Rede:
ID0301101300

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    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beseitigung der Mängel der Rentenneuregelung (Drucksache 28) Frau Korspeter (SPD) 481 B Blank, Bundesminister . . . 484 D, 511 B, 526 A, 528 B Dr. Schellenberg (SPD) 494 A, 527 C, 529 A Stingl (CDU/CSU) 501 D Walpert (SPD) 511 D Weber (Georgenau) (FDP) 513 C Storch (CDU/CSU) 514 D Frau Kalinke (DP) 515 D Reitzner (SPD) 523 B Scharnowski (SPD) 526 C Antrag der Fraktion der SPD auf Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksache 123) Rohde (SPD) 529 C Horn (CDU/CSU) 531 B Mischnick (FDP) 531 C Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen (Drucksache 130) — Erste Beratung — 531 D Nächste Sitzung 531 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 533 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 481 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. von Bodelschwingh 13. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Hansing 13. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Frau Kipp-Kaule 13. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Mengelkamp 14. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 13. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. Ollenhauer 14. 2. Paul 28. 2. Pelster 14. 2. Frau Pitz-Savelsberg 13. 2. Ramms 14. 2. Schmidt (Hamburg) 13. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Dr. Wilhelmi 13. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Kollegin Kalinke, Sie verfolgen doch die Fachpresse und die Tagespresse genau, und Sie haben — das ergab sich aus der zweiten Lesung — besondere Aufmerksamkeit den Ausführungen von Dr. Heubeck geschenkt.

    (Abg. Frau Kalinke: Auch das!)

    Sie hatten doch auch vorgeschlagen, daß Dr. Heubeck als Sachverständiger in den Ausschuß kommt.

    (Abg. Frau Kalinke: Jawohl!)

    Herr Dr. Heubeck hat in der „Zeit" — ich kann Ihnen das Zitat vorlesen — erklärt, und mit Recht erklärt, daß es nicht sehr schwierig gewesen wäre, im Rahmen des geltenden Systems diesen Mißstand der Senkung der Leistung bei weiterer Beitragszahlung zu beseitigen. Man kann ihn beseitigen. Ich möchte hier nicht eine versicherungstechnische Vorlesung halten. Ich sage, man kann den Mißstand beseitigen, indem man eine besondere Berechnung für die Ersatzzeiten vornimmt. Das kann man technisch regeln. Wir beanstanden, daß der Minister zu all diesen Mängeln noch gesagt hat, sie seien geringfügig und träfen nur einen kleinen Personenkreis; die Behebung der Mängel sei zu schwierig, und man solle besser die Hände davon lassen. Damit kritisiert der Herr Minister doch das System des Gesetzes, denn er sagt: Das System ist jetzt schon so kompliziert! Wenn man daran noch etwas zur Beseitigung von Mängeln ändert, klappt das ganze System nicht! — Das ist gerade Gegenstand unserer Kritik.
    Es ist nach unserer Auffassung ein sehr unerfreulicher Zustand, wenn jemand, der nach einer langen Arbeitslosigkeit wieder mit einem geringeren Arbeitseinkommen arbeitet als vorher — weil er auf Grund seiner sozialen Lage dazu genötigt ist —, dafür später durch eine niedrigere Rente bestraft wird. Das ist eine unmögliche Sachlage, die beseitigt werden muß. Das hängt unter anderem mit der Höchstbegrenzung zusammen. Ich will darauf im einzelnen nicht eingehen. Ich bedaure nur, daß der Herr Minister diese Tatbestände vor dem Hause bagatellisiert hat und daß er vor allen Dingen keine Vorstellungen entwickelt hat, wie man diese Mißstände und Schwierigkeiten beseitigen kann. Wenn der Herr Minister schon keine konstruktiven Vorschläge dafür entwickeln konnte, dann hätte er zumindest ein Wort dazu sagen sollen, was man tun kann, um die Betroffenen besser zu beraten. Wir Sozialdemokraten haben bei der Beratung des Gesetzes den Antrag gestellt, eine Beratungspflicht in der sozialen Rentenversicherung einzuführen; ob nun der Rentenversicherungsträger oder das Versicherungsamt damit befaßt wird, ist egal. Meine Damen und Herren, Sie haben es abgelehnt. Sie überlassen die Menschen ihren Schwierigkeiten, und das ist eine bedauerliche Sache.
    Es gibt noch viele andere Unerfreulichkeiten. Vor einigen Wochen stand in der Presse die Mitteilung, die Rentenbemessungsgrundlage für 1958 sei um 6 % erhöht worden. Auf Grund dieser Mitteilung mußten Millionen von Menschen annehmen, sie würden in den nächsten Wochen und Monaten eine entsprechende Erhöhung der Rente erhalten. Tatsächlich entspricht das nicht der Gesetzeslage; frühestens im September können Regelungen durch Gesetz getroffen werden. Ich bitte die Bundesregierung doch sehr, wenn sie der Öffentlichkeit entsprechende Mitteilungen macht, ganz deutlich zu sagen, worum es sich handelt. Wenn es nämlich heißt: „Die Bemessungsgrundlage für 1958 wird verändert", dann erweckt man dadurch den Eindruck — jedenfalls hat es die Presse so verstanden —, daß jetzt auch die laufenden Renten erhöht werden, während es praktisch den Neuzugang betrifft; über die unerfreulichen Auswirkungen beim Zugang wird hier noch ein anderer Kollege etwas zu sagen haben.
    Ich komme nun zur finanziellen Situation und nähere mich damit dem Ende meiner Ausführungen. Wir alle wissen, daß bei der Beratung der Rentenneuregelungsgesetze der Bundestag und die Öffentlichkeit mit sehr kritischen Stellungnahmen zu dem Grundsatz der Dynamisierung überschüttet wurden und daß erklärt wurde, die Neuregelung der Renten würde zu einer Beeinträchtigung der Währung, der Wirtschaft und des Preisgefüges führen. Es verdient festgehalten zu werden, daß auch Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Herr Bundeswirtschaftsminister und der frühere Finanzminister, Herr Schäffer, durch diese Kritik nicht unwesentlich beeinflußt worden sind und daß auch Mitglieder der Regierungsparteien auf Grund dieser Kritik die Gesetze abgelehnt haben. Heute steht fest, daß die Spareinlagen seit der Währungsreform in keinem Jahr so hoch gewesen sind wie im Jahre 1957.

    (Abg. Schlick: Sehen Sie! — Abg. Ruf: Gute, stabile Verhältnisse und Vertrauen zur Währung!)

    — Wenn man eine Diskussion über die Rentenneuordnung führt, muß man sich daran erinnern. Herr Kollege Ruf, auch Sie gehörten zu denjenigen im Ausschuß, die anfällig gegenüber der Kritik an der Neuordnung waren.

    (Abg. Ruf: Vorsichtig!)

    — Herr Kollege Ruf, wir wollen nicht in alten Protokollen blättern; da gibt es böse Dinge in bezug auf das Auseinanderfallen in der CDU bei der Rentenneuordnung. Es gab sehr bedeutsame Strömungen, deren Vertreter gesagt haben: Wir wollen doch lieber den Vorschlag von Herrn Schäffer übernehmen und jetzt nur eine einmalige Zulage gewähren, usw. Nur der Tatbestand, daß die Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf vorgelegt hatten,

    (Oh-Rufe bei der CDU/CSU)

    und der Umstand, daß der 15. September an die Tür klopfte, haben dann Ihre Arbeiten beschleunigt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Lenze [Attendorn] : Das war aber eine Weisheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, darüber soll man freimütig sprechen. Ich habe eine dicke Mappe da,



    Dr. Schellenberg
    und ich kann Ihnen die Zitate Ihrer eigenen Minister gern vorlesen, wenn Sie das wünschen.

    (Abg. Schutz: Es gibt auch Zitate von sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden, die in die gleiche Front gehören!)

    — Sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende? Hier im Bundestag?

    (Abg. Schutz: Fraktionsvorsitzende in den Ländern zum Beispiel!)

    — Herr Kollege Schütz, wir können uns gern weiter darüber unterhalten. Es gab auch einige Sozialdemokraten — Sie können sie an den Fingern abzählen —, die nicht diesem Bundestag angehören, die jene Kritik an der Dynamik zur Kenntnis genommen haben.

    (Abg. Schutz: Die maßgebend daran beteiligt waren!)

    — Herr Kollege Schütz, ich spreche von den Beratungen in diesem Hause, von den Beratungen im Plenum und im Ausschuß und von der Stellungnahme der Bundesregierung.
    In finanzieller Hinsicht kommt noch etwas anderes hinzu. Vor einem Jahr wurden die Anträge der Sozialdemokraten, den Härten und Unzulänglichkeiten zu begegnen, von Ihnen unter Hinweis auf die finanzielle Lage größtenteils abgelehnt. Als Unterlage diente ein Voranschlag der Bundesregierung. Aus diesem Voranschlag ging hervor, daß sich für 1957 ein Überschuß von nur 189 Millionen DM ergeben würde, und dann wurde erklärt, es sei kein Fettpolster mehr vorhanden, die Härten und Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Was stellt sich jetzt heraus? Den Abschluß für 1957 habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen, aber eine Veröffentlichung der Bundesbank. In dieser wird erklärt, 1957 betrage der Überschuß 1 750 Millionen DM. Meine Damen und Herren, der Überschuß soll nach der Meinung der Bundesbank also das Zehnfache dessen betragen, womit die Bundesregierung gerechnet hat. Das ist doch eine Fehlschätzung in einer Größenordnung, die die Grenze des Vertretbaren übersteigt.
    Selbstverständlich freuen wir Sozialdemokraten uns über die günstige Finanzentwicklung; das ist selbstverständlich. Aber wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, daß damals eine Reduzierung der voraussichtlichen Überschüsse mit dem Hintergedanken erfolgte, die Anträge auf Leistungsverbesserung als finanziell unmöglich darzustellen. Das muß festgehalten werden. Die Sachlage ist heute so, daß die Rentenversicherung Ende 1957 wieder über ein Vermögen von rund 11 Milliarden DM verfügt.

    (Abg. Lenze [Attendorn]: Großartig!)

    — Ich habe gesagt: wir freuen uns darüber. Aber wir sind der Meinung, daß diese Überschüsse die Möglichkeit geben, eine Reihe der schwersten Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Das ist unser Anliegen, und diesem Ziele dient auch unsere Große Anfrage.
    Ich komme jetzt zum Schluß. Der Herr Bundesarbeitsminister bemüht sich — das möchte ich auch hier in aller Öffentlichkeit erklären —, im sozialpolitischen Bereich für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Ich habe ebenso wie meine Freunde am Schluß des Jahres mit großem Interesse gelesen, daß der Herr Bundesarbeitsminister aus Anlaß des Jahreswechsels erklärte:
    Ich pflichte der Kritik bei, die sagt, daß die Verteilung des wachsenden Wohlstands sozial unbefriedigend ist.
    Diese Auffassung des Herrn Ministers können wir voll und ganz unterstützen. Aber ich bedaure, daß bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage die Vorstellungen über eine gerechtere Verteilung im sozialen Bereich nicht voll zum Ausdruck gekommen sind. Der Herr Minister hat ein hartes Wort gesprochen. Er hat von „angeblichen Härten" gesprochen. Wer die Sorgen der über drei Millionen Menschen kennt, die bei der Rentenneuregelung zu kurz gekommen sind, muß diese Erklärung des Ministers als eine schwere Kränkung dieser Menschen empfinden.
    Ein letztes Wort! Wir Sozialdemokraten erklären jetzt bei dem ersten Überblick über die Rentenneuregelungsgesetze, daß wir auf der einen Seite anerkennen, daß die Leistungen für einen Teil der Rentner beachtlich, zum Teil sehr beachtlich verbessert worden sind. Aber wir müssen auf der andern Seite feststellen, daß unsere Befürchtungen in bezug auf eine Reihe von Mängeln und Fehlern der Gesetzgebung traurige Wirklichkeit geworden sind. Die Aufgabe der Zukunft muß sein, diese Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen und eine Reform der sogenannten Rentenreform durchzuführen, damit wir zu einer umfassenden sozialen Neuordnung kommen, die ein Vorbild für Gesamtdeutschland sein kann.

    (Beifall bei der SPD).



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Stingl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, an sehr erfreuliche Worte von Herrn Kollegen Schellenberg anknüpfen zu können. Er hat ja als Fazit seiner Erörterung en erklärt, die sozialdemokratische Fraktion erkenne an, daß das Gesetz über die Neuregelung der Renten eine große Leistung sei.

    (Zuruf von der SPD: Mit unserer Hilfe!)

    — Natürlich. Er hat gesagt, daß er absolut nicht, auch wenn er hier Mängel aufgezeigt habe, den Eindruck erwecken wolle, als ob dieses Gesetz nichts bedeute. Nun, genau das ist es, was ich als erstes feststellen will. Ich will als erstes feststellen, daß man draußen im Lande nicht von den Mängeln und Härten, sondern von der Großtat der Rentenreform spricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und wenn Sie sagen, die Sozialdemokraten seien stolz darauf, an diesem Gesetz mitgearbeitet zu haben, so kann ich sagen: wir danken es Ihnen. Aber wir sind stolz darauf, daß dieses Rentenneu-
    502 Deutscher Bundestag— 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958
    Stingl
    regelungsgesetz die Handschrift der Christlichen Demokraten trägt und von uns geprägt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was soll das Vortragen von Überlegungen, die wir alle schon in der ersten, in der zweiten und in der dritten Lesung gehört haben, als es immer wieder hieß: Wir haben erst ein Gesetz vorgelegt! Bei uns wäre es besser gewesen! Maßgebend ist einzig und allein, was gestaltet wird, was gestaltet werden kann und was auch verantwortet werden kann. Da glauben wir, daß wir mit den Rentenneuregelungsgesetzen eine wirklich große Tat vollbracht haben. Wir haben das Ziel erreicht, das wir erreichen wollten: den Rentner entsprechend dem Verlauf seines Arbeitslebens in die Lage zu versetzen, dann, wenn er Rentner wird, entsprechend der von ihm geleisteten abhängigen Arbeit aus der Rente seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
    Ich finde es eigentlich erfreulich, wenn die SPD in einer Großen Anfrage, in der Begründung der Großen Anfrage und in der Diskussionsrede zur Antwort des Herrn Bundesministers nicht mehr vorbringen kann als Erscheinungen, die tatsächlich am Rande liegen, die teilweise nur mit Auslegungsschwierigkeiten zusammenhängen und die letzten Endes, soweit es eben nicht solche Auslegungsschwierigkeiten oder Randerscheinungen sind, alle im Ausschuß und im Plenum schon einmal diskutiert worden sind. Wenn sie nichts anderes vorzubringen hat, dann gesteht sie damit doch wohl ein, daß auch sie der Meinung ist — Herr Schellenberg hat es ja ausgeführt —, daß das Gesetz im Grundsatz und in der Anlage gut ist.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Zur Hälfte!)

    Es ist ganz merkwürdig, daß der erste Teil der Großen Anfrage der SPD Verfeinerungen verlangt, die eine Arbeitsbelastung der Rentenversicherungsträger von mindestens zwei bis drei Jahren für die Umrechnung des jetzigen Bestandes bedeuten. Die gleiche Fraktion verlangt in der gleichen Großen Anfrage, daß alle Renten schneller umgestellt würden. Meine Damen und Herren, das kann man einfach nicht. Man kann nicht jede Rente individuell berechnen und zugleich sagen: sie muß schon umgestellt sein. Im übrigen darf ich in diesem Zusammenhang auch einmal auf das hinweisen, was Sie im Verlauf Ihrer Ausführungen sagten. Sie kritisierten die Mehrheitspartei, sie habe mit den Umstellungsfaktoren Ungerechtigkeiten und ähnliches eingeführt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Ich habe inzwischen noch einmal den § 120 Ihres Entwurfs nachgelesen. Auch Sie haben Umstellungsfaktoren drin. Sie wollen in diesen Umstellungsfaktoren genau die gleichen Grundsätze berücksichtigt wissen, wie wir sie in den Umstellungsfaktoren berücksichtigt haben.
    Hinzu kommt noch, Herr Kollege Schellenberg, daß in Ihren Umrechnungsfaktoren die zusätzlichen 15 % gar nicht drinstecken. Sie können mir natürlich entgegenhalten, Herr Kollege Schellenberg, dafür stehe in § 121 — oder 122, so genau weiß ich es nicht mehr — bei Ihnen, daß jeder das Recht habe, individuell die Umrechnung zu beantragen. Sie würden also, Herr Kollege Schellenberg, denjenigen, der weniger vom Schicksal betroffen ist, wesentlich begünstigen gegenüber dem anderen. Sie würden ihm die Möglichkeit geben, alle Zeiten nachzurechnen, während derjenige, der ausgebombt oder heimatvertrieben ist, eben doch auf eine Pauschalierung, eben doch auf einen Faktor angewiesen bleibt und angewiesen bleiben muß.
    Tatsächlich ist es so — und Sie haben es ja anerkannt —, daß die Leistungen in der Rentenversicherung erheblich gestiegen sind. Die Rentenausgaben sind auf 11,6 Milliarden DM im Jahr gestiegen, wenn auch vielleicht noch die 0,8 Milliarden DM Nachzahlungen nicht schon auf die einzelne Mark festgelegt werden können.
    Sie haben bestritten, daß die Mehrleistung über 5 Milliarden DM betrage, indem Sie immer wieder sagten, das sei ja nicht die richtige Ausgangsbasis; wir hätten da völlig vergessen, daß auch im Jahre 1956 Sonderzulagen gezahlt worden seien. Herr Kollege Schellenberg, eben gerade diese Sonderzulagen waren kein Bestandteil der Rente. Wir hatten das ausdrücklich in das Gesetz hineingeschrieben. Infolgedessen müssen wir doch einmal bei der Neuumstellung sehen, wie sich die Renten geändert haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber Herr Kollege Stingl, kommen Sie doch nicht mit den gleichen formaljuristischen Darlegungen wie der Herr Minister!)

    — Nein, Sie kommen doch immer damit! Wir bestreiten doch gar nicht, daß die Rentenausgaben von 1956 bis 1957 nicht um 5,5 Milliarden DM gestiegen sind, sondern wir sagen: sie sind um 4,3 Milliarden DM gestiegen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Sie berichtigen also den Herrn Bundeskanzler!)

    — Nein, ich berichtige den Herrn Bundeskanzler nicht; denn der Herr Bundeskanzler hat sich darauf bezogen, daß. die Rentenleistungen, die laufende Renten sind, um 5,5 Milliarden DM steigen, und das stimmt weiterhin, wenn es auch vielleicht 5,3 Milliarden DM sind. Bis jetzt wissen weder Sie noch ich die genaue Zahl.
    Sie sprechen dann davon, daß wir keine Erhöhung von 60 % hätten. Dafür gilt doch wiederum genau das gleiche, Herr Kollege Schellenberg. Sie können die Sonderzulagen, die nach anderen Grundsätzen gegeben waren, die nicht den Umrechnungsbestimmungen, welche individueller Natur sind, unterlagen, die auch modifiziert waren, aber nicht gleich ausgefeilten modifizierten Bestimmungen unterlagen, nicht einfach als früheren Rentenbestandteil ansehen. Sie müssen von der früher festgestellten, nach dem Mehrbetragsgesetz gebildeten Rente ausgehen. Auch Sie haben ja bei der Umstellung Ihrer Rente den Steigerungsbetrag heranziehen müssen. Es geht ja gar nicht anders. Sie müssen also auch den ursprünglichen Rentenbestand, entkleidet seiner Grundrente, seines Beiwerks, ins-



    Stingl
    besondere natürlich entkleidet einer Sonderzulage, die nur für eine Überbrückung gelten soll, darstellen.
    Sie haben dann noch davon gesprochen, daß der Geldüberschuß bei den Rentenversicherungsträgern wesentlich höher sei, als es vorausgesehen war. Ich stimme Ihnen zu. Sie haben die Zahl — mir sind die Unterlagen bekannt — richtig angegeben. Wir haben 1,7 Milliarden DM Überschuß. Aber ich darf dagegenhalten, Herr Kollege Schellenberg: wir müssen damit rechnen, daß die neuen Anträge auf Grund des Rechtes auf Rente, das wir erst durch unser Gesetz gegeben haben, noch einen Betrag von etwa 800 Millionen DM beanspruchen werden.
    Wir müssen dabei auch berücksichtigen, daß neu hinzukommende Renten gerade durch die von Ihnen vorhin angesprochene Erhöhung der Bemessungsgrundlage höher gezahlt werden müssen. Wir müssen bedenken, daß die Anpassung der laufenden Renten — wenn auch nicht ab 1. Januar — immerhin Geld in Anspruch nehmen wird, so daß also der Überschuß nicht in Höhe von 1,7 Milliarden bestehenbleiben wird. Er wird aber Gott sei Dank höher sein, als er vorausberechnet war. Gott sei Dank sagen wir auch deshalb, weil das ein Zeichen dafür ist, daß es uns gelungen ist, durch unsere Wirtschaftspolitik einen Aufschwung beizubehalten. Wir zählen diese Dinge immer insgesamt als den Erfolg unserer politischen Arbeit. Man muß das Wirtschaftsgeschehen und das sozialpolitische Geschehen nebeneinander sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir werden in Zukunft wahrscheinlich auch einen Ausbau der Heilverfahren erwarten können. Die Bestimmungen der neuen Gesetze sind ja noch nicht so weit ausgeschöpft, daß schon alles perfektioniert ist. Auch deshalb werden wir überlegen müssen, wie die Finanzierung der Rentenversicherung gesichert wird. Wir werden immer wieder mit sehr wachsamem Auge darauf schauen müssen.
    Sie bezweifelten, daß durch die Neuregelungsgesetze Mehrarbeit bei den Rentenversicherungsträgern entstanden sei. Sie haben Zahlen genannt, aus denen hervorgehen soll, daß die Eingänge gegenüber früher nicht gestiegen seien. Sie bezogen sich dabei auf die Arbeiterrentenversicherung, die frühere Invalidenversicherung. Man darf aber nicht die Zahlen der Invalidenversicherung von 1956 den Zahlen von 1957 gegenüberstellen; denn die Eingänge in der Invalidenversicherung von 1956 sind keine Normaleingänge gewesen. Die Mehreingänge in der Arbeiterrentenversicherung in diesem Jahre sind darauf zurückzuführen, daß das Gesetz über die Witwen, um das sich unser Kollege Schüttler besonders verdient gemacht hat, mehr Anträge gebracht hat.
    Ich darf Ihnen die Zahlen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nennen; sie allein können ein klarer Maßstab sein. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat im Jahre 1953 monatlich einen Eingang von 13 000 Rentenanträgen gehabt. Ich möchte meinen, 1953 sollte kein Vergleichsjahr sein, weil wir wissen, daß die Bundesversicherungsanstalt knapp zuvor errichtet wurde. Aber die Gegenüberstellung der Zahlen von 1956 mit den Zahlen von 1957 gibt schon ein sehr anschauliches Bild. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat im Jahre 1956 einen monatlichen Durchschnittseingang von 17 960 Rentenanträgen gehabt. Sie hat im Jahre 1957 einen Durchschnittseingang von 23 813 Rentenanträgen gehabt. Das sind im Monatsdurchschnitt immerhin 6000 Anträge mehr als in dem voraufgegangenen Jahr.
    Daß diese Mehreingänge an Rentenanträgen eine große Mehrbelastung bringen, ist doch wohl nicht zu bezweifeln. Der Rückstand in der Bearbeitung von Rentenanträgen ist in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte höher geworden; er beträgt jetzt 159 000 Rentenanträge. Das ergibt immer noch einen Durchschnitt von sechs Monaten Bearbeitungszeit. Sie können einfach nicht bestreiten, daß das eine wahre Zahl ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.) — Natürlich, Herr Kollege Schellenberg.


    (Abg. Dr. Schellenberg: Können wir uns nicht mal darüber unterhalten, welche Anträge dabei noch nicht mitgezählt sind? Dann kommen wir fast auf das Doppelte!)

    Natürlich, Herr Kollege Schellenberg, gibt es solche Anträge. Ich gestehe ganz offen, daß ich selber eine Reihe, eine Vielzahl von Briefen — namentlich von Landsleuten von mir — in dieser Richtung bekommen habe. Es gibt eine Unzahl von Fällen, bei denen die Bearbeitung länger dauert, aber auch eine große Anzahl, die schneller bearbeitet werden. Wenn wir 23 800 oder rund 24 000 Eingänge pro Monat haben und der Rückstand rund 160 000 beträgt, so bedeutet das, daß wir einen Rückstand von 61/2 Monaten haben. Das kann sich jeder nach Adam Riese ausrechnen. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte war, bevor wir die Rentenversicherungsneuregelungsgesetze beschlossen haben, auf einen Rückstand von drei Monaten gekommen. Dabei bedeutet diese Angabe — drei Monate — nicht, daß jeder, der einen Rentenantrag stellt, innerhalb von drei Monaten den Rentenbescheid in Händen hat.
    Hier ist ein sehr ernstes Kapitel anzuschneiden. Gerade die vielen, die ihre Unterlagen verloren haben, sind natürlich in einer schwierigen Lage. Die Beweisnot verursacht, daß die Bearbeitung ihrer Anträge länger dauert. Ich bin aber sicher, daß es uns gelingen wird, ein Verfahren zu finden, das insbesondere eine Regelung für diese und für die Wanderversicherten treffen wird. Bei diesem Personenkreis sind immer wieder Nachfragen bei den Landesversicherungsanstalten notwendig. Es muß also ein Verfahren ausgearbeitet werden, wonach Vorschüsse gezahlt werden können, damit, sobald die Erfüllung der Wartezeit nachgewiesen ist, eine Zahlung einsetzen kann, die natürlich nicht der endgültig zu erwartenden Rente oder dem Ruhegeld entsprechen kann. Jedenfalls haben wir in der Bundesversicherungsanstalt jetzt einen Rentenbestand von 1 620 000 gegenüber 1 442 000 im Jahre



    Stingl
    1954. Ich glaube, diese Zahl zeigt, daß schon einiges getan und erreicht worden ist.
    Nun wird gesagt — der Herr Kollege Schellenberg hat es immer wieder besonders betont —, die Enttäuschung über die Erhöhung der Renten sei im ganzen Lande allgemein. Entweder, Herr Kollege Schellenberg, nur Sie reisen durch die Lande, oder uns wird überall Falsches erzählt!

    (Beifall in der Mitte.)

    Gewiß haben wir Fälle, in denen Enttäuschte zu uns kommen. Aber diese Menschen sind enttäuscht, weil sie den Gedanken, den Gehalt, den die Rentenneuregelungsgesetze haben, nicht entsprechend auf ihren Fall angewendet haben. Darum gibt es natürlich auch Enttäuschte. Für meinen Teil kann ich aber nur feststellen — und ich habe das im Süden und Norden, in Berlin und anderswo feststellen können —, daß die Rentner von der Erhöhung ihrer Renten befriedigt sind.
    Das geht so weit — lassen Sie mich diese Story erzählen —, daß ich mit einem meiner Bekannten gewettet habe. Dieser Bekannte sagte, er glaube nicht, daß seine Rente 300 Mark betragen werde. Wir wetteten also, und nach vierzehn Tagen schrieb er mir strahlend, er habe die Wette verloren.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Schellenberg: Keine Kriegszeit, keine Arbeitslosigkeit!)

    — Ich komme noch darauf zurück, Herr Kollege Schellenberg. — Die Renten sind so weit erhöht worden, daß die allgemeine Meinung nicht einer Enttäuschung gleichkommt, sondern die Meinung dahin geht: Wir sind angenehm überrascht worden!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun aber jetzt in diesem Zusammenhang gleich ein sehr deutliches Wort, Herr Kollege Schellenberg und wen es sonst im Hause angeht! Wenn Sie in die Angestellten- oder Arbeiter- oder Knappschaftsversicherung, überhaupt in irgendeine Versicherung Mindestrenten einfügen wollen, dann kann ich für mich persönlich — und ich glaube, auch für meine Fraktion — sagen: Wir werden uns unter allen Umständen mit Nachdruck und immer jeder Art von Mindestrenten widersetzen, weil wir der Meinung sind, daß es die Versicherungsprinzipien — —

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)