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ID0301500400

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    Deutscher Bundestag 15. Sitzung Bonn, den 28. Februar 1958 Inhalt: Zur Tagesordnung: Arndgen (CDU/CSU) 687 A Vizepräsident Dr. Jaeger 687 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (CDU/CSU, SPD) (Drucksachen 240, 222) 687 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Privatrechtliches Fernsehen (Drucksache 153) Kühn (Köln) (SPD) 688 A, 720 A Stücklen, Bundesminister 693 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) . 695 B Euler (DP) 698 B Zoglmann (FDP) 700 D Blachstein (SPD) 705 B, 725 A Dr. Schröder, Bundesminister . 710 D, 722 D Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 713 A Schmücker (CDU/CSU) 715 B Dr. Görgen (CDU/CSU) 718 B Antrag der Fraktion der SPD betr. Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik (Drucksache 152) 725 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache 135) — Zweite und Dritte Beratung — 725 D Nächste Sitzung 725 D Anlagen 727 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1958 687 15. Sitzung Bonn, den 28. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 28. 2. Frau Albrecht 3. 3. Altmaier 28. 2. Arndgen 28. 2. Dr.-Ing. e. h. Arnold 28. 2. Dr. Atzenroth 28. 2. Dr. Baade 28. 2. Dr. Barzel 28. 2. Bazille 18. 3. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Behrisch 28. 2. Benda 28. 2. Berendsen 28. 2. Birkelbach *) 28. 2. Dr. Birrenbach *) 28. 2. Conrad *) 28. 2. Dr. Dahlgrün 28. 2. Dr. Deist *) 28. 2. Dr. Dittrich 28. 2. Dr. Dollinger *) 28. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 28. 2. Even (Köln) 28.2. Faller 7. 3. Felder 31.3. Frehsee 28. 2. Frau Friese-Korn 28. 2. Funk 28. 2. Dr. Furler *) 28. 2. Dr. Gleissner (München) 28. 2. Gottesleben 28. 2. Dr. Greve 28.2. Dr. von Haniel-Niethammer 28. 2. Dr. Harm 28. 2. Heiland 28. 2. Hellenbrock 24. 3. Dr. Hesberg 28. 2. Hesemann 28. 2. Dr. Höck 10. 3. Holla 28. 2. Hörauf 28. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Huth 28. 2. Illerhaus 28. 2. Jacobi 28. 2. Jacobs 12. 3. Dr. Jordan 28. 2. Jürgensen 31.3. Kiesinger 28. 2. Könen (Düsseldorf) 28.2. Dr. Kopf *) 28. 2. Dr. Kreyssig *) 28. 2. Kühlthau 28. 2. Kühn (Bonn) 28.2. Kunze 28. 2. Kurlbaum 28. 2. *) für die Teilnahme an der Tagung ,der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Anlagen zum Stenographischen Bericht Leber 28. 2. Lenz (Brühl) *) 28. 2. Dr. Leverkuehn 28. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Ludwig 28. 2. Mellies 8. 3. Mensing 28. 2. Dr. von Merkatz *) 28. 2. Metzger *) 28. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Müller (Erbendorf) 28. 2. Müser 28. 2. Neuburger 28. 2. Frau Niggemeyer 28. 2. Dr. Oesterle*) 28. 2. Oetzel 28. 2. Ollenhauer *) 28. 2. Paul 28. 2. Pelster *) 28. 2. Dr. Philipp *) 28. 2. Pöhler 28. 2. Prennel 28. 2. Dr. Preusker 28.2. Rademacher 28. 2. Rasch 28. 2. Reitzner 28. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 8. 3. Scheel *) 28. 2. Schreiner 28. 2. Seidl (Dorfen) 28.2. Seuffert 28. 2. Dr. Seume 28.2. Siebel 1. 3. Dr. Siemer 28.2. Solke 28. 2. Stahl 28. 2. Stauch 28. 2. Frau Dr. Steinbiß 28. 2. Stenger 15. 3. Stiller 28. 2. Frau Strobel 28. 2. Vogt 28. 2. Wacher 28. 2. Wagner 28. 2. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 28. 2. Wehner *) 28. 2. Weimer 28. 2. Anlage 2 Drucksache 240 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (7. Ausschuß) über den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache 222) Berichterstatter: Abgeordneter Jahn (Marburg) Der Gesetzentwurf Antrag Drucksache 222 ist von der Vollversammlung des Bundestages in der Sitzung am 27. Februar 1958 dem Ausschuß für 728 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1958 Wiedergutmachung zur Beratung überwiesen worden. Der Ausschuß legt hiermit seinen Schriftlichen Bericht vor. Der Antrag sieht eine Verlängerung der Anmeldefristen des Bundesrückerstattungsgesetzes, die nach der geltenden Fassung am 1. April 1958 ablaufen würden, bis auf den 31. Dezember 1958 vor. Diese Verlängerung erscheint notwendig, da durch die Verzögerung bei der Verabschiedung des Gesetzes die Anmeldefrist nur etwas über sieben Monate (23. Juli 1957 bis 31. März 1958) beträgt. Diese Frist ist um so eher zu kurz, als es sich bei der Rückerstattung um zum Teil schwierige Rechtsfragen handelt. Die Änderung des § 30 des Bundesrückerstattungsgesetzes (Artikel 1 Nr. 6) sieht u. a. vor, daß eine Anmeldung bei einer Entschädigungsbehörde auch dann noch als fristwahrend angesehen wird, wenn sie nach Ablauf der Anmeldefrist des Bundesentschädigungsgesetzes bis zum 31. Dezember 1958 bei einer Entschädigungsbehörde erfolgt. Gegen diese Bestimmung sind zunächst von seiten des Bundesministeriums der Finanzen Bedenken erhoben worden, weil nach Ablauf der Anmeldefristen des Bundesentschädigungsgesetzes am 1. April 1958 die Entschädigungsbehörden nunmehr bei jeder neuen Anmeldung prüfen müßten, ob es sich bei dem angemeldeten Anspruch um einen Entschädigungsanspruch oder um einen rückerstattungsrechtlichen Anspruch handele. Der Ausschuß hat diese Bedenken eingehend geprüft, hält sie aber nicht für durchschlagend. In weiten Kreisen der Wiedergutmachungsberechtigten herrscht noch heute Unklarheit darüber, welche Ansprüche unter das Entschädigungsrecht und welche Ansprüche unter das Rückerstattungsrecht fallen. Nach Ansicht des Ausschusses kann es daher nicht zu Lasten des Berechtigten gehen, wenn dieser sich über die Rechtsnatur seines Anspruches irrt. Im übrigen ist an eine Verlängerung der Fristen aus dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) nicht gedacht. Daneben sieht der Entwurf auch eine Änderung des § 11 Nr. 6 des Bundesrückerstattungsgesetzes vor (Artikel 1 Nr. 1). Diese Änderung erscheint dem Ausschuß aus Billigkeitsgründen notwendig, da durch das 8. Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes, das am 2. August 1958, also zehn Tage nach Verkündung des Bundesrückerstattungsgesetzes, in Kraft getreten ist, eine Verbesserung der Stellung der Altsparerentschädigungsberechtigten eingetreten ist. Ohne die vorgesehene Änderung würde sich diese Verbesserung zugunsten der Rückerstattungsberechtigten nicht auswirken. Der Ausschuß hat den Gesetzentwurf einstimmig gebilligt. Bonn, den 27. Februar 1958 Jahn (Marburg) Berichterstatter Anlage 3 Umdruck 18 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 153) betr. Privatwirtschaftliches Fernsehen. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine gesetzliche bzw. soweit erforderlich eine staatsvertragliche Regelung auf dem Gebiet des Rundfunkwesens anzubahnen, bei der u. a. in Betracht gezogen werden sollte, unter welchen Voraussetzungen und Auflagen, in welchem Umfang und an wen Sendelizenzen erteilt werden dürfen. Das Ziel sollte u. a. ein zweites Programm sein, das nicht durch die bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird; 2. bis zu dieser Regelung alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, Rundfunk und Fernsehen zunächst von der Geschäftswerbung freizuhalten; 3. für den Fall, daß die Bundesregierung die Einführung von Geschäftswerbung in Funk und Fernsehen im Rahmen der Regelung unter Nummer 1 für tunlich oder unabweisbar hält, folgende Fragen zu klären und darüber dem Bundestag zu berichten, a) wie jeder Mißbrauch, insbesondere jede nachteilige Auswirkung auf das Programm, ausgeschaltet werden kann. b) wie ungünstige Folgen für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur verhindert werden können; 4. durch die Deutsche Bundespost die technischen Vorbereitungen für die Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms treffen zu lassen. Bonn, den 26. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinz Kühn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Eine angesehene Tageszeitung hat die Problematik, die uns am heutigen Vormittag beschäftigt, eine der wichtigsten innenpolitischen Entscheidungen genannt, die seit Bestehen der Bundesrepublik getroffen werden müsse. Und in der Tat: Rundfunk und Fernsehen sind die wirkungsmächtigsten Beeinflussungsmittel für die Bildung der allgemeinen Geschmacksrichtungen, der politischen und gesellschaftlichen Überzeugung. Der Herr Bundeskanzler, dem niemand eine bemerkenswerte Begabung für Taktik absprechen will, hat uns ja gerade in diesen Wochen wieder gezeigt, welche Bedeutung er dem Rundfunk als meinungsbeeinflussendem Institut beimißt,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    in dem Augenblick, als er versuchte, den Rundfunk zum nachparlamentarischen Raum zu machen und eine für ihn peinliche und peinvolle Niederlage auf diese Art zu korrigieren.

    (Lachen und Oho-Rufe bei der CDU/CSU.)

    Nun, meine Damen und Herren, ich will nicht in Wunden rühren, aber Sie können nicht bestreiten, daß die Adjektive „peinlich" und „peinvoll" geradezu von Nächstenliebe getragen sind

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    als Bezeichnungen für jene Situation, in der Sie in jener Nacht dort gesessen haben, ein viertel tausend CDU-Abgeordnete in einem Zustand, den man nur illustrieren kann mit dem Vergleich von jenem bekannten Greis, der auf jenem bekannten Dach gesessen hat, als niemand sich hier oben hinstellte, um sich vor seinen Bundeskanzler zu stellen; niemand konnte oder wollte von denen, die es gekonnt hätten.
    Nun, jedenfalls waren Sie am Rundfunk dann alle da. Nach Gerüchten aus wohlinformierten Kreisen hat man in jener Nacht versucht, den Herrn Innenminister in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU nach hier zu bemühen. Er erschien vor dem Mikrophon als Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der CDU. Nachdem der Herr Bundeskanzler für die Regierung gesprochen hatte, sprach Herr Dr. Schröder dann in dieser Metamorphose.
    Aber lassen wir das. Ich glaube, hier haben wir gespürt, wie notwendig es ist, für den deutschen Rundfunk eine Ordnung für die Austragung politischer Streitfälle zu formulieren, und zwar auf der Grundlage, daß eine solche Diskussion zu erfolgen hat nach dem Prinzip, daß gleiche Zeitquoten zur Verfügung gestellt werden für die beiden Konzeptionen, die gegeneinander im Streite stehen, nicht aber, daß man mit quantitativen Zeitmanipulationen versucht, qualifizierte Niederlagen im Parlament am Rundfunk wieder auszubügeln.
    Zudem — auch dies sollte, glaube ich, an dieser Stelle gesagt werden — sollten wir uns alle miteinander angewöhnen, wer auch immer hier den kürzeren zieht, parlamentarische Debatten im Parlament auszukämpfen.
    Nun zur Geschichte unserer Großen Anfrage. Durch eine vielleicht unerwünschte indiskrete Meldung einer amerikanischen Nachrichtenagentur erfuhr die deutsche Öffentlichkeit von den Absichten, die die Bundesregierung in ihrem auf diesem Gebiet nicht ganz unbescholtenen Gemüt bewegen. Am 27. November berichtete United Press, daß das Bundespostministerium geneigt sei, den technischen Apparat, mit dessen Hilfe man ein zweites Fernsehprogramm ausstrahlen könne, nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung zu stellen, sondern einer privaten Gesellschaft auszuleihen, die sich durch Reklamesendungen finanzieren werde. Danach soll also die Bundespost Strahler bauen und betreiben, und eine GmbH, die sich sinnigerweise „Freies Fernsehen" nennt — wir werden darauf noch zurückkommen —, soll diese Strahler mieten und das Recht erhalten, über diese Strahler der Bundespost Programme ins Volk hinauszustrahlen. Diese Mitteilung hat die Öffentlichkeit alarmiert. Ich glaube, mit dem Begriff „alarmiert" soll man sparsam umgehen, aber in diesem Fall muß man diesen Begriff anwenden; denn Sie wissen ganz genau, daß nicht nur die Parteien der Opposition, sondern auch die Gewerkschaften, die Genossenschaften, auch die gewerbliche Wirtschaft, auch beide Kirchen sofort sehr fundierte Bedenken und erhebliche Proteste gegen diese kundgewordene Absicht der Bundesregierung erhoben haben. Wir haben daraufhin geglaubt, daß es richtig sei, unsere Große Anfrage einzubringen, in der wir unter Ziffer 1 fragen, ob es zutrifft, daß das Bundespostministerium einer privatwirtschaftlichen Fernsehgesellschaft den Betrieb eines sogenannten „freien" Fernsehens ermöglichen will. Wir würden nicht zum parlamentarischen Instrument einer Großen Anfrage gegriffen haben, wenn nicht außer dieser UP-Meldung eine Reihe aufsehenerregender Indizien für die Absichten der Bundesregierung vorgelegen hätten.
    Diese Vorgeschichte hat uns zu der in Ziffer 2 formulierten Frage veranlaßt, ob es zutrifft, wie der Herr Bundespostminister geschrieben hat, daß wirklich keinerlei Gespräche über die Zuteilung von Frequenzen in den Bereichen IV und V — das ist der technische Begriff — mit Wirtschaftsgruppen oder mit privaten Interessenten geführt worden sind mit dem Ziel, privaten Unternehmen diese technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Am 6. Juli 1957 hatte der Amtsvorgänger des gegenwärtigen Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen den Rundfunkanstalten in einer Form auf ihre Frage geantwortet, die, ich würde sagen, etwas einem delphischen Orakel glich. Er sagte dabei: „Über die Verwendung der Frequenzbereiche IV und V habe ich bestimmte Vorstellungen." Er sei nicht in der Lage, im gegenwärtigen Zeitpunkt Frequenzzuteilungen vorzunehmen. Welche sind diese „bestimmte Vorstellungen", die die Bundesregierung hat?
    Die Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten der Bundesrepublik hat in einem Schreiben darauf hingewiesen, daß nach ihren zuverlässigen Informationen das Bundespostministerium privaten Interessenten gewisse Hoffnungen



    Kühn (Köln)

    gemacht habe. Darauf erfolgte vom Bundespostministerium die Antwort: Ich beabsichtige auch nicht, Rundfunksendegenehmigungen an Private zu erteilen. Das war ein klares Wort des damaligen Postministers. Die darauf folgenden Gerüchte, Indizien und Meldungen jedoch veranlassen uns, die Frage zu stellen: Ist die Antwort des damaligen Bundespostministers Lemmer auch die Antwort, die uns der gegenwärtige Herr Bundespostminister Stücklen zu geben hat, daß er keine Sendegenehmigung an Private erteilen wird, oder hat auch er bestimmte Vorstellungen, die vielleicht nicht identisch sind mit jenen bestimmten Vorstellungen, die sein Amtsvorgänger hatte?
    Mehr noch als die Antwort des Ressortministers auf diese unsere Frage würde uns eine verbindliche Antwort des Herrn Bundeskanzlers interessiert haben; denn bei der Frage, die wir hier diskutieren, geht es ja nicht so sehr um eine Ressortfrage. Es geht um sehr viel mehr, es geht um eine Grundfrage der demokratischen Ordnung in unserem Staat. Deshalb wäre es uns lieb gewesen, wenn der Mann, der für die Richtlinien der Politik in der Bundesregierung verantwortlich ist, uns hier eine klare Antwort gegeben hätte. Wenn ich ein Wort zitieren wollte, das einmal in einer Zeitung gestanden hat, so würde ich sagen: Die Antwort des Ressortministers läßt nicht ganz ausgeschlossen, daß man sich vielleicht „Stücklen um Stücklen" an eine Überraschungslösung heranpirschen möchte oder daß eines Tages — und dies ist ja im Schoß der Bundesregierung besprochen worden, meine Damen und Herren, Sie werden es nicht bestreiten — auf dem Weg über einen vom Bundeskanzleramt patronisierten Verwaltungsakt einfach ein Fait accompli geschaffen wird. Denn alles hat doch wiederum bewiesen, daß man ursprünglich beabsichtigte, in dieser Frage das Parlament einfach zu überfahren und die Offentlichkeit vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hier sollte uns wiederum ein Kabinettsbeschluß im Kostüm eines fachministeriellen Verwaltungsaktes serviert werden. Insofern freue ich mich über den Antrag der CDU/CSU- Fraktion, keineswegs seines Inhaltes wegen — wir werden darüber noch zu diskutieren haben —, aber weil sich mittlerweile auch in Ihren Kreisen die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß diese Frage durch Gesetz geregelt werden muß. Selbst in den Ländern, in denen wir ein Werbefernsehen auf privater Grundlage haben — ich denke an England —, ist es nicht über eine Regierungsanweisung, sondern über einen Gesetzgebungsakt des Parlamentes eingeführt worden.

    (Abg. Dr. Vogel: Sie haben sich doch dem Gesetzgebungsakt widersetzt!)

    Diesen Versuch einer Überraschung und Überrollung der Offentlichkeit zu verhindern war der Sinn unserer Großen Anfrage. Die bestimmten Vorstellungen der Koalitionsparteien sind uns nun heute in dem vorliegenden CDU-DP-Antrag entschleiert worden. Ich nehme an, daß sich diese Absichten weitgehend mit den Absichten der Regierung decken; denn es ist wohl kaum anzunehmen, daß die Koalitionsparteien diesen ihren Antrag eingebracht haben, ohne ihn mit der Regierung zu beraten.
    So brauchen wir gar nicht mehr gespannt zu sein auf die Antwort des Herrn Ministers auf die Frage, die wir unter Ziffer 3 gestellt haben, ob es nämlich zutrifft — damals war dahinter noch ein gewisses Fragezeichen zu setzen —, daß die Bundesregierung es abgelehnt habe, den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Frequenzen IV und V zur Verfügung zu stellen, und sie irgendeinem anderen Träger — damals war noch ganz klar: einem privaten Träger — zur Verfügung stellen wolle. Die CDU hat in ihrem Antrag — ich will zu diesem Antrag nicht weiter sprechen; das wird einer meiner Freunde tun — in einem Satz die ganzen Absichten sichtbar gemacht: Das Ziel soll ein zweites Programm sein, das nicht von den bestehenden Rundfunkanstalten veranstaltet wird. Es bleibt offen — und wir harren der Begründung —, ob sich die CDU darunter vorstellt, ob eine neukonstruierte öffentlich-rechtliche Bundesrundfunkanstalt oder ein privates Fernsehunternehmen dieses zweite Programm nach ihrem Sinn ausstrahlen soll.
    In der Formulierung und in der Begründung Ihres Antrags, meine Damen und Herren, zeigt sich aber, daß Sie hier nicht nur die Frage des Werbefernsehens oder des zweiten Fernsehprogramms anrühren und regeln wollen, sondern daß Sie auch den ganzen Hörfunk nach diesen Prinzipien neu organisieren wollen. Damit wirft sich die unter Ziffer 4 von uns gestellte Frage auf, die Frage nämlich: Wie glauben Sie das mit der Kulturhoheit der Länder vereinbaren zu können? Daß die den Antrag mitunterzeichnende DP es mit der Kulturhoheit der Länder nicht allzu genau nimmt, ist mir verständlich. Deshalb ist die Mitunterzeichnung nicht erstaunlich. Da sich nun aber bei Ihnen in der CDU-Fraktion die föderalistischen Paulusse allmählich vollends zu zentralistischen Saulussen gewandelt haben, nehme ich an — ich glaube, das ist keine unzulässige Vision —, daß wir sehr bald einen neuen Antrag auf Schaffung eines Bundeskultusministeriums von der DP bekommen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie doch selber gewollt!)

    bei dem Sie dann in wechselseitiger Freundlichkeit die Unterschrift leisten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das gleicht sich durch Ihre neue Haltung wieder aus!)

    Das Rundfunkrecht ist seit Jahren eine Streitfrage zwischen den Ländern und der Bundesregierung. Der Bund begründet auf das Fernmeldeanlagengesetz von 1928 seine Funkhoheit, die Länder begründen auf das Grundgesetz ihre Kulturhoheit. Ich glaube, nach der verfassungsrechtlichen Grundlage ist zumindest klar, daß alles das, was aus dem Mikrofon herauskommt und was über den Bildschirm ins Volk hineingetragen wird, unter den Begriff der Kulturhoheit der Länder fällt.

    (Oho-Rufe und Widerspruch bei der CDU/ CSU.)




    Kühn (Köln)

    Es ist die verfassungsrechtlich begründete Auffassung der Länder, daß die Bundesregierung nicht nach eigenem Ermessen Sendelizenzen vergeben kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auch der SPD?)

    Fernsehfunk und Hörfunk sind die Aufgaben der Rundfunkanstalten öffentlichen Rechts, und es gibt sogar eine Reihe von Landesgesetzen — Sie wissen das so gut wie ich —, die den auf Landesgesetzen aufgebauten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das ausschließliche Senderecht zubilligen.
    Sie wissen genauso, daß Ihre politischen Freunde diesen Gedanken ihre Zustimmung gegeben haben, doch hoffentlich auch in der Auffassung, daß dies mit dem Verfassungscharakter der Bundesrepublik in völliger Übereinstimmung steht. Sie wissen, daß die Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern alle gegen die Absichten der Bundesregierung protestiert haben, und dies sind fürwahr Regierungen der verschiedensten Parteicouleur. Und die Frage, die uns interessiert, ist, ob die Bundesregierung nicht glaubt, daß auf dem Wege etwaige verfassungsmäßige Schwierigkeiten entstehen, die mit Rücksicht auf das Ansehen der Bundesrepublik — ganz unabhängig von allen übrigen politischen Fragen — nicht sehr zweckmäßig sind. Wir können die Rechtsfrage in dieser Diskussion, glaube ich, nicht entscheiden. Was wir in dieser Diskussion können, ist, die Kernprobleme sichtbar zu machen, die sich in dieser Diskussion verbergen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, Rundfunk und Fernsehen — ich habe es bereits gesagt — sind Machtinstrumente; sie sind über den Werbefunk und das Werbefernsehen wirtschaftspolitische Machtinstrumente zur Erzeugung und Lenkung von Konsumwünschen; sie sind über Nachrichten, über Kommentare und über zugeteilte Sendezeiten zugleich allgemeinpolitische Machtinstrumente zur Erzeugung und Lenkung politischer Meinungen. Darin verbirgt sich eine große Gefahr, die zur tödlichen Gefahr für die Demokratie werden muß, wenn dieses Instrument in die Hände bestimmter Machtgruppen gerät,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    seien es politische oder seien es wirtschaftliche.

    (Allgemeiner Beifall. — Abg. Bausch: Ausgezeichnet!)

    — Warum klatschen Sie so gegen Ihren eigenen Antrag?

    (Zurufe von der Mitte: Nein, nein! — Abg. Schmücker: Das verkennen Sie völlig!)

    — Wir werden diese Frage jetzt sorgfältig untersuchen. — Um dies zu verhindern, hat man nach 1945 die Form der öffentlich-rechtlichen Anstalten geschaffen. Sie — diese öffentlich-rechtlichen Anstalten — verfolgen keine wirtschaftliche Machtpolitik, und sie bilden, wie ich glaube, die größte und gesichertste Voraussetzung dafür, daß die Sendungen möglichst frei bleiben von Einflüssen einseitiger Machtgruppen.
    Eine für Sie von der CDU vielleicht zumindest anhörenswerte Stimme ist die Herdersche Korrespondenz, die sich gerade in diesen Tagen in ihrer Februar-Nummer mit diesem Problem auseinandergesetzt und geschrieben hat, daß sich nach 1945 die antizentralistischen, föderalistischen und antietatistischen Tendenzen in der Rundfunkorganisation maßgebend durchgesetzt hätten unter dem noch frischen Eindruck der restlosen Politisierung des Rundfunks und seines Mißbrauchs durch den totalitären nationalistischen Staat. Die Herdersche Korrespondenz, die ja üblicherweise nicht unsere Argumente zu vertreten pflegt, sagt, daß zumindest theoretisch eine fast ideale Konstruktion gefunden worden sei. In dem System der öffentlichrechtlichen Anstalten aus all den Elementen, die der Sache nach zu berücksichtigen gewesen seien, habe man Aufsichtsgremien geschaffen. „Man wird aber auch zugeben müssen", schreibt sie doch weiter, „daß diese Konstruktion sich praktisch durchaus im ganzen bewährt hat". Ich für mein Teil möchte dieser Herderschen Korrespondenz keineswegs so vorbehaltlos zustimmen. Ich glaube, in der Organisation des deutschen Rundfunkwesens ist noch einiges unvollkommen, und man wird gar nicht so ohne weiteres zustimmen dürfen, wenn etwa die Meinung vertreten wird, es sei alles ideal, wie es sei. Bei diesem Organisationsprinzip auf demokratischer Grundlage kommen jedoch möglichst alle für das geistige Gesicht unseres Volkes bestimmenden Kräfte in den Aufsichtsgremien zur Wirkung. Es gibt kein besseres Prinzip als dieses, und ich frage mich und ich frage Sie: Warum wollen Sie dieses Ordnungsprinzip brechen? In unserer Diskussion interessiert uns viel weniger, ob Sie dies verfassungsrechtlich können; das wird die Zukunft ergeben. Uns interessiert die Frage nach den Motiven Ihres Wollens. Ich will vielen unter Ihnen nicht die guten Motive bestreiten. Aber ich will auch ebenso offen sagen, daß ich diese guten Motive nicht allen unter Ihnen zubilligen kann. Bei denen, denen ich sie nicht zubilligen kann, handelt es sich vielmehr, wie ich glaube, um Vorwände für ihre eigentlichen Absichten.
    Zu diesen Vorwänden gehört beispielsweise, man müsse das Niveau der Sendungen durch Konkurrenz heben. Ich bin weit davon entfernt, sagte ich, alles das, was im Hör- und Sehfunk an Sendungen ausgestrahlt wird, für ideal und glänzend zu halten. Es gibt manches Kritisierenswertes. Wenn ich Ihnen meine persönliche Meinung sagen darf, so glaube ich, daß z. B. die Kommentare zum innerdeutschen Zeitgeschehen uns alle miteinander unbefriedigt sein lassen, daß die Tendenz besteht, überhaupt kein heißes Eisen mehr anzurühren. Ich wäre bei manchem Kommentar, den ich höre, geneigt, den Kommentatoren das Wort Ludwig Börnes entgegenzurufen: „Seid Glühwein oder brunnenkühles Wasser, aber kein abgestandenes Naß!" — Es wäre mir sehr viel lieber, es würden viel häufiger profilierte Meinungen, die die umstrittenen Gegensätze sichtbarer machen, als es geschieht, im Hör- und im Sehfunk in Erscheinung treten, in der ausgewogenen, gleichgewichtigen Form für beide Richtungen, die in einer Demokratie erforderlich ist.



    Kühn (Köln)

    Aber das liegt nicht etwa daran, daß das System der Aufsichtsgremien dies verhindere. Es liegt vielleicht ein bißchen an der Neigung zum freiwilligen Konformismus, der in unserem Volke allzusehr verbreitet ist.
    Aber nun zu dem Einwand, das Niveau solle durch private Konkurrenz gehoben werden. Eine in der Bundesrepublik sehr verbreitete Zeitschrift hat geschrieben: „Das Fernsehen braucht die Aufmunterung durch privatwirtschaftliche Initiative! Es braucht Konkurrenz! Die Kulturprogramme in den Rundfunkanstalten", so wird dort ausgeführt, „befriedigen nur die Rundfunkräte und die Beauftragten beider Konfessionen, aber das ist auch alles." Nun, in der Tat, ein am wirtschaftlichen Gewinn und an Massenwerbung interessiertes privates Fernsehen, das sich „Freies Fernsehen" nennt, würde in einem gewissen Sinn frei von Hemmungen sein. Es würde in einem gewissen Sinne eine Aufmunterung zur Folge haben, denn ein privatwirtschaftlich getragenes Fernsehen ist ja nicht dafür da und fühlt sich auch nicht als Vermittler von Kulturwerten, sondern als Verursacher von Konsumwünschen. Es hat ja wirtschaftliche, auf Gewinn orientierte und nicht kulturelle Absichten. Es wird ein massenattraktives Programm zu senden versuchen. Sie wissen, daß die kirchliche Hauptstelle der Katholischen Rundfunk- und Fernseharbeit dies in dramatischen Worten ausgedrückt hat: Darin steckt die Tendenz zu einer ständigen Niveausenkung nicht nur dieses privatwirtschaftlichen Fernsehens, sondern geradezu der animierende Zwang auch für die übrigen Anstalten, mit dem Niveau herunterzugehen, weil die Neigung des Publikums nicht auf ein steigendes Niveau gerichtet ist. Das zeigen die Erfahrungen aller Länder, in denen es sehr intensive und begründete Studien über dieses Problem gibt. Die Flucht nach unten als die große Gefahr auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten hat die Kirchliche Hauptstelle der Katholischen Rundfunk- und Fernseharbeit, glaube ich, richtig gekennzeichnet.
    Es sind aber nicht nur die beiden Kirchen, die diesen Gesichtspunkt herausgestellt haben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat gesagt, die Vermengung von kommerziellen Interessen mit kulturellen Dingen müsse zwangsläufig zu einer Verflachung des Programms führen. Wir haben doch das Beispiel in England. Wer von Ihnen einmal in England Gelegenheit gehabt hat, die beiden Programme, das öffentlich-rechtliche und das privatwirtschaftliche, nebeneinander zu sehen, der kann — ganz unabhängig von den amerikanischen Erfahrungen, die noch dramatischer sind — nicht bestreiten, daß das privatwirtschaftlich getragene Fernsehen auf vielen Gebieten zu einer Senkung des Niveaus geführt hat.
    Sehen Sie sich doch nur einmal — ich will Ihnen gar nicht das ganze Wochenprogramm nennen — das Programm jener Dezemberwoche im britischen privatwirtschaftlichen Fernsehen an, die für viele Mitglieder dieses Hauses als erste Adventwoche besondere Bedeutung hat. Am ersten Tag dieser Woche, am Sonntag, wurde ein Wildwestfilm — die Bearbeitung des „Letzten Mohikaners" — mit Mord und Totschlag für die lieben Kleinen gesendet. Es kam ein zweiter Film über Robin Hood, Totschlag im historischen Gewande, und schließlich ein dritter „Highway-Patrol" mit Mord und Totschlag auf den amerikanischen Landstraßen. Zum Abschluß dieses Adventtages wurde dann noch ein Kriminalspiel mit dem Mordversuch an einer Tante gesendet. Nun, wenn Sie das alles einmal addieren — und die ganze Woche geht munter so weiter —, kommen Sie zu dem Ergebnis, das auch das „Sonntagsblatt" von Herrn Bischof Lilje zum Ausdruck gebracht hat: die Tendenzen bei der Programmgestaltung müßten ähnliche werden wie etwa bei der Schnulzenproduktion vieler Filme. Ich halte das noch für eine sehr gelinde Charakterisierung der zu befürchtenden Tendenz.
    Nun sagen viele unter Ihnen — Sie machen sich ja weitgehend zum Wortführer oder zum Nachsprecher dieser privatwirtschaftlichen Absichten —, private Konkurrenz würde das Niveau heben. Der Grundsatz, daß diese Konkurrenz das Niveau hebt, gilt nicht für den Kulturkonsum, meine Damen und Herren! In der materiellen Konsumgestaltung wird wirtschaftliche Konkurrenz durchaus zur Hebung des qualitativen Niveaus führen können. Im Kulturkonsum liegt eine geradezu umgekehrt proportionale Situation vor: je mehr derartige Konkurrenz, um so mehr wird das Niveau sinken. Von Niveauhebung kann man, ich bin geneigt, zu sagen: vielleicht nur in Gänsefüßchen reden. Sie werden dann erleben, daß eine Strumpffabrik A kommt, die 5 cm über dem Knie zeigt. Dann kommt eine Strumpffabrik B, die 10 cm über dem Knie zeigt. Im Laufe der Zeit nimmt das auch den Charakter einer Niveauhebung an, wenn Sie es so nehmen wollen.

    (Heiterkeit.)

    Ich glaube, alle Erfahrungen beweisen uns, daß hier der allgemeine, aus der materiellen Konsumgütergestaltung bewahrheitete Grundsatz, daß Konkurrenz die Qualität hebe, nicht gilt.
    Wer sind denn nun die Leute, die dieses sogenannte freie Fernsehen machen wollen? Welche Garantien bieten sie denn, daß sie Besseres leisten können? Ist es für Sie von der CDU eine Garantie, daß der Bundesverband der Deutschen Industrie sie anstellt? Denn das ist doch das Organ, das im wesentlichen hinter den Absichten eines privatwirtschaftlichen Fernsehens steht. Ist Ihnen das überzeugend? Glauben Sie, daß damit eine Verbesserung der Qualität gewährleistet sei?
    Ich glaube, wir dürfen es uns nicht so einfach machen wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", der in einem Artikel geschrieben hat: „Kinder, laßt doch die Leute erst mal machen!" Wenn wir jemandem ein solches Instrument ausliefern, haben wir einen irreparablen Zustand geschaffen. Dann haben diejenigen, die dies getan haben, auch vor unserem Volke die Verantwortung zu tragen.
    Welche Beweggründe haben die Leute, die dieses sogenannte freie Fernsehen machen wollen? Angeblich haben sie kulturelle Beweggründe. Aber lassen Sie mich wiederum die Herdersche Korrespondenz zi-



    Kühn (Köln)

    tieren, die sagt, das Hauptinteresse sei ein wirtschaftliches Interesse. Die Herdersche Korrespondenz sagt dann mit leiser Ironie, man könne es diesen Leuten kaum abnehmen, wenn sie sagten, ihr zentrales Anliegen sei es, dem Fernsehzuschauer ein zweites Programm zu bieten, damit er die Möglichkeit einer Auslese habe. Wiederum die Herdersche Korrespondenz sagt, und zwar in Übereinstimmung mit fast allen, die dieses Problem ruhig und nüchtern beurteilen, ohne eigene machtpolitische oder wirtschaftspolitische Überlegungen: Es kommt denen, die das private Werbefernsehen machen wollen, in erster Linie darauf an, den Werbeträger von großer Effektivität zu sichern — und ich möchte hier hinzufügen: den Werbeträger im weitesten Sinne, auch im Sinne der politischen Machtmanipulation.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Welche Garantien wollen Sie denn gegen diesen Mißbrauch einbauen? Wir haben gelesen, daß die Bundespost überlegt, einen Benutzungsvertrag aufzuerlegen, der Bestimmungen enthält, die die Programmgestaltung unter die Kontrolle eines unabhängigen Aufsichtsgremiums stellen. Wir haben den Vertrag dieser freien Werbefernsehgesellschaft gesehen. Darin steht: Der Aufsichtsrat bestimmt die Organe. Meine Damen und Herren — daran kommen Sie nicht vorbei —, wenn Sie ein solches Instrument den Leuten geben, die es mit ihrem Geld finanzieren, werden Sie immer wieder vor der Tatsache stehen, daß derjenige, der die Musik bezahlt, auch die Melodie bestimmt, die gespielt wird. Das freie Fernsehen ist in Wirklichkeit ein domestiziertes Fernsehen, ein Fernsehen, das in den Dienst wirtschaftlicher oder politischer Machtgruppen gestellt werden soll, manipuliert von denen, die das Geld geben.
    Ich bin geneigt, zu sagen: ich finde es sonderbar und es stimmt mich ein bißchen traurig, zu sehen, daß offensichtlich die größte Fraktion des Parlaments mitzuhelfen bereit ist, die antiparlamentarischen Ressentiments zu unterstützen,

    (Rufe von der CDU/CSU: Oha!)

    die von manchen Seiten systematisch geschürt werden. Ja, wollen Sie dieses sogenannte freie Fernsehen als freier denn das Fernsehen bezeichnen, das wir heute unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle haben und das letzten Endes den Parlamenten als den vom Volke gewählten Organen gegenüber verantwortlich ist?

    (Beifall bei der SPD.)

    In den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihren Gremien ist eine umfassende demokratische Legitimation vorhanden, aus der die Aufsichtsorgane. gebildet wurden. Hier hat man alle Kulturträger, im weitesten Umfange alle gestaltenden Kräfte in den Aufsichtsorganen, vertreten sein lassen.
    Lassen Sie mich, weil ich glaube, daß Sie das immerhin zum Nachdenken veranlassen könnte, vor allem diejenigen unter Ihnen, die sich mit diesem Problem noch nicht intensiver beschäftigt haben, wieder die Hauptstelle der Katholischen Rundfunkarbeit zitieren, die gesagt hat: Nicht ohne Grund ist nach 1945 das westdeutsche Rundfunkwesen in Anstalten des öffentlichen Rechts gegliedert worden, die von den Bildungs- und Erziehungskräften mitgetragen werden. Auch die Kirche als geistige und sittliche Ordnungsmacht trägt hier eine Mitverantwortung.
    Der in den Gesetzen und Staatsverträgen verbürgte Charakter des Rundfunks und des Fernsehens als eines der ganzen Gesellschaft verpflichteten freien Mittlers der Kultur muß gewahrt bleiben. Ist nach Ihrem Urteil — diese Frage erlaube ich mir zu stellen — der Bundesverband der Deutschen Industrie als Lenker des Rundfunks ein größerer Garant der Freiheit als die gewählten Parlamente? Ist es für viele unter Ihnen ein Kriterium der Freiheit, von bestimmten wirtschaftlichen Machtgruppen abhängig zu sein? Ich glaube, daß die meisten unter Ihnen das genausowenig wünschen wie wir. Ich habe die ehrlichen Motive dieser Mehrheit anerkannt, und ich hoffe auch, daß nicht mancher unter Ihnen eines Tages an das Wort von Oscar Wilde denken muß: Wenn ein Mann etwas ganz Törichtes tut, so tut er es sehr oft aus den edelsten Motiven. Es wäre nicht nur töricht, es wäre mehr, es wäre gefährlich, wenn Sie die Absichten realisierten, die sich auch in Ihrem Antrag und in den Äußerungen der Regierung offenkundig verbergen.
    Das freie Fernsehen, so hat man uns gesagt, will keinen Gewinn. Gut, wenn sie keinen wirtschaftlichen Gewinn wollen, was wollen dann die Leute, die dieses „freie" Fernsehen, getragen vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Markenartikelverband und einigen anderen, damit? Die Antwort scheint mir einfach: Der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Verbände, die sich mit ihm unter dem Motto „freies Fernsehen" in Wirklichkeit das Fernsehen aneignen wollen, haben die politische Bedeutung dieses Instrumentes erkannt. Sie wollen nicht materiellen Gewinn, aber sie wollen politische Macht damit ausstrahlen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist die Sache der Regierung, unsere Befürchtungen hier zu zerstreuen. Es ist die Sache der Regierung, ganz deutlich zu machen, ob und wieweit sich die von ihr vertretenen Interessen mit denen der Industrie decken. Man bedarf wohl nicht allzu großer Findigkeit, um einer Regierung zuzutrauen, daß sie sich von den optisch auf die Bildschirme gefunkten Waage-Anzeigen in kommenden Wahlen etwas Besonderes, Zusätzliches verspricht. Diese privaten Werbeträger sollen ja auch nach dem, was wir gehört haben, der Bundesregierung bereits die Gewährung von besonderen Redezeiten zugebilligt haben. Auch darüber etwas zu hören, wäre uns interessant. Es würde bei mir die Erinnerung an Papens „Stunde der Reichsregierung" wachrufen. Ich glaube, daß wir dann nicht weit von Konsequenzen entfernt sein könnten so ähnlich, wie es damals auch der Fall war.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Hören Sie, was der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Rundfunkanstalten, der ja



    Kühn. (Köln)

    Ihnen politisch näher steht als uns, zu diesem Kapitel gesagt hat. Sie werden uns gern unterstellen, daß wir bei der Regierung Absichten vermuten, die wir aus unserer Oppositionsstellung in die Haltung der Regierung hineininterpretieren möchten. Aber, bitte, hier hören Sie wörtlich aus seinem Memorandum:
    Für die Bundesregierung ist anscheinend der Plan, ein zweites Fernsehsystem einzurichten, deshalb interessant, weil hier die Gelegenheit gegeben wäre, die Ordnung dieser Einrichtung zu bestimmen und die Publikationsmöglichkeiten zu nutzen.
    Von der Regierung her! Es gibt das Wort, daß der Bildschirm ein Fenster in die Welt sei. Sie werden es uns nicht verübeln, wenn wir den Verdacht haben, daß die Bundesregierung hier ganz gern in das politische Bewußtsein des Volkes hineinfensterln möchte.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie schließen von sich auf andere!)

    Wer das will, wer Fernsehen und Rundfunk zu einem Instrument politischer Machtinteressen machen will — sei es in der Regierung, sei es in den Fraktionen der Koalition —, der möge bedenken, was der Fernsehbeauftragte der Evangelischen Kirche — um noch eine andere Stimme zu zitieren — dazu gesagt hat:
    Falls auf dem Umwege über das kommerzielle Fernsehen lediglich politischer Einfluß auf das Fernsehen genommen werden soll, so werden zweifellos die damit verbundenen Schäden für das Volksganze erheblich größer sein als der politische Gewinn.
    Ich habe diese beiden Stellen zitiert, um bei Ihnen nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als hätten lediglich wir aus politischen Oppositionsüberlegungen diese Besorgnisse. In der Tat, auf die Dauer wird, wie es der evangelische Rundfunkbeauftragte gesagt hat, niemand von einer solchen Manipulierung des Rundfunks und des Fernsehens Nutzen haben können, dem es wirklich um die freiheitlich-demokratische Gestaltung in unserem Volke geht, niemand, wo auch immer er in diesem Hause sitzt. Da ich auch der Mehrheit, den Regierungsparteien, dieses gemeinsame Anliegen nicht bestreiten möchte — ich bin fast geneigt, zu sagen: noch nicht —, obwohl ich Ihren Antrag gelesen habe,

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    möchte ich an Sie appellieren: wer für die Demokratie ist, der muß gegen die Privatisierung

    (Beifall bei der SPD — erneute Zurufe von der CDU/CSU)

    und er muß auch gegen die Gouvernementalisierung und gegen die Regierungsabhängigkeit von Rundfunk und Fernsehen sein.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Gegen die Monopolisierung!)

    Die Mittel der Meinungsbildung Machtgruppen ausliefern heißt die Demokratie zu Grabe tragen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Drucksache 153. Gestatten Sie mir, daß ich zunächst zu den Punkten 2 und 3 und erst danach zu Punkt 1 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD Stellung nehme.
    Das unter Punkt 2 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD erwähnte Schreiben des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen ist die Antwort auf ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vom 12. September 1957, in dem die Rundfunkanstalten die Auffassung vertreten haben, daß sämtliche Rundfunkfrequenzen den Rundfunkanstalten zugeteilt werden müßten. In dem gleichen Schreiben heißt es weiter, daß die Rundfunkanstalten zu ihrem Bedauern feststellen müßten, daß nach zuverlässigen Informationen Gespräche zwischen dem Bundespostministerium und Vertretern privater Wirtschaftsgruppen über die Zuteilung von Frequenzen aus den Bereichen IV und V geführt worden seien, ohne die Rundfunkanstalten hinzuzuziehen. Ich darf die Antwort des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 2. Oktober 1957 auf dieses Schreiben der Arbeitsgemeinschaft verlesen:
    Ihrer Auffassung, daß die Rundfunkfrequenzen eines internationalen Frequenzplanes in vollem Umfange den Rundfunkanstalten zugeteilt werden müssen, vermag ich nicht zuzustimmen.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf ferner feststellen, daß keine Gespräche über Zuteilung von Frequenzen aus den Bereichen IV und V an private Wirtschaftsgruppen geführt worden sind. Zwar liegen mir zahlreiche Anträge auf Zuteilung von Frequenzen in Rundfunkbereichen vor; ich habe jedoch bisher nur in einem Falle eine befristete Genehmigung für Versuchszwecke, Impulssendungen, an Private erteilt. Ich beabsichtige auch nicht, Rundfunksendegenehmigungen an Private zu erteilen. Ihre Vermutung, daß mein Brief vom 6. Juli 1957 mit einer solchen Absicht in Zusammenhang gebracht werden müsse, geht daher fehl.
    Ich begrüße eine gemeinsame Erörterung über die technischen Einzelheiten für die Bereiche IV und V und sehe Ihren Vorschlägen gern entgegen. Ich sehe auch keine Schwierigkeit, Frequenzen in diesen Bereichen für Versuche zum Studium der Ausbreitungserscheinungen und sonstiger technischer Fragen befristet zuzuteilen. Auch von mir werden derartige Versuche angestellt, so daß ein gegenseitiger Austausch



    Stücklen
    der Ergebnisse im Hinblick auf eine etwaige UKW-Rundfunkkonferenz mir zweckmäßig erscheint.
    Soweit dieses Schreiben. An der in diesem Schreiben niedergelegten Auffassung, daß unbeschadet der rechtlichen Möglichkeit aus Zweckmäßigkeitsgründen privaten Stellen keine Genehmigungen zum Errichten und Betreiben von Rundfunksendeanlagen erteilt werden sollten, halte ich fest. Jede Zersplitterung der Rundfunktechnik ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern wirkt sich auch zum Nachteil der Gesamtheit der Rundfunkteilnehmer aus, da dann nicht mehr der Gedanke einer gleichmäßigen Versorgung im Vordergrund steht, sondern das Interesse, bestimmte Bereiche zu erfassen.