Rede von
Dr.
Otto
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat eingangs seiner Rede einen Satz geprägt, der für unsere ganzen Verhandlungen heute sicher von Bedeutung ist: Im Staat des 20. Jahrhunderts muß der Dreiklang Wirtschaftspolitik-Sozialpolitik-Finanzpolitik angeschlagen werden, wenn keine empfindlich störende Disharmonie entstehen soll. Herr Bundesfinanzminister, das ist Ihnen in Ihrem Gesamtkonzept sicherlich gelungen, soweit die breiten Schichten, insbesondere die abhängig arbeitenden Menschen in Frage kommen. Das ist Ihnen auch sicherlich mit der Kapitalmarktförderung, mit der Förderung, der Popularisierung der Aktie gelungen.
Nur meine ich, daß in dem Kernstück der Reform, bei der Körperschaftsteuer, eine Dissonanz ist. Herr Kollege Seuffert hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, und auch Sie haben bereits betont, daß eine gewisse Schicht von personenbezogenen Gesellschaften, insbesondere Familiengesellschaften, in dem Gesamtkonzept wohl nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden hat. Die Stunde ist zu spät, als daß ich Ihnen dieses grundsätzliche Problem darlegen könnte. Herr Kollege Seuffert hat schon angedeutet, daß bei einer organischen Steuerreform eine ganz andere Vorstellung zum Zuge kommen müßte, nämlich wirtschaftliche Tatbestände steuerlich auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu behandeln. Wie gesagt, dieses Problem heute vor Ihnen auszubreiten und insbesondere das komplizierte Verhältnis der Personengesellschaften zu den Kapitalgesellschaften darzustellen, vor allem zu den GmbH, verbietet die Zeit.
Doch darf diese Stunde nicht vorübergehen, ohne daß nicht einmal darauf hingewiesen worden ist, daß
Kapitalgesellschaft nicht gleich Kapitalgesellschaft ist. Von den zirka 33 000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind 85 % personengebunden, d. h. sie haben einen bis fünf Gesellschafter. Etwa 35 % sind Familiengesellschaften. 95 % der GmbH haben ein Kapital von weniger als 500 000 DM. Die Gewinne, die diese Gesellschaften haben, liegen etwa in der Größenordnung von 20 000 bis 80 000 DM, liegen also in der Besteuerung, insbesondere dann, wenn sie sich auf mehrere Gesellschafter verteilen, weit unter dem Proportionalsatz von 45 und jetzt erhöht 47 %. Diese mittelständische Schicht von Unternehmen kann sich nicht an den Kapitalmarkt wenden, schon deshalb nicht, weil gar keine dritten Gesellschafter gesucht werden, die sich beteiligen sollen; denn diese Gesellschaften beruhen auf dem Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. auf dem Vertrauen der einzelnen Beteiligten zu den geschäftsführenden Gesellschaftern.
Es ist offensichtlich, daß in diesem Bereich die Verhältnisse hei der Körperschaftsteuer völlig andere sind als bei den großen Kapitalgesellschaften, die zwangsläufig den Proportionalsatz erreichen müssen, auch wenn sie etwa den ganzen Betrag nach einkommensteuerlichen Gesichtspunkten versteuern müßten. Hier liegt ein Problem, das im Ausschuß einmal grundsätzlich angepackt werden muß. Die Geschichte der GmbH-Besteuerung seit 1906 in Preußen ist tatsächlich eine unrühmliche Geschichte, eine Geschichte der Systemlosigkeit sondergleichen, eines ständigen Hin und Her.
Es gibt manche Möglichkeiten, hier Wandel zu schaffen. Ich denke an das System des degressiven Proportionalsatzes, an ein System, das dem amerikanischen nahekommen würde. Ich denke an das französische System der Option, bei dem die kleinere Kapitalgesellschaft die Möglichkeit hat, zu wählen, ob sie ihre Gewinne nach Einkommensteuergrundsätzen versteuern will. Aber der fruchtbarste Gedanke scheint mir doch in der Troeger-Denkschrift zu liegen, nämlich einmal zu prüfen, ob man nicht die GmbH überhaupt aus der Körperschaftsteuer herausnehmen sollte.
Das wäre wirtschaftlich und soziologisch sicherlich der klarste und einfachste Weg. Natürlich wird sofort der Einwand kommen: Und die Groß-GmbH? Hier kann man eine Grenze finden; darüber werden wir sicherlich im Ausschuß reden müssen.
Jedenfalls geht es darum, einmal den wirtschaftlichen und soziologischen Hintergrund dieser merkwürdigen Rechtsform zu sehen, unter deren Bezeichnung sich wirtschaftliche Tatbestände völlig verschiedener Art verbergen. Hier müssen wir, gerade um der mittelständischen Wirtschaft willen, Klarheit schaffen und zu gerechten und wirtschaftlichen Lösungen kommen.