Rede:
ID0301100200

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beseitigung der Mängel der Rentenneuregelung (Drucksache 28) Frau Korspeter (SPD) 481 B Blank, Bundesminister . . . 484 D, 511 B, 526 A, 528 B Dr. Schellenberg (SPD) 494 A, 527 C, 529 A Stingl (CDU/CSU) 501 D Walpert (SPD) 511 D Weber (Georgenau) (FDP) 513 C Storch (CDU/CSU) 514 D Frau Kalinke (DP) 515 D Reitzner (SPD) 523 B Scharnowski (SPD) 526 C Antrag der Fraktion der SPD auf Gewährung des vollen Kostenersatzes an die gesetzliche Krankenversicherung (Drucksache 123) Rohde (SPD) 529 C Horn (CDU/CSU) 531 B Mischnick (FDP) 531 C Entwurf eines Gesetzes über die Wahl der Vertreter der Bundesrepublik zu den europäischen Versammlungen (Drucksache 130) — Erste Beratung — 531 D Nächste Sitzung 531 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 533 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Februar 1958 481 11. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Barzel 24. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Bazille 14. 2. Dr. Bechert 14. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 15. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 2. Blachstein 14. 2. von Bodelschwingh 13. 2. Frau Brauksiepe 14. 2. Dr. Brecht 14. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 17. 2. Dopatka 15. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Even (Köln) 15. 2. Faller 7. 3. Felder 31. 3. Frau Friese-Korn 28. 2. Gedat 22. 2. Gerns 14. 2. Günther 14. 2. Hahn 14. 2. Hansing 13. 2. Hellenbrock 14. 2. Dr. Höck 21. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Jacobs 12. 3. Jürgensen 28. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kemmer 14. 2. Keuning 14. 2. Kiesinger 14. 2. Frau Kipp-Kaule 13. 2. Köhler 14. 2. Dr. Kopf 15. 2. Kühlthau 14. 2. Kunze 15. 2. Dr. Leiske 22. 2. Lenz (Brühl) 14. 2. Dr. Leverkuehn 14. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 3. Mellies 8. 3. Mengelkamp 14. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 13. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8. 3. Muckermann 14. 2. Ollenhauer 14. 2. Paul 28. 2. Pelster 14. 2. Frau Pitz-Savelsberg 13. 2. Ramms 14. 2. Schmidt (Hamburg) 13. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 14. 2. Dr. Siemer 14. 2. Stahl 14. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Dr. Wilhelmi 13. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Lisa Korspeter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Schon als der 2. Bundestag Anfang des vorigen Jahres die Gesetze zur Neuregelung des Rechtes der Arbeiter-, der Angestellten- und der Knappschaftsversicherung verabschiedet hatte, sind in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen sehr bald Stimmen lautgeworden, die eine Reform dieser Gesetze forderten. Schon damals wurde von vielen Seiten auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Reihe von Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen oder sie durch andere Gesetze wieder auszugleichen. Es wurde auf gewisse Auslegungsschwierigkeiten aufmerksam gemacht — auf Bestimmungen, die den Willen des Gesetzgebers nicht deutlich genug erkennen lassen —, die zur Erleichterung der Arbeit der Versicherungsträger und der Sozialgerichtsbarkeit, aber auch vor allen Dingen im Interesse der Rentner und Antragsteller behoben werden müßten. Darüber hinaus wurde vor allem eine Vereinfachung der Rentenberechnung gefordert. Diese Vereinfachung sollte eine schnellere Abwicklung der Rentenanträge sicherstellen.
    Ich glaube, über die mangelnde Sorgfalt der Bundesregierung bei der Vorbereitung der Gesetzentwürfe kann kein Zweifel bestehen. Ich darf die Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses daran erinnern, wieviel Änderungsanträge die Regierungskoalition selber zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß eingebracht hat. Auch der Zeitdruck, unter dem die Beratung und die Verabschiedung der Gesetze standen, hat wesentlich dazu beigetragen, daß eine Reihe von Unklarheiten in diesen Gesetzen belassen worden sind. Sicher ist auch die Bundesregierung über das Ausmaß der Beanstandungen, die sowohl von den Betroffenen, aber auch von den Versicherungsträgern ausgingen, weitgehend unterrichtet. Nicht nur die Sozialdemokraten haben eine Verbesserung dieser Gesetze gefordert, auch der damals noch amtierende Bundesarbeitsminister, Herr Kollege Storch, hat in seinen Wahlreden gesagt, daß sich eine Überprüfung der Gesetze als notwendig erwiesen habe. Schließlich hat sich auch der Herr Bundeskanzler selber zu den Fragen der durch die Rentengesetze benachteiligten Rentner geäußert, und er hat im Wahlkampf eine erneute Überprüfung und auch eine Beseitigung der bekanntgewordenen Mängel versprochen.

    (Abg. Erler: Hört! Hört!)

    Natürlich ist uns nicht bekannt, ob die Uberprüfung im Bundesarbeitsministerium noch nicht abgeschlossen ist, wir wissen auch nicht einmal, ob Überprüfungen mit dem Ziel von Verbesserungen stattfinden; aber wir sind der Meinung, daß die Betroffenen sehr bald von der Bundesregierung darüber etwas hätten hören sollen, ob sie bereit ist, dem Bundestag Änderungsvorschläge zur Beseitigung von Härten und Ungerechtigkeiten und auch der Schwierigkeiten bei der Rentenberechnung vorzulegen, und nach welchen Vorstellungen sie dabei verfahren will.
    Schließlich sind — ich bitte das zu bedenken — schon mehrere recht erfahrungsreiche Monate ins Land gegangen, ja es ist ein ganzes Jahr vergangen, in dem Erfahrungen hätten gesammelt werden können. Das Schweigen der Bundesregierung war die Veranlassung zu unserer Großen Anfrage. Wir meinen, daß die betroffenen Rentner das Recht



    Frau Korspeter
    haben, endlich zu erfahren, wann und wie das vor der Wahl abgegebene Versprechen der Bundesregierung, insbesondere des Herrn Bundeskanzlers, eingelöst werden soll.
    Es ist dem Hause und auch der breiten Öffentlichkeit bekannt, daß wir Sozialdemokraten die Verabschiedung dieser Gesetze im Interesse der Alten, der Arbeitsunfähigen, der Witwen und Waisen begrüßt und diesen Gesetzen zugestimmt haben. Ja, es ist bekannt, daß wir — ich bitte, daß jetzt nicht ein Sturm der Entrüstung von der anderen Seite kommt — die eigentliche Initiative zu dieser Gesetzgebung gegeben haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben nicht auf die Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung gewartet, sondern wir haben mit einem eigenen Gesetzentwurf einen entscheidenden Anstoß zur Neuregelung auf diesem Gebiet gegeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben allerdings auch niemals Zweifel daran gelassen, daß wir in einer Reihe von Regelungen, die durch die Mehrheit der Regierungskoalition durchgesetzt worden sind, Härten und Ungerechtigkeiten sähen, um deren Beseitigung wir uns ständig bemühen würden. Wir hoffen sehr, daß unsere Große Anfrage und die Antwort der Bundesregierung zu einer Klärung des Sachverhalts führen und auch die Voraussetzung für notwendige Verbesserungen schaffen werden.
    Dabei nehmen wir nicht in Anspruch, daß der in unserer Großen Anfrage aufgeführte Katalog von Fragen erschöpfend ist. Wir meinen aber, daß bei einer Gesetzesänderung die von uns angeführten Gesichtspunkte vor allen Dingen berücksichtigt werden müssen.
    Da sind es insbesondere die leidigen Anrechnungsbestimmungen, die so viel Unruhe hervorgerufen haben, so stark, daß die Klagen anscheinend auch dem Herrn Bundeskanzler auf seinen Wahlreisen zu Ohren gekommen sind. Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich vier Tage vor der Wahl in einem Brief an den Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Dr. Krone, für eine Verbesserung der Anrechnungsbestimmungen eingesetzt. Wir waren von diesem Vorgehen — ich kann es ganz offen sagen — zwar einigermaßen überrascht; denn soweit ich mich erinnere, hat auch der Herr Bundeskanzler gegen unseren Antrag gestimmt, die Bestimmungen über die gegenseitige Anrechnung nicht anzuwenden. Er befand sich bei der Verabschiedung der Gesetze ja hier im Hause. Aber wir waren über sein Versprechen auch im Interesse der Rentner erfreut. Sie wissen, die Bestimmungen über die gegenseitige Anrechnung fanden von jeher unsere Ablehnung. Nun aber ist es ganz selbstverständlich, daß wir nach dem Brief des Herrn Bundeskanzlers auch gerne Taten sehen würden; denn wir nehmen nicht an, daß diese Anregungen nur etwas mit Wahltaktik zu tun gehabt haben sollen.
    Wir haben eine weitere Frage aufgeworfen; sie betrifft die Rentner, die jetzt neben ihrer
    Rente noch Fürsorgeunterstützung beziehen. Wir möchten deshalb gern wissen, ob durch eine neue gesetzliche Regelung dafür gesorgt werden soll, daß Rentenempfänger nach einem Arbeitsleben nicht mehr auf eine laufende Unterstützung durch die öffentliche Fürsorge angewiesen sind. Entgegen den optimistischen Angaben der Bundesregierung, daß sich durch die Rentengesetze die Zahl der Rentner, die neben ihrer niedrigen Rente noch auf Fürsorgeunterstützung angewiesen seien, wesentlich verringern werde, ist diese Entwicklung nicht eingetreten.

    (Abg. Horn: Wissen Sie auch, warum?)

    Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich vorweg sagen, daß nach unserer grundsätzlichen Auffassung die Rente in Zusammenhang mit den gezahlten Beiträgen und damit dem früheren Arbeitseinkommen stehen soll.

    (Abg. Horn: Na also!)

    — Es ist aber ein unmöglicher Zustand, Herr Kollege Horn, daß Menschen nach einem Arbeitsleben und langjähriger, wenn auch ihrem Einkommen entsprechend leider niedriger Beitragszahlung — da gibt es eine ganze Reihe von Berufsgruppen, und sie sind dem Hause bekannt — weiter auf die Unterstützung aus der Fürsorge angewiesen bleiben sollen. Man soll sich sehr genau überlegen, in welcher Weise ein ausreichender sozialer Ausgleich geschaffen werden kann, damit man auch dem sozialen Charakter der Sozialversicherung gerecht wird.
    Wir wollen weiterhin wissen, ob die Bundesregierung bereit ist, eine Änderung herbeizuführen, damit Zeiten des Militärdienstes, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit sowie der Schul- und Berufsausbildung bei allen Rentnern als voll rentensteigernd berücksichtigt werden können. Da die Höhe des Ruhegeldes nach der neuen Gesetzgebung ausschließlich von der Höhe und der Dauer der Beitragszahlung abhängt, ist das Schließen der Beitragslücken von ausschlaggebender Bedeutung. Wir haben zwar bei den Rentengesetzen — es ist dem Haus bekannt, daß meine Fraktion um diese Frage ganz besonders gerungen hat — einen großen Teil der Beitragslücken schließen können. Aber es ist uns leider nicht gelungen, hierbei die volle Gerechtigkeit zu erreichen. Das hat die Praxis der letzten Monate sehr deutlich bewiesen. Da sind einmal die vielen alten Rentner, deren Beitragslücken nur pauschal angerechnet werden und die bei überdurchschnittlichen Ausfallzeiten eine ganz erhebliche Einbuße erleiden. Bedenken Sie bitte, daß solche überdurchschnittlichen Ausfallzeiten bei der Generation, die von der neuen Regelung betroffen ist, nicht etwa nur einzelne Ausnahmen sind. Das Schicksal des Krieges, der Massenarbeitslosigkeit und der Inflation hat sie hart, sehr hart getroffen.
    Ferner hat sich in der Praxis der neuen Rentenberechnung bei der Neufestsetzung ungerecht ausgewirkt, daß Zeiten von Krankheit und Arbeitslosigkeit nicht schon von der ersten Woche an rentensteigernd berücksichtigt werden. Wir sind deshalb der Meinung, daß auch hier eine Überprü-



    Frau Korspeter
    fung stattfinden muß. Wir bitten um Auskunft, ob die Regierung bereit ist, auch hier dem Hause Änderungsvorschläge zu unterbreiten.
    Ein weiterer Mißstand besteht darin, daß die Entrichtung von Versicherungsbeiträgen nicht immer zu einer entsprechenden Rentenleistung führt. Diese Ungerechtigkeit wirkt sich ganz besonders zum Nachteil der Angestellten aus; sie können trotz erheblicher Beitragszahlung infolge der Höchstbegrenzung der Renten in vielen Fällen keine entsprechende Gegenleistung erzielen. Es ist grotesk, aber Tatsache: in zahlreichen Fällen führt die Entrichtung weiterer Beiträge sogar zu einer Verminderung des Rentenanspruchs, weil sich, insbesondere bei Versicherten mit Zeiten längerer Arbeitslosigkeit oder Kriegsdienst oder Krankheit, die individuelle Bemessungsgrundlage entsprechend vermindert.
    Der Umstand, daß sich durch eine weitere Beitragszahlung die Höhe der Rente sogar vermindern kann, widerspricht nicht nur allen versicherungstechnischen Grundsätzen, sondern ist unserer Ansicht nach als geradezu unmoralisch zu bezeichnen. Wir fragen deshalb die Bundesregierung, ob sie bereit ist, diesen Zustand zu beseitigen und eine gerechte Lösung vorzuschlagen.
    Nun, meine Herren und Damen, komme ich zu einem Punkt, der die breite Öffentlichkeit in zunehmendem Maße beschäftigt und beunruhigt; das ist die Tatsache, daß die Antragsteller im Durchschnitt neun Monate auf die Festsetzung ihrer Rente warten müssen.
    Ich muß vorweg bemerken, daß all die schönen Propagandareden der Bundesregierung nicht stimmen, die Rentenberechnung sei nach den neuen Rentengesetzen sehr einfach, könne schnell durchgeführt werden, jeder könne die Rente mit Leichtigkeit selber berechnen. Es ging so weit, daß sogar einmal gesagt wurde — ich glaube, es war vom Kollegen Storch —, der Junge, der noch auf der Schulbank sitze, sei in der Lage, die Rente seines Vaters zu berechnen.
    Diese schönen Propagandareden stimmen nicht, sie sind falsch. Es hat sich inzwischen herausgestellt, daß nicht die Propagandaformel der Bundesregierung zutreffend war, sondern daß die Warnungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eingetroffen sind.

    (Abg. Ruf: Ihre Formel wäre genauso kompliziert gewesen.)

    Meine Damen und Herren, wegen der Kompliziertheit der Rentenberechnung warten heute noch ungefähr 500 000 Rentner auf die Neufestsetzung ihrer Rente. Ich glaube, das ist ein Mißstand, an dem das Parlament auf gar keinen Fall achtlos vorübergehen darf, denn viele Rentner — das wissen wir alle aus unseren Sprechstunden und aus den Briefen, die uns erreichen — konnten die ihnen zustehenden Rentenerhöhungen bis heute nicht erhalten.

    (Abg. Dr. Dittrich: Haben Sie genügend Fachleute?)

    Nach den Rentengesetzen sollte die Umstellung der laufenden Renten auf das neue Recht — das galt insbesondere für die Fälle der sogenannten Wanderversicherung — spätestens bis Ende Dezember 1957 abgeschlossen sein. Tausende von Rentnern warten heute noch vergeblich. Ich frage deshalb: Welche Pläne hat die Bundesregierung, um die Berechnung der Renten zu vereinfachen, welche Überlegungen hat sie im Interesse der Antragsteller und der Rentner in dieser Hinsicht angestellt? Aber die neuen Überlegungen sind auch notwendig, um den Angestellten und den Beamten in den Rentenversicherungsträgern bessere Arbeitsvoraussetzungen zu schaffen. Sie sind leider trotz größter persönlicher Anstrengungen und Überstunden, trotz Inanspruchnahme aller technischen Hilfsmittel wegen der Kompliziertheit der Berechnung bis jetzt nicht imstande gewesen, allen Anforderungen gerecht zu werden. Die Angestellten und Beamten der Versicherungsträger trifft leider die Unzufriedenheit der Rentner zuerst, allerdings, wie ich meine, völlig zu Unrecht.
    Die Unzufriedenheit war auch deshalb besonders groß, weil die Rentner vor der schmerzlichen Tatsache standen, vor Weihnachten keine erhöhte Rentenzahlung mehr erhalten zu können. Hinzu kommt schließlich auch, daß dieser Personenkreis unter den erhöhten Ausgaben des Winters ganz besonders zu leiden hatte und daß man darauf überhaupt keine Rücksicht genommen hat.
    Wir fragen deshalb die Bundesregierung: Ist sie bereit, den immer noch wartenden Rentenempfängern als erste Sofortmaßnahme angemessene Vorschüsse auf die endgültige Rentenleistung zu zahlen?
    Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu Punkt 5 unserer Großen Anfrage. Dieser Punkt bietet uns allerdings Anlaß zu besonderer Beanstandung. Die Bundesregierung hat nämlich mit der Behandlung, oder ich möchte besser sagen: mit der Nichtbehandlung dieser Materie ein Versäumnis auf sich genommen, über das wir uns als Parlament, d. h. also wir alle, auch die Regierungskoalition, mit der Bundesregierung auseinanderzusetzen haben. Es handelt sich dabei um die Verwirklichung der sozialen Rechte der Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und der Einheimischen, bei denen die Versicherungsunterlagen durch die Kriegseinwirkungen verlorengegangen sind.
    Es ist dem Hause bekannt, daß die Renten dieses Personenkreises nach den Vorschriften des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes berechnet werden. Für alle, die keine Nachweise für die geleisteten Beiträge beibringen können — und das ist sicher die Mehrzahl der Vertriebenen und der Flüchtlinge —, werden Tabellen der ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz angewandt, deren Berechnungsgrundlagen leider im Endresultat zu ungerechten Rentenleistungen führen. Sie gehen von zu niedrig angenommenen Arbeitsverdiensten aus. Nach dieser ersten Verordnung zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz wird beispielsweise für Arbeiter ein Monatsverdienst von 240 Mark und für Arbeiterinnen lediglich ein Monatsverdienst von 140 Mark zugrunde gelegt. Aus der



    Frau Korspeter
    Zugrundelegung dieses niedrigen Arbeitseinkommens ergeben sich außerordentlich niedrige Steigerungsbeträge für die Rentner, und weil nach den Rentenneuregelungsgesetzen nunmehr ausschließlich die Steigerungsbeiträge die Höhe der Renten bestimmen, kommen die betreffenden Rentner eben zu kurz.
    Um die Rechte der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge nicht weiterhin zu schmälern, stellte meine Fraktion damals bei der Beratung der Neuregelungsgesetze den Antrag, diese Renten sofort mit den Renten der Nichtgeschädigten gleichzustellen. Dieser Antrag wurde von der Regierungskoalition abgelehnt, wahrscheinlich deshalb, weil man die Mittel nicht sofort zur Verfügung stellen wollte. Dem Arbeitsministerium wurde aber die Verpflichtung auferlegt — und zwar auch wieder auf Drängen meiner Fraktion —, diese Ungerechtigkeiten durch eine Rechtsverordnung aus der Welt zu schaffen. Das sollte sie — so steht es deutlich im Gesetz — bis zum 30. Juni 1957 tun. Leider kam die Bundesregierung dem Auftrage des Bundestages nicht nach.
    Unsere Kleine Anfrage in dieser Sache vom 29. August 1957, in der wir um Auskunft darüber ersuchten, warum es noch nicht geschehen sei, wurde von der Bundesregierung unbefriedigend und unzureichend beantwortet. Eine Regelung steht immer noch aus.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bedeutet nicht nur eine ausgesprochene Ungerechtigkeit, Härte und Verständnislosigkeit gegenüber den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, das bedeutet auch eine doppelte Belastung der Rentenversicherungsträger. Sie sind gezwungen, alle diese Renten nach dem Erlaß der vorgesehenen Rechtsverordnung erneut umzurechnen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Schließlich ist es aber — lassen Sie mich auch das noch sagen — auch für das Parlament völlig unzumutbar, daß Gesetze mit einem klaren Auftrag an die Bundesregierung so behandelt werden, wie das hier geschieht. Das ist eine Mißachtung des Parlaments, das geht uns alle etwas an. Wir fragen deshalb die Bundesregierung: Weshalb hat sie den eindeutigen, klaren Willen des Bundestages mißachtet und wann kann mit einer Regelung gerechnet werden?

    (Beifall bei der SPD.)

    Zum Schluß möchte ich unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß unsere Große Anfrage nicht schon vor Weihnachten von der Bundesregierung beantwortet worden ist. Die SPD-Fraktion hatte sie bereits am 28. November eingereicht. Wir hätten deshalb eigentlich annehmen können, daß sich die Bundesregierung trotz der Kompliziertheit der Materie zu einer Beantwortung unserer Großen Anfrage noch vor Weihnachten entschließen würde. Die Mißstände, auf die ich hingewiesen habe, betreffen das soziale Schicksal von Millionen Alter und Arbeitsunfähiger. Jeder von uns, der sich mit dem Los der Rentner befaßt, weiß, daß es sich bei den von uns vorgetragenen Fragen um entscheidende Angelegenheiten für Millionen von Rentnern handelt. Wir wollen heute — diese Bitte möchte ich sehr herzlich an den Herrn Bundesarbeitsminister richten — von der Bundesregierung nicht etwa einen Erfolgsbericht über die Rentengesetze hören. Wir wissen selbst — denn wir sind daran ja nicht ganz unbeteiligt —, daß die Rentengesetze eine Reihe von Verbesserungen gebracht haben. Aber wir wissen ebensogut, daß sie Mängel und Ungerechtigkeiten beinhalten, die beseitigt werden müssen. Über diese Mängel, Ungerechtigkeiten und Härten wollen wir uns heute unterhalten.
    Im übrigen, meine Damen und Herren von der CDU, wollen Sie doch den Herrn Bundeskanzler nicht in Verlegenheit bringen. Ich beziehe mich deshalb noch einmal auf den Brief, den der Herr Bundeskanzler vier Tage vor der Wahl an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Herrn Dr. Krone, gerichtet hat. In diesem Brief schrieb er wortwörtlich:
    Es wird im nächsten Bundestag eine unserer dringendsten Aufgaben sein, sämtliche noch vorhandenen Unstimmigkeiten auf diesem Gebiet zu beseitigen, damit die Rentner auch wirklich in den Genuß der Rentenerhöhung kommen. Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die vorgesehenen Verbesserungen durch eingehende Anrechnungsbestimmungen in vielen Fällen kaum zur Auswirkung gelangen.
    So wortwörtlich der Herr Bundeskanzler.
    Und nun ein Wort an den Herrn Bundesarbeitsminister: Wir erwarten nicht nur, daß die Bundesregierung unsere Große Anfrage ausführlich beantwortet, sondern wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie auch im Interesse der betroffenen Menschen so schnell wie möglich handelt.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Der Herr Bundesminister für Arbeit zur Beantwortung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Korspeter bemängelte, daß die Bundesregierung erst so spät die Große Anfrage der SPD-Fraktion beantwortet. Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, schon im vergangenen Monat die Große Anfrage zu beantworten. Daß die Geschäftslage dieses Hohen Hauses erst heute zuläßt, daß wir uns mit der Materie beschäftigen, hat die Bundesregierung billigerweise nicht zu vertreten.
    Und nun darf ich die Antwort der Bundesregierung auf Ihre Große Anfrage geben. Zum allgemeinen Teil der Frage 1:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Härten und Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die bei der Neuregelung des Rechts der Rentenversicherungen der Arbeiter, der Angestellten und der Knappschaft aufgetreten sind?
    gebe ich folgende Antwort.



    Bundesarbeitsminister Blank
    Ein Teil der Erörterungen über die Ergebnisse der Rentenreform und auch der Inhalt dieser von mir zu beantwortenden Anfrage könnten in der Öffentlichkeit bei unzureichend unterrichteten Personen den Eindruck erwecken, die Ergebnisse der Rentenreform seien unbefriedigend. Demgegenüber kann und muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die Rentenreform in ihrer ersten Durchführung das Ziel erreicht hat, das bei der Verabschiedung der Rentenneuregelungsgesetze erstrebt wurde. Es sollte eine fühlbare Aufbesserung der bereits laufenden Renten erfolgen. Das Ausmaß der Aufbesserung sollte in der Arbeiterrentenversicherung und in der Angestelltenrentenversicherung im Durchschnitt zwischen 60 und 70 % der bisherigen Rentenzahlbeträge liegen.
    Nach der Umstellung der laufenden Renten in der Arbeiterrentenversicherung und in der Angestelltenrentenversicherung hat sich ergeben, daß die tatsächlichen Rentenerhöhungen dieser Plansetzung entsprechen. Sie betragen im Durchschnitt bei der Arbeiterrentenversicherung rund 62 % und bei der Angestelltenversicherung rund 69 %. Für die knappschaftliche Rentenversicherung liegen verwertbare Zahlenergebnisse noch nicht vor, da bei diesem Versicherungszweig die Umstellung der Renten — die ja alle individuell umgestellt werden — noch nicht abgeschlossen ist.
    Die Durchschnittsrenten haben sich in folgendem Umfang erhöht: In der Arbeiterrentenversicherung stiegen die Versichertenrenten von 90,24 DM auf 143,20 DM, die Witwenrenten von 55,28 DM auf 96,60 DM und die Waisenrenten von 32,40 DM auf 50,30 DM. In der Angestelltenversicherung haben sich die Versichertenrenten von 137,52 DM auf 227,20 DM, die Witwenrenten von 73,70 DM auf 139,10 DM und die Waisenrenten von 38,40 DM auf 53,90 DM erhöht.
    Durchschnittsrente bedeutet in diesem Zusammenhang die Rente, die sich ergibt, wenn der Gesamtaufwand für eine bestimmte Rentenart durch die Anzahl der Bezieher dieser Art von Rente geteilt wird. Sie bezeichnet nicht die absolute Häufigkeit ihres Vorkommens. Infolge der Unterschiedlichkeit der Versicherungsdauer und der Höhe der Versichertenentgelte, insbesondere durch den Einfluß der nur zeitweise und meist niedrig versicherten freiwillig Versicherten liegen die tatsächlichen Renten unter oder über den Durchschnittswerten. Die Männerrenten liegen sehr oft erheblich über dem Durchschnitt und die Frauenrenten vielfach wegen der kürzeren Versicherungsdauer und des geringeren Arbeitsentgelts nur beim Durchschnitt oder darunter.
    Die Gesamtaufwendungen für die Renten der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung sind nach Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze am 1. 1. 1957 erheblich gestiegen, obwohl im Jahre 1957 noch nicht alle Zahlungen bewirkt werden konnten, die in diesem Jahre zu leisten gewesen wären. Die Ist-Ausgaben für Rentenleistungen im Jahre 1957 werden in der Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung zusammen mindestens 10,8 Milliarden DM betragen.
    Die in der Erledigung noch rückständigen Rentenanträge und die noch nachkommenden Neuanträge auf Renten, die zum größten Teil rückwirkend ab 1. 1. 1957 zu Rentenleistungen führen, werden noch einen Betrag von rund 800 Millionen DM als weitere Rentenbelastung für 1957 vermutlich zur Folge haben.
    Es wird der für 1957 in der für die dritte Lesung der Rentenneuregelungsgesetze aufgestellten Berechnung des Rentenaufwands angegebene Betrag von 11,57 Milliarden DM mit größter Wahrscheinlichkeit erreicht, wenn nicht überschritten werden. Damit würde der Mehraufwand der Arbeiter- und der Angestelltenrentenversicherung allein bei den Rentenausgaben im Jahre 1957 gegenüber 1956 insgesamt 5,1 Milliarden DM, und wenn man die für 1956 auf die Rentenreform bereits gezahlten einmaligen Vorschußleistungen abzieht, 4,3 Milliarden DM betragen.
    In diesem gewaltigen Ausmaß sind die Leistungen der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung verbessert worden. Diejenigen Rentner, für die die Rentenreform sozialpolitisch gerechtfertigt war, haben eine gerechte Aufbesserung erhalten.
    In der Kritik an den Ergebnissen der Rentenreform werden Meinungen geäußert, denen widersprochen werden muß. Es war nicht das Ziel der Rentenreform, jedem Versicherten, der in der Vergangenheit einen Rentenanspruch erworben hat, aus der Versicherung einen Leistungsanspruch in solcher Höhe zu geben, daß damit sein Lebensunterhalt in der Zukunft in vollem Umfange sichergestellt sei.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Das war nur für diejenigen als Ziel gesetzt, die ein volles Arbeitsleben als Versicherte hinter sich haben.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Die Rentenversicherung ist eine Versicherung, aufgebaut auf der Solidarität der in ihr zusammengeschlossenen Versicherten. Sie hat nicht die Aufgabe und kann sie auch nicht übernehmen, persönliche Schicksale ihrer Mitglieder auszugleichen, soweit sie nicht, wie bei vorzeitiger Invalidität, in das Versicherungsrisiko eingeschlossen sind. Die Rentenversicherung kann nicht einem Mitglied, das nur einige Jahre Mitglied war und nur kurze Zeit Beiträge gezahlt hat, eine Leistung gewähren, als ob es Zeit seines Lebens Mitglied gewesen wäre. Sie kann auch nicht für Personen, die erst nachträglich auf Grund von besonderen Ereignissen, wie Krieg, Vertreibung, Währungsumstellung, in die Versicherung eingetreten sind und auf Grund der allgemeinen Vorschriften nur eine geringe Rentenleistung aus der Rentenversicherung zu erwarten haben, einen Ausgleich aus der Versicherung auf Kosten der während ihres ganzen Arbeitslebens versicherten Mitglieder gewähren. In solchen Fällen einzutreten, ist Sache anderer Hilfseinrichtungen: der Kriegsopferversorgung, des Lastenausgleichs und der Fürsorge. Man kann ruhig sagen, daß in dieser Beziehung den Rentenversicherungen schon



    Bundesarbeitsminister Blank
    sehr viel an Belastung aufgebürdet worden ist. Ein Mehr ist untragbar. Überlegt man diese Zusammenhänge richtig, so wird man erkennen, daß sehr viele der angeblichen Härten und Ungerechtigkeiten der Rentenreform keine Härten und Ungerechtigkeiten dieser Reform sind, sondern Folgen von Tatbeständen, für die nicht die Rentenversicherung, sondern die Allgemeinheit der Bevölkerung durch anderweitige Hilfseinrichtungen einzustehen hat.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Es ist aber noch ein weiterer Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Ergebnisse der Rentenreform zu beachten. In der Arbeiterrentenversicherung und der Angestelltenversicherung waren 61,/2 Millionen laufende Renten auf das neue Rentensystem umzustellen, und die Umstellung sollte im Interesse der Rentner sofort erfolgen. Diese gewaltige Aufgabe war nur mit besonderen Verfahren zu bewältigen, die eine pauschale Berücksichtigung bestimmter Tatbestände und die Verwendung von Tabellen ermöglichten. Bei solchen Verfahren können die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles nicht in gleicher Weise berücksichtigt werden, wie dies bei der Neufestsetzung einer Rente beim Vorhandensein aller Unterlagen aus der Vergangenheit möglich ist, ohne daß man deshalb grundsätzlich von Ungerechtigkeit oder Härte in bezug auf das Ergebnis sprechen kann.
    Die Ergebnisse der Umstellung der laufenden Renten der Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung können zur Zeit zutreffend überhaupt nur in ihrem vorhin angeführten Gesamtergebnis gewertet werden, weil die Umstellung der laufenden Renten gerade jetzt zum Abschluß kommt und Einzeluntersuchungen bisher noch nicht durchgeführt werden konnten. Es ist heute noch verfrüht, über die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelungsbestimmungen zu urteilen

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    — ich komme auf diesen Tatbestand später noch einmal zurück —, weil eine entsprechende Auswertung der Ergebnisse noch nicht vorliegt und auch noch nicht vorliegen kann. Wenn die weiteren Erfahrungen und die vorzunehmenden Untersuchungen wirkliche Mängel und Ungerechtigkeiten der Rentenneuregelung ergeben sollten, so wird die Bundesregierung Vorschläge zu ihrer Beseitigung machen.
    Auf die Einzelfragen der Großen Anfrage gebe ich folgende Antwort.
    Die Frage 1 a lautet:
    Ist die Bundesregierung bereit, Entwürfe für eine Gesetzesänderung vorzulegen, die vor allem gewährleisten, daß die Härten, die sich aus der Anrechnung der Renten auf andere Sozial- und Versorgungsleistungen ergeben haben, beseitigt werden?
    Ich möchte darauf wie folgt antworten. Die Anrechnung von Renten aus der Rentenversicherung auf andere Sozial- und Versorgungsleistungen ist kein Problem der Rentenversicherung. Diese gewährt ihre Leistungen einschließlich der durch die Neuregelungsgesetze bestimmten Erhöhungen ohne jeden Abzug, wenn man von den Fällen absieht, in denen Renten aus der Rentenversicherung mit Renten aus der Unfallversicherung zusammentreffen und die besonders geregelt sind. Andere Gesetze dagegen, wie das Bundesversorgungsgesetz, das Lastenausgleichsgesetz, das Bundesentschädigungsgesetz, das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und die Bestimmungen über die öffentliche Fürsorge schreiben die Anrechnung von Einkünften, zu denen auch die Renten aus der Rentenversicherung gehören, auf die sonstigen Sozial- oder Versorgungsleistungen in bestimmten Fällen vor. In den Verhandlungen in den gesetzgebenden Körperschaften wurde von der Bundesregierung und von der Mehrzahl der Abgeordneten des Bundestags die Auffassung vertreten, daß, abgesehen von einer Übergangszeit von Januar bis April 1957, die entsprechenden Regelungen über die Anrechnung nur in den genannten anderen Gesetzen zu treffen seien und daß diese Regelungen grundsätzlich nach Ablauf der erwähnten Übergangszeit auch für die Fälle des Zusammentreffens mit Renten Geltung behalten müßten. Die Bundesregierung ist nach wie vor dieser Auffassung.
    Die Bundesregierung hat aber inzwischen aus den Ergebnissen der Durchführung der Rentenneuregelungsgesetze festgestellt, daß sich bei der Anrechnung der Rentenleistungen auf die anderen sozialen Leistungen in gewissen Fällen Härten ergeben haben, die weder im Sinne der Rentenneuregelungsgesetze noch in dem der anderen sozialen Gesetze liegen. Es haben sich Fälle ergeben, in denen Kriegerwitwen durch die Erhöhung der Rente aus einem Zweig der Rentenversicherungen nicht nur die Ausgleichsrente, sondern auch das vom Bezug der Ausgleichsrente abhängige Kindergeld verloren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Unter Umständen konnte dies dazu führen, daß die Gesamteinkünfte niedriger wurden als vor der Rentenerhöhung durch die Rentenneuregelungsgesetze. Auch bei einem Teil der Pflegezulageempfänger ergeben sich durch die besondere Behandlung der Kinderzuschläge aus der gesetzlichen Rentenversicherung vereinzelt Unstimmigkeiten. Zur Beseitigung dieser Härten habe ich gemäß § 89 des Bundesversorgungsgesetzes allgemein einen Ausgleich zugelassen.
    Im übrigen ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Anrechnungsbestimmungen verschiedener Gesetze wegen ihrer Anwendbarkeit auf die Rentenerhöhung nach den Rentenneuregelungsgesetzen nicht grundsätzlich als Härten betrachtet werden können, weil sie auch auf die Bezieher anderer Einkommen, die nicht aus Renten bestehen, Anwendung finden.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Die Tatsache, daß der Bundestag in Kenntnis der Auswirkung der Rentenneuregelungsgesetze in der Sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz keine Änderung der Anrechnungsbestimmungen vorgenommen hat, sondern die Leistungsverbesse-



    Bundesarbeitsminister Blank
    rungen der Kriegsopferversorgung grundsätzlich durch eine Erhöhung der keiner Anrechnung unterliegenden Grundrenten durchgeführt hat, ist für die Bundesregierung Anlaß, ihre Beurteilung des gesamten Problems der Anrechnung bestimmter Sozialleistungen auf andere Sozialleistungen zurückzustellen, bis über die künftige Gestaltung derjenigen sozialen Leistungen, deren Neuordnung noch bevorsteht, insbesondere über die Neuordnung der Kriegsopferversorgung, entschieden wird.
    Für die Beurteilung des erörterten Problems sind nach Auffassung der Bundesregierung zudem zwei Tatsachen entscheidend zu berücksichtigen. Der größte Teil der Rentner, die mit ihrer Rentenerhöhung unter die Anrechnungsbestimmungen fielen, hat durch die nach der Rentenreform verabschiedeten Novellen zum Bundesversorgungsgesetz und zum Lastenausgleichsgesetz Aufbesserung auch dieser Bezüge erhalten, die die erfolgte Anrechnung der Rentenleistung ganz oder teilweise wettmacht, während den Fürsorgeempfängern bereits die Rentenneuregelungsgesetze die Mindesterhöhungen anrechnungsfrei gelassen haben.
    Außerdem ist von besonderer Wichtigkeit, daß die sich aus den Anrechnungen ergebenden Beträge nicht zugunsten des Bundeshaushalts eingespart worden sind, sondern, wenn auch unter Anwendung eines anderen Verteilungsschlüssels, unter erheblicher Erhöhung der Gesamtsumme zu Leistungsverbesserungen für die Kriegsopfer und Lastenausgleichsberechtigten verwendet worden sind.

    (Abg. Horn: Sehr gut!)

    Bei Berücksichtigung dieses Sachverhalts wird man nach Durchführung des von mir zugesagten Härteausgleichs in den erwähnten Fällen von einer ungerechten Benachteiligung der Rentenempfänger nicht sprechen können.

    (Zustimmung in der Mitte.) Die Frage 1 b lautet:

    Ist die Bundesregierung bereit, einen Entwurf für eine Gesetzesänderung vorzulegen, die gewährleistet, daß Rentenempfänger nach einem Arbeitsleben nicht mehr auf laufende Unterstützungen der öffentlichen Fürsorge angewiesen sind?
    Ich darf die Frage wie folgt beantworten.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Bindung der Höhe der Renten aus den Rentenversicherungen an die Fürsorgerichtsätze — darauf läuft der Sinn der gestellten Frage hinaus — nicht vorgenommen werden sollte.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    — Hören Sie bitte meine Begründung. Nach den Neuregelungsgesetzen errrechnet sich die Rente nach der Dauer der Versicherung und den Arbeitsentgelten des Versicherten, von denen Beiträge entrichtet wurden. Kurze Versicherungsdauer bringt nur eine entsprechend geringe Rente. Ebenso führen niedrige Arbeitsentgelte, von denen auch nur
    niedrige Beiträge entrichtet sind, zu einer niedrigen Rente. Nach einem vollen Arbeitsleben als Versicherter, von dem man sprechen kann, wenn der Versicherte — unter Berücksichtigung der sehr großzügig geregelten Anrechnung von Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten — eine Versicherungsdauer von etwa 40 Jahren aufzuweisen hat, erhält der Versicherte als Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente 60 % der nach seinem Arbeitsentgelt zu berechnenden Rentenbemessungsgrundlage. Für den Durchschnittsversicherten, der während seines Arbeitslebens immer den Durchschnitt aller Versicherten verdient hat, beträgt diese Rente im Jahre 1958 60 % der Bemessungsgrundlage von 378,50 DM, also 227,10 DM monatlich.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Theorie!)

    — Das ist keine Theorie, das können Sie ja selber nachrechnen.
    Diese monatliche Rente liegt wesentlich über den durchschnittlichen Fürsorgerichtsätzen des Bundesgebiets. Im Durchschnitt des Bundesgebietes beträgt der Fürsorgerichtsatz für eine aus zwei Personen bestehende Haushaltsgemeinschaft einschließlich eines Mietzuschlags von 35 DM und eines Sonderzuschlages für alte oder in der Erwerbsfähigkeit geminderte Personen in Höhe von 20 % des einfachen Richtsatzes insgesamt 161 DM monatlich. Wohlgemerkt: der Durchschnittsrichtsatz; es gibt Gebiete in Deutschland, die darunter liegen. Diesen Betrag überschreiten mit ihrer Rente nach einem vollen Arbeitsleben nicht nur alle Versicherten, die mit ihrem Entgelt im Durchschnitt ihres Arbeitslebens den Durchschnitt aller Versicherten aufweisen oder darüber liegen, sondern auch ein großer Teil der Versicherten, die mit ihrem Entgelt unter diesem Durchschnitt liegen. Noch der Versicherte, der mit seinem Entgelt immer 25 % unter dem Durchschnitt aller Versicherten lag, erhält heute nach einem vollen Arbeitsleben eine Rente, die über dem vorhin genannten Fürsorgerichtsatz liegt. Es kann nicht befürwortet werden, die grundsätzliche, als richtig anerkannte Regelung der Rentenreform auch nur für eine Übergangszeit durch eine dem System widersprechende Bindung der Renten an die Fürsorgerichtsätze zu durchbrechen und damit — denn darauf läuft eine solche Bindung hinaus — die durch die Neuregelungsgesetze bewußt beseitigte Mindestrente wieder einzuführen.
    Neben den Erfahrungen der Vergangenheit über die ungerechtfertigten Auswirkungen der früheren Mindestrente sprechen folgende Gesichtspunkte gegen jede Art von Mindestrente.
    Erstens. Die Konstruktion der freiwilligen Versicherung, die den Versicherten die Wahl von Zahl und Höhe der Beiträge freistellt, schließt die Einführung einer Mindestrente für diesen Personenkreis aus.
    Zweitens. Aber auch für den Kreis der Pflichtversicherten widerspricht eine Mindestrente dem durch die Rentenreform mit guten Gründen wieder verstärkt zur Geltung gebrachten Versicherungsprinzip und der Gerechtigkeit im Verhältnis zwi-



    Bundesarbeitsminister Blank
    schen den Versicherten untereinander. Es ist nicht als Aufgabe der Rentenversicherungen zu betrachten, auf Kosten eines Teils der Versicherten durch die Rentengestaltung rückwirkend Unzulänglichkeiten der früheren Lohngestaltung in bestimmten Erwerbszweigen auszugleichen.
    Drittens. Aber selbst, wenn man sich etwas Derartiges zum Ziele nähme, würde eine gerechte und befriedigende Lösung praktisch nicht durchführbar sein. Niedrige Entgelte können auf niedrigen Tarifsätzen, aber auch auf einer — gemessen an der üblichen — kürzeren Arbeitszeit wie Halbtagsarbeit, Stundenbeschäftigung und dergleichen beruhen. Es ist bekannt, daß das letzte für einen ins Gewicht fallenden Teil der Versicherten, insbesondere der weiblichen Versicherten, zutrifft. Verkürzte Arbeitszeit in der Rente durch eine Mindestrente auszugleichen, wäre ungerechtfertigt. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, daß die Versicherungsunterlagen weder bezüglich der Vergangenheit noch in der Zukunft Aufschluß über solche Verhältnisse geben können. Es würde verwaltungsmäßig praktisch unmöglich sein, beim Eintritt des Versicherungsfalles auf Jahrzehnte zurück — es kommen bis zu 50 Jahren und mehr in Frage — entsprechende Feststellungen zu treffen.
    Die Beibehaltung einer irgendwie gearteten Mindestrente ist deshalb vom Bundestag bei der Rentenreform mit guten Gründen abgelehnt worden. Die Sonderbestimmungen, die damals für solche Versicherte Vergünstigungen brachten, die bisher in ihrer Rentenhöhe durch zu niedrige Bewertung des freien Unterhalts und von Sachbezügen benachteiligt waren — nämlich die in der Landwirtschaft, in der Hauswirtschaft und in Heimen und Krankenanstalten Beschäftigten —, stellen die Grenze dar, die in diesem Zusammenhang verantwortet werden kann.
    Die Frage 1 c lautet:
    Ist die Bundesregierung bereit, einen Entwurf für eine Gesetzesänderung vorzulegen, die gewährleistet, daß die Zeiten des Militärdienstes, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit sowie der Schul- und Berufsausbildung bei allen Rentnern voll rentensteigernd berücksichtigt werden?
    Da die Neuregelungsgesetze die rentensteigernde Anrechnung der genannten Ersatz- und Ausfallzeiten für Neuzugänge vorschreiben, hat die Bundesregierung die gestellte Frage auf den am 1. Januar 1957 vorhanden gewesenen Bestand an Renten bezogen, also auf die rund 6,5 Millionen umgestellten Renten. Ich betone noch einmal: Die Frage ist für die Zukunft durch das Neuregelungsgesetz ein für allemal geregelt. Ich kann sie daher nur auf die umgestellten Renten beziehen. Die Umstellung dieser Renten erfolgte aber unter Gewährung eines Sonderzuschlages von 15 % als Berücksichtigung noch nicht angerechneter Ersatz- und Ausfallzeiten, und zwar pauschal nach Tabellen. Dabei wurde in die Umstellungsfaktoren neben dem erwähnten 15%igen Zuschlag auch die Berücksichtigung der Inflationszeit nach dem ersten Weltkrieg, die bisher nicht rentensteigernd angerechnet wurde, eingebaut. Die Anfrage zielt darauf ab, die pauschale Umstellung durch eine individuelle, die genauen Verhältnisse des Einzelfalles berücksichtigende Umrechnung zu ersetzen.
    Die pauschale Berücksichtigung der genannten Zeiten bei laufenden Renten hatte zur Folge, daß
    — wie das bei jeder Pauschalregelung der Fall ist
    — ein Teil der Versicherten weniger, ein Teil mehr bekommt, als ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zukäme. Dieser Umstand ist bei der Verabschiedung der Gesetze durchaus gesehen worden. Die Pauschalregelung wurde vom Bundestag gewählt — ich sage mit Bedacht: gewählt —, weil
    a) nur auf diese Weise eine schnelle Umstellung der 6,5 Millionen laufender Renten möglich war, während eine individuelle Umrechnung der Renten mehrere Jahre in Anspruch genommen hätte, weil
    b) nicht damit gerechnet werden konnte, daß in sehr vielen Fällen Nachweise über Ersatz- und Ausfallzeiten bis zu 50 Jahren zurück überhaupt noch erbracht werden können, und weil c) man nicht vertreten wollte, daß die Berücksichtigung vom Zufall der Nachweisbarkeit abhängig gemacht wurde, wodurch besonders Vertriebene, Flüchtlinge, Evakuierte, Ausgebombte und in ähnlicher Lage befindliche Personen ungünstig betroffen worden wären.
    In den bisherigen Rentenbeträgen der laufenden Renten waren Steigerungsbeträge für einen Teil der Ersatzzeiten wie Wehrdienst nach 1935, Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft, Zeiten der NS-Verfolgung und ähnliches bereits enthalten. Diese haben mit zu einer entsprechenden Rentenerhöhung geführt. Der zu den laufenden Renten gewährte Zuschlag von 15 % wirkt sich, berechnet auf die durchschnittliche Versicherungszeit der Bezieher von laufenden Renten, so aus, als ob viereinhalb Jahre Versicherungsdauer zusätzlich angerechnet würden. Einschließlich der zusätzlichen Berücksichtigung der Inflationszeit mit durchschnittlich rund eineinhalb Jahren ist damit den Rentnern des Bestandes durchschnittlich eine Vergünstigung zugekommen, die einer Versicherungsdauer von sechs Jahren entspricht. Nach den bisherigen Erfahrungen der Versicherungsträger bei Neufestsetzung von Renten kann dieses Ergebnis nicht als ungerecht bezeichnet werden.
    Als Folgen einer etwaigen nachträglichen individuellen Umrechnung der laufenden Renten würden zu bedenken sein.
    a) Dem Teil der Rentner, der durch die pauschale Umstellung zuviel erhalten hat, wird das Zuviel belassen bleiben müssen, da eine nachträgliche Kürzung dieser Renten wohl kaum vertretbar wäre. Dadurch würde die finanzielle Auswirkung einer individuellen Umrechnung sehr erheblich sein.
    b) Die nachträgliche individuelle Umrechnung der laufenden Renten würde eine außergewöhnliche, durch die Schwierigkeiten der Beweiserhebung besonders erschwerte Verwaltungsarbeit für die Versicherungsträger zur Folge haben. Eine solche Arbeit würde vorerst überhaupt nicht durchgeführt werden können, weil zunächst die sozialpolitisch wichtigere Aufarbeitung der unerledigten neuen



    Bundesarbeitsminister Blank
    Rentenanträge zu leisten ist, für die die Versicherungsträger noch mindestens das ganze Jahr 1958 benötigen.
    Die individuelle Umrechnung der laufenden Renten würde, selbst wenn man sie von einem Antrag unabhängig machte, vermutlich nahezu den gesamten Bestand der Versicherten- und Witwenrenten betreffen und zeitlich drei bis vier Jahre und vielleicht noch mehr neben der Erledigung der laufenden Neuanträge benötigen.
    c) Die pauschale Umstellung der laufenden Renten mit Hilfe von nur vier Daten — Geburtsjahr des Versicherten, Rentenbeginn, bisheriger Steigerungsbetrag und Umstellungsfaktor laut Tabelle — hatte zur Folge, daß nicht nur die Berücksichtigung der zusätzlichen Ersatz- und Ausfallzeiten, sondern auch die Bewertung anderer Umstände pauschal erfolgten. Dadurch ist es in sehr vielen Fällen dazu gekommen, daß ein Rentner zwar bei der Berücksichtigung der Ersatz- und Ausfallzeiten schlechter weggekommen ist, als es seinen Verhältnissen entspricht, dafür aber durch die Festlegung der übrigen Elemente des Umrechnungsfaktors einen ungerechtfertigten Vorteil erfahren hat, z. B. weil sich seine Beitragsleistung nicht gleichmäßig auf die Versicherungsdauer verteilt, sondern im wesentlichen am Ende der Versicherungszeit liegt oder weil er noch nicht erwerbsunfähig ist und trotzdem den für die Umstellung maßgeblichen Steigerungssatz von 1,3 % statt 1 % erhalten hat. Wenn die laufenden Renten individuell umgerechnet werden müßten, würde man nicht den berechtigten Vorteil der Berücksichtigung von zusätzlichen Ersatz- und Ausfallzeiten gewähren dürfen und dabei die unberechtigten Vorteile der sonstigen pauschalen Umstellung bestehen lassen können. Das bedeutet, daß die laufenden Renten in vollem Umfange nach den neuen Bestimmungen neu berechnet werden müßten, und das wird in sehr vielen Fällen zur Folge haben, daß überhaupt keine höhere Leistung gerechtfertigt ist, oft sogar eine geringere Leistung festgesetzt werden müßte.
    Für die Beurteilung sind demnach folgende Gesichtspunkte entscheidend.
    1. Das Abgehen von der pauschalen Umstellung der laufenden Renten hätte unverantwortbare finanzielle und verwaltungsmäßige Folgen.
    2. Die individuelle Umrechnung würde mit Rücksicht auf die Beweisschwierigkeiten für einen Großteil der Betroffenen nur in sehr beschränktem Maße zu einer gerechten Regelung führen und gerade die auch in sonstiger Hinsicht schwer betroffenen Personenkreise wie Vertriebene, Flüchtlinge, Evakuierte, Häftlinge und Ausgebombte besonders benachteiligen. Sie würde überdies für einen weiteren großen Teil der Rentenbezieher durch den Ausgleich zwischen der Benachteiligung durch die nur pauschale Berücksichtigung zusätzlicher Ersatz- und Ausfallzeiten und den Vorteilen, die sonst in der pauschalen Umstellung für den Bezieher liegen, zu keinem günstigeren Endergebnis führen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

    Die Bundesregierung ist deshalb der Auffassung, daß es bei der Pauschalumstellung der Renten sein Bewenden haben muß und daß eine individuelle Umstellung der Renten oder eine nachträgliche zusätzliche Berücksichtigung individueller Ersatz- und Ausfallzeiten bei diesen Renten nicht vertretbar ist.
    Die Frage 1 d lautet:
    Ist die Bundesregierung bereit, einen Entwurf
    für eine Gesetzesänderung vorzulegen, die gewährleistet, daß die Entrichtung von Versicherungsbeiträgen bei keinem Versicherten eine Verminderung bereits erworbener Rentenansprüche, sondern stets eine entsprechende Steigerung der Leistung bewirkt?
    Die Frage zeigt schon, daß hier ein Problem nicht richtig erkannt wird. Ein Rechtsanspruch entsteht natürlich erst im Versicherungsfall. Der Rechtsanspruch ist noch nicht in der Zeit gegeben, in der der Betreffende noch Beiträge leistet. Ich will versuchen, durch meine Antwort diese Unklarheit, die bei den Fragestellern offenbar vorliegt, ein für allemal zu beseitigen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    — Herr Professor Schellenberg, vielleicht wird Sie meine Antwort befriedigen; noch schmeichele ich mich dessen.
    Kommen für die Vorausberechnung der zukünftigen Rente aus der Vergangenheit nur Beitragszeiten, d. h. Zeiten, für die Beiträge tatsächlich entrichtet sind, in Frage, so kann es sich nicht ergeben, daß zusätzliche Beiträge — und mögen sie, gemessen an den bislang entrichteten Beiträgen, auch noch so niedrig sein — zu einer Verminderung der Höhe der zukünftigen Rente führen, die der Betreffende erhalten hätte, wenn er seit dem Zeitpunkt, von dem an er niedrigere Beiträge bezahlt, überhaupt keine Beiträge mehr bezahlt hätte. — Es ist ein einfaches Rechenexempel, Herr Professor; ich zeige Ihnen demnächst einmal den Schnittpunkt beider Kurven.
    Zu einem anderen Ergebnis kann es führen, wenn in der Vergangenheit neben Beitragszeiten auch Ersatz- oder Ausfallzeiten zurückgelegt sind, die bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden müssen. Die Ersatz- und Ausfallzeiten werden bei der Rentenberechnung nur bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre, also der Versicherungsdauer, berücksichtigt. Sie werden daher praktisch so angerechnet, als hätte der Versicherte in diesen Zeiten ein Entgelt erzielt, das dem Durchschnitt seines gesamten Arbeitslebens entspricht. Diese Regelung wurde als die richtige um deswillen angesehen, weil sie Zufallsergebnisse ausschließt, d. h. die Anrechnung der Zeiten nicht davon abhängig macht, was der Versicherte gerade unmittelbar vorher oder gerade unmittelbar nachher verdient hat, und weil sie außerdem angemessen berücksichtigt, daß innerhalb eines solchen Zeitraums, wenn er von längerer Dauer ist, die Verhältnisse sich sehr wohl hätten ändern können, und zwar sowohl zugunsten als auch zuungunsten des



    Bundesarbeitsminister Blank
    Versicherten. Deshalb erfolgt die Berücksichtigung dieser Zeiten nach dem Durchschnitt des Arbeitslebens. Diese Regelung wirkt sich in der Mehrzahl der Fälle zugunsten der Versicherten aus, weil die hauptsächlichsten und ihrer Dauer nach ins Gewicht fallenden Zeiten dieser Art — Ausbildungszeiten, Militärdienstzeiten, Kriegsdienstzeiten und gleichgestellte Zeiten — zumeist in den Lebensabschnitt eines Versicherten fallen, in dem er noch ein niedrigeres Entgelt verdient hat als in den Jahren nach diesen Zeiten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    — Herr Dr. Schellenberg, vielleicht ist es klar, wenn ich jetzt sage: Wenn jemand sehr hohe Beiträge geklebt hat, keine Ersatz- und Ausfallzeiten hat, kann er, wenn er als freiwillig Versicherter auch nur die geringstmöglichen Beiträge zahlt, niemals eine niedrigere Rente bekommen, als er sie ohne diese zusätzliche Zahlung erhalten hätte. Anders aber liegt das Problem, wenn in seinen Zeiten große Ersatz- und Ausfallzeiten sind. Da diese Ausfallzeiten so behandelt werden, als hätte er Beiträge gezahlt, die dem Durchschnitt seiner Beitragsleistungen im ganzen Leben entsprechen, tritt natürlich eine Minderung des Gesamtdurchschnitts ein.
    Sie wollen mich etwas fragen, Herr Professor. Bitte schön!