Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die Diskussion heute zum Teil mit etwas getarnten Zielsetzungen betrieben worden ist.
— Ich kann auch Herrn Hellwig ansehen; ich meine das ganze Haus. — Die Diskussion hat nämlich zwei verschiedene Zielsetzungen: das eine ist die ganz eng begrenzte Frage, in welcher Form und Gestalt man das Volkswagenwerk am zweckmäßigsten weiterführt, und das zweite ist die Frage, ob eine ganz bestimmte Form gleichzeitig einen ersten Schritt zur Besserung unserer Sozialordnung und einen Anreiz zum Sparen oder einer breiteren Eigentumsstreuung darstellt. Wir sollten diese beiden Punkte einmal in aller Sachlichkeit trennen.
Wenn es nur darum ginge, ob man ein bestimmtes Unternehmen etwa als öffentliches Unternehmen, als Aktiengesellschaft in privatem Eigentum oder als Stiftung betreiben soll, wobei das Konkretum das Volkswagenwerk ist, könnte man durchaus sachlich über jede dieser drei Rechtsformen debattieren. Ich glaube auch, daß man das im Ausschuß tun sollte. Aber wenn man die Dinge gleichzeitig mit der Vorstellung verknüpft — das ist hier von allen Seiten geschehen, und das ist auch der Gegensatz in unseren politisch-sachlichen Auffassungen —, welches gewissermaßen die im Sinne einer neuen und besseren Sozialordnung vorteilhaftere Form ist, dann wird aus dem Einzelfall natürlich sofort der Modellfall oder das Prinzip, und damit kommt die Diskussion auf ein ganz anderes Gebiet.
Herr Kollege Deist, Sie sind es ja gewesen, der zunächst einmal beklagte, daß der Kollege Hellwig zuvor den Einzelfall und das Prinzip unterschieden hat. Aber Sie haben nachher selbst erklärt, daß der spezielle Fall Volkswagenwerk einmünde in den Fall eines großen marktbeherrschenden Unternehmens, eines Unternehmens, das aus der Konzentration der Wirtschaft heraus in eine beherrschende Stellung hineingewachsen sei, und daß wegen dieser besonderen Charakteristik Ihre Meinung dahin gehe, dieses Unternehmen sollte als Stiftung und nicht als Aktiengesellschaft fortgeführt werden.
Ich möchte versuchen, in dieser einen grundlegenden Frage, die immer wieder Spannungen mit sich bringt — ich weiß auch, daß sie nicht zu überbrücken sind —, in leidenschaftsloser Weise zu argumentieren, der einen Argumentation die andere entgegenzusetzen. Ich muß beginnen mit einem Punkt, den der Herr Kollege Kurlbaum zu Anfang seiner Rede angesprochen hat, als er in wohl etwas unglücklicher Weise bemerkte, daß in den letzten acht Jahren eine Konzentration von Vermögen im wesentlichen bei einigen wenigen erzielt worden sei. Herr Kollege Kurlbaum, ich möchte Ihnen entgegenhalten: das ist nach meiner Überzeugung nicht etwa geschehen, weil wir in diesen acht Jahren zuviel Privateigentum und zuwenig Staat hatten, sondern weil wir im ganzen immer noch zuviel Staat und zuwenig konsequent Privateigentum und Privatinitiative hatten.
— Nein! Lassen Sie mich den Gedanken doch erst einmal weiter ausführen. Das gilt besonders für den Gedanken der Selbstfinanzierung. Zweifellos hat nach dem Zusammenbruch und nach der Währungsneuordnung, deren Charakter ja nicht von deutscher Seite bestimmt wurde, sondern die uns damals noch als eine Maßnahme unserer Besatzungsmächte auferlegt worden ist, das Kapital in breiter Streuung gefehlt, das notwendig war, um unsere ganze Wirtschaft und aus den Trümmern unsere Städte wiederaufzubauen.
Damals ist uns auch — nicht von uns erfunden, sondern wiederum als Ausfluß der Politik der Besatzungsmächte — eine ungeheuer hohe steuerliche Belastung auferlegt worden, die von vornherein dem Staat einen ganz großen Anteil am Sozialprodukt zugeführt und ihm damit auch von vornherein einen wesentlichen Anteil an den ganzen Aufgaben des Wiederaufbaus zugespielt hat. Das lag jenseits von Wünschen und Wollen, von politischen Vorstellungen, das war in dem Augenblick schlechthin ein Faktum. Wir konnten es ja gar nicht nach unserem Wunsch und Willen ändern. Noch als wir 1950 in der Bundesrepublik unsere ersten Steuersenkungen durchführen wollten, begegneten wir einem geharnischten Veto der damaligen Besatzungsmächte, das erst allmählich durch die Standhaftigkeit auf unserer Seite überwunden werden konnte.
Wenn man aber eben einen zu großen Anteil des Sozialprodukts direkt und indirekt als Steuern erhebt, kann das nicht gleichzeitig bei Herrn Müller, Herrn Schulze und Herrn Lehmann als Sparguthaben wieder in das private Vermögen und in den privaten Besitz hineinwachsen. Das eine schließt das andere aus.
282 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode —8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1958
Dr. Preusker
Später haben wir zweifellos in unserer gesamten Wirtschafts- und Finanzpolitik diese Überforderung des Steuerpflichtigen noch fortgesetzt.
Ich will da auch keinen Menschen entschuldigen, sondern ich nehme das als eine Tatsache hin, die man eben bekennen muß. Ich kann mich nur darüber freuen, daß die Bundesregierung inzwischen zu der klaren Erkenntnis gekommen ist, daß es notwendig ist, mit dieser Politik der Überforderung auf dem steuerlichen Gebiet soweit wie irgend möglich zu brechen und damit die Hauptursache einer vielleicht nicht genügend schnellen und breiten Spartätigkeit und Vermögensbildung beim einzelnen zu beseitigen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, weil sowohl Sie, Herr Kurlbaum, wie Sie, Herr Kollege Deist, die Frage der besonderen Förderungsmaßnahmen für den sozialen Wohnungsbau zu Beginn des Jahres 1957 angesprochen haben, einmal folgendes sagen. Ich habe — das ist allgemein bekannt — bereits lange vorher eine rechtzeitige und ausreichende allgemeine Steuersenkung verlangt, um einen solchen, sagen wir einmal, Minderertrag am Kapitalmarkt gar nicht erst entstehen zu lassen, dem wir uns dann nach den scharfen Restriktionsmaßnahmen der Bundesnotenbank gegenübergesehen haben. Ich hätte den anderen Weg vorgezogen. Aber ich stehe trotzdem noch zu dem, was ich damals auch als eine Notmaßnahme bezeichnet habe, und zwar aus einem ganz anderen Grunde. Ich glaube, ich kann das mit einer Gegenfrage sehr schnell darstellen: Was hätten Sie wohl hier für ein Lamento erhoben, wenn etwa wegen eines Nichthandelns der Bundesregierung an die 100- bis 150 000 Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus im Jahre 1957 nicht gebaut worden wären?
Deshalb glaube ich, daß aus dieser Situation heraus das einzige, was damals möglich schien, nämlich diejenigen, die tatsächlich mit einigen Anreizen etwas herbeischaffen konnten, zugunsten derjenigen, die nichts hatten, zu Opfern zu veranlassen, sich rechtfertigen ließ.
Ich darf nur das eine noch, Herr Kollege Deist, ehe Sie Ihre Frage stellen, abschließend zu diesem Komplex hinzufügen: daß inzwischen durch Erklärungen sowohl der Bundesnotenbank als auch der Sparkassenorganisationen eindeutig klargestellt ist, daß mindestens zwei Drittel dieser Beträge, die damals aufgekommen sind, völlig neues Sparkapital dargestellt haben. Herr Kollege Deist, Sie brauchen nur den April- oder Maibericht — ich weiß es im Moment nicht genau — damals noch der Bank deutscher Länder nachzusehen, in dem der Prozentsatz nach eingehenden Ermittlungen mit 65,3 % festgestellt ist. — Bitte, Herr Kollege Deist!