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ID0300808800

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    Vokabeln: 5
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    3. Herren,: 1
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    5. Unterhaltungen!\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 8. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1958 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 239 A Fragestunde (Drucksache 142) : Frage 1 des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Zulassung unfallverschärfender Fahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 239 B Frage 2 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Panzerübungen im Naturschutzpark in der Lüneburger Heide Strauß, Bundesminister 240 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 240 D Frage 3 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Zuleitung der Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn an den Bundestag Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 241 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 241 D Frage 4 des Abg. Dr. Bucher: Bezeichnung der Regierung von Formosa als Regierung der Republik China Dr. von Brentano, Bundesminister . . 242 A Frage 5 des Abg. Jacobs: Freilassung des im tschechoslowakischen Gewahrsam befindlichen Generalmajors a. D. Richard Schmidt Dr. von Brentano, Bundesminister . . 242 C Frage 6 des Abg. Kalbitzer: Verteuerung der Hermes-Exportkreditversicherung Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister . . 242 D Frage 7 des Abg. Ritzel: Einsetzung von Bahnbussen auf der Odenwaldstrecke Weinheim—Mörlenbach—Wahlen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 243 A Ritzel (SPD) 243 B Frage 8 des Abg. Ritzel: Verurteilung des Schützen Seifert Strauß, Bundesminister . . . . 243 D, 245 A Ritzel (SPD) 245 A Frage 10 des Abg. Dr. Werber: Einführung der Todesstrafe bei Mord Schäffer, Bundesminister 245 B Frage 11 des Abg. Dr. Mommer: Freigabe beschlagnahmter deutscher Vermögen Dr. von Brentano, Bundesminister . . 246 A Dr. Mommer (SPD) 246 B Frage 12 des Abg. Brück: Anrechnung des freiwilligen Arbeitsdienstes auf den öffentlichen Dienst Dr. Anders, Staatssekretär 246 D Brück (CDU/CSU) 246 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1958 Frage 13 des Abg. Brück: Verkehrsunfälle durch Aufprallen auf Straßenbäume Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 247 A Brück (CDU/CSU) 247 C Frage 14 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung Blank, Bundesminister 248 A Frage 15 des Abg. Wendelborn: Eindämmung der Kriminalfälle Schäffer, Bundesminister 248 B Frage 16 mit Frage 9 der Abg. Ritzel und Schneider (Bremerhaven): Geltungsdauer der Sonntagsrückfahrkarten mit Einführung der 5-Tage-Woche Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . .249 A Frage 17 des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke und Gebäude im Zuge von Aussiedlungsverfahren Hartmann, Staatssekretär 249 B Frage 18 des Abg. Dr. Menzel: Schikanen bei der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Ehrenämter bei der Preussag Dr. Lindrath, Bundesminister 249 C Frage 19 der Abg. Frau Renger: Schutz maßnahmen an der ostholsteinischen Küste Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . . 250 A Frau Renger (SPD) 250 B Frage 20 des Abg. Seuffert: Geschwindigkeitsbegrenzung an Autobahn-Baustellen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 250 C, 251 A Seuffert (SPD) 251 A Ubersicht 2 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen, Stand vom 15. 1. 1958 (Drucksache 121) 251 A Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk-GmbH, Uberführung der Anteilscheine in private Hand (Drucksache 102); Antrag der Abg. Dr. Deist u. Gen. betr. Errichtung einer „Stiftung Deutsches Volkswagenwerk" (Drucksache 145) Dr.-Ing. E. h. Arnhold (CDU/CSU) . 251 C Kurlbaum (SPD) 254 C Hellwege, Ministerpräsident, Niedersachsen 257 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . . . 257 D, 284 C Dr. Atzenroth (FDP) 263 C Dr. Elbrächter (DP) 266 B Dr. Deist (SPD) 269 A, 289 A Dr. Mommer (SPD) 277 A Häussler (CDU/CSU) 277 B Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 279 A Dr. Preusker (DP) 281 A Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt zu den Zusatzübereinkommen vom 7. 9. 1956 über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlichen Einrichtungen und Praktiken (Drucksache 115) . 291 D Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Drucksache 128) 291 D Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 129) Dr. Deist (SPD) 292 A Dr. Atzenroth (FDP) 292 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 293 A Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz (Drucksache 131) 293 C Fünfzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 108) 293 D Nächste Sitzung 293 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten .295 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1958 239 8. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15 Uhr.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 22. 1. Dr. Baade 24. 1. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 25. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 8. 2. Berendsen 31. 1. Blachstein 24. 1. Dr. Brönner 20. 2. Dr. Bucher 22. 1. Dr. Bucerius 22. 1. Dr. Dresbach 22. 1. Eschmann 22. 1. Faller 7. 2. Felder 31. 1. Franke 22. 1. Dr. Frey 22. 1. Gleisner (Unna) 24. 1. Graaff 23. 1. Dr. Gülich 24. 1. Heinrich 22. 1. Heye 31. 1. Huth 22. 1. Dr. Jaeger 8. 2. Dr. Jordan 23. 1. Josten 31. 1. Kalbitzer 25. 1. Kühn (Bonn) 27. 1. Kühn (Köln) 22. 1. Leber 22. 1. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 1. Majonica 15. 2. Merten 22. 1. Meyer (Wanne-Eickel) 24. 1. . Müller-Hermann 15. 2. Oetzel 22. 1. Paul 28. 2. Dr. Preiß 31. 1. Probst (Freiburg) 5. 2. Rademacher 25. 1. Ramms 24. 1. Rasch 24. 1. Frau Dr. Rehling 22. 1. Rehs 27. 1. Scharnowski 24. 1. Scheel 24. 1. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 1. Schoettle 24. 1. Schröder (Osterode) 31. 1. Schultz 22. 1. Dr. Serres 31. 1. Stierle 31. 1. Theis 24. 1. Wacher 3. 2. Dr. Wahl 10. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 1. b) Urlaubsanträge Abgeordneter) bis einschließlich Bauer (Würzburg) 31. 1. Bettgenhäuser 30. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Hoogen 2. 2. Ruhnke 31. 1. Spies (Brücken) 8. 2.
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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Abgeordnete Arnold hat sich bemüht, zur Begründung des Gesetzentwurfs in großen Worten die gesellschaftspolitische Zielsetzung, die gesellschaftspolitische Aufgabe dieses Gesetzentwurfs darzulegen. Er hat ein sehr anschauliches Bild von dem Weg Deutschlands von der Agrarstruktur zur heutigen Industriestruktur gegeben. Er hat aber wenig gesagt über das, was das kennzeichnende Element der modernen Wirtschaft ist, nämlich die Tatsache, daß sich in der modernen Industriegesellschaft allmählich Großunternehmungen und Großeigentum entwickeln und damit die Struktur unserer Wirtschaft entscheidend bestimmen.
    Die Tatsache, daß wir heute Großunternehmungen haben, bedeutet nicht nur, daß wir neben einigen kleineren auch einige größere Unternehmungen haben, sondern sie bewirkt, daß die Wirtschaft in den Bereichen, in denen wir Großunternehmungen haben, völlig anders aussieht als in jenen Bereichen, wo wir kleinere und mittlere Unternehmungen haben. Das ist ein Tatbestand, der denen, die sich mit der modernen Gesellschaftsentwicklung befassen, eigentlich bekannt sein sollte. Im Gegensatz zu den kleineren und mittleren Unternehmungen werden die Großunternehmungen dadurch gekennzeichnet, daß sie eine umfangreiche Apparatur, sowohl eine technische wie eine menschliche, benötigen, die man normalerweise als Bürokratie zu bezeichnen pflegt, und daß die Funktionen, die Teilbereiche des Unternehmens so fein gegliedert und durch Unter- und Überordnung so geregelt sind, daß sie durch Organisation wieder zusammengefaßt werden. Diese modernen Unternehmungen erhalten so eine hierarchische Struktur, sie sind Herrschaftsinstrumente in der Hand der wenigen, die an der Spitze stehen, die Herrschaft und Macht ausüben sowohl über Zehntausende von Arbeitnehmern, die in diesen Betrieben arbeiten, wie auch Einfluß auf den gesamten Wirtschaftsablauf.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das ist das wesentliche Element der modernen Wirtschaft, eine Konzentrationstendenz, die Wirtschaft und Gesellschaft von Grund auf verändert. Wir stellen aber nicht nur eine Konzentration großer wirtschaftlicher Vermögen in Großunternehmungen fest, sondern auch eine Konzentration des Eigentums an den Unternehmungen — wenn Sie so wollen —, also des Aktienkapitals, auf eine verhältnismäßig kleine Schicht der Bevölkerung.
    Vor kurzem wurden die Ergebnisse einer interessanten Untersuchung des Deutschen Industrieinstituts für Wirtschaftsforschung in Berlin veröffentlicht, die über die Einkommensbildung der Selbständigen wie auch der Unternehmungen Aufklärung geben. Da ist nämlich festgestellt worden, daß die Hälfte des gesamten Selbständigeneinkommens im Jahre 1950 auf 7,7 % der Selbständigen und der Unternehmungen konzentriert war. Im Jahre 1956 waren es aber nur noch 3 %.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So stark ist die Konzentration dieser sich ansammelnden wirtschaftlichen Vermögen in der modernen Wirtschaft. Und jetzt erzählen Sie bitte nichts davon, das werde ja durch die breite Streuung des Aktienkapitals wieder korrigiert. Nun gebe es eine große Zahl von Eigentümern, die an diesem wirtschaftlichen Vermögen beteiligt sind.

    (Abg. Dr.-Ing. E. h. Arnold: Das habe ich gar nicht gesagt!)

    Es ist ein Jammer, daß wir in Deutschland über die Verteilung der Aktien, über die Größe der Aktienpakete und die Bedeutung der Aktie für die Vermögensbildung nicht das mindeste statistische Material haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber es ist z. B. aus den Vereinigten Staaten bekannt, daß es dort etwa 10 Millionen Aktionäre gibt — die Zahlen variieren etwas; ich glaube, diese ist die höchste, die bisher genannt wurde —, und das macht bei einer Bevölkerung von 160 Millionen immerhin 60/o aus, scheint mir also nicht eine überwältigende Beteiligung zu sein.

    (Abg. Dr. Hellwig: Sie müssen nach Haushaltungen rechnen!)

    — Selbst wenn Sie nach Haushaltungen rechnen, bleibt es eine kleine Minderheit.
    Aber viel interessanter ist folgendes. Auch innerhalb des Kreises der Aktionäre konzentriert sich das Aktienkapital auf verhältnismäßig wenige große Aktionäre. Aus der amerikanischen Statistik kann man nämlich feststellen, daß 50 bis 60% der Kapitalgewinne an nur 5 % der Aktionäre, nämlich einige Großaktionäre, gehen und daß deren Vermögen im wesentlichen aus Aktienkapital besteht. Das heißt: ein ganz, ganz geringer Bruchteil der Bevölkerung verfügt über 50 % der Aktien. Meine Damen und Herren, das ist ein Tätbestand, den Sie zur Kenntnis nehmen sollten, wenn Sie davon reden, daß Sie über die Streuung von Aktien den Anfang für eine breite Streuung von Eigentum machen wollen.



    Dr. Deist
    Wenn Sie breite Streuung von Eigentum wollen, dann werden Sie, nehme ich an, auch an die 70 % der Erwerbstätigen denken, die bei uns in Deutschland Arbeitnehmer sind. Einer der Redner sprach sogar davon, daß es wichtig sei, dem minderbemittelten Staatsbürger echte Möglichkeiten der Eigentumsbildung zu geben. Nun, meine Damen und Herren, bei uns in Deutschland sind einige Versuche mit Kleinaktien gemacht worden. Solche Kleinaktien haben die chemische Fabrik Bayer, die Nachfolgegesellschaft der IG Farben, die Demag und Mannesmann ausgegeben. Sie haben einen sehr attraktiven Ausgabekurs gewählt. Sie haben sie nämlich zu etwa 60 % des Ausgabekurses abgegeben. Der einzelne Aktienerwerber hatte also große Gewinnchancen. Und was ist geschehen? Im Schnitt haben bei diesen Unternehmungen nur etwa 10 bis 15 % der Gesamtbelegschaft Aktien erworben.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das ist ein Anfang!)

    Das waren überwiegend Angestellte; bei den Arbeitern waren es wesentlich weniger als 10 %. Die übrigen 90 % schlugen die Chance, eventuell 150 DM Vermögen — wie sagte doch der Herr Bundesfinanzminister — nachher versilbern zu können, zugunsten der Sicherheit, im Augenblick 100 DM Bargeld zu haben, aus.

    (Abg. Dr. Hellwig meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Ich verweigere gewöhnlich keine Zwischenfrage; aber ich möchte jetzt, gleich am Anfang, diesen Gedanken erst zu Ende führen. — Das hat doch seine Gründe. Wir haben von dem Berliner Institut nähere Unterlagen über die Zusammensetzung der Einkommen der Unselbständigen; und diese Unselbständigen sind diejenigen, die man braucht, wenn man Eigentum auf breiter Front bilden will. Da wurde festgestellt, daß im Jahre 1956 bei 50 % der Arbeitnehmer die Nettoeinkommen unter 300 DM im Monat lagen. Sie liegen heute etwas höher, das konzediere ich Ihnen ohne weiteres. Bei den Männern waren es 40 %. 35 % dieser Nettoeinkommen der Arbeitnehmer lagen zwischen 300 und 500 DM pro Monat.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, hiernach ist ganz klar, daß mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung mit seinem monatlichen Einkommen auch nach den Lohnerhöhungen der letzten zwei Jahre jedenfalls unter 600 DM liegt. Das ist die Gruppe, bei denen Sie Eigentum bilden wollen. Was kann man unter diesen Umständen tun, damit in Deutschland in breiten Schichten Eigentum gebildet wird, wenn man es mit dieser Forderung wirklich ernst meint?
    Es liegt doch auf der Hand, daß jemand, der 500 bis 600 DM Einkommen hat, nicht daran denkt — ich werde das gleich begründen —, Aktien zu erwerben. Was macht er? Er geht zunächst zur Sparkasse und spart dort. Er spart, weil er demnächst eine Reise machen oder weil er sich ein Auto anschaffen will. Das sind Ihre berühmten Ringe, Herr Hellwig. Wenn man Ringe ansetzt, fängt man nämlich mit dem inneren Ring an, innen, und nicht außen bei der Aktie, die man vielleicht später einmal erwerben kann.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das habe ich ja genauso geschildert!)

    Diesen Menschen wollen Sie aber zumuten, eine Aktie zu kaufen.
    Eines ist natürlich richtig — und leider ist das auch ein Ergebnis der Währungsreformen, die bei uns in Deutschland zweimal in so unerhört unsozialer Weise durchgeführt worden sind -:

    (Beifall bei der SPD)

    daß eine Aktie auf lange Sicht — im Gegensatz zu Geldvermögenswerten—ihren Vermögenswert nicht nur behält, sondern sogar steigert. Aber wir wissen, daß eine Aktie kurzfristig sehr große Wertschwankungen durchmachen kann. Die 1000-Mark-Aktie von Bayer, ein gutes Papier, hatte im Jahre 1955 einen Höchstkurswert von 2665 Mark, und im Laufe des Jahres 1957 einen niedrigsten Kurswert von 1685 Mark; das ist also ein Verlust von 1000 Mark. Welchem Arbeitnehmer wollen Sie wirklich mit ehrlichem Gewissen raten, unter diesen Umständen seine Ersparnisse in Aktien anzulegen?

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Also soll der Arbeitnehmer nie Aktionär werden?)

    Es ist gar kein Zweifel: Wer Aktien erwerben will, der muß warten können, damit er die Aktie verkaufen kann, wenn sie einen hohen Stand und nicht einen niedrigen Stand hat. Warten aber kann im Ernstfall nur derjenige, der vorher in der Lage war, sich Rücklagen für Notfälle und dergleichen mehr in Höhe von mehreren tausend Mark auf der Sparkasse anzulegen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diesen Weg können Sie nicht mit der Aktie beginnen. Als nächste Etappe zur Eigentumsbildung für den Arbeitnehmer kommen die Bausparkassen und die Lebensversicherungen in Frage. Dann kommen vielleicht festverzinsliche Papiere wie Kommunalanleihen, dann Investmentpapiere, aber immer noch nicht die Aktie. Das kann niemand, und Sie können es dem Arbeitnehmer mit gutem Gewissen nicht empfehlen. Wer dem Arbeitnehmer unter diesen Umständen rät und vielleicht sogar durch öffentliche Hilfe anreizt, Aktien zu kaufen, ruft in ihm gefährliche Illusionen hervor, soweit er nichts Schlimmeres begeht.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Eine Sünde wider den Geist Ihrer Wirtschaftsverfassung!)

    Herr Kollege Arnold hat hier davon gesprochen, er wisse auch, daß nicht alle Arbeitnehmer auf diesem Wege Aktien erwerben könnten. Ich möchte es viel deutlicher und drastischer sagen, weil ich meine, man soll keine falschen Vorstellungen erwecken. Auf diese Weise können nur bei einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern mit gehobenen Einkommen zusätzliche Möglichkeiten der Verdienste ge-



    Dr. Deist
    schaffen werden. Die große Masse der Arbeitnehmer ebenso wie die große Masse der Selbständigen und der freien Berufe kann auf diese Weise niemals Eigentum bilden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf diese Weise werden privilegierte Schichten geschaffen, denen mit Steuervergünstigungen und anderen staatlichen Mitteln zusätzliche Möglichkeiten der Vermögensanreicherung geschaffen werden, was jemand, der für eine gesunde soziale Ordnung eintritt, nicht wollen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie den Menschen, die 500 bis 600 Mark im Monat verdienen, die Möglichkeit zur Eigentumsbildung geben wollen, — und meine Damen und Herren, verbreiten Sie nicht immer das Märchen, die Sozialdemokratie sei ein Gegner einer solchen Eigentumsbildung; im Aktionsprogramm der SPD steht seit 1952 ausdrücklich, daß sie eine Politik der Eigentumsbildung auch für unselbständige Menschen betreibt — —

    (Abg. Dr. Hellwig: Und dem Familieneigenheimgesetz haben Sie widersprochen!)

    — Kommen Sie nicht mit dem Eigenheimgesetz an! Wir wünschen nicht, daß einigen wenigen Privilegierten zu Lasten der großen Masse besondere Vorteile zugeschanzt werden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Skandal! Sie meinen wohl die Wohnungsunternehmungen mit öffentlichen Geldern, gewerkschaftliche Wohnungsunternehmungen? — Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn das, „privilegiert"? — Abg. Dr. Hellwig: Sie meinen wohl den Wohnungsbestand bestimmter Gesellschaften!)

    — Lassen Sie mich ein ganz offenes Wort sagen. Wenn Ihre Kollegen Arnold und Hellwig glauben, ein ernstes Problem in der Weise behandeln zu können, wie sie es hier getan haben, dann müssen sie sich gefallen lassen, daß wir entsprechend antworten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. Gegenrufe von der CDU/CSU. — Abg. Schlick: Diese Kritik steht Ihnen nicht zu!)

    - Ich habe nicht kritisiert, sondern ich habe gesagt, was ich hier tue, nichts weiter.
    Meine Damen und Herren, wer wirklich Eigentumsbildung in den breiten Schichten der Bevölkerung haben will, der muß zahllose Maßnahmen
    — und zwar in erster Linie und vordringlich — ergreifen, die die Eigentumsbildung ermöglichen. Aber wie vertragen sich die Äußerungen z. B. Ihres Herrn Bundeswirtschaftsministers zu den Lohnbewegungen der deutschen Arbeiter — in der letzten Vergangenheit ist beinahe jede Lohnbewegung diffamiert worden — mit der Behauptung, es würden Möglichkeiten geschaffen, Eigentum zu bilden? Sie können Eigentum doch nur bilden, wenn die Einkommenslage und der Lebensstandard der breiten Schichten auch über die Lohnpolitik weitgehend gesteigert werden.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir haben große Auseinandersetzungen über die Steuerpolitik gehabt. Sie wissen, daß Ihr Herr Bundeswirtschaftsminister in Zeiten, in denen dieses Volksaktien-Programm noch nicht so aktuell erschien, z. B. die Auffassung vertreten hat — und das war, wie ich meine, doch wohl seine ehrliche Auffassung —, man müsse eine lineare Steuersenkung vornehmen, damit die Ergebnisse der Steuersenkung denen zugute kämen, die auch sparen könnten. Das verrät jedenfalls eine Geisteshaltung, bei der man nicht darauf aus ist, Möglichkeiten zur Eigentumsbildung in breiter Hand zu schaffen.
    Vorhin ist das Beispiel der steuerbegünstigten Sparverträge genannt worden. Sind Sie wirklich der Auffassung, daß mit dieser Steuerbegünstigung neues Kapital durch neue Sparverträge geschaffen wird? Wissen Sie nicht alle, daß nur Umlagerungen im Rahmen des Kapitalaufkommens vorgenommen worden sind?

    (Abg. Dr. Hellwig: Doch nicht nur! — Bausparverträge!)

    — Ganz überwiegend, will ich Ihnen konzedieren.
    Aber noch ein Zweites! Erkundigen Sie sich einmal bei den Sparkassen und bei den Banken, wer ganz überwiegend diese steuerbegünstigten Sparverträge abgeschlossen hat, ob das wirklich eine Methode war, breiten Schichten der Bevölkerung die Möglichkeit zum Sparen zu geben oder ganz anderen!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schröter [Berlin] : Wer da hat, dem wird gegeben!)

    Mit Ihrem Entwurf fördern Sie mit staatlichen Mitteln nur die Einkommens- und Vermögensbildung in der Hand einiger weniger. Und dann wagen Sie, Herr Kollege Arnold — ich habe mich sehr darüber gewundert —, ausgerechnet in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß es sich hier um die Grundlage für eine gesunde wirtschaftliche Demokratie handele. Das hat auf der weiten Welt bisher noch niemand unter „wirtschaftlicher Demokratie" verstanden.
    Aber wir haben nicht nur diese große Sorge, sondern auch Besorgnis in folgender Hinsicht. Bei Ihrer Konstruktion, die Sie dem Volkswagenwerk bieten wollen, wird nicht nur eine begrenzte Gruppe an den großen Gewinnmöglichkeiten beteiligt, sondern die Verfügung über das Unternehmen erhalten zwangsläufig einige wenige Großbanken, — um so mehr, als der Herr Schatzminister, wenn die Zeitungen richtig berichtet haben, die Auffassung vertreten hat, die recht fragwürdige Begrenzung des Depotstimmrechts auf ein Drittel des Gesamtkapitals solle nach seiner Auffassung auch noch fallen.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren: Das macht uns außerordentlich skeptisch gegenüber allen Argumentationen, die Sie diesem Gesetzentwurf geben, weil das Ergebnis gerade das Gegenteil sein muß.



    Dr. Deist
    Vor einiger Zeit sind Ausführungen eines bekannten Aktienrechtlers erschienen, der Ihren Auffassungen näher stehen dürfte als den meinen. Es ist Herr Dr. C. E. Fischer, der die Schrift des Bundes der Steuerzahler „Der Bundeskonzern — Schach dem Staatskapitalismus durch Privatisierung" verfaßt hat; das dürfte Ihnen ja nicht allzu unsympathisch sein. Herr Dr. Fischer hat in seinen Untersuchungen, die sich mit dem Volkswagenwerk befassen, einige sehr interessante Feststellungen getroffen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Wir halten die Zeitung!)

    — Sie werden mir trotzdem gestatten, daß ich, wenn der Herr Präsident es mir erlaubt, aus dieser Zeitschrift einiges vorlese, weil es nicht nur Ihrem begrenzten Kenntnisbereich zugute kommen sollte.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Warum müssen Sie gleich persönlich werden?)

    — Bitte, das war doch nicht persönlich, ich bin weit davon entfernt; wir haben genug Sachliches auszukarten, als daß ich da persönlich zu werden brauchte. Herr Kollege Hellwig — Sie können es also in Ihrem Exemplar verfolgen —, da schreibt Herr Dr. Fischer — —

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Hellwig: Ich korrespondiere wöchentlich mindestens einmal mit ihm!)

    — Herr Kollege Hellwig, ich will Ihnen erklären, warum ich das gesagt habe. Gestatten Sie mir dieses Einschiebsel. Sie haben vorhin so getan, als wenn ich die von Ihnen zitierten Äußerungen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gemacht hätte. Es war aber der Entwurf des Kollegen Atzenroth, um den es damals ging. Das hätte man zur Klarstellung ruhig auch sagen sollen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Vogel, Elbrächter!)

    — Den Namen von Herrn Hellwig habe ich nicht darunter gesehen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Vogel, Elbrächter; der Name Hellwig steht mit darunter!)

    — Schön, aber es war nicht der vorliegende Gesetzentwurf.
    Sie haben gemeint, ich hätte damals die Verwendung für wissenschaftliche Zwecke lächerlich gemacht. Haben Sie den Wortlaut da? Das würde mich interessieren; ich habe nämlich auch einen da.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Hier ist der Wortlaut Ihrer Bemerkung zum Antrag Dr. Vogel!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Bitte, meine Herren, keine Unterhaltungen!

(Zuruf von der CDU/CSU: Vorlesen, Herr Dr. Deist!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Jawohl; seinen hat Herr Dr. Hellwig ja vorgelesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, Ihren!)

    — Ja, kommt jetzt. — Meine Damen und Herren, die Sache ist nicht so lächerlich, wie vielleicht der eine oder andere hier tun mag. Darin steckt ein sehr ernster Kern. Man muß die Dinge im Zusammenhang sehen. Ich habe nämlich zu der Bestimmung, die die Förderung der Forschung und des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses behandelt, folgendes gesagt:
    Dann ist so neckisch die Ziffer 5. Da steht, der Verkaufserlös soll einer Stiftung öffentlichen Rechts zur Förderung der Forschung, des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses usw. gegeben werden. Nun, meine Damen und Herren, eine etwas späte Erkenntnis! Ich habe den Eindruck, die Aktivität der Sozialdemokratie gerade auf diesem Gebiet hat Ihnen zu Gemüte geführt, daß da in der Vergangenheit etwas versäumt worden ist und daher einiges nachgeholt werden müßte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, Sie sollten den Zusammenhang wiedergeben, wenn Sie einige Sätze aus solchen Ausführungen zitieren. Damit möchte ich meine Bemerkungen über dieses Zitat und Ihre Gepflogenheit, zu zitieren, abschließen.
    In den Ausführungen des Herrn Dr. Fischer finden sich einige Feststellungen, die jeder ernsthaft überprüfen sollte. Ich meine, sie geben Anlaß zu der Überlegung, ob daraus nicht Konsequenzen gezogen werden müssen. Da heißt es nämlich:
    Ein Markt, auf dem ein großes Unternehmen eine derartige Preisführerschaftsrolle zu spielen vermag, ist weit davon entfernt, als Markt mit vollständigem Wettbewerb funktionieren zu können.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Ja, ich habe das vor einem Jahr, weil es der Kern der Dinge ist, auch schon ausgeführt. Es heißt dann weiter:
    Heute werden 67 % der innerdeutschen PkwBedarfsdeckung allein von den drei großen Firmen Opel, VW und Ford bestritten. In diesem Oligopol von sechs Großen oder diesen drei ganz Großen besitzt das Volkswagenwerk eine eindeutige marktbeherrschende Stellung.
    Und dann kommt die Konsequenz:
    Durch eine Privatisierung als Aktiengesellschaft wird die gefährliche Marktmacht des Volkswagenwerks in keiner Weise neutralisiert, sondern im Gegenteil,
    — alle, die bei diesem Gesetzentwurf guten Willens sind, bitte ich einmal aufzumerken —
    sie wird geradezu in das Scheinwerferlicht der Börsentransaktionen gerückt und würde zwangsläufig über kurz oder lang zu hohen Kursen dem zufallen, der sie dann auch ausnutzen will und muß.

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Deist
    Jegliche Form von Privatisierung des Volkswagenwerks als Aktiengesellschaft beschwört demnach große wirtschaftspolitische Gefahren herauf, welche durch Maßnahmen des Bundeskartellamts im Ernstfall nicht gebannt werden können.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das gilt auch für Ihren Vorschlag!)

    Das sind die Überlegungen, die wir vor einem Jahr hier vorgetragen haben und die uns auch heute veranlassen, ernsthaft davor zu warnen, das Volkswagenwerk der privaten Verfügung einiger weniger an den Gewinnen dieses Werkes Interessierter zu überlassen. Dieser grundsätzliche Anhänger der Privatisierung, Herr Dr. Fischer, kommt zu dem Ergebnis: „Ais einziger Ausweg aus diesem Dilemma erscheint mir die Rechtsform eines Stiftungsunternehmens."
    Nun frage ich Sie: Ist es fair, eine solche Form, die sich in Deutschland und in anderen Ländern bewährt hat, in dieser Weise zu diffamieren, wie das der Herr Kollege Hellwig hier heute getan hat?

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Rechtsform der Stiftung existiert in Dänemark, in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten und spielt dort eine große Rolle. Bei uns in Deutschland gibt es diese Form bei den Zeiß-Werken. Die Zeppelin-Werke wurden ebenfalls in der Form einer Stiftung geführt.
    Vielleicht, Herr Dr. Hellwig, sehen Sie sich doch einmal ein klein wenig das an, was Ihr Parteifreund Strickrodt über diese Stiftung geschrieben hat.

    (Abg. Dr. Hellwig: Ist mir bestens bekannt!)

    Das, was das Volkswagenwerk geschaffen hat, ist geschaffen worden auf der Grundlage der Leistung eines großen Erfinders mit einer tüchtigen und erfolgreichen Unternehmensführung, mit einer leistungsfähigen Belegschaft, die gezeigt haben, daß man ein großes Unternehmen, ein riesengroßes Unternehmen, wirtschaftlich führen kann, ohne daß überhaupt irgendwo Eigentümer zu sehen sind.

    (Sehr gut! und Sehr richtig! bei der SPD.)

    Eigentum hat es bei diesem Volkswagenwerk in den ganzen zwölf Jahren, seit es aufgebaut worden ist, nicht gegeben, und trotzdem ist es ein hochleistungsfähiges, wirtschaftlich arbeitendes Werk geworden.

    (Abg. Dr. Hellwig: Der Verbraucher zahlt ja!)

    Meine Damen und Herren, eine Wochenzeitung, die Ihnen vielleicht auch etwas zu sagen hat — es ist „Christ und Welt"; ich nehme an, sie ist auch Ihnen bekannt —, hat dazu folgendes ausgeführt:
    Obwohl in ungeklärten Eigentumsverhältnissen der öffentlichen Hand stehend, wurde es mit der Initiative und Tatkraft eines privaten Betriebes geführt. Welche Schattenseiten hier und da immer entdeckt werden mögen, im ganzen ist das Volkswagenwerk zu einem Symbol dafür geworden, wie sich das deutsche Volk
    nach einer furchtbaren Katastrophe als moderne Industrienation zu behaupten versteht. Darum gilt es nun, diese Beziehungen zwischen dem Volkswagenwerk und dem Volke für alle Zeiten festzulegen und fruchtbar zu gestalten.
    Diese Leistung, meine Damen und Herren, war das Ergebnis der Gemeinschaftsarbeit aller derer, die zu dem Werke gehören, die dabei die tatkräftige Hilfe der öffentlichen Hand fanden. Und dann meint Herr Dr. Hellwig, jeder Versuch, eine moderne Unternehmensform aus der Stiftung zu entwickeln, müsse hier diffamiert werden.

    (Abg. Dr. Hellwig: Wer hat diffamiert?)

    — Herr Kollege Hellwig, ich komme darauf zurück.
    Sie haben zunächst die Frage aufgeworfen, was dieses Unternehmen, das sich von einer Produktion von etwa 5- bis 6000 Wagen in den ersten drei Jahren auf 500 000 Wagen heraufgearbeitet hat, für Forschung und Wissenschaft beigetragen hat. Sie haben gemeint, ein solches fähiges Unternehmen in öffentlicher Hand zu führen, sei der sterilste Weg, den man sich denken könne.
    Meine Damen und Herren, zunächst eine Frage: Wer ist für die Führung dieses Unternehmens Volkswagenwerk in den vergangenen Jahren verantwortlich gewesen? Nach den Verfügungen der Alliierten, die damals zu bestimmen hatten, lag die treuhänderische Verwaltung bei der Bundesregierung. Der Verwaltungsratsvorsitzende des Volkswagenwerks war zugleich hoher Beamter in der Finanzverwaltung, und der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats war ebenfalls ein hoher Beamter des Bundes. Alles das, was im Volkswagenwerk nicht geschehen ist, fällt unter die Verantwortung dieser, Ihrer Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Herr Dr. Deist, das ist eine völlig verzerrte Wiedergabe!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Volkswagenwerk hat unter der Ägide dieser Bundesregierung die gleiche Unternehmenspolitik und die gleiche Gewinnpolitik betrieben, die gleichartige Unternehmungen in der privaten Wirtschaft betrieben haben, nicht schlechter und nicht besser als diese.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Doch, schlechter!)

    Sie können sich das auf dem Gebiet der Automobilfabrikation ansehen. Auch bezüglich der Kautschuk- und Gummiverarbeitung hat das Bundesamt für Statistik einige Zahlen veröffentlicht. Aber das ist doch das Ergebnis einer Selbstfinanzierung in den Großunternehmungen. Und diese hohe Selbstfinanzierung ist die Folge der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik, der Steuerpolitik und der Unternehmenspolitik in den öffentlichen Unternehmungen dieser Bundesregierung. Es ist unfair, zunächst in diesen Bundesunternehmungen, besonders im Volkswagenwerk, eine Politik zu betreiben, die in diesem Bundestag herbe Kritik, auch von Ihrer Seite in der Mitte, gefunden hat, und dann die



    Dr. Deist
    Schlußfolgerung zu ziehen: weil die Bundesregierung diese merkwürdige Politik mit öffentlichen Unternehmungen getrieben hat, darum sind die öffentlichen Unternehmungen schlecht und darum ist das öffentliche Eigentum eine sterile Form für die Führung von großen Unternehmungen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Das ist aber stark verzerrt!)

    Darum, meine Damen und Herren, bin ich der Auffassung, daß jeder, der es mit dem Problem ernst meint, dem Gedanken einer Stiftung nähertreten sollte. Wir sind sehr gespannt darauf, ob wirklich alle hier im Hause von halbrechts bis rechts den Versuch mitmachen, eine sachliche Debatte über diesen Antrag dadurch unmöglich zu machen, daß Sie entgegen allen guten parlamentarischen Gepflogenheiten die Überweisung an einen Ausschuß ablehnen. Sie sollten dabei daran denken, daß breite Kreise in Deutschland diesem Gedanken einer Stiftung durchaus sympathisch gegenüberstehen. Ich habe Ihnen die Stellungnahme der Wochenzeitung „Christ und Welt" vorgelesen. Sie wissen, daß der Verein Deutscher Ingenieure dem Stiftungsgedanken ebenfalls sympathisch gegenübersteht. Sie wissen, daß zahlreiche Wissenschaftler und Forscher der gleichen Auffassung sind. Man sollte also diesen Vorschlag nicht so einfach von der Hand weisen.
    Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zur Zeiß-Stiftung und zu ihrer Diffamierung durch Herrn Dr. Hellwig. Da möchte ich gegenüber falschen Behauptungen doch einmal sehr deutlich aussprechen: Die Zeiß-Stiftung hat sich als eine hervorragende Einrichtung erwiesen!

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Es ist unzutreffend, daß die Form der Zeiß-Stiftung zu starken sozialen Spannungen und zur Schaffung privilegierter Gruppen innerhalb dieses Unternehmens geführt habe.

    (Zuruf von der SPD: „Zur Förderung des Kommunismus" hat er auch gesagt!)

    Die Zeiß-Werke haben in dieser Stiftungsform die Vertreibung aus Jena überstanden und den Wiederaufbau des Unternehmens hier im Westen durchgeführt. Es ist — entschuldigen Sie — unerhört und nicht zu vertreten, daß Sie glauben, eine solche fortschrittliche Unternehmensform, die sich bewährt hat, damit begeifern zu können, daß Sie sagen, dadurch sei die kommunistische Bewegung gefördert worden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Nein! Sie hat diese Spannungen nicht lösen können, habe ich gesagt! Das ist einfach eine Verdrehung, Herr Dr. Deist!)

    — Herr Kollege Hellwig, Sie haben die Form der Stiftung der Zeiß-Werke mit dem Aufkommen der kommunistischen Bewegung in Jena in Verbindung gebracht,

    (lebhafte Zustimmung bei der SPD)

    und davon kommen Sie jetzt nicht mehr herunter.

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Herr Kollege Hellwig, wir können uns an Hand
    des unkorrigierten Protokolls darüber unterhalten.
    Aber lassen Sie mich dazu noch einige weitere Worte sagen. Was ist das für eine Methode, nachdem man an Hand des Beispiels der Zeiß-Stiftung zunächst einmal die Stiftung als eine unsoziale und für eine moderne Wirtschaft nicht geeignete Form hingestellt hat, dann nachher, gestellt, zu sagen: Ja, die Stiftung vielleicht, aber die bösen Hintergründe bei euch!, so nach der Melodie: Hinter Ihnen steht einer, hinter Ihnen geht einer!

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Hellwig: Die Hintergründe habe ich vorhin schon genannt!)

    — Meine Damen und Herren, Sie brauchen da keine Furcht vor der Vergesellschaftung haben. Wir wissen nämlich mit Herrn Professor Alfred Weber und mit meinem Freund Adolf Arndt, daß die Stiftung kein Ersatz und keine Form der Vergesellschaftung ist. Wir sind nämlich nicht so primitiv und orthodox, daß wir meinen, für die Führung von öffentlichen Unternehmungen gebe es nur eine einzige Form. Aber wir sind der Meinung, daß für eine öffentliche Unternehmung von dieser Größenordnung und von dieser Bedeutung, wie sie das Volkswagenwerk hat, die Stiftung eine moderne und gute Form sein kann, und zwar als Mittel einer bewußten Marktpolitik. Herr Kollege Hellwig, es wäre doch besser gewesen, wenn Sie sich unseren Antrag einmal angesehen hätten. Da steht nämlich drin, daß das Volkswagenwerk dazu beitragen soll, im Marktverkehr den Wettbewerb zu stärken. Das geschieht nämlich in einem Oligopol nicht, wenn nicht ein Unternehmen mit der speziellen Zwecksetzung der Preissenkung und als Hecht im Karpfenteich wirkt und durch die Wahl der Verwaltungsorgane sichergestellt ist, daß dieser gesetzte Zweck auch verfolgt wird.

    (Abg. Dr. Hellwig: Glauben Sie das noch, nach den Ausführungen, die Sie zitiert haben?)

    — Herr Kollege Hellwig, wenn die Stiftung so besetzt wird, wie wir das vorgeschlagen haben, glaube ich daran.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Glauben Sie denn an Wettbewerb?)

    — Herr Kollege Atzenroth, es tut mir leid, daß ich in diesem Fall offenbar viel mehr vom Wettbewerb halte als Sie.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

    Herr Kollege Atzenroth, Sie wissen folgendes genauso gut wie ich: Wenn in einem Unternehmenszweig drei, vier große Unternehmen den Ablauf des Marktgeschehens, die Produktion und die Preisbildung bestimmen und wenn dies in den Unternehmen Männer bestimmen — seien es nun die Vertreter der Banken oder die Manager in den Vorständen —, die in erster Linie nach privaten Ertragsgesichtspunkten arbeiten, dann werden

    (Zuruf von der FDP: Dann wird scharfer Wettbewerb stattfinden!)




    Dr. Deist
    normalerweise alle bestehenden Gewinnmöglichkeiten realisiert; denn das gehört ja wohl zum Wesen der normalen privaten Marktwirtschaft.
    Es kommt entscheidend darauf an, daß es auch Unternehmungen gibt, die dieser Tendenz, ihre Marktmacht auszunutzen, entgegenwirken. Dazu eignen sich z. B. Unternehmungen in öffentlicher Hand, wie wir sie seit je in allen modernen Staaten kennen. Wir meinen aber, man .sollte hier einen Versuch mit einer Stiftung machen, bei der sich das Unternehmen nicht in Staatseigentum befindet und bei der durch die Stiftungsverfassung eine moderne Wirtschaftsführung im öffentlichen Interesse gesichert wird. Wenn Sie meinen, das nicht tun zu sollen, dann geben Sie den Gedanken auf, daß eine Unternehmung wie das Volkswagenwerk dem öffentlichen Wohle dienen könnte.
    Was hat Herr Dr. Hellwig über das Volkswagenwerk gesagt? Eine Selbstfinanzierung in Höhe von 800 Millionen wird nicht nur von ein paar Kennern behauptet, sondern sie hat sich allgemein herumgesprochen. Selbstfinanzierung in ähnlicher Höhe gibt es weit und breit in der Wirtschaft. In der deutschen Wirtschaft hat die Selbstfinanzierung z. B. im vergangenen Jahre zu einer Vermögensanreicherung in Höhe von etwa 14 Milliarden DM geführt.

    (Abg. Dr. Burgbacher: Sie hat aber auch zur Vollbeschäftigung geführt!)

    — Ja und? --

    (Abg. Dr. Burgbacher: Und ist das gar nichts?)

    — Ihr Entwurf spricht doch höchstens gegen die Argumentation von Herrn Hellwig, der die Selbstfinanzierung beim Volkswagenwerk als ein ungeheures Verbrechen darstellen möchte,

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU: Nein, nein!)

    während es sich in Wirklichkeit doch nur um die in
    den vergangenen Jahren in der deutschen Wirtschaft
    übliche Nutzung der Marktchancen gehandelt hat.

    (Erneuter Widerspruch von der CDU/CSU.)

    Es kommt darauf an, daß die Kapitalkraft und die Ertragskraft, die in diesen Unternehmungen steckt, nicht einer verhältnismäßig kleinen Schicht von Einkommensbeziehern zuwächst. Was in diesen Unternehmen steckt, ist wirklich eine große Kapital- und Ertragskraft. Aber sind Sie wirklich der Meinung, daß es — da- nun einmal nur begrenzte Schichten Aktien erwerben können —, richtig ist, diese Gewinnchancen einer verhältnismäßig begrenzten Gruppe zuzuwenden und die Macht über diese Unternehmungen einigen wenigen Großbanken zu überlassen? Das ist das große gesellschaftspolitische Problem, das dahintersteckt; es handelt sich um ein gesellschaftspolitisches Problem — ich unterstreiche das — von zentraler Größenordnung.
    Das Problem ist die Machtbildung in der deutschen Wirtschaft; es geht darum, wie diese Macht in Schranken gehalten werden kann, so daß sie nicht zu ungerechtfertigter Vermögensanreicherung in kleinen Schichten des Volkes führt.
    Herr Kollege Hellwig hat gemeint, dieses Ergebnis müsse eintreten, wenn man diese Unternehmungen mit Verbandsmacht verbinde. Ich frage: Wann und wo ist Verbandsmacht bei uns in Deutschland wirksam geworden? Wir haben davon manches in der Vergangenheit bemerkt, z. B. als bei der Ernennung des Herrn Bundesernährungsministers Verbandsmacht eingesetzt wurde.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Ohne Erfolg! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Wir sind auch darüber unterrichtet, daß bei der Ernennung des Herrn Bundesfinanzministers mit großem Erfolg Verbandsmacht wirksam war.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Von wem?)

    Ebenso wissen wir, daß bei der Besetzung der Bundeskartellbehörde — deshalb die Verzögerung —und bei der Aufstellung ihres Etats — deswegen auch hier die Verzögerung — Verbandsmacht wirksam gewesen ist.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Wir wissen auch, daß diese Verzögerungstaktik es ermöglicht, daß inzwischen in der deutschen Wirtschaft eine Abwehrapparatur in der Form von Schiedsgerichten aufgebaut wird, die darauf hinzielt, die Tätigkeit der Kartellbehörde völlig auszuhöhlen.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist Verbandsmacht, und diese möchten wir .bekämpfen, und zwar mit aller Härte. Die Verbandsmacht liegt aber ganz woanders, als Sie es darzustellen versuchen. In der Konstruktion, die wir für das Volkswagenwerk wählen wollen, spielt Verbandsmacht keine Rolle, sondern wir wenden hier einen Grundsatz an, den Sie, Herr Kollege Arnold, früher als das „machtverteilende Prinzip" vertreten haben.

    (Heiterkeit bei der .SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    In dem Kuratorium sollen nämlich Forscher, Wissenschaftler, Vertreter der Kultusminister, Vertreter der Wirtschaft und Vertreter der Arbeitnehmerschaft nebeneinander sitzen. Wir wollen diesem Kuratorium einen hohen Rang verleihen; es soll auf seine hohe Aufgabe gesetzlich verpflichtet werden. Daß wir dem Kuratorium diesen hohen Rang verleihen wollen, dokumentiert sich auch damit, daß wir diese Ernennung der Mitglieder durch den Herrn Bundespräsidenten vorschlagen. Was wir hier tun, ist Kampf gegen einseitige Verbandsmacht.
    Herr Kollege Hellwig, wenn Sie das Volkswagenwerk der Verfügungsgewalt einiger Großbanken ausliefern — das ist zwangsläufig die Folge Ihres heutigen Gesetzentwurfs —, stärken Sie die wirtschaftliche Macht und die Verbandsmacht, die bei uns in Deutschland schon eine entscheidende Rolle spielt.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)




    Dr. Deist
    Sie meinen, Herr Kollege Hellwig, es sei in dieser Wirtschaft, in der die mächtigen Großunternehmen die entscheidende Rolle spielen, möglich, durch die Mitwirkung der Eigentümer und mit Hilfe der Kontrolle durch die Eigentümer die wirtschaftliche Macht und die Verbandsmacht auszuschalten?
    Herr Kollege Hellwig, Sie müssen doch wissen, wie die Hauptversammlung, die Aufsichtsräte und Vorstände dieser Großunternehmen funktionieren. Wissen Sie nicht, daß die Aktionäre in diesen Großunternehmen nicht einen Deut zu sagen haben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß in diesen durch die Konzentration entstandenen Machtgebilden eine Autokratie besteht, daß ganz wenige allein entscheiden, ohne jede Kontrolle, ohne jede echte Legitimation? Was Sie nicht aussprechen wollen, hat seinerzeit Herr von Fürstenberg von der Deutschen Handelsgesellschaft ausgesprochen. Er sagte — und das ist die Einstellung fast aller Manager in der Wirtschaft; Sie werden das nicht bestreiten —

    (Abg. Dr. Hellwig: Das ist bekannt; dagegen sollten wir uns wenden!)

    -- und wenn es auch bekannt ist, möchte ich es sagen —: der Aktionär ist dumm und unverschämt, dumm, wenn er eine Aktie kauft, und unverschämt, wenn er eine Dividende verlangt! Das Wort stammt nicht von Sozialdemokraten, sondern von einem Berliner Großbankier, der inzwischen verstorben ist. Das kennzeichnet nicht nur den Mann — ihn insofern, als dies jetzt eine gute Kenntnis der Verhältnisse in den modernen Gesellschaften verrät —, sondern auch die Situation in diesen Großunternehmungen. Man soll nicht sich und anderen weismachen, man könne über die Beteiligung von einigen Hunderten oder Tausenden an dem Aktienkapital des Volkswagenwerks eine breite Streuung des Kapitals und eine wirksame Kontrolle herbeiführen; das hieße nur anderen Sand in die Augen streuen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun noch eins! Sie sprechen so groß vom Aktionär und halten angeblich soviel von der Kontrolle durch den Aktionär. Dabei wissen Sie, wie wenig er im Grunde genommen zu bedeuten hat. Warum findet sich in Ihrem Gesetzentwurf aber nicht ein einziges Wort über die Ausdehnung der Publizität in diesen großen Gesellschaften? Wenn man schon behauptet, es gehe Ihnen um den Aktionär und der Aktionär solle wissen, was los sei, dann muß man doch für eine genügende Publizität sorgen, damit dieser sagenhafte Aktionär über Geschäftsbericht, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnung wirklich erfährt, was in den Unternehmungen vor sich geht. Darüber steht kein halbes Wort in Ihrem ganzen Entwurf! Hier liegt die Krux. Sie, Herr Kollege Hellwig, wissen genau wie ich, daß die New Yorker Börse den Handel mit deutschen Aktien abgelehnt hat, weil amerikanischen Aktionären nicht zugemutet werden könne, Aktien von Firmen zu kaufen, die ihre Bilanzen und Geschäftsberichte nur dazu benutzen, ihre wahre Vermögens- und Ertragslage zu verschleiern.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! von der SPD.)

    Wenn Sie hier schon von „Stärkung des Aktionärs",
    „Eigentum in breiter Hand" durch Aktien sprechen,
    müßte in Ihrem Entwurf ganz vorn und ganz groß
    das Wort „Publizität" in entsprechenden Vorschriften enthalten sein.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben mit Absicht in unserem Antrag die Forderung nach Publizität aufgenommen, weil wir die ausreichende Unterrichtung der Öffentlichkeit für ein entscheidendes Problem der modernen Gesellschaft halten. Nicht, weil wir glauben, auf diese Weise könnte man den Aktionär der großen Unternehmen wiederbeleben. Über den Aktionär und seine Bedeutung ist — dazu mag man „leider", oder mancher Manager vielleicht auch „Gott sei Dank", sagen — die gesellschaftliche Entwicklung in der Großwirtschaft längst hinweggegangen. Der Aktionär spielt hier bei der Führung und Kontrolle der Unternehmungen keine entscheidende Rolle mehr, wenn er nicht Großaktionär ist.
    Hier muß wenigstens dafür gesorgt werden, daß, da es hier praktisch keine echte Kontrolle durch die Aktionäre gibt, wenigstens die Öffentlichkeit erfährt, was in diesen Unternehmungen gespielt wird. Ich bedaure sehr, daß in Ihrem Entwurf dafür nicht ein einziger Ansatzpunkt vorhanden ist, obwohl die breiteste Öffentlichkeit dringend darauf wartet, daß hier einmal etwas mehr Licht in das hineingebracht wird, was an wichtigen Stellen der deutschen Wirtschaft, die für unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind, eigentlich vorgeht. Das fehlt in Ihrem Entwurf völlig.
    Meine Damen und Herren, der Unterschied zwischen Ihrem Entwurf und unserem Entwurf läßt sich auf eine ganz einfache und primitive Formel bringen. Wir wünschen, daß das Volkswagenwerk den Wettbewerb steigert und dazu beiträgt, daß die anderen Unternehmungen nicht jede denkbare Gewinnchance ausnutzen können. Darum hat das Volkswagenwerk die Aufgabe — und die von dem Herrn Bundespräsidenten zu bestellenden Organe sind darauf verpflichtet —, dafür zu sorgen, daß ein billiger Volkswagen herausgebracht wird, den auf die Dauer jedermann wirklich kaufen kann. Sie wissen genauso wie ich, daß bei einer anderen Wirtschaftspolitik, bei einer anderen Straßenbaupolitik, bei einer anderen Finanz- und Steuerpolitik der Volkswagen zu zwei Drittel seines heutigen Preises verkauft werden könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist der Sinn unseres Antrags. Die Durchführung Ihres Gesetzentwurfs aber führt dazu, daß das Unternehmen nach privaten Gesichtspunkten geführt wird und — das ist ja Ihr Wunsch — daß diese Möglichkeit, einen billigen Volkswagen für jedermann herauszubringen, verlorengeht, weil nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen jede Gewinnchance mitgenommen wird. Das ist, auf eine primitive Formel gebracht, wirklich das, was in Mark und Pfennigen bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs herauskommt.



    Dr. Deist
    Meine Damen und Herren, bitte sehr, entscheiden Sie selbst! Ich meine, Sie sollten jedenfalls nicht so hoch zu Roß sitzen, daß Sie glauben, einen solchen ernstgemeinten Antrag einfach abtun und eine Behandlung im Ausschuß vereiteln zu können.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)