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    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1958 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dr. Brönner 297 A Glückwünsche zum 65. Geburtstage des Abg. Dr. Baade 297 C Begrüßung des Sonderbeauftragten des Europarates für Flüchtlingsfragen, Pierre Schneiter 321 B Erklärung der Bundesregierung In Verbindung damit: Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Antrag der Fraktion der SPD betr. Bemühungen der Bundesrepublik um internationale Entspannung und Einstellung des Wettrüstens (Drucksache 54 [neu]) Dr. von Brentano, Bundesminister . . . . 297 C, 311 A 399 D Dr. Mende (FDP) 304 B, 417 D Ollenhauer (SPD) 312 C Kiesinger (CDU/CSU) 321 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 333 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . 343 C, 414 C, 418 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 349 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 354 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 363 B, 375 D Erler (SPD) 368 D, 412 A Strauß, Bundesminister 376 A Dr. Dehler (FDP) 384 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . 401 A, 415 C Dr. Krone (CDU/CSU) 407 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 408 B Höcherl (CDU/CSU) 408 D Cillien (CDU/CSU) 413 B Dr. Baron Manteuffel-Szoege (CDU/CSU) 415 A Dr. Furler (CDU/CSU) 416 A Dr. Mommer (SPD) 417 D Dr. Bucher (FDP) 418 B Nächste Sitzung 419 C Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten; Umdrucke 6 und 7, Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Atzenroth 420 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1958 297 9. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Baade 24. 1. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 25. 1. Bauer (Würzburg) 31. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 8.2. Berendsen 31. 1. Bettgenhäuser 30. 1. Blachstein 24. 1. Conrad 23. 1. Dr. Deist 24. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Faller 7. 2. Felder 31. 1. Dr. Friedensburg 23. 1. Gleisner (Unna) 24. 1. Graaff 23. 1. Dr. Gülich 24. 1. Heye 31. 1. Hoogen 2. 2. Dr. Jaeger 8. 2. Dr. Jordan 23. 1. Josten 31.1. Kalbitzer 25. 1. Knobloch 23. 1. Kühn (Bonn) 27. 1. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 1. Majonica 15. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 24. 1. Müller-Hermann 15. 2. Paul 28. 2. Dr. Preiß 31. 1. Probst (Freiburg) 5. 2. Rademacher 25. 1. Ramms 24. 1. Rasch 24. 1. Rehs 27. 1. Ruhnke 31. 1. Scharnowski 24. 1. Scheel 24. 1. Schoettle 24. 1. Schröder (Osterode) 31. 1. Dr. Seffrin 23. 1. Dr. Serres 31. 1. Spies (Brücken) 8. 2. Stierle 31. 1. Theis 24. 1. Wacher 3. 2. Dr. Wahl 10. 2. Dr. Weber (Koblenz) 24. 1. Anlage 2 Umdruck 6 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATOkonferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit der polnischen Regierung in Besprechungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Polen einzutreten. Bonn, den 23. Januar 1958 Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Umdruck 7 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATOKonferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Sicherung des Friedens, zur Bewahrung der Freiheit und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 1. sich dafür einzusetzen, daß Verhandlungen des Westens .mit der Sowjetunion fortgesetzt und nach sorgfältiger diplomatischer Vorbereitung - gegebenenfalls durch eine Konferenz der Außenminister - in einer Konferenz auf höchster Ebene durchgeführt werden, die der Entspannung der Beziehungen zwischen Ost und West und dein Ziele der Herbeiführung der deutschen Wiedervereinigung dienen, 2. darauf hinzuwirken, daß die Verhandlungen mit der Sowjetunion über eine kontrollierte Abrüstung alsbald wieder aufgenommen werden, sei es im Rahmen der Vereinten Nationen oder auf einer Konferenz auf der Ebene der Außenminister, und daß bei der Vorbereitung dieser Verhandlungen jeder ernsthafte Vorschlag zur allgemeinen oder teilweisen Abrüstung geprüft und auf seine politischen und militärischen Folgen untersucht wird, 3. dafür Sorge zu tragen, daß bei den aufzunehmenden Verhandlungen nur solche Lösungen in Aussicht genommen werden, die nicht zu einer Anerkennung des Status quo in Europa führen, sondern geeignet sind, die deutsche Teilung zu überwinden, 4. ihre Bemühungen zur Koordinierung der Außenpolitik der westlichen Verbündeten energisch fortzusetzen. Bonn, den 23. Januar 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 422 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1958 Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Atzenroth zu der Abstimmung über den Umdruck 6. An der Abstimmung über den Umdruck 6, Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957 — Drucksache 82 — habe ich mich nicht beteiligt, da ich an dem Beschluß, der die Unterschrift unter den obigen Antrag zur Folge hat, nicht mitgewirkt habe.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich bin mitten in meinen Ausführungen, die mir wichtig sind. Ich will einen schweren Vorwurf begründen. Aber bitte, meine Damen und Herren: ich habe den Vorwurf erhoben, daß die Behauptung des Herrn Kiesinger, es gehe nur um einen Streit über die Methode, falsch ist. Es geht um einen Streit in der Sache. Ich habe einen Vorwurf gegen die Bundesregierung erhoben, wie er schwerer gar nicht sein kann und den ich nicht erheben würde, wenn ich nicht in tiefstem Herzen überzeugt wäre, daß er berechtigt ist. Ob Sie es anhören oder nicht, der Vorwurf steht in der Welt.
    Ich habe gesagt: der Herr Bundeskanzler hat in ganz entscheidenden Fragen widerstreitende Angaben gemacht. Mein Freund Mende hat heute früh schon einen Brief zitiert, den der Herr Bundeskanzler damals auf dem Höhepunkt der Krisis zwischen ihm und mir und meiner Partei an mich geschrieben hatte, in der wir da gezwungen werden sollten, klein beizugeben und keine eigene Meinung mehr zu haben. Es ging ja gerade um diese Frage. Da schrieb er also am 22. November 1955:
    Steht die Bundestagsfraktion der FDP wie bisher auf dem Boden der Pariser Verträge, und zwar ohne Änderung? Von den Westmächten und den NATO-Mächten eine Änderung der Pariser Verträge zu verlangen, die Deutschland nach seiner Wiedervereinigung volle Freiheit geben, ob und wem es sich anschließen will, ist zwecklos und nur dazu geeignet, die ablehnende Haltung Sowjetrußlands zu stärken.
    Also klarer Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers: Bindung besteht; es gibt keine Entscheidungsfreiheit, sondern das wiedervereinigte Deutschland ist an die Bündnisse und Verträge der Bundesrepublik gebunden. Das sagte er in diesem Schreiben.
    Am 5. November 1957 — ich glaube, der Herr Kollege Erler hat damals eine Frage an den Herrn Bundeskanzler gestellt — antwortete er in diesem
    Hause: „Es steht für mich fest, daß nach den Pariser Verträgen das wiedervereinigte Deutschland frei ist, seine Position selbst zu bestimmen."

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ja!)

    So fahrlässig wird hier in den entscheidenden Fragen unserer Nation Politik getrieben, daß es möglich ist, daß in dieser entscheidenden Frage völlig widersprechende Erklärungen abgegeben werden!
    Meine These ist: Man will nicht das Notwendige zur deutschen Wiedervereinigung tun. Gibt es einen besseren Beleg als die Saarfrage?

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Ich könnte viel erzählen. Diese erste Möglichkeit der deutschen Wiedervereinigung hat Dr. Adenauer, unser Bundeskanzler, mit allen Mitteln zu verhindern versucht.

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Lebhafter Widerspruch und Pfui-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Hellwig: Sie haben die Saar beschimpft!)

    — Sie haben die Saar beschimpft! Ich habe sie nicht beschimpft, sondern ich habe die Menschen an der Saar angerührt. Ich zeige Ihnen Hunderte von Briefen, die ich habe, in denen sie mir begeistert — —

    (Fortgesetze Zurufe von der CDU/CSU. — Erregte Zurufe des Abg. Dr. Hellwig.)

    — Ach, das ist ja nicht wahr, was da behauptet wird. Ich habe die Menschen an der Saar in ihrer nationalen Verantwortung getroffen. So sind die Dinge!

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Jetzt lassen Sie doch mal Ihr dummes Händewinken!

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Genfer Konferenz! Der Eden-Plan der Gipfelkonferenz, der sich selbstverständlich, Herr Bundesaußenminister, auf die Wiedervereinigung und vor allem auf die Wiedervereinigung bezog, ist bei der Außenministerkonferenz im Herbst 1955 unter den Tisch gefallen. Warum ist er unter den Tisch gefallen? Mein Freund Mende hat es in der Sitzung dieses Hohen Hauses vom 6. Juli 1956 schon erwähnt. Er hat berichtet, daß bei dem englisch-deutschen Gespräch in Königswinter im Jahre 1956 drei britische Unterhausabgeordnete — teilweise Minister, Elliot, Robins und Richard Crossman —, erklärt haben, daß die Zurückziehung des Eden-Plans ausschließlich auf den deutschen Bundeskanzler zurückging. Man stelle sich vor, ein ausländischer Regierungschef, der damalige Ministerpräsident Eden, kommt auf die Gipfelkonferenz in Genf und entwickelt einen ausgezeichneten Plan, einen Plan, der unseren Vorschlägen entsprach: selbstverständlich entmilitarisierte oder entschärfte, militärisch verdünnte Zone; selbstverständlich die beiden Militärblöcke auseinander — genau das, was heute von meinem Freund Mende gesagt worden ist —, ein Sicherheitsabkommen, dem gegenseitig — anders geht es doch gar nicht — die USA und die Sowjetunion beitreten. Das hat ein ausländischer Staats-



    Dr. Dehler
    mann vorgeschlagen. Der deutsche Bundeskanzler hat veranlaßt, daß dieser Plan, der eine echte Chance hatte, zurückgezogen wurde!

    (Zurufe von der SPD: Unerhört!)

    Glauben Sie noch, daß dieser Mann den Willen hat, die deutsche Einheit herbeizuführen?

    (Beifall bei der FDP und der SPD. — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! Pfui!)

    — Unerhört?! Ich will Ihnen einmal etwas sagen: ich war auf der zweiten Genfer Konferenz. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal die Tatsachen erzählen, damit Sie wissen, was gespielt wird. Sie haben doch keine Ahnung, was in Wirklichkeit vorgeht. Woher können Sie das denn haben?

    (Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das könnte Ihnen so gefallen, weil Sie die Wahrheit nicht ertragen können!

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Ich will Ihnen ein persönliches Erlebnis von der zweiten Genfer Konferenz, von der Außenministerkonferenz im Herbst 1955 erzählen. Ich bin damals zufällig mit Herrn von Brentano nach Genf gefahren. Vorher war die Reise des Bundeskanzlers mit einigen Abgeordneten nach Moskau gewesen. Dort ist der Beschluß gefaßt worden, diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Der Herr von Brentano hat damals mit allen Außenministern der drei Westmächte — Macmillan, Antoine Pinay und Mr. Dulles — Gespräche geführt; mit Molotow, mit dem Außenminister, mit dem man diplomatische Beziehungen aufzunehmen beschlossen hatte, ist er nicht zusammengetroffen.
    Glauben Sie, das ist eine Politik, hinter der der Wille zur Wiedervereinigung steht? Man hat damals die diplomatischen Beziehungen aufgenommen, doch nicht in dem Willen, sie zu nützen! Eine Ironie, wenn der Herr Bundeskanzler plötzlich in Paris entdeckt, daß man auch diplomatisch sprechen kann. Seit Juli 1955 diplomatische Beziehungen mit Moskau, und ein ernsthaftes Gespräch ist weder in Moskau durch den Botschafter Hass noch hier mit Sorin oder mit Smirnow geführt worden. Kein Gespräch fand statt, in dem man den Russen nahezubringen versuchte, was unser Anliegen ist, in dem man den russischen Willen zu beeinflussen versuchte, kein einziges.
    Was sagte Herr Sorin unseren Freunden Frau Dr. Lüders und Dr. Mende? „Die Bundesregierung will ja nicht mit uns sprechen, die Bundesregierung will boxen. Boxen lassen wir mit uns nicht." Und er zog ab, immerhin doch nicht der erste beste, sondern der Mann, der dann in Landon die Abrüstungsverhandlungen für die Sowjetunion führte.
    Man hat bis heute Rußland niemals ein Konzept, niemals einen politischen Vorschlag vorgelegt, sondern man treibt Politik der Stärke, jetzt Politik der atomaren Raketen.
    Die Europapolitik, meine Damen und Herren! Herr Strauß, ich würde ja gern mit Ihnen einmal
    die Hintergründe beleuchten. Daß diese TalmiEuropapolitik in Wirklichkeit nicht konstruktiv ist, wer hier zweifelt noch daran? Die EVG, an sich schon an den Franzosen gescheitert. Montanunion! Glauben Sie, die Montanunion hat wirtschaftlich irgendeinen Sinn gehabt oder hat gar ein europäisches Gefühl entstehen lassen? Glauben Sie, die anderen Verträge — wir haben sie bekämpft -
    führen zu Europa? Nein, sie führen noch einmal zur Aufspaltung von Europa. Aber für diese Bundesregierung war dieses Europa — mein Freund Reinhold Maier hat durchaus recht — doch nichts als ein Alibi. Bei jeder Gelegenheit, wenn eine politische Schwierigkeit kam, sagte man: Aber wir schaffen jetzt Europa, und wenn wir Europa geschaffen haben — in Wirklichkeit diese kleine Gruppe, dieses Sechstel von Europa —, dann kommt die Wiedervereinigung automatisch.
    Was steckt denn hinter dem Ganzen, meine Damen und Herren? Was steckt denn hinter Ihrer Politik? Was wollen Sie denn in Wirklichkeit? Wohin geht sie hinaus? Ich will einmal von dein Dilettantismus ganz absehen, von dem, was wir heute schon erlebt haben, diesem Glauben, es komme eine Pause, die man benützen könnte. Eine Zeitlang gab es im Kabinett einen großen Politiker, den Herrn Oberländer.

    (Lachen bei der SPD.)

    Er sagte dem Herrn Bundeskanzler, als er die Weisheit Starlingers erfuhr: Warten Sie nur, der Druck der Chinesen auf die Russen ist so stark, daß sie nachgeben müssen.

    (Lachen bei der FDP und SPD.)

    Mit solchem Dilettantismus werden die Schicksalsfragen des deutschen Volkes behandelt! So sind doch die Dinge.

    (Beifall bei der FDP und SPD. — Gegenrufe von der Mitte.)

    Was steckt denn hinter dem Ganzen? Meine Damen und Herren, verkleinern Sie das Fuldaer Manifest — so heißt es doch — nicht, Fulda ist bedeutend für jeden Katholiken. Es sind immerhin doch auch Personen aus diesem Hause, die es unterzeichnet haben. Daß manche zu klug waren, es zu unterzeichnen, ist auch verständlich. Dieses Fuldaer Manifest ist der Geist, der hinter Ihnen steckt.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, sind nur nicht hellsichtig genug, das zu erkennen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und SPD.)

    Ich will Ihnen noch etwas anderes erzählen. Die Welt ist ja kurios. Ich habe jetzt in Bayern einen Koalitionsfreund oder, wie will ich sagen, einen Koalitionskollegen, das ist Alois Hundhammer.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    — So merkwürdig ist das Leben. — Der hat am Dreikönigstage in meiner Bamberger Heimat gesprochen immerhin aktiver Minister, sitzt im Bundesrat —, und er hat folgendes gesagt: „Christ



    Dr. Dehler
    und Antichrist stehen sich augenblicklich stärker gegenüber als jemals in der Geschichte." — Christ und Antichrist! —
    Der Glaube, man könnte eine Lösung dahin suchen, sich mit den Sowjets an einen Tisch zu setzen, der ist natürlich völlig verfehlt. Wer sich mit den Russen arrangieren will, ist irrgläubig; den muß man bekehren. Von den Russen werden solche Leute so behandelt, wie es der italienische Kommunist Togliatti gesagt hat: „Das sind nützliche Idioten."
    Immerhin, ein aktiver Minister, aus Ihren Kreisen!
    Aber, meine Damen und Herren, ich erinnere mich, daß einmal der Präsident der Vereinigten Staaten — es war am Beginn seiner Tätigkeit — davon sprach: „Die Heere Gottes und des Teufels stehen sich gegenüber." Das ist ein Geist, den Herr Dr. Adenauer maßgebend mit geschaffen hat in vielen, vielen Reden: Es geht um die ideologische Auseinandersetzung, der Kampf zwischen Christentum und Bolschewismus, zwischen Christ und Antichrist. — Wer so spricht — das ist die Schlußfolgerung, die ich ziehe —, will keine Politik. Er will sie nicht, er geht ihr aus dem Wege. Er sagt: Diese Menschen drüben sind Verbrecher, Gangster! — Wir haben es doch hier gehört. Ich weiß nicht, wer sich alles beteiligt hat; einige von ihnen sind in Formosa. So wurde gesagt: Mit denen kann man nicht verhandeln, die sind des Teufels. Was sind die Schlußfolgerungen? Keine Politik! Am Ende der Kreuzzug! Das steht hinter Ihrer Politik!
    Das trojanische Pferd, meine Damen und Herren! Haben Sie dieses Plakat — Inbegriff der Gemeinheit — am letzten Tag des Wahlkampfes vergessen?

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Ein Plakat Ihres Geistes, man muß schon sagen:
    Ihres Ungeistes, heimtückisch unter Aufwand von
    Hunderten und aber Hunderten, von Tausenden
    Mark. Wenige Zeitungen waren tapfer genug, dieser Versuchung zu widerstehen; sie gehören aber
    gelobt.
    Die Behauptung von unverantwortlicher Seite, die aus Ihrem Kreise kommt: „Wer mit den Sowjetrussen verhandelt — und das ist die FDP, das ist die SPD —, die sind so töricht und ziehen das trojanische Pferd in die eigene Festung und werden veranlassen, daß bei uns die Freiheit untergeht" — so treiben Sie Politik! —, ist das Gegenteil von dem, was mit vielen schönen Reden gesagt wird. Das geht nicht auf Friede, das geht nicht auf deutsche Wiedervereinigung, das geht auf Trennung, das geht auf Katastrophe!
    Ich muß noch einmal erwähnen, was im „Neuen Abendland", in der zweiten Nummer des letzten Jahres, mit Wirkung auf die Wahl gesagt worden ist. Das ist ja nicht gleichgültig, was da geschrieben worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat ein Vorwort zu dieser Nummer geschrieben, hat mit seinem Namen als Bundeskanzler und als Chef der CDU diese Nummer gedeckt, in dieser Nummer — Sie wissen es sicherlich noch —, in der gesagt wird: Dieses Gerede von der Wiedervereinigung. — Wie
    von einem Tabu! Es ist die Nummer, in der das Bestreben nach der deutschen Einheit lächerlich gemacht und herabgesetzt wird, in der ein ganz anderes Ideal aufgerichtet wird — und der Herr Bundeskanzler setzt seinen Namen davor! —: es ist das Ideal, daß diese Bundesrepublik die Lösung ist, daß sie uns gerade recht ist, diese katholisch bestimmte und gebundene Bundesrepublik!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP. — Zurufe und Lachen bei den Regierungsparteien.)

    — Das ist es gewesen; lesen Sie es nach!
    Das führt mich zu dem Schluß, zu sagen: hier geht es nicht um die Methode, hier geht es um die Sache; sie ist nicht die unsere.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Ich will noch ein Wort zum Abschluß sagen, aber auch ein sehr hartes Wort.

    (Abg. Dr. Hellwig: Eine schlechte Wahlrede!)

    In dem Entwurf der Regierungserklärung — ich weiß nicht, ob der Herr Bundesaußenminister diesen Passus so verlesen hat — heißt es:
    Die Bundesregierung ist durch die eindeutige Entscheidung des deutschen Volkes vom 15. September gebunden und verpflichtet, und sie wird sich dieser Verpflichtung nicht entziehen.
    Wie gesagt, ich weiß nicht, ob der Herr Außenminister es noch so vorgelesen hat. — Ja, der Herr Kiesinger hat es aufgenommen und hat erklärt, die Wahl habe der Bundesregierung eine außenpolitische Weisung gegeben, in dieser Wahl sei die außenpolitische Richtung der Bundesregierung bestätigt worden. Ich bestreite das nachdrücklich, nachdrücklich, meine Damen und Herren! Man muß sich vergegenwärtigen, wie diese Mehrheit hier zustande gekommen ist. Ich weiß wahrlich nicht, meine Damen und Herren, ob Sie stolz darauf sein sollten. Sie werden eines Tages die geschichtliche Verantwortung fühlen, die diese Mehrheitswahl Ihnen auflastet. Diese Mehrheit ist nicht mit guten Mitteln erreicht worden. Das muß man schon sagen, wenn man überhaupt noch den Glauben haben kann, daß hier ein anständiger, sauberer, von einem klaren Willen der Staatsbürger getragener Staat, eine lebenskräftige Demokratie entstehen kann. Dieser Wahlsieg ist nicht mit guten Mitteln erstritten worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Von Ihrer Seite!)

    Man hat heilige Gefühle für politische Zwecke verwendet: das Christentum, die Religion; Bamberger Rede, Nürnberger Rede. Es geht um Christentum oder Politik. Ich weiß nicht, ob sich das so fortsetzen soll, wie es jetzt immer war, daß die Kanzel für politische Zwecke mißbraucht wird. Es ist in massiver Weise geschehen. In der Woche vor der Wahl haben die Bischöfe ihre geistliche Autorität dafür eingesetzt, daß eine Partei gewählt wird.

    (Unruhe bei der CDU/CSU.)




    Dr. Dehler
    Und die vielen anderen Reden! Wie können Sie behaupten, diese Wahl sei eine Entscheidung unseres Volkes für eine politische Sache gewesen?! Sie war doch das Gegenteil. Sie haben doch verhindert, daß unser Volk sich gerade über die außenpolitischen Dinge auch nur Gedanken gemacht hat!

    (Widerspruch bei der CDU/CSU. — Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten rechts.)

    Sie haben unser Volk von der politischen Entscheidung weggeführt. So gewinnt man Wahlen, aber man verliert die Demokratie.
    Noch ein Wort darüber, wie hier taktiert wird, wie in diesem Staat Politik gemacht wird!


Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Dehler, Sie haben heute am längsten gesprochen, Sie haben mehr als anderthalb Stunden gesprochen.

(Zuruf von der SPD: Das ist sein gutes Recht!)

Ich muß Sie dringend bitten, zum Schluß zu kommen. — Nein, das ist gar nicht sein gutes Recht. Die Geschäftsordnung schreibt vor: „. . . soll nicht länger als eine Stunde sprechen".

(Abg. Dr. Mommer: „Soll", aber nicht „darf"!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich habe gesagt: So gewinnt man Wahlen — und es gibt keinen, der das besser versteht als Herr Dr. Adenauer —, aber so verliert man die Demokratie.
    Ich nenne jetzt noch einen Vorgang, die MoskauReise des Herrn Bundeskanzlers, — sehr interessant für die ganze Situation, auch für das, was ich Ihnen darzulegen versucht habe! Man wußte ganz genau, in welche Situation man damals fuhr. Der Herr Bundeskanzler hat damals — nicht nur den Westalliierten, sondern auch uns, den Vertretern der westdeutschen Parteien, wofür Herr Ollenhauer und wohl auch Herr Carlo Schmid Zeuge sind — ausdrücklich erklärt, er werde in Moskau keine diplomatischen Beziehungen aufnehmen. Ich habe ihm zugestimmt und noch einmal ausdrücklich gesagt: Die Sowjetunion hat uns eingeladen — die „Beziehungen", das war die Konsequenz ihres Handelns, daß sie sich sagte, die DDR ist ein souveräner Staat — zum Zwecke der Normalisierung diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler gesagt: Es gibt keine Normalisierung der Beziehungen der Bundesrepublik; die Bundesrepublik ist immer das Anomale; es gibt nur die Beziehungen zwischen einem wiedervereinigten Gesamtdeutschland und der Sowjetunion.
    Der Bundeskanzler hat uns das versprochen. Er ist nach Moskau gegangen und kannte doch die Situation ganz genau. Er wußte ganz genau, daß die Frage der Kriegsgefangenen zur Debatte stand. Er hat von Möglichkeiten, diese Frage der Kriegsgefangenen vorher zu regeln, keinen Gebrauch gemacht. Mende und ich haben ihm einen konkreten
    Vorschlag vorgetragen. Wir wissen nicht, ob er zuverlässig war. Er hat ihn nicht sondiert. Ich weiß genau, daß ihm ein maßgebender Beamter des Auswärtigen Amtes den vollkommen richtigen Rat gegeben hat, doch nicht in diese unmögliche Lage nach Moskau zu gehen, sondern den Russen, dem Kreml, zu sagen: Ich komme, aber erst, wenn die Kriegsgefangenen zu Hause sind.

    (Zurufe von der Mitte: Dann wären sie heute noch drüben!)

    Er hat es nicht getan.
    Dann kam die Situation — wollen Sie mir zeugen, vom Regierungstische bis hierher! —, das war die Alternative, in die man sich leichtfertig begeben hatte: entweder man geht ohne Kriegsgefangene nach Hause oder man schluckt die bittere Pille, daß man diese von den anderen gewollten diplomatischen Beziehungen nicht aufnimmt. Und dann — deswegen erzähle ich das — das klassische Wort des Herrn Globke: „Herr Bundeskanzler, denken Sie an die nächsten Wahlen." So gewinnt man Wahlen, so verliert man das Vaterland!

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der SPD. — Anhaltende stürmische Pfui-Rufe von der Mitte.)