Rede:
ID0301103900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesminister: 1
    7. für: 1
    8. Arbeit: 1
    9. und: 1
    10. Sozialordnung.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beseitigung der Mängel der Rentenneuregelung (Drucksache 28) Frau Korspeter (SPD) 481 B Blank, Bundesminister . . . 484 D, 511 B, 526 A, 528 B Dr. Schellenberg (SPD) 494 A, 527 C, 529 A Stingl (CDU/CSU) 501 D Walpert (SPD) 511 D Weber (Georgenau) (FDP) 513 C Storch (CDU/CSU) 514 D Frau Kalinke (DP) 515 D Reitzner (SPD) 523 B Scharnowski (SPD) 526 C Antrag der Fraktion der SPD auf Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksache 123) Rohde (SPD) 529 C Horn (CDU/CSU) 531 B Mischnick (FDP) 531 C Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen (Drucksache 130) — Erste Beratung — 531 D Nächste Sitzung 531 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 533 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 481 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. von Bodelschwingh 13. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Hansing 13. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Frau Kipp-Kaule 13. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Mengelkamp 14. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 13. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. Ollenhauer 14. 2. Paul 28. 2. Pelster 14. 2. Frau Pitz-Savelsberg 13. 2. Ramms 14. 2. Schmidt (Hamburg) 13. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Dr. Wilhelmi 13. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Richard Reitzner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt wie Sie seit zwei Uhr, also fünf Stunden, sehr aufmerksam alle Reden verfolgt, und ich muß sagen, es ist manchmal eine
    etwas anstrengende Angelegenheit. Ich hoffe mich jetzt als Redner etwas zu erholen.

    (Heiterkeit. — Beifall bei der SPD.)

    Befürchten Sie aber nicht, daß ich Sie über die Maßen anstrenge.
    Mein Landsmann, der Kollege Stingl, dessen Eloquenz und Sachkenntnis beachtlich sind, hat Licht und Schatten etwas einseitig verteilt. Nun, das liegt ja im Aufgabengebiet eines Kollegen, der einer Regierungspartei angehört. Ich will hier jetzt gar nicht kratzen und die beachtlichen Leistungen des Renten-Neuregelungsgesetzes herabmindern; die sind ohne Zweifel da. Aber neben dieser Sonne, die mein Landsmann Stingl leuchten ließ, gibt es eben auch Schattenseiten, und diese Schattenseiten liegen nicht nur am Rande, sondern betreffen einen beträchtlichen Personenkreis. Jeder von Ihnen weiß, welchen Personenkreis ich meine: den Kreis der Vertriebenen und Flüchtlinge, die noch ein bißchen gehbehindert diesen Erfolgen nachhinken.
    Ich bekomme täglich Briefe, und zwar nicht nur Briefe von einzelnen, aus denen der berechtigte Unmut spricht, sondern auch Briefe von Verbänden, von Landsmannschaften, von Organisationen, die lange das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz diskutiert haben. Aus diesen Briefen und aus meiner Kenntnis der Dinge gewinne ich den Eindruck, daß hier unbillige Härten und Mängel vorliegen, die wir — hoffentlich bald — beseitigen können. Es handelt sich nicht nur um Einzelfälle, sondern um Tausende von Fällen. Bei der Lektüre dieser Briefe wird der helle Farbton der Rede des Kollegen Stingl etwas getrübt. Da ist mir jetzt gerade — der Kollege Rehs hat mir das zugeschoben — ein Brief gegeben worden, der den Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung interessieren wird, weil er heute gesagt hat — oder war es ein anderer? —, jeder Schuljunge könne sich in einigen Minuten nach den Tabellen ausrechnen, was da auszurechnen sei. Dieser Brief ist vom 11. Februar, also ganz neu, und er konnte nicht bestellt werden. Es ist der Brief eines heimatvertriebenen Unternehmers, gehört also auf diese Seite (zu den Regierungsparteien) hinüber. Aber ich lese ihn doch vor, weil seine Beschwerden berechtigt sind. Der Unternehmer schreibt nämlich folgendes. Er wollte die Berechnungsgrundlagen wissen und hat an die Angestelltenversicherung in Berlin-Wilmersdorf geschrieben. Nach acht Monaten — Herr Minister, ich weiß schon, Sie sind da nicht direkt zuständig — hat er endlich ein Antwortschreiben bekommen. Das Antwortschreiben ist klipp und klar, das muß man auch sagen. Aber in dem klipp und klaren Antwortschreiben steht, daß die Bundesanstalt die Höhe der Leistungen nicht angeben könne. Nun, wenn es die Bundesanstalt nicht kann, sagte er sich, dann werden sich doch Bundestagsabgeordnete finden, die dem Petenten die Berechnungen liefern können. Ich werde das Schreiben dem Herrn Minister geben. Vielleicht kann er es dann in einer Viertelstunde beantworten. Ich bin nicht dazu imstande. Bitte, ich bin auch nicht so mit Fachkenntnissen beschwert, wie der Herr Minister es ist. Aber wenn man nicht so mit



    Reitzner
    übermäßigen Fachkenntnissen beschwert ist, dann, glaube ich, tut man sich doch etwas leichter, und man spricht auch in einer Sprache, die verständlicher ist.

    (Bundesminister Blank: Geben Sie mir gleich den Brief!)

    — Bitte schön! Das ist ein ganzes Packerl. (Heiterkeit.)

    Herr Minister, ich möchte gleich noch einige Wünsche vortragen, die ich habe. Vielleicht reden Sie mit Ihren Beamten einmal ein Wort — ich hörte jetzt mit Genugtuung, daß Sie an der Arbeit sind, eine Novelle zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vorzubereiten —, damit sie sich bemühen, in einer verständlichen Sprache zu schreiben. Meine Damen und Herren, lesen Sie sich einmal den § 1 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes durch! Ich mußte ihn dreimal lesen, ehe ich ihn wirklich begriffen habe.

    (Abg. Stingl: Das kann verschiedene Ursachen gehabt haben!)

    Es gibt doch in der deutschen Sprache so etwas wie einen Punkt und auch einen Strichpunkt und eine einfache Form, sagen wir, wie in der lutherischen Sprache. Ich würde deshalb manchem empfehlen, Franz Kafka zu lesen. Er hat nämlich in einem Sozialamt in Prag gedient und gestöhnt, und er hat sich oft in Briefen— sie sind wegen dieser Beschwerden über das sonderbare bürokratische Deutsch sehr interessant — beklagt. Es ist interessant, das heute nachzulesen.

    (Zuruf von der FDP: Also nicht nur hier!)

    — Nicht nur hier! Ich glaube, das ist in der ganzen Welt so.

    (Abg. Stingl: Herr Kollege Reitzner, dagegen wehren wir uns zusammen!)

    — Das ist auch wichtig; denn man muß sich einen einfachen Mann und eine einfache Frau vorstellen. Diese lesen das und können es überhaupt nicht verstehen.
    Nun möchte ich noch etwas im Zusammenhang mit Punkt 5 der Anfrage meiner Fraktion sagen. Es heißt dort:
    Wann wird die Bundesregierung endlich die zwingend vorgeschriebene Rechtsverordnung zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz erlassen, damit die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge die ihnen zustehenden Renten erhalten?
    Der Herr Minister hat diesen Punkt natürlich gelesen, er hat ihn auch beantwortet. Aber ich muß sagen, die Antwort stimmt mich sehr pessimistisch. Er hat nicht sagen können oder nicht sagen wollen, wann diese Rechtsverordnung erlassen wird. Sie kommt nun gar nicht mehr. Es ist, wie er sagte, nicht möglich. Wir wissen seine Begründung: Saarland und die Sommerferien des saarländischen Parlaments. Aber ich weiß, daß die Rechtsverordnung auch aus sachlichen Gründen vielleicht nicht die Lösung ist. Man hat später eine Novellierung vorgeschlagen. Der Herr Minister hat erklärt, die
    Novellierung werde „bald" erfolgen, eine Novelle könne „eher" erlassen werden als eine Rechtsverordnung. „Bald", „eher" sind aber relative Begriffe. Ich hätte vom Minister gern einen Tag oder einen Monat gehört. Er hat darüber nichts gesagt, obwohl in seinem Hause eine Planung vorliegt, die annähernde zeitliche Angaben zuläßt. Aber Genaues weiß man nicht. Man weiß nicht, ob es im Herbst oder zu „Fröhlichen Weihnachten" sein wird.
    Ich möchte doch darum bitten, daß wir die Vorlage recht bald bekommen; denn sie ist wichtig. Ein großer Personenkreis ist daran interessiert. Oder müssen wir es so machen, wie es Kaiser Josef II. getan hat, der in einer kleinen Station inkognito nach dem Fahrplan fragte. Der Stationsvorstand hat gesagt: „Einen Fahrplan haben wir nicht; ich weiß nicht, wann der nächste Zug kommt." „Aber irgendwann muß er doch kommen! Wann kommt denn Ihr Zug?" „Na", sagt er, „ich habe keinen Fahrplan, aber ich frage immer die Kartenlegerin im Dorf; die sagt mir schon, wann der nächste Zug kommt."
    Irgendwie muß man ja wissen, wann.

    (Heiterkeit. — Zuruf: Ehestens!)

    — Ja, das ist genau das: ehestens! Ja, was ist denn „ehestens"? Ich werde sagen, was ich aus dem Amt, aus dem Hause des Ministers, weiß. Im Juni soll der Entwurf kabinettsreif gemacht werden! Dann können Sie sich ausrechnen, wann er in den Bundesrat kommt. Wir haben dann fröhliche Ferien und noch einige Zeit! Wann kommt denn dann der Entwurf in den Bundestag? Ja, und wann kommt er dann in den Ausschuß usw.?

    (Abg. Hilbert: Das gibt dann ein schönes Weihnachtsgeschenk!)

    — Ach, nicht einmal! Welche Weihnachten meinen Sie denn, die von 1958 oder die von 1959? Nein, das ist doch eine ernste Sache.
    Ich hoffe, der Herr Minister wird dafür sorgen, daß ein bißchen beschleunigt gearbeitet wird. Ich weiß schon, daß das ganze Problem nicht einfach ist. Da ist der verschiedene geographische Raum mit verschiedenen Rechtsordnungen; da ist der polnische Raum, der sudetendeutsche Raum, das Protektorat, da sind die Volksdeutschen aus Rumänien, die Volksdeutschen aus der Sowjetunion und aus Jugoslawien. Dann sind da die verschiedenen Zeitstufen: vor 40, von 40 bis 56, nach 56. Das ist eine recht schwierige Problematik. Aber dazu ist schließlich ein großes Ministerium da, daß man mit diesen Schwierigkeiten fertig wird, daß die Fragen geregelt werden. Zeit genug war schon. Die Probleme sind ja nicht von heute auf morgen aufgetaucht.
    Nun möchte ich in einigen Minuten noch auf einige Sachumstände hinweisen, ohne einen Katalog aufzustellen. Kollege Stingl hat mit Recht gesagt: was uns im Zusammenhang mit dem Fremd- und Auslandsrentengesetz drückt und Sorge macht, sind weniger die Tabellen, es ist mehr die Beweisnot. Das ist vollkommen richtig. Aber Beweisnot und Tabellen hängen zusammen. Da besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Eines ist vom anderen nicht zu trennen. Wir wissen, daß das durchschnitt-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — I 1. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 525
    Reitzner
    liche Arbeitseinkommen, wenn man den Versicherungsnachweis nicht hat, so niedrig angesetzt ist, daß sich daraus die Härten und Mängel bei der Feststellung der Rente ergeben. Eines ist durch das andere bedingt. Den Nachweis können sogar zehntausend oder mehr Sudetendeutsche nicht erbringen, nicht zu reden von den Deutschen aus den polnischen oder aus den anderen Vertreibungsgebieten. Wenn laut Tabelle 2 der Anlagen zur Durchführungsverordnung zum Fremdrentengesetz der allgemeine Durchschnitt für das Jahr 1940 mit einem Wochenlohn von 25 Mark festgesetzt ist und wenn dann nach dem Rentenversicherungsneuregelungsgesetz in der Liste der Durchschnittsverdienste für das Jahr 1940 der Wochenlohn von 41 Mark festgelegt ist, sieht man den Unterschied in der Berechnung. Die nachteilige Wirkung liegt auf der Hand, weil bei der Rentenberechnung vom Lohn ausgegangen wird.

    (Abg. Stingl: Habe ich ja gesagt!)

    Diese Härten muß man also wirklich bald beseitigen.
    Weitere Härtefälle, auf die ich die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Ministers lenken möchte, hängen mit der Kaufkraft, der Währungstabelle und mit dem Abgleiten aus einer früheren besseren Stellung in eine schlechtere Existenzgrundlage zusammen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es sich bei diesem großen Personenkreis nicht nur um „Erfolgsflüchtlinge" handelt, die mit einem Opel-Kapitän durch Westdeutschland rasen.

    (Bundesminister Blank überreicht dem Abg. Reitzner eine Notiz.)

    — Ausgezeichnet! Note 1, wenn es richtig ist. Das muß der Kollege Schellenberg machen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Werden wir nachprüfen! — Abg. Schütz: Der ist doch nicht der Schulinspektor! — Heiterkeit.)

    Dieses Abgleiten ist doch bei Tausenden von Vertriebenen und Flüchtlingen festzustellen, und das muß irgendwie korrigiert werden.
    Zu der sogenannten Währungstabelle möchte ich sagen, daß die Anstalten z. B. den Verdienst von Sudetendeutschen rekonstruieren, in Kronen feststellen und ihn dann im Verhältnis von 100 Kronen zu 8,60 DM umstellen. Dieser Schlüssel führt, wie wir wissen, zu unvertretbaren Härten. Wenn schon ein Währungsschlüssel, dann jener, der früher in unserer alten Heimat üblich gewesen ist! Das sind für 100 Kronen mindestens 12 DM mit einem Kaufkraftzuschlag, der sich aus der Lage der Dinge ergibt. Das gleiche gilt für den Umrechnungskurs für den Zloty.
    Ein weiteres Problem sind die Arbeiterpensionsfonds. In der tschechoslowakischen Republik bestanden in vielen Städten sogenannte Arbeiterpensionsfonds. Die Aufgabe dieser Einrichtungen war es, die Altersversorgung und die Versorgung bei Invalidität für die städtischen Arbeiter nach den gleichen Bedingungen durchzuführen, die bei den Trägern der Arbeiterrentenversicherung maßgebend waren.
    Seit mehr als fünf Jahren kämpfen diese Anspruchsberechtigten hier um ihre Anerkennung. Ich hoffe, daß auch in dieser Sache der Gesetzgeber das erlösende Wort spricht.
    Noch ein Wort zur Arbeitslosigkeit der Deutschen in den Vertreibungsgebieten. Die Arbeitslosigkeit der Deutschen in den Vertreibungsgebieten war oft politisch bedingt. Daher ist sie als Verfolgungsmaßnahme anzusehen. Um hier weitere Härten zu vermeiden, müßten die Zeiten nachweisbarer und unverschuldeter Arbeitslosigkeit aus politischen Gründen als Ersatzzeiten angerechnet werden. Gleichzeitig ersuche ich, auch Zeiten des Militärdienstes, des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft bei den in Frage kommenden Heimatvertriebenen als Ersatzzeiten anzurechnen. Hier müßte der § 1251 Absatz 2 der Reichsversicherungsordnung ergänzt werden.
    Abgesehen von dem Katalog von weiteren Wünschen und berechtigten Forderungen, den ich mir dem Herrn Minister zu schreiben erlauben werde, noch ein Letztes: die Überweisung von Leistungen an Heimatvertriebene, die im Ausland leben und die auf eine Rente angewiesen sind. Von der Bergbauberufsgenossenschaft wird die Ansicht vertreten, daß diese Regelung zwar für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, nicht aber für die Unfallversicherung maßgebend sei. Das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz bedarf also auch hier einer Ergänzung. Es ist ferner nicht einzusehen, warum bei Berechtigten des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes nach § 4 Abs. 1 die Leistung ruhen soll, wenn sich der Berechtigte im Ausland aufhält.
    Meine Damen und Herren, ich habe mein Versprechen, mich kurz zu fassen, gehalten. Ich bin am Schluß. Es war nur ein Teil der vielen unbilligen Härten und Mängel, die ich aufzählen konnte. Abschließend möchte ich ein ernstes Wort an die Regierung und an den Herrn Minister richten. Man muß sich für das eine oder das andere Prinzip entscheiden. Ich weiß, daß man im Ministerium auch daran denkt, daß ganze Problem einheitlich so zu regeln, als hätten die Vertriebenen ihr volles Arbeitsleben in Deutschland verbracht. Das muß man sich allerdings sehr genau ansehen, weil darin einige Unzulänglichkeiten stecken. Richtig ist: es muß einmal eine Grenze nach oben geben, aber ich bin auch gegen die Einschmelzung nach unten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb, meine Damen und Herren, muß man sich für ein Prinzip entscheiden, und zwar für ein großzügiges Prinzip und eine großzügige soziale Konzeption.
    Da Sie einem Redner der Opposition, d. h. seinen Ausführungen kein besonderes Gewicht beimessen, möchte ich schließen mit einigen Worten des Herrn Außenministers von Brentano aus einer Rede, die er am 16. Januar 1958 in der Großen Aula der Universität München gehalten hat; ich muß sagen, eine sehr bemerkenswerte Rede mit vielen Wahrheiten über Kultur und Politik. Darin hat Herr von Brentano gesagt: „Unsere ganze Kulturpolitik muß ein-



    Reitzner
    gestellt sein auf den Menschen und auf die Wahrung der Menschenwürde". Vollkommen richtig! Wir wollen schauen, daß wir dieses Wort des Herrn Außenministers bei der Novellierung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes in die Tat umsetzen können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn wir schon keinen Sputnik haben können und vielleicht nicht haben wollen, — vielleicht können wir eine Fremdrenten- oder eine allgemeine Rentenneuregelungsordnung haben, die in der Welt vorbildlich ist und die ein Magnet sein könnte auch in der Auseinandersetzung, die wir auf dem Felde der sozialen Ideen mit dem Osten haben. Ich glaube, das wäre eine Leistung. Tragen wir alle gemeinsam dazu bei — den ersten Schritt muß das Ministerium mit der Vorlage tun —, daß wir zu dieser Leistung kommen!

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aus dem, was der Herr Kollege Reitzner. hier vorgetragen hat, nur eines herausgreifen, um Ihnen zu zeigen, wie einfach man sich eine Kritik an den Rentenneuregelungsgesetzen macht. Er hat mir dankenswerterweise eine Reihe von Schreiben vorgelegt. Herr Kollege, ich gebe sie Ihnen zurück, möchte aber, wenn Sie es mir gestatten, eines davon festhalten, da es mir darauf ankommt, jede der hier aufgeworfenen Fragen klar zu beantworten.
    Was ist nun der Sachverhalt? Es handelt sich um einer Flüchtling, der nach seinen eigenen Angaben früher niemals pflichtversichert war, niemals Beiträge gezahlt hat und nunmehr durch die Ereignisse eine Tätigkeit aufgenommen hat, in der er pflichtversichert ist. Er stellt nun die Frage an die Bundesversicherungsanstalt: Welche Rente würde ich nach fünf Jahren bekommen? — Darauf antwortet ihm die Bundesversicherungsanstalt aber doch völlig zutreffend: Das können wir Ihnen noch nicht sagen.
    — Ich kann nur folgende Berechnung aufmachen, und diese Berechnung, Herr Kollege Reitzner, hat einer meiner Herren dort innerhalb sechs Minuten gemacht: Wenn er seinen gegenwärtign Beitrag fünf Jahre beibehält — das kann ich ja nicht wissen, auch nicht, wie seine Einkommensverhältnisse sind
    — und wenn die allgemeine Bemessungsgrundlage so bleibt, wie sie gegenwärtig ist — das kann ich auch nicht wissen —, dann würde er eine Rente bekommen von, wie ich es Ihnen aufgeschrieben habe, 56,25 DM. Wenn aber bei ihm noch 35 Jahre an Zurechnungszeiten in Frage kämen, dann könnte er eine Rente von 450 DM bekommen.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Ja, das ist doch eine ganz einfache Rechnung. Herr Kollege Reitzner, Sie sind Abgeordneter, Sie haben bei der Behandlung dieses Gesetzes mitgewirkt, und Sie stellen sich hierher und kritisieren diese völlig zutreffende Antwort der Bundesanstalt.
    Wie kann die Bundesanstalt wissen, a) wie hoch seine Beiträge in den nächsten Jahren sein werden und b) wie hoch die allgemeine Bemessungsgrundlage sein wird? Nach der jetzigen Bemessungsgrundlage ohne Zurechnungszeiten würde seine Rente das betragen, was ich Ihnen aufgeschrieben habe. Das sind nach der sehr einfachen Formel 5 mal 1,5 % = 7,5 % von 9000 DM = 675 DM im Jahr = 56,25 DM im Monat; tatsächlich auch mit Volksschulkenntnissen in fünf Minuten zu errechnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.—Abg. Reitzner: Das hätte doch die Bundesanstalt auch tun können!)