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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beseitigung der Mängel der Rentenneuregelung (Drucksache 28) Frau Korspeter (SPD) 481 B Blank, Bundesminister . . . 484 D, 511 B, 526 A, 528 B Dr. Schellenberg (SPD) 494 A, 527 C, 529 A Stingl (CDU/CSU) 501 D Walpert (SPD) 511 D Weber (Georgenau) (FDP) 513 C Storch (CDU/CSU) 514 D Frau Kalinke (DP) 515 D Reitzner (SPD) 523 B Scharnowski (SPD) 526 C Antrag der Fraktion der SPD auf Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksache 123) Rohde (SPD) 529 C Horn (CDU/CSU) 531 B Mischnick (FDP) 531 C Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen (Drucksache 130) — Erste Beratung — 531 D Nächste Sitzung 531 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 533 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 481 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr.
  • folderAnlagen
    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. von Bodelschwingh 13. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Hansing 13. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Frau Kipp-Kaule 13. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Mengelkamp 14. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 13. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. Ollenhauer 14. 2. Paul 28. 2. Pelster 14. 2. Frau Pitz-Savelsberg 13. 2. Ramms 14. 2. Schmidt (Hamburg) 13. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Dr. Wilhelmi 13. 2.
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    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Kollegin Kalinke, ich kenne Mitteilungen der Organisation der Rentenversicherungsträger, die drei Wochen, nachdem wir die Große Anfrage gestellt hatten, herausgegeben worden sind. Ich muß also der Auffassung sein, daß unsere Große Anfrage — was auch ihr Sinn ist — jetzt das Verfahren beschleunigt. Wir hoffen, daß auch die heutige Aussprache wenigstens in dieser Hinsicht segensreich sein wird.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Ruf: Sie trauen aber der Selbstverwaltung wenig zu!)

    — Aber lieber Kollege Ruf, nun kommen Sie doch nicht immer wieder mit der gleichen Methode! Erst verzögert die Regierung.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Die Rentenneuregelung hat die Regierung verzögert. Erst verzögert die Regierung, dann schafft sie ein kompliziertes Recht, und dann sagt man: Die Verantwortung trägt die Selbstverwaltung, sie wird das schon in Ordnung bringen. In dieser Weise
    kann man die Dinge nicht abtun, Das ist gerade das, was wir nicht wollen, eine Verantwortung, die hier das Haus und die Regierung zu tragen haben, nun auf die Selbstverwaltung abzuschieben.
    Der Herr Minister hat zwar nicht direkt gesagt, aber es ging aus seinen Ausführungen indirekt hervor, daß die hohe Zahl der Rückstände sich gewissermaßen zwangsläufig aus der Neuregelung ergebe. Ich bin mit dieser Antwort in keiner Weise zufrieden.
    Die Komplizierung des Rechts wirkt sich selbs bei den engsten Mitarbeitern des Herrn Ministers bzw. seines Vorgängers — und der Herr Minister muß jetzt nachträglich eine Verantwortung für Dinge tragen, die er selbst nicht mitgestaltet hat — unerfreulich aus. Ich möchte Ihnen ein Schreiben aus dem Bundesarbeitsministerium an einen Versicherten vorlesen:
    Ich bitte um Verständnis, wenn ich von einer eingehenden Stellungnahme zu Ihrem Fall absehe und nicht auf Einzelheiten Ihres Schreibens eingehe. Meine starke Inanspruchnahme durch dringende gesetzgeberische Arbeiten sowie die Fülle der an mich gerichteten Anfragen, Anregungen und Beschwerden gestatten mir es nicht, jedes einzelne Schreiben ausführlich zu beantworten.

    (Abg. Ruf: Können Sie denn jedes Schreiben beantworten?)

    Wenn das Arbeitsministerium auf Beschwerden aus dem Volk so antwortet: Wir haben keine Zeit, wil haben größere Aufgaben — wahrscheinlich dachte man an den Entwurf der Durchführungsverordnung zum Fremdrentengesetz, auf die wir schon seit dem 30. Juni 1957 warten! —,

    (Beifall bei der SPD)

    ist das ein unerfreulicher, ein unhaltbarer Zustand.
    Die Komplizierung hat auch dazu geführt, daß das Bundesarbeitsministerium mit den Aufgaben, die ihm der Gesetzgeber auferlegt hat, leider nicht fertiggeworden ist. Ich denke hier an die Regelung für die Heimatvertriebenen, an das Fremdrentengesetz, denke aber auch an den Erlaß von Durchführungsbestimmungen für die Fälle derjenigen, die ihre Unterlagen durch Kriegseinwirkung verloren haben; das ist ein großer Teil unserer Versicherten. Dazu hat die Bundesregierung noch nicht die erforderlichen Durchführungsvorschriften erlassen.
    Oder ein anderes Beispiel: Im Gesetz ist festgelegt, daß Versicherte, die in West-Berlin gearbeitet und Beiträge gezahlt haben und im Osten wohnen, einen Zuschlag zu ihrer Ost-Rente erhalten, und zwar auf der Grundlage der Beiträge, die sie bei uns in West-Mark gezahlt haben. Die gesetzliche Regelung kann nicht durchgeführt werden, weil das Bundesarbeitsministerium bisher die entsprechenden Richtlinien nicht zustande gebracht hat Praktisches Ergebnis: 7000 Menschen, die im Ost-Sektor Berlins wohnen und früher im Westen ge arbeitet haben, warten noch auf den Zuschlag zi ihrer Ost-Rente. Das ist ein Versäumnis, dessen



    Dr. Schellenberg
    Bedeutung weit über den Bereich der Sozialversicherung hinausgeht, das ist ein Versäumnis in bezug auf Gesamtdeutschland.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Erlaß von Rechtsverordnungen ist nur ein Teil der Aufgaben. Das zentrale Anliegen ist die Vereinfachung des Sozialrechts. Der Herr Minister hat dazu einiges gesagt; aber Sie werden nicht den Eindruck gewonnen haben, daß uns eine neue Konzeption zur Vereinfachung des Sozialrechts geboten wurde. Namens der Sozialdemokraten erkläre ich: Wir werden uns mit dieser Sachlage nicht abfinden. Wir werden die Regierung und die Regierungsparteien mit allen parlamentarischen Mitteln immer wieder an ihre Pflicht erinnern, für eine Vereinfachung des Sozialrechts Sorge zu tragen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun zu den sonstigen Mängeln in bezug auf die Rentenberechnung ! Wir wissen aus offiziellen Erklärungen, daß im Jahre 1957 der Kauf der Beitragsmarken zur freiwilligen Versicherung so gering war wie niemals seit der Währungsreform. Wir sind uns alle darin einig, daß es eine sinnvolle Regelung ist, wenn dem Versicherten die Möglichkeit gegeben wird, durch freiwillige Beiträge seine Altersversorgung zu verbessern. Es ist doch ein bedenkliches Zeichen, wenn das Ausmaß der freiwilligen Versicherung in so erschreckender Weise geringer geworden ist. Dafür gibt es viele Gründe; wir können sie im einzelnen untersuchen. Ich will hier keine versicherungstechnische Vorlesung halten. Aber zweifellos liegt einer der Gründe in der Tatsache, daß das Recht so kompliziert ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Aber, Herr Kollege, haben Sie denn niemals eine Zuschrift von Versicherten erhalten, die sich am Schluß des vergangenen Jahres überlegt haben, was sie nun an freiwilligen Beiträgen entrichten sollten?
    Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, daß sich selbst Kollegen dieses Hauses, nicht nur Kollegen meiner Fraktion, darüber zu informieren versucht haben, wie sie denn die Weiterversicherung regeln könnten. Ich verweise auf die Klagen der Damen und Herren der Presse. Auch sie haben die größten Schwierigkeiten gehabt, eine Entscheidung zu treffen. Ich hatte die große Freude, mit meinem bescheidenen Wissen dem und jenem in dieser komplizierten Materie einen kleinen Rat zu geben. Aber die Weiterversicherung ist so kompliziert, daß der einzelne oft nicht weiß, was er zweckmäßigerweise an Beiträgen entrichten soll. Hierzu muß nämlich seine individuelle Bemessungsgrundlage festgestellt werden; und das herauszubekommen ist eine schwierige Sache. Das weiß doch jeder von uns mit Ausnahme derjenigen Kollegen, die nichts mit der Sozialversicherung zu tun haben. Es ist eine bedauerliche Folge dieser Komplizierung, daß Hunderttausende von Menschen es unterlassen haben, nun Marken der freiwilligen Versicherung zu kaufen und so zusätzlich etwas für ihre Alterssicherung zu tun.
    Aber nun zu den sonstigen Mängeln. Da muß ich mich ein wenig mit dem Herrn Minister in bezug auf die Versicherungstechnik auseinandersetzen. Wir werden sicher irgendwann Gelegenheit haben, das im Ausschuß genauer zu tun. Herr Minister, es ist nicht zu bestreiten, und Sie haben es auch nicht bestritten, daß es nach dem gegenwärtigen Recht möglich ist, eine gleiche Steigerung der Rentenleistung zu erhalten, gleichgültig ob der geringste Beitrag von 14 DM oder der höchste Beitrag von 105 DM gezahlt wird. Eine solche Wirkung ist doch unbefriedigend und ungerecht. Wie kann der Minister von „angeblichen Ungerechtigkeiten" sprechen, wenn man die gleiche Leistung erreichen kann; ob man nun im Monat 14 oder 105 DM zahlt? Ein solches Prinzip hat mit dem Grundsatz einer beitragsgerechten Rente wenig zu tun.
    Es ist falsch, was der Herr Minister gesagt hat: das treffe den freiwillig Versicherten und der solle sich um seine Sozialversicherung kümmern und sich den günstigsten Beitrag ausrechnen lassen. Die Sache trifft aber leider nicht nur den freiwillig Versicherten, sondern es trifft in dem gleichen Ausmaße auch den Pflichtversicherten. Dieser hat aber keine Möglichkeit, zu erklären: Ich zahle nur 14 DM Beitrag statt einen Beitrag entsprechend meinem Arbeitseinkommen. Der Pflichtversicherte ist nach dem Gesetz verpflichtet, Beiträge zu zahlen, von denen er nicht weiß, ob er durch sie seine Rente entsprechend steigert. Das halten wir für einen unmöglichen Zustand, und ich bedaure sehr, daß der Herr Minister nichts darüber gesagt hat, wie man diesem Übelstand beseitigen kann.
    Herr Minister, Sie haben sich dann weiter mit der Frage auseinandergesetzt, daß sich bei Ersatzzeiten de facto eine Senkung der Bemessungsgrundlage ergeben kann. Sie haben gesagt, die Sozialdemokraten hätten das juristisch falsch formuliert; wenn sie erklärten, ein Rentenanspruch könne sich vermindern, müsse dieser Anspruch doch zunächst einmal gegeben sein. — Herr Minister, wir wollen hier sozialpolitisch sprechen. Der Inhalt dessen, was gemeint ist, ist klar, und dieser Inhalt ist bedenklich. Er trifft die Menschen, die lange Kriegsdienstzeiten haben, und er trifft vor allen Dingen die älteren Menschen, die früher in einer höheren Gehaltsgruppe waren und später eine geringer bezahlte Tätigkeit angenommen haben. Frau Kollegin Kalinke, Sie wollen das noch erläutern? Ich bin Ihnen dankbar!


Rede von Margot Kalinke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, nicht erläutern, nur fragen! Ich beklage ja mit Ihnen die Zustände. Nur, Herr Kollege Schellenberg, sind Sie nicht der Meinung, daß diese Zustände, die wir gemeinsam beklagen, doch die Folge der Konzeption sind, deren Sie sich rühmen, nämlich der Bindung der Rentenformel an den Lohn? Daß das solche Folgen haben mußte für Leute mit geringerem Einkommen, für ältere Angestellte, für Frauen usw., ist eines der Probleme. Auf die anderen werde ich noch eingehen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie einmal sagen würden, ob bei dieser Rentenformel eine andere Lösung möglich gewesen wäre.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Kollegin Kalinke, Sie verfolgen doch die Fachpresse und die Tagespresse genau, und Sie haben — das ergab sich aus der zweiten Lesung — besondere Aufmerksamkeit den Ausführungen von Dr. Heubeck geschenkt.

    (Abg. Frau Kalinke: Auch das!)

    Sie hatten doch auch vorgeschlagen, daß Dr. Heubeck als Sachverständiger in den Ausschuß kommt.

    (Abg. Frau Kalinke: Jawohl!)

    Herr Dr. Heubeck hat in der „Zeit" — ich kann Ihnen das Zitat vorlesen — erklärt, und mit Recht erklärt, daß es nicht sehr schwierig gewesen wäre, im Rahmen des geltenden Systems diesen Mißstand der Senkung der Leistung bei weiterer Beitragszahlung zu beseitigen. Man kann ihn beseitigen. Ich möchte hier nicht eine versicherungstechnische Vorlesung halten. Ich sage, man kann den Mißstand beseitigen, indem man eine besondere Berechnung für die Ersatzzeiten vornimmt. Das kann man technisch regeln. Wir beanstanden, daß der Minister zu all diesen Mängeln noch gesagt hat, sie seien geringfügig und träfen nur einen kleinen Personenkreis; die Behebung der Mängel sei zu schwierig, und man solle besser die Hände davon lassen. Damit kritisiert der Herr Minister doch das System des Gesetzes, denn er sagt: Das System ist jetzt schon so kompliziert! Wenn man daran noch etwas zur Beseitigung von Mängeln ändert, klappt das ganze System nicht! — Das ist gerade Gegenstand unserer Kritik.
    Es ist nach unserer Auffassung ein sehr unerfreulicher Zustand, wenn jemand, der nach einer langen Arbeitslosigkeit wieder mit einem geringeren Arbeitseinkommen arbeitet als vorher — weil er auf Grund seiner sozialen Lage dazu genötigt ist —, dafür später durch eine niedrigere Rente bestraft wird. Das ist eine unmögliche Sachlage, die beseitigt werden muß. Das hängt unter anderem mit der Höchstbegrenzung zusammen. Ich will darauf im einzelnen nicht eingehen. Ich bedaure nur, daß der Herr Minister diese Tatbestände vor dem Hause bagatellisiert hat und daß er vor allen Dingen keine Vorstellungen entwickelt hat, wie man diese Mißstände und Schwierigkeiten beseitigen kann. Wenn der Herr Minister schon keine konstruktiven Vorschläge dafür entwickeln konnte, dann hätte er zumindest ein Wort dazu sagen sollen, was man tun kann, um die Betroffenen besser zu beraten. Wir Sozialdemokraten haben bei der Beratung des Gesetzes den Antrag gestellt, eine Beratungspflicht in der sozialen Rentenversicherung einzuführen; ob nun der Rentenversicherungsträger oder das Versicherungsamt damit befaßt wird, ist egal. Meine Damen und Herren, Sie haben es abgelehnt. Sie überlassen die Menschen ihren Schwierigkeiten, und das ist eine bedauerliche Sache.
    Es gibt noch viele andere Unerfreulichkeiten. Vor einigen Wochen stand in der Presse die Mitteilung, die Rentenbemessungsgrundlage für 1958 sei um 6 % erhöht worden. Auf Grund dieser Mitteilung mußten Millionen von Menschen annehmen, sie würden in den nächsten Wochen und Monaten eine entsprechende Erhöhung der Rente erhalten. Tatsächlich entspricht das nicht der Gesetzeslage; frühestens im September können Regelungen durch Gesetz getroffen werden. Ich bitte die Bundesregierung doch sehr, wenn sie der Öffentlichkeit entsprechende Mitteilungen macht, ganz deutlich zu sagen, worum es sich handelt. Wenn es nämlich heißt: „Die Bemessungsgrundlage für 1958 wird verändert", dann erweckt man dadurch den Eindruck — jedenfalls hat es die Presse so verstanden —, daß jetzt auch die laufenden Renten erhöht werden, während es praktisch den Neuzugang betrifft; über die unerfreulichen Auswirkungen beim Zugang wird hier noch ein anderer Kollege etwas zu sagen haben.
    Ich komme nun zur finanziellen Situation und nähere mich damit dem Ende meiner Ausführungen. Wir alle wissen, daß bei der Beratung der Rentenneuregelungsgesetze der Bundestag und die Öffentlichkeit mit sehr kritischen Stellungnahmen zu dem Grundsatz der Dynamisierung überschüttet wurden und daß erklärt wurde, die Neuregelung der Renten würde zu einer Beeinträchtigung der Währung, der Wirtschaft und des Preisgefüges führen. Es verdient festgehalten zu werden, daß auch Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Herr Bundeswirtschaftsminister und der frühere Finanzminister, Herr Schäffer, durch diese Kritik nicht unwesentlich beeinflußt worden sind und daß auch Mitglieder der Regierungsparteien auf Grund dieser Kritik die Gesetze abgelehnt haben. Heute steht fest, daß die Spareinlagen seit der Währungsreform in keinem Jahr so hoch gewesen sind wie im Jahre 1957.

    (Abg. Schlick: Sehen Sie! — Abg. Ruf: Gute, stabile Verhältnisse und Vertrauen zur Währung!)

    — Wenn man eine Diskussion über die Rentenneuordnung führt, muß man sich daran erinnern. Herr Kollege Ruf, auch Sie gehörten zu denjenigen im Ausschuß, die anfällig gegenüber der Kritik an der Neuordnung waren.

    (Abg. Ruf: Vorsichtig!)

    — Herr Kollege Ruf, wir wollen nicht in alten Protokollen blättern; da gibt es böse Dinge in bezug auf das Auseinanderfallen in der CDU bei der Rentenneuordnung. Es gab sehr bedeutsame Strömungen, deren Vertreter gesagt haben: Wir wollen doch lieber den Vorschlag von Herrn Schäffer übernehmen und jetzt nur eine einmalige Zulage gewähren, usw. Nur der Tatbestand, daß die Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf vorgelegt hatten,

    (Oh-Rufe bei der CDU/CSU)

    und der Umstand, daß der 15. September an die Tür klopfte, haben dann Ihre Arbeiten beschleunigt.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Lenze [Attendorn] : Das war aber eine Weisheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, darüber soll man freimütig sprechen. Ich habe eine dicke Mappe da,



    Dr. Schellenberg
    und ich kann Ihnen die Zitate Ihrer eigenen Minister gern vorlesen, wenn Sie das wünschen.

    (Abg. Schutz: Es gibt auch Zitate von sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden, die in die gleiche Front gehören!)

    — Sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende? Hier im Bundestag?

    (Abg. Schutz: Fraktionsvorsitzende in den Ländern zum Beispiel!)

    — Herr Kollege Schütz, wir können uns gern weiter darüber unterhalten. Es gab auch einige Sozialdemokraten — Sie können sie an den Fingern abzählen —, die nicht diesem Bundestag angehören, die jene Kritik an der Dynamik zur Kenntnis genommen haben.

    (Abg. Schutz: Die maßgebend daran beteiligt waren!)

    — Herr Kollege Schütz, ich spreche von den Beratungen in diesem Hause, von den Beratungen im Plenum und im Ausschuß und von der Stellungnahme der Bundesregierung.
    In finanzieller Hinsicht kommt noch etwas anderes hinzu. Vor einem Jahr wurden die Anträge der Sozialdemokraten, den Härten und Unzulänglichkeiten zu begegnen, von Ihnen unter Hinweis auf die finanzielle Lage größtenteils abgelehnt. Als Unterlage diente ein Voranschlag der Bundesregierung. Aus diesem Voranschlag ging hervor, daß sich für 1957 ein Überschuß von nur 189 Millionen DM ergeben würde, und dann wurde erklärt, es sei kein Fettpolster mehr vorhanden, die Härten und Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Was stellt sich jetzt heraus? Den Abschluß für 1957 habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen, aber eine Veröffentlichung der Bundesbank. In dieser wird erklärt, 1957 betrage der Überschuß 1 750 Millionen DM. Meine Damen und Herren, der Überschuß soll nach der Meinung der Bundesbank also das Zehnfache dessen betragen, womit die Bundesregierung gerechnet hat. Das ist doch eine Fehlschätzung in einer Größenordnung, die die Grenze des Vertretbaren übersteigt.
    Selbstverständlich freuen wir Sozialdemokraten uns über die günstige Finanzentwicklung; das ist selbstverständlich. Aber wir können uns nicht des Eindrucks erwehren, daß damals eine Reduzierung der voraussichtlichen Überschüsse mit dem Hintergedanken erfolgte, die Anträge auf Leistungsverbesserung als finanziell unmöglich darzustellen. Das muß festgehalten werden. Die Sachlage ist heute so, daß die Rentenversicherung Ende 1957 wieder über ein Vermögen von rund 11 Milliarden DM verfügt.

    (Abg. Lenze [Attendorn]: Großartig!)

    — Ich habe gesagt: wir freuen uns darüber. Aber wir sind der Meinung, daß diese Überschüsse die Möglichkeit geben, eine Reihe der schwersten Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Das ist unser Anliegen, und diesem Ziele dient auch unsere Große Anfrage.
    Ich komme jetzt zum Schluß. Der Herr Bundesarbeitsminister bemüht sich — das möchte ich auch hier in aller Öffentlichkeit erklären —, im sozialpolitischen Bereich für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Ich habe ebenso wie meine Freunde am Schluß des Jahres mit großem Interesse gelesen, daß der Herr Bundesarbeitsminister aus Anlaß des Jahreswechsels erklärte:
    Ich pflichte der Kritik bei, die sagt, daß die Verteilung des wachsenden Wohlstands sozial unbefriedigend ist.
    Diese Auffassung des Herrn Ministers können wir voll und ganz unterstützen. Aber ich bedaure, daß bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage die Vorstellungen über eine gerechtere Verteilung im sozialen Bereich nicht voll zum Ausdruck gekommen sind. Der Herr Minister hat ein hartes Wort gesprochen. Er hat von „angeblichen Härten" gesprochen. Wer die Sorgen der über drei Millionen Menschen kennt, die bei der Rentenneuregelung zu kurz gekommen sind, muß diese Erklärung des Ministers als eine schwere Kränkung dieser Menschen empfinden.
    Ein letztes Wort! Wir Sozialdemokraten erklären jetzt bei dem ersten Überblick über die Rentenneuregelungsgesetze, daß wir auf der einen Seite anerkennen, daß die Leistungen für einen Teil der Rentner beachtlich, zum Teil sehr beachtlich verbessert worden sind. Aber wir müssen auf der andern Seite feststellen, daß unsere Befürchtungen in bezug auf eine Reihe von Mängeln und Fehlern der Gesetzgebung traurige Wirklichkeit geworden sind. Die Aufgabe der Zukunft muß sein, diese Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen und eine Reform der sogenannten Rentenreform durchzuführen, damit wir zu einer umfassenden sozialen Neuordnung kommen, die ein Vorbild für Gesamtdeutschland sein kann.

    (Beifall bei der SPD).