Rede:
ID0300905300

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 9. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1958 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dr. Brönner 297 A Glückwünsche zum 65. Geburtstage des Abg. Dr. Baade 297 C Begrüßung des Sonderbeauftragten des Europarates für Flüchtlingsfragen, Pierre Schneiter 321 B Erklärung der Bundesregierung In Verbindung damit: Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Antrag der Fraktion der SPD betr. Bemühungen der Bundesrepublik um internationale Entspannung und Einstellung des Wettrüstens (Drucksache 54 [neu]) Dr. von Brentano, Bundesminister . . . . 297 C, 311 A 399 D Dr. Mende (FDP) 304 B, 417 D Ollenhauer (SPD) 312 C Kiesinger (CDU/CSU) 321 B Dr. Maier (Stuttgart) (FDP) 333 C Schneider (Bremerhaven) (DP) . 343 C, 414 C, 418 D Dr. Gradl (CDU/CSU) 349 C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 354 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 363 B, 375 D Erler (SPD) 368 D, 412 A Strauß, Bundesminister 376 A Dr. Dehler (FDP) 384 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . 401 A, 415 C Dr. Krone (CDU/CSU) 407 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 408 B Höcherl (CDU/CSU) 408 D Cillien (CDU/CSU) 413 B Dr. Baron Manteuffel-Szoege (CDU/CSU) 415 A Dr. Furler (CDU/CSU) 416 A Dr. Mommer (SPD) 417 D Dr. Bucher (FDP) 418 B Nächste Sitzung 419 C Anlagen: Liste der beurlaubten Abgeordneten; Umdrucke 6 und 7, Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Atzenroth 420 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1958 297 9. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr.
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Baade 24. 1. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 25. 1. Bauer (Würzburg) 31. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 8.2. Berendsen 31. 1. Bettgenhäuser 30. 1. Blachstein 24. 1. Conrad 23. 1. Dr. Deist 24. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Faller 7. 2. Felder 31. 1. Dr. Friedensburg 23. 1. Gleisner (Unna) 24. 1. Graaff 23. 1. Dr. Gülich 24. 1. Heye 31. 1. Hoogen 2. 2. Dr. Jaeger 8. 2. Dr. Jordan 23. 1. Josten 31.1. Kalbitzer 25. 1. Knobloch 23. 1. Kühn (Bonn) 27. 1. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 1. Majonica 15. 2. Meyer (Wanne-Eickel) 24. 1. Müller-Hermann 15. 2. Paul 28. 2. Dr. Preiß 31. 1. Probst (Freiburg) 5. 2. Rademacher 25. 1. Ramms 24. 1. Rasch 24. 1. Rehs 27. 1. Ruhnke 31. 1. Scharnowski 24. 1. Scheel 24. 1. Schoettle 24. 1. Schröder (Osterode) 31. 1. Dr. Seffrin 23. 1. Dr. Serres 31. 1. Spies (Brücken) 8. 2. Stierle 31. 1. Theis 24. 1. Wacher 3. 2. Dr. Wahl 10. 2. Dr. Weber (Koblenz) 24. 1. Anlage 2 Umdruck 6 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATOkonferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, mit der polnischen Regierung in Besprechungen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Polen einzutreten. Bonn, den 23. Januar 1958 Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Umdruck 7 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATOKonferenz am 16. Dezember 1957 (Drucksache 82) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Sicherung des Friedens, zur Bewahrung der Freiheit und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 1. sich dafür einzusetzen, daß Verhandlungen des Westens .mit der Sowjetunion fortgesetzt und nach sorgfältiger diplomatischer Vorbereitung - gegebenenfalls durch eine Konferenz der Außenminister - in einer Konferenz auf höchster Ebene durchgeführt werden, die der Entspannung der Beziehungen zwischen Ost und West und dein Ziele der Herbeiführung der deutschen Wiedervereinigung dienen, 2. darauf hinzuwirken, daß die Verhandlungen mit der Sowjetunion über eine kontrollierte Abrüstung alsbald wieder aufgenommen werden, sei es im Rahmen der Vereinten Nationen oder auf einer Konferenz auf der Ebene der Außenminister, und daß bei der Vorbereitung dieser Verhandlungen jeder ernsthafte Vorschlag zur allgemeinen oder teilweisen Abrüstung geprüft und auf seine politischen und militärischen Folgen untersucht wird, 3. dafür Sorge zu tragen, daß bei den aufzunehmenden Verhandlungen nur solche Lösungen in Aussicht genommen werden, die nicht zu einer Anerkennung des Status quo in Europa führen, sondern geeignet sind, die deutsche Teilung zu überwinden, 4. ihre Bemühungen zur Koordinierung der Außenpolitik der westlichen Verbündeten energisch fortzusetzen. Bonn, den 23. Januar 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 422 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 9. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Januar 1958 Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Atzenroth zu der Abstimmung über den Umdruck 6. An der Abstimmung über den Umdruck 6, Antrag der Fraktionen der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Haltung der Bundesregierung auf der NATO-Konferenz am 16. Dezember 1957 — Drucksache 82 — habe ich mich nicht beteiligt, da ich an dem Beschluß, der die Unterschrift unter den obigen Antrag zur Folge hat, nicht mitgewirkt habe.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Distinguendum est inter et inter, Herr Kollege Kliesing. Wir lehnen die bisherige NATO-Politik der Bundesregierung ab, weil wir der Meinung sind, daß sie so, wie sie geführt ist — d. h. für sich allein geführt ist —, nicht die Chancen der Wiedervereinigung Deutschlands fördert, sondern diese Chancen kränkt. Deswegen sagen wir dazu nein. Wird aber eine Politik betrieben, die die Chancen der Wiedervereinigung mehrt — und wir glauben, daß die Politik der „Denuklearisierung", verzeihen Sie dieses Wort, Mitteleuropas die Wiedervereinigung fördert —, dann sind wir bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen; denn wir bejahen die Landesverteidigung.

    (Große Unruhe bei der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Interessant! — Abg. Dr. Mommer: Ist das neu? — Anhaltende Unruhe in der Mitte.)

    — Wenn die Unruhe sich gelegt hat, will ich gerne weiter sprechen.

    (Abg. Erler: Die CDU muß sich zur Beratung zurückziehen!)

    Solange kein Sicherheitspakt an die Stelle von NATO und Warschauer Pakt getreten ist, kein Sicherheitspakt, in den Gesamttdeutschland einzuplanen wäre, könnten die Bundesrepublik in der NATO und die Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes in diesem Pakt verbleiben. Das hat Herr Ollenhauer heute morgen gesagt, ich wiederhole es.
    Nun sagt man, das sei nicht möglich. Warum denn nicht? Militärisch-politisch würde es bedeuten, daß die Vertragsverpflichtungen erhalten bleiben — mit den vereinbarten Modifikationen, was die Truppenstärke usw. betrifft —, daß aber die Hauptkampflinie der beiden großen Blöcke auseinandergeschoben würde und daß die Selbstmordbatterien weiter auseinanderstünden. Das wäre schon ein Vorteil, um den zu kämpfen es sich lohnen könnte!
    Man sagt, damit würde das Angriffspotential der Sowjetunion gestärkt und das Verteidigungspotential des Westens geschwächt. Ich bin genau der gegenteiligen Auffassung: damit würden nämlich atomare Überfälle erschwert, und die konventionelle Abwehr würde gestärkt. Die strategische Verteitdigung durch atomare Gegenschläge könnte ja sowieso — das hat uns unser Bundesverteidigungsminister schon mehrmals gesagt — nicht von deutschem Boden ausgeführt werden.
    Auf dieser Grundlage könnte man über die Wiedervereinigung Deutschlands mit mehr Aussicht auf Erfolg verhandeln als heute; denn die Verhandlungen würden dann nicht mehr so sehr mit militärisch-strategischen Hypotheken belastet bleiben; es gibt andere Hypotheken, die sie belasten, die schwer genug sind. Wir sollten froh sein, wenigstens eine loszuwerden.
    Nun sagen manche, mit den Russen seien keine Vereinbarungen möglich, die ihre politische Position außerhalb ihrer eigenen Grenzen gefährdeten, z. B. solche, die zur Lockerung der Bande führen



    Dr. Schmid (Frankfurt)

    könnten, in denen sie gewisse Völker halten. Was gibt es denn dann noch für Alternativen? Die eine wäre: sie zwingen, mit Gewalt. Was das bedeutet, weiß jeder: den dritten Weltkrieg; den will niemand, auch niemand in diesem Hause, das weiß ich.
    Her Kiesinger hat gesagt, die Umstände könnten sie schließlich zwingen. Was sind das für Umstände? Früher, als auf dem Schachbrett noch eine Reihe großer Figuren standen, war das eine durchaus mögliche Art zu denken. Das ist aber heute nicht mehr der Fall. Heute stehen nur noch wenige große Figuren auf dem Schachbrett, zwei Könige, vielleicht noch ein Läufer und einige Bauern ganz weit im Hintergrund.

    (Abg. Hilbert: Aber noch Türme!)

    — Die sind weg, Kollege Hilbert! Letzten Endes kommt es dazu, daß König gegen König ziehen müßte, und das gäbe ein Remis — das ist der Status quo, aus dem wir doch herauswollen.
    Die zweite Alternative wäre: wir warten eben, bis das Regime in Moskau zusammenfällt. Nun, darauf warten wir seit 40 Jahren, seit 41 Jahren bald, und werden wir wohl noch lange warten müssen.
    Wenn man das alles nicht will und Vereinbarungen nicht für möglich hält, nun, dann sollte man harte, aber ehrliche Konsequenzen ziehen und sollte sie aussprechen. Ich hoffe, daß niemand so leicht den Mut finden wird, dies auch nur in Gedanken in sich zu vollziehen.
    Ich meine, daß wir den Weg, den ich hier aufgezeichnet habe, gehen sollten. Wir sollten auch unsere Partner von der Notwendigkeit, diesen Weg zu gehen, zu überzeugen versuchen. Ich sage ganz offen, daß ich nicht sicher bin, daß wir damit zum Ziele kommen. Wenn dies der Fall werden sollte, nun dann werden wir die Situation neu durchdenken und Konsequenzen ziehen müssen. Vielleicht werden wir nicht gewinnen; auf jeden Fall aber werden wir, wenn wir diesen Weg nicht versuchen, verlieren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Widerstreit zwischen „Vielleicht" und „Nie" entscheiden wir uns mit Vorsicht, aber entschieden für das Vielleicht.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich fürchte, ich muß Sie aus dem Höhenflug der Gedanken, den wir soeben von dem Herrn Kollegen Schmid gehört haben, wieder auf den Boden der Erde zurückführen. Ich möchte beginnen — obgleich das vielleicht das Leichtere ist — mit der Abwehr der persönlichen Angriffe, die heute zunächst Herr Mende gegen mich gerichtet hat, dem dann der große Bruder Ollenhauer so tapfer zu Hilfe gekommen ist.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Herr Mende hat sich heute morgen — nach dem Stenogramm — bitter darüber beklagt, daß den Fraktionen des Bundestages von der Bundesregierung das Initiativrecht gestohlen werde. Ich finde den Ausdruck „stehlen" nicht sehr schön. Ich nehme an, Herr Mende hat ihn nur im übertragenen Sinn des Wortes gemeint. Aber auch Herr Kollege Ollenhauer hat sich darüber beklagt.
    Demgegenüber möchte ich folgendes feststellen. Der ursprüngliche Antrag der SPD datiert vom 5. Dezember, die Große Anfrage der FDP vom 11. Dezember des vergangenen Jahres. In der Sitzung vom 12. Dezember, der letzten vor Weihnachten, ist mit Stimmenmehrheit hier im Hause beschlossen worden, die Verhandlung über den Antrag wie über die Anfrage auf den 24. Januar — später vorverlegt auf den 23. — festzusetzen. Sofort am 12. Dezember, sobald der Beschluß hier gefaßt war, ging in der sozialistischen Presse ein Trommelfeuer gegen uns los. Herr Ollenhauer hat mehrfach über den ersten Bulganinbrief gesprochen; der Tagesspiegel, die Stuttgarter Nachrichten, das Hamburger Abendblatt, die Frankfurter Neue Presse, Die Freiheit usw. haben darüber geschrieben.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Herr Mende hat gesprochen, und am 5. Januar haben Herr Hausmann und Herr Mende in Stuttgart über Außenpolitik gesprochen. Es war geradezu grausam, was ich da las.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Nicht für uns, meine Damen und Herren, aber es war grausam.

    (Abg. Dr. Maier [Stuttgart] : An Ihrem Geburtstag!)

    Und nun soll die Bundesregierung einfach einen Maulkorb angelegt bekommen und nicht mehr das Recht haben, zu sprechen, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, weil die Herren sprechen!

    (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Freunde, — meine Damen und Herren — verzeihen Sie, es sind nicht alles meine Freunde! —,

    (Heiterkeit)

    ich nehme das gute Recht für die Bundesregierung und für mich als Chef der Bundesregierung in Anspruch, zu sprechen, wo und wann ich will.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, das deutsche' Volk ist gar nicht unzufrieden, wenn ich das tue. Im übrigen hat sofort nach mir am selben Abend der Herr Kollege Ollenhauer auch über Rundfunk gesprochen. Darum weiß ich nicht, weshalb denn nun ungefähr das ganze Grundgesetz — laut Herrn Mende — auf den Kopf gestellt worden sein soll.

    (Heiterkeit.)

    Ich habe mich über Mittag, obwohl ich den ganzen
    Vormittag mit Andacht gelauscht hatte und müde
    war — ich gebe es ohne weiteres zu —, darange-



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    geben, meine Radioansprache nochmals durchzulesen. Ich lese sehr ungern nochmal etwas durch, was ich gesagt oder geschrieben habe;

    (Heiterkeit)

    denn wenn ich es weg habe, habe ich genug davon.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Aber nachdem ich hier so ermahnt worden war, habe ich die Rede noch einmal zur Hand genommen. Ich werde mir gestatten, Ihnen, Herr Kollege Ollenhauer, und Ihnen, Herr Mende, je ein Exemplar zuzuschicken; denn ich kann nur annehmen, Sie haben — was ich wieder von Ihnen verstehen würde — das Radio abgeschaltet, als ich gesprochen habe.

    (Heiterkeit.)

    Was habe ich eigentlich getan? Ich bin geradezu ein Unschuldsengel.

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Mommer: Man merkt doch: die Karnevalszeit naht heran!)

    Ich habe wirklich mit großem Ernst davon gesprochen, daß Herr Bulganin das deutsche Volk in seinem zweiten Brief mit seiner Stellungnahme zur Wiedervereinigung außerordentlich enttäuscht habe. Ich glaube, ich habe damit dem allgemeinen Empfinden des deutschen Volkes ehrlich Ausdruck gegeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe weiter gesagt, daß wir die Ausführungen
    mit Ruhe, mit Sorgfalt und gewissenhaft prüfen werden. Ich nehme an, es ist ein Kompliment für Herrn Bulganin und keine Beleidigung, wenn wir bekanntgeben, wir würden das, was er gesagt hat, sorgsam prüfen. Ich habe gesagt, daß auch wir für eine Konferenz nach geeigneter Vorbereitung wären. Dann habe ich ausgeführt, daß wir den Rapacki-Plan ablehnen müßten. Das ist doch alles nichts Beleidigendes.
    Aber wenn Sie bis zum Ende gehört hätten, Herr Mende und Herr Ollenhauer, würden Sie auch gehört haben, daß ich zum Schluß sehr friedliche Worte ausgesprochen habe. Ich habe — das war das letzte Drittel meiner Radioansprache — den Tag in Löwen geschildert, der für mich ein ganz unvergeßlicher Tag war. Ich habe gerade gestern einen Brief des belgischen Außenministers bekommen, der mich hoch befriedigt hat; denn Sie wissen alle, welch besondere Schuld wir gegenüber Belgien abzutragen gehabt haben. In der Radioansprache habe ich ausgeführt: Wenn es gelungen ist, Belgien, das belgische Volk, zu versöhnen, dann müßte es doch auch möglich sein, das russische Volk zu versöhnen, und es müßte doch möglich sein, auch das russische Volk davon zu überzeugen, daß auch für das russische Volk der allgemeine Friede das beste und erstrebenswerteste Ziel sei.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich wiederhole: Ich glaube, Sie haben zu früh abgeschaltet, als Sie am Radio waren. Wenn es auch manchmal nicht angenehm ist, so soll man doch Radioreden, wenn man nachher dazu Stellung
    nehmen will, bis zum Schluß ertragen und bis zum Schluß anhören.

    (Abg. Dr. Mende: Ich habe sie sogar gelesen, Herr Bundeskanzler! — Gegenruf von der Mitte: Aber nicht verstanden! — Abg. Kiesinger: Dann ist es unverzeihlich!)

    Ich möchte mich jetzt der Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer zuwenden. Es war eine sehr realistische Rede; ich erkenne Ihnen das ohne weiteres als Kompliment zu, Herr Ollenhauer! Ich sehe die ganze Situation in vieler Hinsicht ähnlich wie Sie. Aber trotzdem, glaube ich, muß man der Schilderung der Lage noch einige Akzente hinzufügen. So etwas klang soeben auch in der Rede vom Herrn Kollegen Schmid zum Schluß durch. Wir Deutsche sollten uns nicht einbilden, wir hätten das Schicksal der Welt in der Hand.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sie haben es nicht genau so gesagt; Sie haben von den Bauern gesprochen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Ich glaube nicht, daß irgend jemand hier so denkt!)

    — Verzeihen Sie, wenn ich recht verstanden habe, hat der Kollege Maier gesagt, das Schicksal der Welt hänge an dem Verhältnis zwischen der Sowjetunion und Deutschland. Das ist eben ein ganz großer Irrtum. Der große Gegensatz, der in der Welt leider Gottes besteht, ist doch der Gegensatz zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Um alles das gruppieren sich die kleinen Völker, zu denen auch wir gehören. Wir sind eben keine Großmacht mehr. Es gibt überhaupt keine europäische Großmacht mehr. Darum fällt in der freien Welt, insbesondere auch in der NATO, den Vereinigten Staaten von selbst die Führung zu.
    Nun wurde von dieser Seite des Hauses (zur SPD) über NATO nicht freundlich gesprochen. Seinerzeit wurde von dieser Seite auch der Beitritt zur NATO abgelehnt. Ich darf Sie aber daran erinnern, daß die NATO im Jahre 1949 ins Leben gerufen wurde, als eine Aggression nach der anderen von Sowjetrußland ausging, und daß, seitdem NATO ins Leben getreten ist, keine weitere Ausdehnung Sowjetrußlands in Europa erfolgt ist. Das ist ein großer Erfolg der NATO.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich bin überzeugt — ich kann es nicht beweisen, aber es ist meine Überzeugung —: wenn NATO nicht ins Leben getreten wäre, wenn die Vereinigten Staaten, England, Frankreich und die anderen weiter untätig dem Vormarsch Sowjetrußlands zugeschaut hätten, wäre uns in der Bundesrepublik schon lange, lange dasselbe Geschick zuteil geworden wie der Sowjetzone.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich meine, daran sollte man auch denken und sollte sich klar darüber sein, daß für unsere Freiheit NATO eine entscheidende Rolle spielt. Es handelt sich nicht nur um die Hilfe, die wir uns von der NATO für die Wiedervereinigung erhoffen, es



    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    handelt sich bei NATO auch um den Schutz der 50 Millionen Deutschen in der Bundesrepublik.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir müssen, wenn wir die gegenwärtige Lage analysieren wollen — und glauben Sie mir, ich nehme die Sache furchtbar ernst, und ich bin ganz genau wie Sie, Herr Ollenhauer, der Ansicht: die Situation ist seit 1945 nicht so ernst gewesen, wie sie heute ist —

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Ach, hören Sie doch auf! Das haben Sie schon zwölfmal gesagt, immer dasselbe noch einmal! Meine Güte, seit neun Jahren dieselbe Platte!)

    — Meine Damen und Herren, wenn jemand es nicht ertragen kann, daß der Bundeskanzler sagt, er pflichte seinem Fraktionsführer darin bei, daß die Situation außerordentlich ernst sei, dann habe ich darauf kein Wort zu erwidern.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Eines muß man bei der ganzen Entwicklung noch bedenken, und das wird leider nicht nur heute, sondern in der deutschen Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet. Der Herr Außenminister von Brentano hat in seiner Regierungserklärung davon gesprochen. Ich meine den Beschluß, den die kommunistischen Parteien der sozialistischen Länder am 16. November in Moskau gefaßt haben. Darin heißt es:
    Die kommunistischen Parteien aller Länder werden aufgefordert, die Machtergreifung des Kommunismus auf kaltem Wege oder durch bewaffneten Aufstand vorzubereiten.
    Weiter wird in diesem damals gefaßten Beschluß Sowjetrußland ein Interventionsrecht für den Fall zugesprochen, daß es in einem der kommunistischen Länder, die dieses Abkommen unterzeichnet haben, zu einer Erhebung kommt, die das kommunistische Regime stürzen will. Die Länder, die das unterzeichnet haben, sind Albanien, Bulgarien, China, sowjetische Besatzungszone, Nordkorea, Mongolei, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ungarn und Nordvietnam. Meine Damen und Herren, das ist von Bedeutung, wenn wir uns über den atomwaffenfreien Raum unterhalten. Ich werde darauf zurückkommen.
    Einer meiner Herren Vorredner — ich glaube, Herr Kollege Schmid — hat gesagt, Polen und Deutschland hätten eventuell gemeinsame Interessen. Meine Damen und Herren, ein sehr gefährliches Wort für den ersten deutschen Botschafter, der nach Warschau geht!

    (Abg. Dr. Menzel: Wann geht denn einer?)

    — Der Tag wird kommen, natürlich wird er kommen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Bravo!)

    Seien wir uns über eines völlig klar: niemals wird ein deutscher Botschafter durch seine Arbeit in einem der Satellitenstaaten eine Wirkung auf Moskau in einem für uns günstigen Sinne hervorrufen. Das ist völlig ausgeschlossen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Auch diejenigen Mächte, die seit jeher Botschafter da haben, geben, wenn man sie fragt, unumwunden zu: Unsere Botschafter in den Satellitenstaaten sind nichts anderes als Beobachter; sie können da natürlich nichts gegen den Willen Moskaus ausrichten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn wir also dazu kommen, in diese Staaten Botschafter zu entsenden, dann, glauben Sie mir, werden diese Botschafter von uns gar nicht den Auftrag bekommen, dort auf ihren Posten irgendwie gegen Moskau zu intrigieren.

    (Zuruf von der SPD: Das sollen sie auch gar nicht! — Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Das ist auch nicht ihre Aufgabe!)

    — Dann würde ich nicht gesagt haben, daß Polen und Deutschland vielleicht gemeinsame Interessen hätten. Denn diese gemeinsamen Interessen richten sich doch nur auf eine Zurückdrängung des Kommunismus.