Rede:
ID0301703600

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesfinanzminister.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Inhalt: Sammelübersicht 3 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen (Drucksache 245) 763 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts (Drucksachen 260 zu 260) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 261. zu 261) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerlicher Vorschriften (Drucksachen 262, zu 262) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen (SparPrämiengesetz) (Drucksachen 263, zu 263) — Erste Beratung —; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (WohnungsbauPrämiengesetz) (Drucksachen 264, zu 264) — Erste Beratung —. Etzel, Bundesminister 763 D, 816 A Neuburger (CDU/CSU) 776 C Seuffert (SPD) 781 B Dr. Atzenroth (FDP) 793 D Dr. Preusker (DP) 798 B Dr. Eckhardt (CDU 'CSU 803 D Frau Rösch (CDU/CSU) 807 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 809 A Krammig (CDU/CSU) 812 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 815 A Überweisungen an die Ausschüsse . . . 819 A Nächste Sitzung 819 C Anlagen 821 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 17. ,Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. März 1958 763 17. Sitzung Bonn, den 13. März 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albrecht 12. 4. Altmaier 14. 3. Dr. Baade 21. 3. Bading 20. 3. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Dr. Birrenbach 15. 3. Blachstein 29. 3. Dr. Böhm 14. 3. Conrad 18. 4. Dr. Dittrich 19. 3. Dr. Dollinger 14. 3. Ehren 13. 3. Frau Eilers (Bielefeld) 15. 3. Enk 14. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 31. 5. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 13. 3. Funk 14. 3. Frau Geisendörfer 14. 3. Gottesleben 14. 3. Graaff 14. 3. Dr. von Haniel-Niethammer 14. 3. Dr. Heck (Rottweil) 13. 3. Heiland 31. 3. Hellenbrock 24. 3. Hesemann 14. 3. Hilbert 14. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 31. 3. Höcker 15. 3. Höfler 14. 3. Frau Dr. Hubert 12. 4. Jürgensen 31. 3. Frau Keilhack 13. 3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Köhler 14. 3. Kühlthau 14. 3. Kühn (Köln) 13. 3. Kunze 15. 5. Leber 13. 3. Lenz (Trossingen) 29. 3. Dr. Lindenberg 29. 3. Logemann 20. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 30. 4. Mellies 25. 4. Mengelkamp 13. 3. Nellen 14. 3. Neumann 12. 4. Frau Niggemeyer 14. 3. Oetzel 15. 3. Paul 30. 4. Pelster 1. 4. Pietscher 14. 3. Ramms 13. 3. Frau Rudoll 15. 3. Schneider (Hamburg) 31. 3. Dr. Schranz 13. 3. Seidl (Dorfen) 14. 3. Dr. Starke 14. 3. Stenger 15. 3. Storm (Meischenstorf) 20. 3. Sträter 13. 3. Frau Strobel 20. 3. Unertl 20. 3. Varelmann 13. 3. Vogt 12. 4. Dr. Wahl 13. 3. Wehking 20. 3. Wehr 31. 3. Weinkamm 14. 3. Dr. Wilhelmi 14. 3. Wittrock 13. 3. Frau Wolff (Berlin) 14. 3. Dr. Wolff (Denzlingen) 14. 3.
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    Rede von Dr. Otto Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat eingangs seiner Rede einen Satz geprägt, der für unsere ganzen Verhandlungen heute sicher von Bedeutung ist: Im Staat des 20. Jahrhunderts muß der Dreiklang Wirtschaftspolitik-Sozialpolitik-Finanzpolitik angeschlagen werden, wenn keine empfindlich störende Disharmonie entstehen soll. Herr Bundesfinanzminister, das ist Ihnen in Ihrem Gesamtkonzept sicherlich gelungen, soweit die breiten Schichten, insbesondere die abhängig arbeitenden Menschen in Frage kommen. Das ist Ihnen auch sicherlich mit der Kapitalmarktförderung, mit der Förderung, der Popularisierung der Aktie gelungen.
    Nur meine ich, daß in dem Kernstück der Reform, bei der Körperschaftsteuer, eine Dissonanz ist. Herr Kollege Seuffert hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, und auch Sie haben bereits betont, daß eine gewisse Schicht von personenbezogenen Gesellschaften, insbesondere Familiengesellschaften, in dem Gesamtkonzept wohl nicht die gebührende Berücksichtigung gefunden hat. Die Stunde ist zu spät, als daß ich Ihnen dieses grundsätzliche Problem darlegen könnte. Herr Kollege Seuffert hat schon angedeutet, daß bei einer organischen Steuerreform eine ganz andere Vorstellung zum Zuge kommen müßte, nämlich wirtschaftliche Tatbestände steuerlich auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu behandeln. Wie gesagt, dieses Problem heute vor Ihnen auszubreiten und insbesondere das komplizierte Verhältnis der Personengesellschaften zu den Kapitalgesellschaften darzustellen, vor allem zu den GmbH, verbietet die Zeit.
    Doch darf diese Stunde nicht vorübergehen, ohne daß nicht einmal darauf hingewiesen worden ist, daß
    Kapitalgesellschaft nicht gleich Kapitalgesellschaft ist. Von den zirka 33 000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind 85 % personengebunden, d. h. sie haben einen bis fünf Gesellschafter. Etwa 35 % sind Familiengesellschaften. 95 % der GmbH haben ein Kapital von weniger als 500 000 DM. Die Gewinne, die diese Gesellschaften haben, liegen etwa in der Größenordnung von 20 000 bis 80 000 DM, liegen also in der Besteuerung, insbesondere dann, wenn sie sich auf mehrere Gesellschafter verteilen, weit unter dem Proportionalsatz von 45 und jetzt erhöht 47 %. Diese mittelständische Schicht von Unternehmen kann sich nicht an den Kapitalmarkt wenden, schon deshalb nicht, weil gar keine dritten Gesellschafter gesucht werden, die sich beteiligen sollen; denn diese Gesellschaften beruhen auf dem Vertrauensverhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. auf dem Vertrauen der einzelnen Beteiligten zu den geschäftsführenden Gesellschaftern.
    Es ist offensichtlich, daß in diesem Bereich die Verhältnisse hei der Körperschaftsteuer völlig andere sind als bei den großen Kapitalgesellschaften, die zwangsläufig den Proportionalsatz erreichen müssen, auch wenn sie etwa den ganzen Betrag nach einkommensteuerlichen Gesichtspunkten versteuern müßten. Hier liegt ein Problem, das im Ausschuß einmal grundsätzlich angepackt werden muß. Die Geschichte der GmbH-Besteuerung seit 1906 in Preußen ist tatsächlich eine unrühmliche Geschichte, eine Geschichte der Systemlosigkeit sondergleichen, eines ständigen Hin und Her.
    Es gibt manche Möglichkeiten, hier Wandel zu schaffen. Ich denke an das System des degressiven Proportionalsatzes, an ein System, das dem amerikanischen nahekommen würde. Ich denke an das französische System der Option, bei dem die kleinere Kapitalgesellschaft die Möglichkeit hat, zu wählen, ob sie ihre Gewinne nach Einkommensteuergrundsätzen versteuern will. Aber der fruchtbarste Gedanke scheint mir doch in der Troeger-Denkschrift zu liegen, nämlich einmal zu prüfen, ob man nicht die GmbH überhaupt aus der Körperschaftsteuer herausnehmen sollte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das wäre wirtschaftlich und soziologisch sicherlich der klarste und einfachste Weg. Natürlich wird sofort der Einwand kommen: Und die Groß-GmbH? Hier kann man eine Grenze finden; darüber werden wir sicherlich im Ausschuß reden müssen.
    Jedenfalls geht es darum, einmal den wirtschaftlichen und soziologischen Hintergrund dieser merkwürdigen Rechtsform zu sehen, unter deren Bezeichnung sich wirtschaftliche Tatbestände völlig verschiedener Art verbergen. Hier müssen wir, gerade um der mittelständischen Wirtschaft willen, Klarheit schaffen und zu gerechten und wirtschaftlichen Lösungen kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.




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    Rede von Franz Etzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will in dieser späten Stunde, die eine Sternstunde genannt wurde, nicht mehr im einzelnen auf all die vielen Probleme eingehen, die hier diskutiert worden sind. Das ist nicht der Sinn dieser Aussprache und meiner Erwiderung an diesem Abend. Ich möchte aber allen, die in diesen Stunden einen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet haben, und auch denen, die bis fast 9 Uhr ausgeharrt haben, für das Interesse herzlich danken, das sie einem so wichtigen Werk wie dem, das hier vorliegt, zuwenden. Ich möchte auch unserer Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus dafür danken, daß sie in so später Abendstunde noch einen so herzerfrischenden Ton in die Debatte brachte, durch den sie das Haus geradezu wieder wachgerüttelt hat.

    (Beifall. — Abg. Schröter [Berlin]: Gratulation zur Jungfernrede!)

    — Ja, man kann eine Gratulation zur Jungfernrede aussprechen. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ist nicht mehr da und hört es leider nicht.
    Ich will nur zu ein paar Fragen, die mich besonders berührt haben, noch etwas sagen, und dann will auch ich schweigen. Es scheint mir in dem, was Herr Atzenroth hier ausgesprochen hat, ein grundsätzlicher Irrtum zu liegen. Er hat behauptet, ich hätte gesagt, wir wollten gar keine Steuerreform. So etwas habe ich nie gesagt. Ich habe lediglich gesagt, das grundsätzliche Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern braucht durch diese Reform nicht angetastet zu werden. Daß ich aber mit diesen Vorlagen eine Steuerreform will, das dürfte ich doch sehr eindeutig erklärt haben.
    Herr Atzenroth hat auch davon gesprochen, daß ich mir selbst untreu geworden sei, wenn ich jetzt wieder im Sparprämiengesetz Vergünstigungen vorschlage, nachdem ich zuvor gesagt habe, daß diese Vergünstigungen gegen die Grundsätze des Marktes verstießen. Ich könnte dazu vieles sagen; das will ich aber nicht tun. Ich möchte gerade unseren Freunden von der FDP nur erwidern: wenn ich an die beiden letzten Vorlagen denke, die Sie dem Hohen Hause vorgelegt haben, die Vorlagen über die Einfuhrfinanzierung und über die Investitionen bei der Landwirtschaft aus Anlaß der Einführung in den Gemeinsamen Markt, dann kann ich nur mit dem alten Wort sagen: „Onkel Bräsig, wir erkennen Dir nicht wieder." Das sind nämlich Maßnahmen, die mit Marktwirtschaft und Liberalismus auch am Rande nichts mehr zu tun haben.
    Es ist dann gesagt worden, daß die Vereinfachungsgedanken, die wir hier vorgetragen haben und mit den Gesetzen realisieren wollen, zwar auf der Seite der Finanzämter ihren Sinn haben mögen, aber nicht auf der Seite der Betriebe. Auch hier scheint mir ein großer Irrtum vorzuliegen, denn die Einkommensbesteuerung nach dem Proportionalsatz hat doch eine große Bedeutung für die Abrechnung der Lohnsteuer. Das scheint mir wichtig und entscheidend zu sein, und darauf wollte ich hinweisen.
    Frau Dr. Diemer-Nicolaus hat gesagt, wir hätten nicht über die Bagatellsteuern diskutiert. Das haben
    wir in der Tat nicht getan, weil sie nicht zu den in den Vorlagen behandelten Steuern gehören. Die Bagatellsteuern stellen ein Problem dar, das interessant ist und mit dem ich mich auch sehr schnell beschäftigt habe, nachdem ich auf dem Stuhl des Finanzministers saß. Ich habe aber feststellen müssen, daß die Bagatellsteuern im allgemeinen gar keine Verwaltungsarbeit machen, wenn ich einmal die echten Bagatellsteuern nehme. Nehmen Sie z. B. die Spielkartensteuer. Sie bringt nicht sehr viel ein; sie ist aber auch sehr einfach zu erheben. Man schreibt den Fabriken einen Brief und bekommt das Geld. Soll man also auf diese Einnahmen verzichten? Ich glaube nicht, daß es richtig ist, wenn gesagt wird, wenn diese Einnahmen wegfielen, hätten auch die Verbraucher etwas davon. Der Wegfall der Erhebung dieser Steuern würde lediglich den Unternehmern zugute kommen. Die Verbraucher würden dadurch keinen Pfennig gewinnen; ihr Ärgernis würde also nicht beseitigt werden.
    Es ist dann zweimal — ich glaube, von Ihnen, Herr Seuffert, und von Herrn Atzenroth — gesagt worden, ich hätte die Fehler der vergangenen Haushalts- und Finanzpolitik anerkannt und aufgedeckt. Ich erkläre dazu freimütig: die Entwicklung ist in der Tat nicht in allen Punkten so gelaufen, wie wir sie aus der heutigen Sicht wünschen. Daß wir das sagen können, bedeutet nicht Schwäche, sondern Stärke. Es ist aber auch so gewesen, daß in den Zeiten des Aufbaus, in den vergangenen acht Jahren, manche Dinge getan werden mußten, die mit unserer Grundkonzeption der Marktwirtschaft in einem gewissen Widerspruch stehen

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und die man, nachdem wir das Stadium des Aufbaus überwunden haben, nun in die richtige Form bringen muß. Darum geht es.
    Die Frage der Rüstungskosten, Herr Seuffert, ist in der Tat nicht behandelt worden. Das ist aus wohlerwogenen Gründen geschehen. Wir haben in acht Tagen eine Diskussion darüber. Ich habe mir nichts davon versprochen, daß wir dieses Thema zweimal behandeln.
    Was Herr Atzenroth über das Sparprogramm gesagt hat, scheint mir doch so etwas wie eine Milchmädchenrechnung zu sein. Leider ist Herr Atzenroth nicht mehr da, um jetzt meine Erwiderung darauf zu hören. Er meinte nämlich: Wir werden 2 Milliarden DM haben; davon sind 1,2 Milliarden Umlagerungen, und von den restlichen 800 Millionen würden 400 Millionen sowieso kommen. Also 400 Millionen bekommen wir neu, und die kosten uns eben 400 Millionen. Also, warum das Ganze!
    So einfach kann man das Sparprogramm nicht kritisieren. Selbst wenn wir im ersten Anlauf revolvierende Beträge haben — damit rechnen wir —, bedeutet doch die Festlegung dieser Beträge auf fünf Jahre eine zusätzliche Leistung, die daher auch eine zusätzliche Prämiierung verdient. Der Sinn der Prämiierung ist doch, einen Konsumverzicht zu erreichen und den Investitionswillen zu wecken. Das scheint mir aus vielen Gründen notwendig zu sein.



    Bundesfinanzminister Etzel
    Lassen Sie mich ein paar Worte zu dem sagen, was Herr Kollege Seuffert vorgetragen hat. Ich bin ihm für manche freundliche Anerkennung, aber auch für viele sachliche Kritik dankbar. Solche Kritik ist notwendig. Ich glaube, daß die Gesetzentwürfe in der kritischen Auseinandersetzung mit den Oppositionsparteien die Reife bekommen, die wir wünschen.
    Herr Seuffert hat erklärt, der Tarif bestehe aus zwei Teilen; der erste Teil, der Proportionaltarif, werde im großen und ganzen akzeptiert. Ich hätte mir gewünscht, Herr Seuffert, daß Sie noch einen anderen Gesichtspunkt gesehen hätten; ihn herauszustellen, muß ich nachholen. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß es doch auch eine soziale Tat ist, wenn 2,8 Millionen Menschen aus der Einkommenbesteuerung ausscheiden. Es ist also nicht so, daß unser Tarif nur den Aspekt hat, die Reichen geradezu zu begünstigen, wie es ein wenig aus Ihren Worten klang.

    (Abg. Seuffert: Und den anderen Teil?)

    — Dann muß man aber auch beide Teile sehen und muß recht abwägen; man muß beides bewerten. Daß die 2,8 Millionen Menschen aus der Besteuerung herauskommen, scheint mir als eine soziale Tat erwähnenswert.

    (Beifall.)

    Daß die Ledigen gewisse Opfer bringen müssen, ist ein Problem. Wir haben es frühzeitig gesehen. Wir haben aber schließlich geglaubt, es verantworten zu können, den Ledigen in den Stufen zwischen 4000 und 6000 DM Einkommen eine gegenüber dem Tarif von 1957 relativ kleine zusätzliche Belastung aufzuerlegen. Im Vergleich zu dem Tarif von 1956 mit dem Berliner Notopfer für natürliche Personen bedeutet es keine Mehrbelastung; also gegenüber 1956 sind auch diese Ledigen in einer besseren Situation.
    Herr Seuffert, der Arbeitnehmerfreibetrag soll, wie man mir gesagt hat, Ihr Lieblingskind sein. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Sie haben mich ja auch als Neuling bezeichnet. Diese Sache würde aber 600 bis 800 Millionen DM kosten, und ich wäre dankbar, wenn Sie dann freundlicherweise auch den Deckungsvorschlag unterbreiteten; denn das ist keine so einfache Angelegenheit.
    Nun komme ich auf Ihren großen Angriff gegen den eigentlichen Progressionstarif zu sprechen. Dazu möchte ich zunächst folgendes sagen. Man kann nicht einfach in der Weise, wie Sie es getan haben, von 5 % der Besteuerten sprechen. Ich habe zwar selber ausgeführt, daß die davon Betroffenen 5 % ausmachen; denn 95 % fallen unter den Proportionaltarif. Aber die 5 % erbringen 40 % der Steuer. Das ist doch etwas, was man sehen muß. Man muß auch sicherlich die besonderen Aspekte würdigen, auf die schon von dem Kollegen Eckhardt hingewiesen wurde. Ich meine das Problem des breaking point. Ich komme darauf noch zurück. Es ist auch richtig, daß die Progression im wesentlichen im Kurvenstück zwischen 16 000 und 220 000 DM Jahreseinkommen liegt und darüber hinaus wieder ein Proporz besteht. Aber es ist doch gerade im Sinne
    Ihrer Ausführungen und Angriffe richtig, daß man sehr früh dort hinkommt und das, was der Splittingtarif an Erleichterungen bringt, begrenzt. Das ist einer der Hauptgründe dafür gewesen, die Progression sehr rasch hoch zu treiben und dann allerdings sehr schnell enden zu lassen, sei es — bei Ihnen — bei 55 % oder mehr oder — bei uns — bei 53 %.
    Nun haben Sie gesagt, das Ganze koste in der Spitze zugunsten derjenigen, die mehr als 220 000 DM jährlich verdienen, 200 Millionen DM. So habe ich Sie verstanden. Sie haben ausgerechnet, daß es 10 000 Menschen seien, die begünstigt werden — diese Zahl ist immer wieder angegeben worden —; wenn man diese Zahl verdoppele und im Durchschnitt eine Ersparnis von 10 000 DM annehme, komme man zu einer Gesamtersparnis von 200 Millionen DM. Ich denke, ich habe Sie richtig verstanden.
    Ich habe mir die Zahlen inzwischen ausrechnen lassen. Ihre Angaben stimmen nicht ganz. Es ist richtig, daß es mehr als 10 000 Menschen sind. Die Gesamtsumme, die von denjenigen, die über 220 000 DM jährlich verdienen, über Tarif und über Splitting erspart wird, beträgt 125 Millionen DM, also nicht 200 Millionen DM. Das ist also ein sehr viel kleinerer Betrag. Und das sind nun gerade in dieser Stufe — und damit komme ich auf das zurück, was ich soeben sagte — Gewerbebetriebe, bei denen man nicht ganz einfach Einkommen gleich Einkommen setzen kann. Denn dieses Einkommen wird ja nicht konsumiert, sondern bleibt — mehr als essen kann kein Mensch — zum größten Teil im Betrieb und dient als Kapital der Wirtschaft. Das scheint mir doch ein sehr bedeutsamer Punkt zu sein.
    Hier setzt nun auch das Problem des breaking point ein, d. h. wenn ich mehr als 50 % nehme, dann komme ich zu dem ärgerniserregenden Tatbestand, daß künstlich Kosten gemacht werden. Alles das, was man unter „Spesenrittertum" versteht, wird doch dann gefördert. Dagegen allerdings wehren wir uns, und das wollen wir nicht akzeptieren.
    Aber, verehrter Herr Seuffert, ich will die ganzen Zahlen einmal in eine Relation bringen. Die Gesamtentlastung der Steuerzahler durch die Steuerreform 1958 beläuft sich auf rund 1 Milliarde 850 Millionen DM. An diesen Entlastungen sind die einzelnen Gruppen schätzungsweise wie folgt beteiligt: die Einkommen bis 6000 DM mit 750 Millionen DM,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    also mit 40 %; die Einkommen zwischen 6000 und 12 000 DM mit 550 Millionen DM, das sind 30 %. Also 70 % schon für die Einkommen bis 12 000 DM. Das scheint mir doch eine sehr bedeutsame Feststellung zu sein!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Von den restlichen 30 % — das sind insgesamt
    noch 550 Millionen DM — entfallen auf die über
    220 000 DM Verdienenden nur 125 Millionen DM.

    Bundesfinanzminister Etzel
    So sehen die Relationen aus. Ich glaube, wenn Sie das einmal richtig sehen, Herr Seuffert — —

    (Abg. Seuffert: Und die Gegenposten? — Abg. Neuburger: Die Übergangsregelung muß ja mit einbegriffen werden!)

    — Das ist gegenüber 1956! — Aber Sie sehen doch, daß wir hier — wenn man die Dinge einmal so sieht — zu vernünftigen Relationen kommen. Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte.
    Nun möchte ich etwas zu dem sagen, was Sie, Herr Seuffert, unter dem Stichwort „Parteiengesetz" gesagt haben. Das hat mich, das will ich ganz ehrlich sagen, sehr empört. Ich bin schon sehr viel ruhiger geworden. Sie haben zwar nicht gesagt: Ihr macht dieses sogenannte Steuergeschenk an die Reichen, weil sie euch finanzieren. Sie haben das in den Konjunktiv gesetzt. Sie haben gesagt: Es könnte so sein, daß man euch diesen Vorwurf macht. Sehr verehrter Herr Seuffert, ich bin der Meinung: auch das sagt man nicht. Ich kann Sie versichern, daß eine solche Haltung außerhalb meines Denkvermögens gewesen ist, völlig außerhalb meines Denkvermögens!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe mich geschämt, daß Sie mir so etwas unterstellt haben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar — ich will nicht mehr dazu sagen —, wenn Sie sich mit mir schämten. Dann wären wir wieder gute Kollegen.

    (Abg. Seuffert: Ich habe ja gesagt: Ich traue es Ihnen gar nicht zu!)

    — Ja, aber sowas sagt man nicht! Man kann darin auch eine geschickte Methode sehen, so etwas zu unterschieben, in die Öffentlichkeit hineinzulancieren, ohne daß man das expressiv verbis ausspricht. Ich tue es auch nicht. Aber man könnte es.
    Noch ein paar Worte zum Problem Splitting! Sie haben, wenn ich Sie recht verstanden habe, schließlich gesagt: Das Splitting wollen wir nicht ablehnen, aber wir wollen daneben die getrennte Veranlagung wahlweise vorschlagen. — Habe ich Sie mißverstanden?

    (Abg. Seuffert: Wahlweise neben der Zusammenveranlagung!)

    — Wahlweise neben der Zusammenveranlagung, ja, aber wenn Sie das vorschlagen, werden eine Menge Elemente des Vorschlags wieder weggeräumt.
    Zunächst das Wichtigste: das Element der Vereinfachung. Wir wollen einen klaren, einfachen Tatbestand und nicht die wahlweise Veranlagungsmöglichkeit haben. Die Ungerechtigkeit wird sicherlich nicht kleiner, sondern sie wird größer, wenn wir das machen, und das, worauf Frau Rösch besonders hingewiesen hat — der Familiengedanke —, wird dadurch weitgehend wieder aufgehoben.
    Es war mir interessant — ich darf das ganz offen sagen —, daß der Bundesrat — und auch Ihre Freunde dort — dem Gedanken des Splitting aus vielen Gründen zugestimmt hat, insbesondere aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung. Das Gutachten unseres, wie ich vielleicht sagen darf, gemeinsamen Freundes Troeger hat ja auch den Gedanken des Splitting im zweiten Durchgang aufgenommen.
    Die Probleme der Kinderfreibeträge betreffen das Gebiet der Familie. Es ist natürlich das Wesen des Proporzes, daß derjenige, der ein höheres Einkommen hat, dadurch einen gewissen höheren Vorteil hat. Aber man sollte doch die Kinderfreibeträge als solche nicht ausräumen.
    Die Sparförderung! Über das Sparförderungsgesetz ist schon so viel gesprochen worden. Es ist mir wirklich Herzenssache, weil ich das Sparen und die Eigentumsbildung beim kleinen Mann fördern will. Ich brauche nichts Besonders mehr dazu zu sagen.
    Ich bin ein wenig betrübt, daß Sie die Aktie ausnehmen wollen. Sie sagen grundsätzlich ja, Sie sind aber nicht für die Sparförderung durch die Aktie. Ich bin der Auffassung, daß das nicht richtig ist. Ich bin deshalb wohl auch im Gegensatz zu Herrn Preusker, wenn ich ihn recht verstanden habe. Ich möchte die Aktie nicht ausschalten, weil ich keine dirigistischen Maßnahmen will. Ich will das Sparen in jeder Form ermöglichen und in jeder Form fördern. Ich weiß, Herr Seuffert, Sie und Ihre Freunde lieben das Aktiensparen nicht.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Falsch? — Ich würde mich freuen, wenn hier eine Entwicklung anliefe, die in Amerika längst durchgedrungen ist. Eine solche Entwicklung gewährleistet gerade breiten Schichten einen Anteil am Sachvermögen. Diese Entwicklung wäre zu begrüßen, und der unglückselige Quotenstreit im Lohn- und Kapitaleinkommen, von dem ich gesprochen habe, würde weitgehend dadurch beseitigt.
    Herr Seuffert, Sie haben mir gesagt, ich sei ein Neuling in diesem Hause. Ganz richtig ist das nicht; aber ich war fünf Jahre weg, und vielleicht verstehe ich die Sprache des Hauses noch nicht wieder. Aber ich darf Ihnen sehr ernst sagen — ich will Sie damit gar nicht angreifen —, daß mir die Analyse Ihrer Ausführungen so, wie ich sie verstanden habe
    — ich will sie gerne noch einmal nachlesen —, doch gezeigt hat, daß man auch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel ablehnen und über die Steuerpolitik eine solche Umschichtung des Vermögens vornehmen kann, daß eine weitgehende Sozialisierung entsteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das könnte man doch aus Ihren Ausführungen — bitte, überdenken Sie es einmal und lesen Sie es daraufhin noch einmal durch — entnehmen. Ich war betroffen über die Eigentumsfeindlichkeit und über den Willen zur Bestrafung der Leistung.
    Man sollte auch daran denken, daß in dem Splittinggedanken, wie wir ihn vortragen, eine Förderung von Kreisen liegt, die auch gerade Sie politisch immer wieder ansprechen. Ich meine den Mittelstand. Wir haben hier eine weitsichtige Planung



    Bundesfinanzminister Etzel
    vor. Wir wollen den breiten Schichten, den Armeren und den Leuten mit dem kleinen Einkommen, auch denen mit dem mittleren Einkommen und nolens volens auch denen, die darüber liegen, etwas geben, und zwar in dem Maße, das ich Ihnen eben vorgetragen habe. Ich glaube, das ist ein gerechtes Maß. Die gerechte Besteuerung liegt mir sehr am Herzen, und ich wäre dankbar, wenn das Hohe Haus in der endgültigen Formulierung der Gesetze mir weitgehend in diesem Punkte Folge leistete.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)