Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Natürlich habe ich mich mit dem Problem beschäftigt, und ich darf Ihnen versichern, daß das Problem in Wahrheit heute schon besteht. Aber gerade wenn man aus dieser Lage einen Ausweg finden will, muß man sich darüber klar sein, daß es, da man es durch das Wettrüsten nicht schafft, darauf ankommt, durch politische Vereinbarungen ein vernünftiges Stärkeverhältnis der Truppen in Europa, auch zwischen der Sowjetunion und uns, herzustellen. Darum ging es doch in London jahrelang. In diesem Punkt waren sich der Westen und der Osten übrigens überraschend nahe. Wenn Sie Lust haben — jetzt führt das nur zu weit —, kann ich Ihnen die drei Etappen, auf die man sich im Prinzip schon geeinigt hatte, mit den dazugehörigen Zahlen nachher sogar noch mitteilen. Die Schlußzahlen waren jedenfalls die: je 11/2 Millionen Mann für die Chinesen, die Russen und die Amerikaner, je 650 000 Mann für die Franzosen und die Briten und etwa so um die Größenordnung von 200 000 Mann für die kleineren Staaten, zu denen dann auch das wiedervereinigte Deutschland gehören würde. Das hätte im ganzen dann ein erheblich anderes Bild ergeben als das heutige.
Aber — Sie erwähnten gerade die amerikanischen Truppen — es gibt einen weiteren Einwand: Wenn man solche Vorschläge ins Auge faßte, dann hätten die Vereinigten Staaten nichts Eiligeres zu tun, als Europa zur Strafe für schlechtes Verhalten zu verlassen und uns schutzlos den Russen zum Fraße vorzuwerfen. — Ich denke nicht so pessimistisch von den Amerikanern und ihrem Interesse an einer Aufrechterhaltung der Freiheit in Europa. Aber darüber hinaus: davon ist in keinem der bisher gemachten Vorschläge die Rede. Eine solche Zone umfaßt als einziges bisheriges NATO-Land die Bundesrepublik. Die übrigen NATO-Partner sind davon gar nicht betroffen. Alle Vorschläge gehen davon aus, daß die Truppen der Vereinigten Staaten auf dem Kontinent bleiben. Darüber muß man verhandeln — natürlich auch mit den Freunden — und darf nicht einfach den Gedanken ablehnen, weil er vielleicht unbequem ist und einen zu neuen Überlegungen zwingt. Vor allem sollte man nicht geradezu den Druck drüben bestellen, daß sie abzögen, wenn wir hier in Europa auf derartige Ideen kämen.
Ich bin überzeugt, wenn wir derartige Lösungen wirklich wollen, dann sind sie in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten auch in der Praxis durchführbar. Das ergibt sich aus einem interessanten Dokument des amerikanischen Kongresses selbst. Der Abrüstungsunterausschuß des Senats hat am 8. September 1957 zu genau dieser Frage gesagt, im Falle eines Abzugs amerikanischer Truppen aus Deutschland müßten die amerikanischen Truppen jedoch noch auf der östlichen Seite des Atlantik stationiert bleiben, solange die NATO-Strategie das erfordere. Wenn das ausdrücklich in einem Ausschußbericht des amerikanischen Senats vorgelegt wird, warum versuchen wir dann, den Amerikanern ohne Not das Gegenteil einzureden?