die Tendenz ihrer Überlegungen zu sprechen. Wir erinnern uns des Memorandums der Bundesregierung an die Sowjetunion vom 2. September 1956, das von der innerdeutschen Opposition merkwürdig unbeachtet blieb, und wir wüßten gern, ob die Bundesregierung noch den damaligen Gedankengängen nachgeht oder ob sich inzwischen neue Überlegungen ergeben haben.
    Europäische Sicherheit und Wiedervereinigung sind, gerade wenn man sie in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und mit dem Willen zur Verwirklichung sieht, Entwicklungsvorgänge, und das



    Dr. Gradl
    heißt: Fördernde Verknüpfungen wären möglich, wenn man sich nicht wie die Sowjetunion bisher nur auf das eine konzentrierte, das andere, die Wiedervereinigung, aber ablehnte.
    Seit der vorigen außenpolitischen Debatte gibt es eine lebhafte Diskussion über freie Wahlen als Bedingung der Wiedervereinigung. Früher war man darüber im Bundestag einig. Die deutsche Position in früher oder später kommenden konkreten Auseinandersetzungen mit dem Osten über die deutsche Frage würde, so glauben wir, geschwächt, wenn es diese Übereinstimmung nicht mehr geben sollte.
    Deshalb hielten wir unsere dritte Frage für notwendig, ob die Bundesregierung an dem Grundsatz festhält, daß für die Wiedervereinigung freie Wahlen in beiden Teilen Deutschlands unerläßlich sind. Von der Aussprache über diese Frage erhoffen wir im Gesamtinteresse eine Klarstellung, daß die Parteien dieses Hauses nach wie vor an dem festhalten, was seit 1950 in vielen Entschließungen des Deutschen Bundestags festgestellt worden ist: daß nämlich die Forderung nach Wiedervereinigung auf der Basis freier Wahlen unabdingbar ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dabei liegt uns an einigen Feststellungen. Die Wiedervereinigung muß zu einem in Freiheit geeinten Deutschland führen, d. h. zu einem Gesamtdeutschland, in dem unser Volk nach seiner Art und seinem freien Willen sein Leben ordnen kann. In einem demokratischen Staatswesen — und das soll doch Gesamtdeutschland sein — gibt es dafür nur den Weg allgemeiner, gleicher, freier und geheimer Wahlen. Deshalb sind sie unverzichtbar.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    An welcher Stelle im zeitlichen Ablauf eines Wiedervereinigungsprozesses die freien Wahlen zu stehen haben, ist keine gleichgültige Frage. Sie müssen nicht der allererste Akt in dem Vorgang sein.

    (Zuruf von der SPD: Aha!)

    Die freien Wahlen pflegen an den Anfang des Forderungskatalogs zur Wiedervereinigung gestellt zu werden — so zum Beispiel in den früheren einstimmigen Entschließungen des Bundestags —, um zum Ausdruck zu bringen, daß die eigentliche Gestaltung Gesamtdeutschlands nur auf der Grundlage des eigenen und freien deutschen Willens begonnen werden soll und daß kein Vorstadium, kein vorgeschobenes Provisorium sein darf, das die freie Gestaltung der gesamtdeutschen Staats- und Gesellschaftsordnung verhindern könnte.

    (Beifall bei CDU/CSU.)

    Die Erfahrungen mit kommunistischen Verwandlungskünsten von echter zur Volksdemokratie geben genügend Anlaß zu äußerster Vorsicht; schließlich ist das Prager Beispiel erst zehn Jahre her.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Daß andererseits, wenn einmal der Weg zur Wiedervereinigung verbindlich freigegeben ist, wirklich freien Wahlen Informationsfreiheit, Pressefreiheit, Parteienfreiheit und dergleichen vorausgehen muß
    und daß dafür gewisse Vorausordnungen notwendig sind, versteht sich von selbst. Wir würden es begrüßen, wenn die Bundesregierung in dieser Hinsicht ihre Überlegungen sagte.
    Die Forderung nach freien Wahlen bezieht sich auf die Wiedervereinigung an sich, und sie ist für die Wiedervereinigung eine absolute Forderung. Aber seit Jahren ist es auch allgemeine Überzeugung und — entgegen den mannigfachen Mißdeutungen insbesondere gegenüber der CDU — auch die Auffassung unserer Partei, daß die Wiedervereinigung und die in ihr liegende Aufgabe in einem größeren politischen Zusammenhang steht und in ihm und mit ihm bewältigt werden muß. Es ist einfach töricht, uns zu unterstellen, daß wir Zusammenhänge und Abhängigkeiten nicht gesehen haben sollten, die beispielsweise in der engen Verknüplung von Fragen der europäischen Sicherheit und der Wiedervereinigung sowohl auf der Berliner Außenministerkonferenz 1954 wie auf der Genfer Gipfelkonferenz 1955 für jedermann offenbar sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Etwas anderes ist es, daß man über die tatsächlichen Schlüsse, die aus dieser Verknüpfung früher oder später einmal notwendig werden könnten, sehr verschiedener Meinung sein kann. Die Bundesregierung hat sich vielfach über die Zusammenhänge Abrüstung - Sicherheit - Entspannung - Wiedervereinigung geäußert. Trotzdem scheint es uns im Interesse der Klärung auch der innerdeutschen Diskussion angebracht, daß sie die Gelegenheit der heutigen Aussprache benutzt, um ihren Standpunkt darzulegen.
    Unsere Frage an die Bundesregierung geht weiter dahin, ob sie einen Anlaß sieht, von der bisher von allen Parteien des Bundestags vertretenen Auffassung abzugehen, daß Verhandlungen mit der sogenannten DDR-Regierung kein geeigneter Weg zur Wiedervereinigung sind. In unserem Lande wird seit einiger Zeit häufiger gefragt, ob nicht vielleicht doch mit Pankow einmal gesprochen werden sollte. Dahinter steckt zuweilen nur redliche Verzweiflung über die Misere der deutschen Teilung. Aber es gibt auch anders begründete Äußerungen. In einem hessischen Parteiblatt der Sozialdemokratie schreibt ein Vorstandsmitglied der SPD Hessen-Süd, daß die Existenz der DDR zur Kenntnis genommen und mit ihr verhandelt werden sollte.

    (Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Er schreibt weiter, daß freie Wahlen nur den Abschluß einer Entwicklung bilden werden — ich zitiere —, „für die eine sozialistische Umgestaltung der Bundesrepublik" eine wichtige Voraussetzung sei.

    (Erneute lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Man sollte glauben, daß solche Gedankengänge der Sozialdemokratie Sorge machen müßten. Aber erstaunlicherweise ist der erwähnte Aufsatz sogar noch ohne jede Einschränkung im Organ der So-



    Dr. Gradl
    zialdemokratischen Partei Deutschlands, im „Vorwärts", abgedruckt worden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Ist also hier — so fragen wir mit echter Sorge —
    ein grundsätzlicher Wandel in der SPD im Gange?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! — Zuruf von der SPD: Das fragen wir Sie auch!)

    Bei der FDP haben wir nicht nur in Erinnerung, daß Kreise dieser Partei im Herbst 1956 noch glaubten, Kontakte mit politischen Zonenfunktionären aufnehmen zu sollen, sondern daß auch aus denselben Reihen erst vor wenigen Wochen in Düsseldorf wieder ähnliche Bemerkungen gefallen sind.
    Solche Erscheinungen sind nicht gleichgültig. Bei den mannigfachen Bemerkungen aus verschiedenen Richtungen, daß man der Begegnung mit Pankow nicht ausweichen könne, daß man über den Schatten Pankow springen müsse und dergleichen mehr, wird deutlich, daß die entscheidenden Hindernisse entweder vergessen sind oder mißachtet werden oder daß man glaubt, sie allmählich als langweilig empfinden zu können.

    (Abg. Kiesinger: Wunschdenken!)

    Deshalb würden wir es begrüßen, wenn die Bundesregierung Mögliches und Unmögliches in bezug auf Pankow zusammenfassend darlegte. Wir hoffen, daß dadurch einem Zerfließen der bisher einheitlichen und festen innerdeutschen Haltung vorgebeugt werden kann. Das Festhalten an der bisherigen Weigerung, die Zonenregierung als legitimierten politischen Sprecher für Mitteldeutschland anzunehmen, scheint uns aus vielen Gründen notwendig. Ganz besonders aber liegt uns in der gegenwärtigen Situation daran, Moskau keinen Grund zu der Spekulation zu lassen, bei genügender Ausdauer könnte es vielleicht doch erreichen, die Viermächteverantwortung auf einem runden Tisch der Deutschen abzuladen und zugleich den Weg zur Wiedervereinigung mittels der Pankower Gesprächsteilnehmer zu blockieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Von östlicher Seite wird seit einiger Zeit mit großer Eindringlichkeit eine Konföderation zwischen der Bundesrepublik und dem Zonenregime vorgeschlagen. Dazu ist viel Kritisches bereits in der Debatte am 23. Januar gesagt worden. Nun wird neuerdings eine Konföderation auch als Partner eines deutschen Friedensvertrags von der Sowjetunion empfohlen, und in unserem Lande ist einige Verwirrung in die politische Diskussion durch eine ungenügende Unterscheidung zwischen Konföderation und Föderalismus gekommen. Um auch hier eine Klärung der Begriffe und der Situation herbeizuführen, haben wir in unserer vierten Frage die Bundesregierung gebeten, zu dem Vorschlag einer Konföderation zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten DDR Stellung zu nehmen.
    Das erscheint uns um so notwendiger, weil bei dem Konföderationsvorschlag als erstes naturgemäß der Gedanke naheliegt, darin könnten vielleicht der Anfang und die Keimzelle einer Wiedervereinigung
    liegen. Tatsächlich wäre das Gegenteil der Fall. Eine konföderative Verbindung so entgegengesetzter und grundverschiedener Partner wie der Bundesrepublik und des Zonensystems kann zu keinerlei echter Gemeinschaft kommen. Es ist nicht erkennbar, in welcher Hinsicht ein gemeinsamer Wille zustande kommen könnte, es sei denn darin, daß jeder der Partner von dem Willen beseelt ist, sich nicht von dem anderen überfahren zu lassen. Eine solche Konföderation wäre vom ersten Tage an durch ihren inneren Widerspruch gelähmt, und ihr Bruch wäre zwangsläufig.
    Der Preis aber, den wir .für den Abschluß einer Konföderation zu zahlen hätten, wäre unwiederbringlich: nämlich die Anerkennung des kommunistischen Separatstaates als zweiter deutscher Staat und die faktische Befreiung der vier Mächte von ihrer Verantwortung für die Wiederherstellung der deutschen Einheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Sowjetunion könnte dann unbeschwert von dieser Verantwortung die Rolle der entspannungsfreudigen Großmacht spielen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Siehe Ungarn!)

    Die Aufgabe, die sowjetische Position in Mitteldeutschland zu konservieren und den sowjetfreien Teil Deutschlands, die Bundesrepublik, in der inneren Spannung des ungelösten Wiedervereinigungsproblems zu halten, könnte das System Ulbricht fortführen — und dann sogar international abgeschirmt durch die völkerrechtliche Fundamentierung eben der Konföderation.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Frage könnte sich anders darstellen, wenn wir es im Zonengebiet mit einem im echten Sinne demokratisierten System zu tun hätten, wenn dort die demokratischen Grundrechte und Grundfreiheiten eingeräumt würden. Hier liegt doch der eigentliche Kern des Übels, daß nämlich die Deutschen in der Sowjetzone gehindert sind, in freier Entscheidung eine wahrhaft legitimierte und legitime Repräsentanz zu schaffen. Gäbe es sie, dann wäre eine Konföderation möglich. Aber sie wäre auch zugleich überflüssig, denn für die Abwicklung der Teilung Deutschlands — wenn sie einmal freigegeben ist — gibt es genügend andere und bessere Wege. Dann nämlich wäre der Weg auch zu einer staatsrechtlichen Gemeinschaft in mehr oder minder föderativer bundesstaatlicher Weise offen.
    Auch in folgendem Zusammenhang würden wir es begrüßen, wenn die Bundesregierung ihre Vorstellungen von der Wiedervereinigung präzisieren würde. Von den Zonenkommunisten wird systematisch behauptet, daß wir in der Bundesrepublik uns unter Wiedervereinigung einen primitiven Anschluß Mitteldeutschlands, eine simple und rücksichtslose Übertragung der westdeutschen Gegebenheiten auf Mitteldeutschland und eine Art innenpolitischen Rachefeldzuges vorstellen. Wir hier — und ich möchte meinen, daß wir in diesem Hause darüber im Grundsatz einig sind — wissen, daß das nicht so sein würde. Aber es erscheint uns an-



    Dr. Gradl
    gebracht, daß die Bundesregierung in diesem Augenblick auch hierzu das Erforderliche sagt.
    Unsere fünfte und letzte Frage bezieht sich auf die Beratung und Abstimmung der politischen Auffassungen der Bundesregierung mit den Partnern in der NATO, insbesondere mit denen, die voraussichtlich an der kommenden Konferenz oder an den kommenden Konferenzen beteiligt sein würden. Wir halten es für unerläßlich, daß eine solche gegenseitige Klärung in und mit der NATO stattfindet. Weder die Sicherheit noch die Wiedervereinigung Deutschlands vermögen wir, so wie die Dinge liegen, allein zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Allein sind wir kein politischer Faktor, der in der weltpolitischen Kalkulation der Sowjetunion besonderes Gewicht hat. Wir brauchen den Rückhalt und wir brauchen die Unterstützung durch die Verbündeten, und wir brauchen sie ganz besonders, wenn sich einmal die atomautarken Großmächte gegenübersitzen, zu denen wir nicht gehören und nicht gehören werden.
    Um ihre Unterstützung und Förderung unserer Anliegen zu haben, müssen wir unseren Verbündeten unsere Auffassungen darlegen, müssen wir natürlich auch die ihren erfahren, müssen wir etwaige Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und in geeigneter Weise ihre Initiative zu veranlassen suchen. Dazu gehört in der gegenwärtigen Situation ein besonders enger und stetiger Kontakt. Wir wollen wissen, was die Bundesregierung in dieser Hinsicht getan hat, was sie vorhat und welche Erfahrungen bisher bestehen.
    Aber natürlich ist die Frage nicht ausgefüllt mit der Schaffung und Darlegung der Kontaktapparatur innerhalb unseres Bündnissystems. Der Bundesregierung wird von ihren innerdeutschen Kritikern gern vorgeworfen, sie unterlasse es, ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Es erscheint uns notwendig, daß die Bundesregierung hierzu Stellung nimmt. Ich erwähnte schon einmal: eine Regierung ist gegenüber ihren Kritikern immer im Nachteil; im Interesse des politischen Zieles darf sie ihre Karten nicht vorzeitig ausspielen. Das gilt insbesondere, wenn man in der Auseinandersetzung mit sowjetischer Politik steht. Die Sowjets verstehen es meisterhaft, mit wortreichen, von Verständigungsbereitschaft überschäumenden Erklärungen und mit halbausgesprochenen Zusagen einen Nebel von Illusionen zu wecken, hinter dem ihre starre Hartnäckigkeit nicht so grob sichtbar werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Sowjetpolitik erreicht damit, daß die andere Seite immer nach neuen Möglichkeiten sucht, durch Lockerung der eigenen Position zu einer Verständigungsbasis zu kommen. Was dabei herauskommt, nehmen die Sowjets gerne entgegen, aber sie honorieren die Vorleistung nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In dieser Situation also wäre es falsch, alle Möglichkeiten darzulegen und sie gar in einem vollkommenen Plan darzulegen. Solches Plänemachen,
    wie es gegenwärtig in unserem Lande modern zu sein scheint, ist zutiefst problematisch, weil die Gesamtlage unbekannt ist, in der einmal die Wiedervereinigung wirklich zur Entscheidung steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Gesamtlage: das heißt der Grad der allgemeinen Entspannung, der allgemeinen Abrüstung, des echten Sicherheitsbedürfnisses, die dann bestehen. Dennoch, meinen wir, sollte es möglich sein, daß die Bundesregierung ein Bild entwickelt von den allgemeinen Vorstellungen, die sie sich in dieser Hinsicht macht und die sie den Verbündeten nahezubringen sucht. Denn darüber — das sei am Schluß noch einmal betont — sind wir uns in unseren Reihen, in den Reihen der CDU/CSU im klaren: Die internationale Politik ist in einer wichtigen und zugleich kritischen Phase. Sie steht vor Aufgaben von atemberaubender Größe und in einer Spannung von äußerster Gefahr. Sie müssen im Guten gelöst werden, wenn die Menschheit nicht in unvorstellbares Unglück kommen soll. So ist die Aufmerksamkeit der großen Mächte, der Mächtigen, auf viele Dinge gerichtet und auf Dinge, die wichtiger scheinen als das, was uns Deutsche so besonders bewegt. Da wird viel Zähigkeit, viel Geschmeidigkeit und viel verständiger Wille von deutscher Seite gezeigt werden müssen, nach allen Seiten, auch nach Osten. Wir werden alle Hände voll zu tun haben, um unser Anliegen auf dem Verhandlungstisch der Weltpolitik zu halten und in der Aufgabe der Wiedervereinigung weiterzukommen. Hoffentlich vermag die Debatte heute und morgen dieser Aufgabe zu dienen.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage der CDU/CSU gehört.
Zur Begründung der Großen Anfrage der FDP hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mende.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
    Die außenpolitische Debatte des 23. Januar dieses Jahres hat nicht nur in Deutschland, sondern zumindest in der westlichen Welt einen niederschmetternden Eindruck hinterlassen.

    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es waren zwar keine Überraschungen zu erwarten, die Fronten lagen im wesentlichen fest, trotzdem hoffte man, daß die die Weltöffentlichkeit so stark erregenden Vorträge des Amerikaners Kennan und der Plan des polnischen Außenministers Rapacki eine wünschenswerte Bewegung endlich auch in die deutsche Außenpolitik bringen würden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    So beginnt der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Parteifreund des Herrn Bundeskanzlers
    und spätere Botschafter der Bundesrepublik in



    Dr. Mende
    London Schlange-Schöningen seinen Artikel in der Zeitung „Die Welt" vom 22. Februar 1958.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Es empfiehlt sich, etwas zu warten und nicht zu früh zu klatschen.

    (Erneuter Beifall bei der FDP und der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Der Botschafter Dr. Schlange-Schöningen, CDU-Bundestagsabgeordneter des 1. Deutschen Bundestages und langjähriges Parteimitglied der CDU folgert schließlich:
    Was soll nun eigentlich werden? Niemand kann von, uns verlangen, zehn, zwanzig oder dreißig Jahre zu warten, bis die Russen geneigt sein könnten, mit uns über die Wiedervereinigung zu verhandeln.

    (Abg. Kiesinger: Was wollen Sie denn tun, um sie geneigt zu machen?)

    „Zu spät" wird es dann wieder einmal von der deutschen Außenpolitik heißen. Sind wir
    — so fragt Schlange-Schöningen —
    denn wirklich zu nichts anderem fähig, als njet zu sagen?

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Warum ergreifen wir denn nicht jede gebotene Möglichkeit, wie sie uns in den verschiedensten Plänen auch vom Ausland nahegelegt wurden, um einen allerersten Anfang zu machen, aus dieser unfruchtbaren Erstarrung herauszukommen?
    Um aus dieser unfruchtbaren Erstarrung herauszukommen, haben die Freien Demokraten auf Drucksache 230 eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die im einzelnen zu begründen ich die Ehre habe. Wir fragen in dieser Großen Anfrage die Bundesregierung:
    Ist die Bundesregierung bereit, sich bei den vier Mächten dafür einzusetzen, daß auf der kommenden Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland erörtert werden?
    Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, daß wir in der Debatte des 23. Januar bereits ausgeführt und wiederholt erklärt haben, am Anfang der Entwicklung zur deutschen Wiedervereinigung stehe die Klärung des militärischen Status Gesamtdeutschlands und freie Wahlen müßten und würden am Ende eines langwierigen Entwicklungsprozesses stehen, gewissermaßen als Krönung unserer Bemühungen.
    Der Vorredner, Kollege Dr. Gradl, hat in der Rede am 23. Januar diese Auffassung bestätigt. Er hat auch bei einem Colloquium in Bonn diese Auffassung wiederholt, die da lautet: Freie gesamtdeutsche Wahlen stehen nicht am Beginn, sondern
    am Ende einer Entwicklung; am Beginn steht die Klärung des militärischen Status Gesamtdeutschlands.

    (Abg. Kiesinger: Und der Frage der provisorischen, nicht frei gewählten Regierung, nicht wahr?)

    Danach ist es ein Gemeinplatz, was ich hier wiederhole: zur deutschen Wiedervereinigung gehört das Ja aller vier Siegermächte, also auch das Ja der Sowjetunion. — Das Ja der Sowjetunion ist aber schwerlich zu erreichen, wenn Sie der Sowjetunion zumuten, daß sie auch noch den mitteldeutschen Raum und das mitteldeutsche Potential zur NATO schlagen lassen soll.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Eine solche Vorstellung schließt das Ja der Sowjetunion aus. Umgekehrt werden die Westmächte nicht ja sagen, wenn sie befürchten müssen, daß im Rahmen einer zeitlich langfristigen Entwicklung dieses wiedervereinigte Deutschland über ein neues Rapallo in den Sog des großen kontinentalen Nachbarn, der Sowjetunion, kommen könnte. Es gilt also eine Lösung zu finden, die verhindert, daß das Potential des 70-Millionen-Volkes der Deutschen und seines Raumes ausschließlich dem einen oder anderen der gegenwärtigen militärischen Bündnisse zufällt.

    (Beifall bei der FDP.)

    Damit beginnt die Problematik. Die Frage ist hier schon mehrfach gestellt worden: glauben wir denn wirklich nach allen geschichtlichen Erfahrungen, die andere mit uns und die wir mit anderen gemacht haben, daß man dem wiedervereinigten Deutschland militärische Handlungsfreiheit in dem Sinne geben wird, daß es in alleiniger Verantwortung entscheiden kann, wem es sich militärisch anschließen will?
    Diese Gedankengänge sind mehrfach durch den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, durch den Herrn Bundestagspräsidenten Gerste nmaier, aufgenommen worden, zuletzt in verschiedenen Interviews und in der Broschüre einer Rede aus Stuttgart. Darin sagt der Herr Bundestagspräsident und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU:
    Die Einbeziehung der Bundeswehr in die atomare Rüstung der NATO sollte jetzt weder in positiver noch in negativer Hinsicht entschieden werden. Der Aufbau unserer Streitkräfte muß und wird unabhängig davon selbstverständlich so lange weitergehen, bis wenigstens die ersten Stufen eines auch noch so bescheidenen, aber realen Abrüstungsabkommens wirksam werden.

    (Abg. Dr. Krone: Sehr gut!)

    Und dann faßt Dr. Gerstenmaier zusammen:
    Zusammengefaßt: wir wollen Verhandlungen mit folgendem Katalog: erstens die Methoden und Ziele der kontrollierten Abrüstung, zweitens die Klärung des politischen Status Gesamtdeutschlands und des Sicherheitssystems,



    Dr. Mende
    drittens Übereinstimmung über die Durchführung freier Wahlen und viertens Verhandlungsfrieden.
    Herr Dr. Gerstenmaier schließt:
    Es sollte mit größtem Nachdruck die ganz unabweisbare Forderung vertreten werden, daß die Deutschlandfrage in der Gestalt der Frage des Friedensvertrages auf die Tagesordnung dieser Ost-West-Konferenz gesetzt wird.
    Wir haben bei der Formulierung unserer Anfrage bewußt den Terminus technicus Friedensvertrag vermieden, um nicht schlafende Hunde zu wecken und Ansprüche möglicherweise aus entferntesten Winkeln dieser Erde zu provozieren. Aber im Inhalt stimmt unsere Formulierung „Grundsätze eines Vertrages für Gesamtdeutschland" mit dem überein, was Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier mit den „Grundsätzen eines Friedensvertrages" in dieser und in anderen Reden gemeint hat.
    Ich frage nun die Bundesregierung: Wie steht die Bundesregierung zu dem Gedanken ihres stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU und Bundestagspräsidenten Dr. Gerstenmaier? Gilt die Aussage des Herrn Bundesaußenministers im Auswärtigen Ausschuß, daß solche Pläne schädlich und gefährlich seien, auch hier vor dem Deutschen Bundestag? Es bestehen begründete Vermutungen dafür, daß die Sowjetunion in ihrer Note an die USA vom 7. März 1958 die Gedankengänge des Herrn Bundestagspräsidenten und anderer Politiker aufgenommen hat. In dieser Note wird vorgeschlagen, daß auf der Gipfelkonferenz die Grundsätze eines Friedensvertrages mit Deutschland behandelt werden sollen.
    Wie war die Reaktion der Bundesregierung auf die Meldung von der Note der Sowjetunion an die Vereinigten Staaten? Die erste Reaktion war vollkommen negativ. Das Bundespresseamt ließ durch seinen Sprecher erklären, man wisse zwar noch nicht genau, was in der Note stehe, aber in jedem Fall sei es ein reines Propagandamanöver, und man solle keine großen Erwartungen darin setzen.

    (Abg. Dr. Bucerius: Das ist doch einfach nicht wahr!)

    Auf Fragen von Journalisten ist gesagt worden, man habe Anlaß, zu glauben, daß es der Sowjetunion nur darum gehe, einen Friedensvertrag mit zwei deutschen Staaten abzuschließen. Schließlich verdichtete sich — das läßt sich mit vielen Zeitungsmeldungen noch nachträglich beweisen, Herr Kollege Bucerius — diese negative Einstellung sogar in der Formulierung vieler Schlagzeilen, die am nächsten Tage in der Presse der deutschen Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden.
    Man sagte, es sei die Bedingung enthalten, die Sowjetunion wolle einen Friedensvertrag nur mit zwei deutschen Staaten schließen. Das ist allerdings eine für uns alle in diesem Haus völlig indiskutable Lösung, und damit sollte dieser Vorschlag bereits im ersten Stadium vom Tisch verschwinden. Es ist glücklicherweise nicht dazu gekommen, sondern der Herr Bundestagspräsident hat es nach
    Rückfrage bei den Fraktionsvorsitzenden und nach Besprechung auch mit seinen Kollegen für zweckmäßig gehalten, diese schon für den letzten Mittwoch angesetzte Debatte mindestens bis auf den heutigen Tag, wenn nicht gar auf die nächste Woche zu verschieben, um Klärung darüber zu erreichen, was die Sowjetunion in ihrem Vorschlag, über einen Friedensvertrag auf der Gipfelkonferenz zu verhandeln, denn wirklich meint.
    Wir stellen fest: es handelt sich hier um eine und nicht die erste fahrlässige falsche Unterrichtung der deutschen Öffentlichkeit in dieser für die deutsche Frage so entscheidenden Problematik.

    (Beifall bei der FDP.)

    Dann kam eine Meldung, auf Grund deren sich die Initiatoren in der CDU/CSU-Fraktion bereit erklärten, ihre Vorstöße wieder einzustellen, da diese Frage ja nicht aktuell sei. Es handelt sich um die Meldung aus Manila, daß man auf der Gipfelkonferenz absolut nicht über die Deutschlandfrage, geschweige denn über einen Friedensvertrag, sprechen wolle, sondern lediglich über das Problem der Abrüstung. Und siehe da, während vorher die Bundesregierung es gewissermaßen als Conditio sine qua non deklariert hatte, daß auf der Gipfelkonferenz die Deutschlandfrage erörtert wird, zeigte sie nun plötzlich eine Schwenkung um 180 Grad.

    (Abg. Kiesinger: Stimmt ja gar nicht!)

    — Aber in der Abrüstungsfrage steckt ja die deutsche Frage drin, und so unbedingt brauchen wir an dieser Bedingung gar nicht festzuhalten. — Und siehe da, plötzlich stellt sich wieder heraus, die Manila-Meldung sei eine Falschmeldung. Das war zum zweitenmal eine grobe Fahrlässigkeit in der Unterrichtung der deutschen Öffentlichkeit, vielleicht mit tendenziösem Hintergrund.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Zuruf des Abg. Kiesinger. — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Denn der Zweck war erreicht, die Vorstöße waren eingestellt. Dabei ist es doch mit den heutigen Mitteln der Technik wahrlich sehr einfach, zurückzufragen, um sich sagen zu lassen, was wirklich gemeint ist. Die Rückfrage war sowohl im ersten Fall der fahrlässigen Falschunterrichtung der deutschen Öffentlichkeit wie im zweiten Fall möglich.
    Ich habe mir erlaubt, damals bei der Frage, ob wir die Debatte am vergangenen Mittwoch oder heute führen sollten, Kritik an der Tagungsweise des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages zu üben. Dieser Ausschuß ist im vergangenen ersten Halbjahr des 3. Deutschen Bundestages nur dreimal zusammengetreten!

    (Hört! Hört! bei der FDP.)

    In einer Zeit, da Noten unter den Staatsmännern gewissermaßen wie Postwurfsendungen gewechselt werden,

    (Lachen und Zurufe von der Mitte)

    hält es dieses so wichtige Gremium nicht für wichtig zu tagen.

    (Zuruf des Abg. Kiesinger und weitere Zurufe von der Mitte.)




    Dr. Mende
    Ich sehe wahrlich einen Mangel in der Funktionsfähigkeit unseres Parlaments darin, daß dieser Ausschuß, aus welchen Gründen auch immer, im ersten Halbjahr des Deutschen Bundestages nicht öfter zusammenkommen konnte als nur dreimal.
    Hier sollte der Präsident, hier sollte einmal der Geschäftsordnungsausschuß des Deutschen Bundestages prüfen, was man, sei es in geschäftsardnangsmäßiger, sei es in personeller Hinsicht, tun muß, um zu erreichen, daß dieser Ausschuß nicht weiter funktionsunfähig gemacht wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Lachen in der Mitte.)

    Nach seiner Rückkehr vom Urlaub hatte der Herr Bundeskanzler ein Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter Smirnow. Es scheinen sich über die Auslegung des Gesprächs Meinungsverschiedenheiten ergeben zu haben. Auch nach diesem Gespräch hielt der Herr Bundeskanzler an der Version fest, daß die Sowjets eine Bedingung gestellt hättediesen Vertrag nur mit zwei Deutschland oder mit einer Konföderation abzuschließen, wobei das konföderative Organ bis zur Gipfelkonferenz, also in wenigen Wochen, erstellt sein müsse, ein schon rein technisch unmögliches Unterfangen.
    Im Auswärtigen Ausschuß, der in seinen Verhandlungen vertraulich ist — aber die Frage, die ich stelle, dürfte nicht vertraulich sein —, hat sich der Herr Kollege Ollenhauer und habe ich mich bemüht, dieses Mißverständnis aufzuklären, und der Herr Bundesaußenminister hat uns zugesagt, daß er, sei es durch Rückfrage bei dem sowjetischen Botschafter in Bonn, sei es durch Rückfrage durch den deutschen Botschafter in Moskau, klären wolle, ob es eine Bedingung sei, daß der deutsche Friedensvertrag nur mit zwei deutschen Teilstaaten geschlossen werde. Denn wir beide fragten: Worauf gründet sich diese Behauptung der Bundesregierung, nachdem die Bedingung weder aus dem Text noch aus sonstigen Vorlagen zu entnehmen ist?
    Ich frage daher: Ist die Bundesregierung in der Lage, heute dem Deutschen Bundestag bekanntzugeben, welches Ergebnis diese zugesagte Klärung gehabt hat?
    Nach einer dpa-Meldung hat der Herr Bundeskanzler gestern den sowjetischen Botschafter erneut zu einer Unterredung empfangen, und bei dieser Unterredung soll der sowjetische Botschafter dem Herrn Bundeskanzler ein Aide-memoire seiner Regierung überreicht haben.
    Der Herr Bundeskanzler hat vor Beginn der Sitzung in einem Brief, den er mir zukommen ließ — wofür ich ihm danke —, Aufklärung über das gestrige Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter gegeben und bestätigt, daß die dpa-Meldung richtig sei. Ein Aide-memoire ist gestern dem Herrn Bundeskanzler überreicht worden.
    Ich frage daher: Herr Bundeskanzler, sind Sie nunmehr auf Grund des Textes des Aide-memoire in der Lage, hier vor dem Deutschen Bundestag zu erklären, daß die Sowjets nicht die Bedingung stellen, einen Friedensvertrag für zwei deutsche
    Staaten zu schließen, daß sie vielmehr auch in dem Aide-memoire vielleicht zum Ausdruck gebracht haben, daß sie einen Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland abschließen wollen, daß auch der Vorschlag über eine Konföderation keine Conditio, sondern mehr oder minder einer von vielen Vorschlägen sein soll, daß die Sowjetregierung nicht daran denke, der Bundesregierung irgendwelche Rezepte in der deutschen Frage aufzustellen, und daß möglicherweise auch die Hinzuziehung Bonns und Pankows in einem gewissen Stadium der Verhandlungen nicht mit der Anerkennung gleichzusetzen sei, sondern die Sowjetregierung auch hier gar nicht daran denke, irgendeine Bedingung zur Anerkennung des einen durch den anderen und des anderen durch den einen zu fixieren?
    Meine Damen und Herren, wir haben von vornherein die — nachher bestätigte — Vermutung gehabt, daß die Sowjetregierung keine Bedingung stelle, einen Friedensvertrag nur mit zwei deutschen Teilstaaten zu schließen. Auch das Bundespresseamt hätte bei seinem großen Archivmaterial ebenso wie wir leicht die Möglichkeit gehabt, diese Vermutung zu erhärten.
    „Die Welt" brachte unter dem 7. Februar 1958 ein Interview mit Chruschtschow, der wohl einer der ersten Interpreten der wahren Absichten der Sowjetregierung sein dürfte.

    (Zurufe von der CDU/CSU.) Es heißt hier:

    Es ist uns bekannt, daß die Frage des Friedensvertrages das deutsche Volk tief bewegt. Und das ist verständlich. Denn es sind zwölf Jahre seit Beendigung des zweiten Weltkrieges vergangen, und das deutsche Volk hat noch immer keinen Friedensvertrag, der endgültig einen Strich unter diesen Krieg und seine Folgen ziehen würde.
    Dann stellt Chruschtschow fest:
    Die Frage des Friedensvertrages ist die Frage der Wiederherstellung der vollen Souveränität und Unabhängigkeit Deutschlands, seiner Grenzen, des Abzugs der ausländischen Truppen von seinem Territorium.
    Chruschtschow sagt weiter:
    Es ist eine Sache, den Kriegszustand mit Deutschland zu beenden, was auch die sowjetische Regierung angesichts der negativen Einstellung der Westmächte zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland getan hat, und eine andere Sache ist der Friedensvertrag selbst, der die äußeren Bedingungen festzulegen hat, bei deren Beachtung die innere Entwicklung Deutschlands von jeder äußeren Einmischung geschützt würde.
    Schließlich ein Drittes aus diesem Interview Chruschtschows aus der Zeitung „Die Welt" vom 7. Februar dieses Jahres:
    Unter Berücksichtigung dessen, daß gegenwärtig in Deutschland zwei souveräne Staaten existieren,



    Dr. Mende
    — ich wiederhole: „gegenwärtig" in Deutschland zwei souveräne Staaten existieren —
    die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland, ist es wichtig,
    — so sagt Chruschtschow —
    die Ausarbeitung des Entwurfs eines Friedensvertrages nicht hinauszuschieben, damit das deutsche Volk klare Perspektiven für die zukünftige Entwicklung Deutschlands vor sich sieht.
    Nun kommt offensichtlich die Beteiligung der beiden deutschen Regierungen, auch der Regierung der sogenannten DDR, an den Modalitäten; denn Chruschtschow sagt:
    Es versteht sich, daß an der Ausarbeitung dieses Entwurfs die Deutschen selbst, die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland, teilnehmen müssen. Wiederum schafft nach meiner Meinung die realsten Möglichkeiten für den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland der Vorschlag der Deutschen Demokratischen Republik über die Gründung einer deutschen Konföderation.

    (Zurufe von der Mitte: Na also!)

    — Hören Sie zu! In diesem Fall könnte der Friedensvertrag also auch hier keine Bedingung bringen:

    (Widerspruch in der Mitte.)

    In diesem Fall könnte der Friedensvertrag sowohl mit den Organen der Konföderation wie auch mit den Regierungen der Staaten abgeschlossen werden, die zu dieser Konföderation gehören.

    (Abg. Kiesinger: Und welche dritte Möglichkeit, welche Alternative sehen Sie!)

    Auch Molotow hat auf der Berliner Konferenz, nicht ad personam, sondern offensichtlich als Vertreter der sowjetischen Außenpolitik, unter dem 1. Februar 1954 erklärt:
    Selbstverständlich kann der Friedensvertrag nur von einer gesamtdeutschen Regierung unterzeichnet werden, die von einem aus freien Wahlen hervorgegangenen Parlament gebildet wird. Eine unserer Hauptverpflichtungen besteht darin, die Durchführung solcher freien Wahlen zu beschleunigen.
    Ich bin mir darüber im klaren, daß Herr Molotow im Anschluß daran „freie Wahlen" etwas anders interpretiert als das, was wir unter freien Wahlen verstehen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Aber hier geht es doch um den Obersatz! Sie sagen: Der Friedensvertrag darf nur mit zwei deutschen Staaten abgeschlossen werden; so denken die Sowjets. — Ich sage, Herr Molotow und Herr Chruschtschow erklären: Selbstverständlich kann der Friedensvertrag nur von einer gesamtdeutschen Regierung unterzeichnet werden. Wer jetzt noch nicht weiß, daß auf keinen Fall eine Bedingung gestellt wurde, wer aus dem Wort „gegenwärtig" nicht schließt, daß das doch ein temporärer Zustand ist, den die Sowjets anerkennen, wenn sie sagen, daß gegenwärtig zwei deutsche Teilstaaten bestehen, daß sie nicht das Definitivum „zwei Deutschland" anerkennen, wer das jetzt noch nicht versteht, ist den Gesetzen der Logik verschlossen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und SPD. — Abg. Dr. Bucerius meldet sich zu einer Zwischenfrage.)