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ID0300808600

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    Deutscher Bundestag 8. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1958 Inhalt: Amtliche Mitteilungen 239 A Fragestunde (Drucksache 142) : Frage 1 des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Zulassung unfallverschärfender Fahrzeuge Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 239 B Frage 2 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Panzerübungen im Naturschutzpark in der Lüneburger Heide Strauß, Bundesminister 240 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 240 D Frage 3 des Abg. Schmidt (Hamburg) : Zuleitung der Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn an den Bundestag Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 241 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 241 D Frage 4 des Abg. Dr. Bucher: Bezeichnung der Regierung von Formosa als Regierung der Republik China Dr. von Brentano, Bundesminister . . 242 A Frage 5 des Abg. Jacobs: Freilassung des im tschechoslowakischen Gewahrsam befindlichen Generalmajors a. D. Richard Schmidt Dr. von Brentano, Bundesminister . . 242 C Frage 6 des Abg. Kalbitzer: Verteuerung der Hermes-Exportkreditversicherung Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister . . 242 D Frage 7 des Abg. Ritzel: Einsetzung von Bahnbussen auf der Odenwaldstrecke Weinheim—Mörlenbach—Wahlen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 243 A Ritzel (SPD) 243 B Frage 8 des Abg. Ritzel: Verurteilung des Schützen Seifert Strauß, Bundesminister . . . . 243 D, 245 A Ritzel (SPD) 245 A Frage 10 des Abg. Dr. Werber: Einführung der Todesstrafe bei Mord Schäffer, Bundesminister 245 B Frage 11 des Abg. Dr. Mommer: Freigabe beschlagnahmter deutscher Vermögen Dr. von Brentano, Bundesminister . . 246 A Dr. Mommer (SPD) 246 B Frage 12 des Abg. Brück: Anrechnung des freiwilligen Arbeitsdienstes auf den öffentlichen Dienst Dr. Anders, Staatssekretär 246 D Brück (CDU/CSU) 246 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1958 Frage 13 des Abg. Brück: Verkehrsunfälle durch Aufprallen auf Straßenbäume Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 247 A Brück (CDU/CSU) 247 C Frage 14 des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Erfahrungsbericht über die Auswirkungen der Fünften Berufskrankheiten-Verordnung Blank, Bundesminister 248 A Frage 15 des Abg. Wendelborn: Eindämmung der Kriminalfälle Schäffer, Bundesminister 248 B Frage 16 mit Frage 9 der Abg. Ritzel und Schneider (Bremerhaven): Geltungsdauer der Sonntagsrückfahrkarten mit Einführung der 5-Tage-Woche Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . .249 A Frage 17 des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Grundstücke und Gebäude im Zuge von Aussiedlungsverfahren Hartmann, Staatssekretär 249 B Frage 18 des Abg. Dr. Menzel: Schikanen bei der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Ehrenämter bei der Preussag Dr. Lindrath, Bundesminister 249 C Frage 19 der Abg. Frau Renger: Schutz maßnahmen an der ostholsteinischen Küste Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . . 250 A Frau Renger (SPD) 250 B Frage 20 des Abg. Seuffert: Geschwindigkeitsbegrenzung an Autobahn-Baustellen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 250 C, 251 A Seuffert (SPD) 251 A Ubersicht 2 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Bundestagsausschüssen zu Petitionen, Stand vom 15. 1. 1958 (Drucksache 121) 251 A Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk-GmbH, Uberführung der Anteilscheine in private Hand (Drucksache 102); Antrag der Abg. Dr. Deist u. Gen. betr. Errichtung einer „Stiftung Deutsches Volkswagenwerk" (Drucksache 145) Dr.-Ing. E. h. Arnhold (CDU/CSU) . 251 C Kurlbaum (SPD) 254 C Hellwege, Ministerpräsident, Niedersachsen 257 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . . . 257 D, 284 C Dr. Atzenroth (FDP) 263 C Dr. Elbrächter (DP) 266 B Dr. Deist (SPD) 269 A, 289 A Dr. Mommer (SPD) 277 A Häussler (CDU/CSU) 277 B Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 279 A Dr. Preusker (DP) 281 A Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt zu den Zusatzübereinkommen vom 7. 9. 1956 über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlichen Einrichtungen und Praktiken (Drucksache 115) . 291 D Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Drucksache 128) 291 D Entwurf eines Gesetzes über die Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache 129) Dr. Deist (SPD) 292 A Dr. Atzenroth (FDP) 292 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 293 A Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz (Drucksache 131) 293 C Fünfzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 108) 293 D Nächste Sitzung 293 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten .295 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1958 239 8. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 15 Uhr.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 22. 1. Dr. Baade 24. 1. Dr. Barzel 24. 2. Bazille 25. 1. Dr. Becker (Hersfeld) 8. 2. Berendsen 31. 1. Blachstein 24. 1. Dr. Brönner 20. 2. Dr. Bucher 22. 1. Dr. Bucerius 22. 1. Dr. Dresbach 22. 1. Eschmann 22. 1. Faller 7. 2. Felder 31. 1. Franke 22. 1. Dr. Frey 22. 1. Gleisner (Unna) 24. 1. Graaff 23. 1. Dr. Gülich 24. 1. Heinrich 22. 1. Heye 31. 1. Huth 22. 1. Dr. Jaeger 8. 2. Dr. Jordan 23. 1. Josten 31. 1. Kalbitzer 25. 1. Kühn (Bonn) 27. 1. Kühn (Köln) 22. 1. Leber 22. 1. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31. 1. Majonica 15. 2. Merten 22. 1. Meyer (Wanne-Eickel) 24. 1. . Müller-Hermann 15. 2. Oetzel 22. 1. Paul 28. 2. Dr. Preiß 31. 1. Probst (Freiburg) 5. 2. Rademacher 25. 1. Ramms 24. 1. Rasch 24. 1. Frau Dr. Rehling 22. 1. Rehs 27. 1. Scharnowski 24. 1. Scheel 24. 1. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 1. Schoettle 24. 1. Schröder (Osterode) 31. 1. Schultz 22. 1. Dr. Serres 31. 1. Stierle 31. 1. Theis 24. 1. Wacher 3. 2. Dr. Wahl 10. 2. Dr. Weber (Koblenz) 22. 1. b) Urlaubsanträge Abgeordneter) bis einschließlich Bauer (Würzburg) 31. 1. Bettgenhäuser 30. 1. Frau Döhring (Stuttgart) 31. 1. Hoogen 2. 2. Ruhnke 31. 1. Spies (Brücken) 8. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alexander Elbrächter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Mit einer gewissen Befriedigung darf ich feststellen, daß ich nunmehr zum drittenmal zur gleichen Sache sprechen muß. Es wäre natürlich besser gewesen, wir hätten Ende der vorigen Legislaturperiode dieses Werk noch vollenden können. Aber es sieht jeder ein, daß die Zeit dazu nicht ausreichte, und das ist vielleicht gut; inzwischen ist nämlich in der öffentlichen Diskussion noch auf verschiedene sachliche Mängel hingewiesen worden, die in der Tat beachtet werden sollten.
    Mit einem Gefühl der Befriedigung stelle ich weiter fest, daß die CDU/CSU-Fraktion unmittelbar nach dem Zusammentritt des 3. Bundestages den Entwurf wieder eingebracht hat. Damit sind alle Anwürfe, dieses Anliegen sei Wahlpropaganda, hinfällig. Hier ist vielmehr, wie Kollege Arnold zu Recht und mit Nachdruck hervorgehoben hat, eines der ernstesten Anliegen zu verwirklichen, ein Anliegen, das wirklich in die Fragen der Sozialreform hineinreicht; denn es soll dem Bürger im Staat eine andere Stellung gegeben werden als die, die er zur Zeit hat und die uns allen Unbehagen bereitet.
    Ich darf das mit um so größerer Befriedigung feststellen, als sich meine Fraktion nach wie vor zu diesem Grundanliegen bekennt. Wenn meine Fraktion diesmal nicht mit unterschrieben hat — ich spreche das ganz freimütig aus —, so geschah es eigentlich mehr aus technischen Gründen; sie beziehen sich auf die §§ 4 und 5, auch auf § 10 und zum Teil auf § 12. In meinen Augen handelt es sich dabei aber nur um Schönheitsfehler. Deswegen habe ich persönlich den Entwurf der CDU auch diesmal mit unterschrieben; denn es schien mir wichtig, das große politische Anliegen zu unterstützen.
    Ich freue mich, auch im Namen meiner Freunde in folgendem Punkte volle Übereinstimmung -
    wie sollte es auch anders sein! — feststellen zu können. Nachdem Kollege Arnold eindeutige Ausführungen zur Frage des Privateigentums gemacht hat, kann ich mit Befriedigung feststellen, daß zumindest in diesem Punkt zwischen der DP und der CDU, also zwischen den Koalitionspartnern, keine Unterschiede mehr bestehen. Als ich vor etwa anderthalb Jahren den Antrag Drucksache 2614 einbrachte, konnte ich mich nur an einen Teil meiner CDU-Kollegen in der Hoffnung wenden, Unterstützung für das Anliegen zu bekommen.
    Ich freue mich also, wie gesagt, daß sich jetzt die gesamte Fraktion zu diesem Gedanken bekennt, und ich darf diese Betrachtung — vielleicht etwas scherzhaft — mit dem Bemerken abschließen, daß nicht nur der Weg nach Tipperary, wie es in einem englischen Volkslied heißt, sehr weit ist, sondern auch der Weg von Ahlen nach Wolfsburg sehr weit zu sein scheint. Es kommt mir aber nicht auf die Melodie, sondern darauf an, daß wir im gleichen Schritt marschieren und daß wir den Weg zu Ende gehen, und zwar möglichst bald; das ist das Wesentliche.
    Ich darf noch einmal ganz kurz darauf hinweisen, daß dieser Gesetzentwurf drei Grundanliegen zu verwirklichen sucht; das erste ist die Privatisierung, das zweite die Eigentumsordnung, das dritte die Förderung der Wissenschaften, ein Problem, das sicherlich gleichrangig ist, wenn es auch auf einer anderen Ebene liegt.
    Was die Privatisierung anlangt, so kann ich mich kurz fassen. Der Standpunkt meiner Freunde ist bekannt. Ich habe ihn mehrmals vortragen dürfen, nicht nur aus Anlaß der Behandlung dieses Gesetzentwurfs. Wir wollen nicht, daß der Staat seine Schiedsrichterrolle aufgibt. Er braucht deswegen kein „Nachtwächter" zu sein. Er soll echter Schiedsrichter bleiben und in diesem Spiel nicht mitspielen. Das tut er aber, wenn er gewerbliches Vermögen von solcher Höhe hat.
    Ich darf noch darauf hinweisen, daß auch für die Freiheit des Bürgers eine Gefahr aus dem großen Besitz des Bundes erwächst. Leider besteht in unserer Zeit ein großer Zug zur wirtschaftlichen Konzentration. Das erfüllt alle Kollegen dieses Hauses, auf welcher Seite es auch sei, mit Sorge. Zweifellos käme es auch hier zu einer Konzentration, wenn der Staat seine gewerblichen Beteiligungen behielte und ausbaute. Das würde für einen großen Teil unserer Bürger eine wirtschaftliche Abhängigkeit von Unternehmen des Staates bedeuten. Wir wollen nicht verschweigen, daß trotz Bemühens des Parlaments das Gewicht des „Apparats" gegenüber dem einzelnen manchmal noch recht groß ist. Es ist unsere Aufgabe, das zu verhindern; daß wir uns darum mühen, verleiht uns unsere Würde. Ich warne also davor, daß zu dieser
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, ,den 22. Januar 1958 267
    Dr. Elbrächter
    Beeinflussung durch den „Apparat", die sich durch die Verteilung der Gewichte zwischen Staat und Bürger ergibt, unter Umständen wirtschaftliche Einflüsse hinzukommen. Gerade dieser Gesichtspunkt bewegt meine Freunde und mich, die Privatisierung mit allem Nachdruck voranzutreiben.
    Ich will noch auf eine Kritik eingehen, die aus Anlaß eines besonderen Falles in jüngster Zeit den Anhängern der Privatisierung vorgehalten worden ist: die Frage der Henschelwerke. Ich glaube, die Gegner der Privatisierung irren sich, wenn sie meinen, aus diesem Fall Argumente ziehen zu können. Hier liegt eindeutig ein unternehmerisches Versagen vor. Der betreffende Unternehmer, der Eigentümer ist mit der höchsten Strafe bestraft worden, die es in einem Markt gibt, nämlich mit dem Verlust des Eigentums. Wenn der Staat in solchen Fällen Unterstützungsaktionen einleitet, tut er das nicht des Eigentümers wegen, sondern praktisch wegen der großen Zahl von Arbeitnehmern und vor allen Dingen wegen der vielen Zulieferanten und mittelständischen Betriebe, die an einem solchen Großbetrieb hängen. Dieser Fall stellt also, glaube ich, kein Argument gegen das Bestreben der Privatisierung dar.
    Zur Frage des Eigentums kann ich mich nach den Ausführungen des Kollegen Arnold ganz kurz fassen. Ich freue mich, wie ich schon einleitend feststellte, sagen zu dürfen, daß hier keinerlei Unterschiede mehr sind. Die Rolle des Eigentums für den Bürger kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Eine Gesellschaft, ein demokratischer Staat wird nach unserer Überzeugung erst dann richtig funktionieren, wenn der Bürger nicht nur die politisch garantierte Freiheit, sondern auch die wirtschaftliche Selbständigkeit und damit die wirtschaftliche Sicherheit hat. Auf die erzieherische Rolle des Eigentums brauche ich nur in einem Satz hinzuweisen. Ein Bürger, der Eigentum zu bewahren hat, verhält sich anders gegenüber Experimenten — ich darf dieses nach den Wahlen vielleicht etwas anrüchige Wort hier ruhig erwähnen —; er ist gegen politische Versuchungen und Verlockungen — jetzt denke ich an die Zeit vor 25 Jahren — anders gewappnet als ein Bürger, der nichts hinter sich hat.
    Nun darf ich noch auf einige Einwände eingehen, die gegen den Plan der Volksaktie vorgebracht werden. Ich wundere mich eigentlich, daß gegen diesen Plan soviel Einwände gemacht werden. Es wird immer betont, es sei etwas Neues. In meinen Augen ist es gar nichts Neues. Die Idee der Volksaktie, der Kleinaktie, wie ich lieber sagen möchte, hat sich in den USA, wie Herr Kollege Hellwig ausgeführt hat, gut bewährt. Ich darf an das österreichische Beispiel erinnern, obwohl mir dieses wegen der aktienrechtlichen Minderstellung nicht vorbildlich erscheint. Man hat dort Aktien zweierlei Rechts geschaffen. Das möchte ich persönlich nicht. Aber auch in Deutschland liegen Erfahrungen vor. Gerade vor zwei Tagen habe ich in dem Bericht der Firma Bayer (Leverkusen) lesen können, daß 20 % der Angestellten und Arbeitnehmer Inhaber von Aktien sind. Es handelt sich also nicht um etwas Neues. Das Instrument ist nur leider in der Vergangenheit in Deutschland aus Animosität wenig gehandhabt worden, worauf Kollege Hellwig schon hingewiesen hat.
    Das einzige, was mir in diesem Zusammenhang neu erscheint und was vielleicht typisch für Deutschland ist, ist das Getöse und das Gezänk, das urn dieses Problem gemacht wird und das völlig unnötig ist. Ich glaube nicht, daß die Gegner der Volksaktie recht haben, wenn sie sagen, für Deutschland sei das Sparen das gegebene Instrument, Eigentum zu bilden. Man kann sich nach meiner Auffassung auch nicht darauf berufen, daß Aktien erst für Inhaber von Sparkonten in Höhe von 10 000 DM interessant seien. Keineswegs! Die Erfahrungen in den USA lehren etwas ganz anderes. Natürlich wollen wir nun keineswegs die üblichen, klassischen Formen der Eigentumsbildung — Hausbesitz, Sachwertsparen, auch Kontensparen — durch diese neue Form irgendwie diskriminieren oder gar ausschalten. Volkswirtschaftlich besteht aber ein Unterschied zwischen dem Kontensparen und der Anlage des Geldes in Aktien oder sonstigen Wertpapieren. Wenn ich Geld zur Sparkasse bringe, bleibt es immer Geldkapital und ist jederzeit reversibel, kann also wieder in den Konsum zurückfließen. Wenn ich Aktien anschaffe, so schaffe ich irreversibles Sachkapital. Gerade heute, wo wir uns so sehr bemühen, den Kapitalmarkt wieder in Ordnung zu bringen, sollten wir auf diesen Punkt größten Wert legen. Selbstverständlich habe ich keine Illusionen; ich weiß, daß der Summe nach durch diese neue Form zunächst relativ geringe Mittel zusammenkommen werden. Aber was heute ein kleines Bächlein ist, wird nach meiner Überzeugung einmal ein großer Strom. Wie Kollege Atzenroth und auch Kollege Hellwig mit Recht gesagt haben, gibt es in den USA Unternehmen, die mehr Aktionäre — Kleinaktionäre — haben als überhaupt Arbeitnehmer. Das ist nach unserer Auffassung der richtige Weg der Eigentumsbildung.
    Ich möchte mich nicht in den Streit einlassen, den Kollege Atzenroth darüber angerührt hat, ob mit diesem Entwurf wirklich Eigentum geschaffen wird oder nicht. Vielleicht ist es nur eine Umverteilung, Kollege Atzenroth; Sie haben recht. Aber der Weg, den wir hier beschreiten, führt sicherlich in Zukunft zu einer neuen Eigentumsbildung, zur Beteiligung neuer Schichten am Eigentum. Das Anliegen kann in einer Industriegesellschaft — ich muß wiederholen, was Kollege Arnold gesagt hat —, in der mehr als 80 % unselbständige Arbeitnehmer sind, doch nur so erfüllt werden. Es gibt keinen anderen Weg als den, sie über die Aktie an den Sachwerten, an den Produktionsgütern zu beteiligen. Ich wundere mich, daß gerade die Gewerkschaften dagegen Sturm laufen. Zugegeben, dieser Weg entspricht nicht den Vorstellungen, die vor hundert Jahren von Karl Marx und seinen Anhängern entwickelt worden sind. Aber wir sollten uns doch nicht in alte Vorstellungen festbeißen, sondern den erprobten Weg gehen, der in anderen Volkswirtschaften zu guten Erfolgen geführt hat.



    Dr. Elbrächter
    Ich würde es daher begrüßen, wenn es, trotz der heute sichtbar gewordenen Spannungen, im Ausschuß zu einer vernünftigen, sachlichen Verständigung käme.
    Die Einwände, die weiter gemacht worden sind, sind zum Teil natürlich berechtigt. Hierher gehört selbstverständlich auch die hier noch nicht erwähnte Doppelbesteuerung der Aktie. Auch das muß geändert und beseitigt werden.
    Über die Stellung des Aktionärs haben Herr Atzenroth und Herr Hellwig mit Recht ausgeführt, daß die alte Stellung des Aktionärs, wie sie vor 1935 bestanden hat, wiederhergestellt, ja noch gefestigt werden muß. Der Aktionär muß Sicherheit vor unerwünschten Konzentrationen haben. Wir sind uns einig — auch meine Freunde sind der Meinung -, es wäre wünschenswert, daß mehr Publizität waltete, als das zur Zeit der Fall ist. Ich verstehe eigentlich gar nicht, warum der deutsche Unternehmer so ängstlich ist. Er hat doch gute Leistungen aufzuweisen. Aber in Deutschland leidet die unternehmerische Leistung in der Beurteilung ja in der Tat durch den Neidkomplex, den wir leider zum großen Teil in Deutschland immer wieder feststellen müssen. Der Gewinn ist nun einmal notwendig; Herr Kollege Atzenroth hat das richtig betont. Zum mindesten darf ich es negativ sagen: kein Unternehmen kann es sich leisten, mit roten Zahlen zu arbeiten.
    Ich darf auf einige weitere Einwände eingehen. Es wird gesagt, die Dividende würde nicht zu einer Einkommensvermehrung führen. Das ist in gewissem Umfange richtig; der Betrag spielt keine Rolle. Aber nicht die Einkommensvermehrung ist, glaube ich, der entscheidende Anreiz, sondern der Anreiz nach Besitz — ein ganz ursprüngliches Anliegen des Menschen — wird ausschlaggebend dafür sein, ob der Mensch Aktien anschaffen wird oder nicht.
    Nun zu zwei Problemen, die hier auch schon angesprochen worden sind. Das betrifft die Volkswarensparer. Ich darf Ihnen mitteilen, daß meine Fraktion die Bundesregierung gestern hat bitten lassen — das Schreiben ist noch unterwegs —, diese Frage durch einen Vergleich möglichst schnell zu bereinigen. Es ist selbstverständlich, daß das vorweggehen muß. Ich persönlich meine, daß da eine gewisse Großzügigkeit am Platze ist, damit wir von diesem Problem wegkommen. Ich darf aber meine Mahnung an die Volkswagensparer wiederholen, daß sie hinsichtlich der Höhe keine utopischen Vorstellungen haben dürfen. Auch dort muß man zu einem billigen Vergleich kommen — „billig'' nicht in des Wortes kostenmäßiger Bedeutung, sondern im Sinne von „recht und billig".
    Nun zum Land Niedersachsen. Wir haben alle die Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Hellwege zu diesem Punkt gehört. Ich darf mit besonderer Befriedigung feststellen, daß sich mir hier ein Ausweg aus diesem leidigen Streit zu eröffnen scheint. Gerade wenn wir in § 12 — und deswegen erwähne ich dieses Problem noch einmal — zu dem Verwendungszweck kommen, der in dem Antrag
    Drucksache 2614 ursprünglich vorgeschlagen war, nämlich ausschließlich zur Förderung der Wissenschaft — nicht nur des technischen Nachwuchses; ich möchte das viel breiter haben —, so ergibt sich sicherlich eine Lösung zwischen Bund und Niedersachsen, die sowohl dem Anliegen von Bund und Niedersachsen als auch diesem zentralen Anliegen einer Förderung der Wissenschaft gerecht wird.
    Ich darf als ehemaliger Angehöriger der GeorgiaAugusta zu Göttingen feststellen, daß Niedersachsen eine Reihe von vorzüglichen Hochschulinstituten hat. Die Georgia-Augusta hatte vor einem Vierteljahrhundert geradezu Weltruf. Ich hoffe, daß das so bleiben wird. Die Technischen Hochschulen in Braunschweig und in Hannover sind führende Institute. Die Tierärztliche Hochschule in Hannover ist ebenfalls führend. Auch die Bergakademie in Clausthal-Zellerfeld darf ich nicht vergessen. Gerade die Lage dieser Hochschulinstitute im Zonenrandgebiet berechtigt sie dazu, einen besonderen Anteil aus dem Erlös zu erhalten, und ich glaube, wenn wir uns darüber verständigen, dann kann dieser Rechtsstreit, zu dem ich jetzt absichtlich nicht Stellung nehme, gelöst werden. Ich hoffe, daß die Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Hellwege in diesem Sinne zu verstehen war.
    Nun will ich ganz kurz zu dem Stiftungsvorschlag der einzelnen SPD-Kollegen Stellung nehmen. Ich kann mich da den Ausführungen von Herrn Kollegen Hellwig anschließen. Ein Stiftung wäre doch weiter nichts als eine Verlagerung von kollektivem Eigentum vom Staat zu einem anderen kollektiven Unternehmer. Das mag sehr ideal klingen. Aber es muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß Stiftungen in den USA einen ganz anderen Sinn hatten als etwa den, den Gewinn nicht zu hoch werden zu lassen, wie das hier bei der Begründung von Herrn Kurlbaum angeklungen ist, auch nicht allein den, die Wissenschaft zu fördern, sondern einfach Erbschaftssteuer zu sparen. Die Stiftenden haben sich dann meist einen Prozentsatz Aktien vorbehalten, die allein stimmberechtigt waren. So sieht es bei der Ford-Stiftung aus. Ich betone das in aller Deutlichkeit, weil gerade in verschiedenen Aufsätzen, in „Christ und Welt" z. B. — da ist uns allen dieser Tage ein Sonderdruck zugegangen —, aber auch in den Vorschlägen des Vereins Deutscher Ingenieure auf diesen Punkt hingewiesen wird. Das trifft nicht ganz den Kern der Sache. Meine Freunde lehnen den Vorschlag, eine Stiftung zu errichten, nachdrücklich ab, weil er im Grunde genommen keine Lösung unseres Problems bringt, bei dem es um die Privatisierung und um die Eigentumsfrage geht. Die Förderung der Wissenschaft kann sicherlich durch eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die ja unsere Drucksache 2614 auch schon vorgesehen hat, besser gelöst werden, weil dorthin nicht nur die Erlöse aus dem Volkswagenwerk, sondern praktisch die Erlöse aus allen späteren Privatisierungsvorgängen fließen können. Ich glaube, daß so ein sehr viel umfangreicheres Stiftungsvermögen sich entwickeln wird, als das bei einer begrenzten Volkswagenstiftung möglich wäre. Meine Freunde



    Dr. Elbrächter
    und ich müssen diesen Entwurf also jetzt schon ablehnen, ohne daß es einer Ausschußberatung bedarf..
    Wenn es den SPD-Kollegen mit einer Förderung der Wissenschaft ernst gewesen wäre — so darf ich abschließend sagen —, dann hätte ein einfaches Ersuchen an die Bundesregierung genügt, in Zukunft die Gewinne des Volkswagenwerks für diesen Zweck einzusetzen. Dazu brauchen wir nicht diesen umfangreichen Entwurf mit allen seinen Vorschriften, die aber im Grunde genommen erkennen lassen, was dahintersteckt. Im Grunde genommen ist es doch der Versuch, die Mitbestimmung auf dem Wege über eine Nationalstiftung beim Volkswagenwerk einzuführen. Das lehnen wir mit Nachdruck ab.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Deist.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Abgeordnete Arnold hat sich bemüht, zur Begründung des Gesetzentwurfs in großen Worten die gesellschaftspolitische Zielsetzung, die gesellschaftspolitische Aufgabe dieses Gesetzentwurfs darzulegen. Er hat ein sehr anschauliches Bild von dem Weg Deutschlands von der Agrarstruktur zur heutigen Industriestruktur gegeben. Er hat aber wenig gesagt über das, was das kennzeichnende Element der modernen Wirtschaft ist, nämlich die Tatsache, daß sich in der modernen Industriegesellschaft allmählich Großunternehmungen und Großeigentum entwickeln und damit die Struktur unserer Wirtschaft entscheidend bestimmen.
    Die Tatsache, daß wir heute Großunternehmungen haben, bedeutet nicht nur, daß wir neben einigen kleineren auch einige größere Unternehmungen haben, sondern sie bewirkt, daß die Wirtschaft in den Bereichen, in denen wir Großunternehmungen haben, völlig anders aussieht als in jenen Bereichen, wo wir kleinere und mittlere Unternehmungen haben. Das ist ein Tatbestand, der denen, die sich mit der modernen Gesellschaftsentwicklung befassen, eigentlich bekannt sein sollte. Im Gegensatz zu den kleineren und mittleren Unternehmungen werden die Großunternehmungen dadurch gekennzeichnet, daß sie eine umfangreiche Apparatur, sowohl eine technische wie eine menschliche, benötigen, die man normalerweise als Bürokratie zu bezeichnen pflegt, und daß die Funktionen, die Teilbereiche des Unternehmens so fein gegliedert und durch Unter- und Überordnung so geregelt sind, daß sie durch Organisation wieder zusammengefaßt werden. Diese modernen Unternehmungen erhalten so eine hierarchische Struktur, sie sind Herrschaftsinstrumente in der Hand der wenigen, die an der Spitze stehen, die Herrschaft und Macht ausüben sowohl über Zehntausende von Arbeitnehmern, die in diesen Betrieben arbeiten, wie auch Einfluß auf den gesamten Wirtschaftsablauf.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das ist das wesentliche Element der modernen Wirtschaft, eine Konzentrationstendenz, die Wirtschaft und Gesellschaft von Grund auf verändert. Wir stellen aber nicht nur eine Konzentration großer wirtschaftlicher Vermögen in Großunternehmungen fest, sondern auch eine Konzentration des Eigentums an den Unternehmungen — wenn Sie so wollen —, also des Aktienkapitals, auf eine verhältnismäßig kleine Schicht der Bevölkerung.
    Vor kurzem wurden die Ergebnisse einer interessanten Untersuchung des Deutschen Industrieinstituts für Wirtschaftsforschung in Berlin veröffentlicht, die über die Einkommensbildung der Selbständigen wie auch der Unternehmungen Aufklärung geben. Da ist nämlich festgestellt worden, daß die Hälfte des gesamten Selbständigeneinkommens im Jahre 1950 auf 7,7 % der Selbständigen und der Unternehmungen konzentriert war. Im Jahre 1956 waren es aber nur noch 3 %.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So stark ist die Konzentration dieser sich ansammelnden wirtschaftlichen Vermögen in der modernen Wirtschaft. Und jetzt erzählen Sie bitte nichts davon, das werde ja durch die breite Streuung des Aktienkapitals wieder korrigiert. Nun gebe es eine große Zahl von Eigentümern, die an diesem wirtschaftlichen Vermögen beteiligt sind.

    (Abg. Dr.-Ing. E. h. Arnold: Das habe ich gar nicht gesagt!)

    Es ist ein Jammer, daß wir in Deutschland über die Verteilung der Aktien, über die Größe der Aktienpakete und die Bedeutung der Aktie für die Vermögensbildung nicht das mindeste statistische Material haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber es ist z. B. aus den Vereinigten Staaten bekannt, daß es dort etwa 10 Millionen Aktionäre gibt — die Zahlen variieren etwas; ich glaube, diese ist die höchste, die bisher genannt wurde —, und das macht bei einer Bevölkerung von 160 Millionen immerhin 60/o aus, scheint mir also nicht eine überwältigende Beteiligung zu sein.

    (Abg. Dr. Hellwig: Sie müssen nach Haushaltungen rechnen!)

    — Selbst wenn Sie nach Haushaltungen rechnen, bleibt es eine kleine Minderheit.
    Aber viel interessanter ist folgendes. Auch innerhalb des Kreises der Aktionäre konzentriert sich das Aktienkapital auf verhältnismäßig wenige große Aktionäre. Aus der amerikanischen Statistik kann man nämlich feststellen, daß 50 bis 60% der Kapitalgewinne an nur 5 % der Aktionäre, nämlich einige Großaktionäre, gehen und daß deren Vermögen im wesentlichen aus Aktienkapital besteht. Das heißt: ein ganz, ganz geringer Bruchteil der Bevölkerung verfügt über 50 % der Aktien. Meine Damen und Herren, das ist ein Tätbestand, den Sie zur Kenntnis nehmen sollten, wenn Sie davon reden, daß Sie über die Streuung von Aktien den Anfang für eine breite Streuung von Eigentum machen wollen.



    Dr. Deist
    Wenn Sie breite Streuung von Eigentum wollen, dann werden Sie, nehme ich an, auch an die 70 % der Erwerbstätigen denken, die bei uns in Deutschland Arbeitnehmer sind. Einer der Redner sprach sogar davon, daß es wichtig sei, dem minderbemittelten Staatsbürger echte Möglichkeiten der Eigentumsbildung zu geben. Nun, meine Damen und Herren, bei uns in Deutschland sind einige Versuche mit Kleinaktien gemacht worden. Solche Kleinaktien haben die chemische Fabrik Bayer, die Nachfolgegesellschaft der IG Farben, die Demag und Mannesmann ausgegeben. Sie haben einen sehr attraktiven Ausgabekurs gewählt. Sie haben sie nämlich zu etwa 60 % des Ausgabekurses abgegeben. Der einzelne Aktienerwerber hatte also große Gewinnchancen. Und was ist geschehen? Im Schnitt haben bei diesen Unternehmungen nur etwa 10 bis 15 % der Gesamtbelegschaft Aktien erworben.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das ist ein Anfang!)

    Das waren überwiegend Angestellte; bei den Arbeitern waren es wesentlich weniger als 10 %. Die übrigen 90 % schlugen die Chance, eventuell 150 DM Vermögen — wie sagte doch der Herr Bundesfinanzminister — nachher versilbern zu können, zugunsten der Sicherheit, im Augenblick 100 DM Bargeld zu haben, aus.

    (Abg. Dr. Hellwig meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Ich verweigere gewöhnlich keine Zwischenfrage; aber ich möchte jetzt, gleich am Anfang, diesen Gedanken erst zu Ende führen. — Das hat doch seine Gründe. Wir haben von dem Berliner Institut nähere Unterlagen über die Zusammensetzung der Einkommen der Unselbständigen; und diese Unselbständigen sind diejenigen, die man braucht, wenn man Eigentum auf breiter Front bilden will. Da wurde festgestellt, daß im Jahre 1956 bei 50 % der Arbeitnehmer die Nettoeinkommen unter 300 DM im Monat lagen. Sie liegen heute etwas höher, das konzediere ich Ihnen ohne weiteres. Bei den Männern waren es 40 %. 35 % dieser Nettoeinkommen der Arbeitnehmer lagen zwischen 300 und 500 DM pro Monat.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, hiernach ist ganz klar, daß mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung mit seinem monatlichen Einkommen auch nach den Lohnerhöhungen der letzten zwei Jahre jedenfalls unter 600 DM liegt. Das ist die Gruppe, bei denen Sie Eigentum bilden wollen. Was kann man unter diesen Umständen tun, damit in Deutschland in breiten Schichten Eigentum gebildet wird, wenn man es mit dieser Forderung wirklich ernst meint?
    Es liegt doch auf der Hand, daß jemand, der 500 bis 600 DM Einkommen hat, nicht daran denkt — ich werde das gleich begründen —, Aktien zu erwerben. Was macht er? Er geht zunächst zur Sparkasse und spart dort. Er spart, weil er demnächst eine Reise machen oder weil er sich ein Auto anschaffen will. Das sind Ihre berühmten Ringe, Herr Hellwig. Wenn man Ringe ansetzt, fängt man nämlich mit dem inneren Ring an, innen, und nicht außen bei der Aktie, die man vielleicht später einmal erwerben kann.

    (Abg. Dr. Hellwig: Das habe ich ja genauso geschildert!)

    Diesen Menschen wollen Sie aber zumuten, eine Aktie zu kaufen.
    Eines ist natürlich richtig — und leider ist das auch ein Ergebnis der Währungsreformen, die bei uns in Deutschland zweimal in so unerhört unsozialer Weise durchgeführt worden sind -:

    (Beifall bei der SPD)

    daß eine Aktie auf lange Sicht — im Gegensatz zu Geldvermögenswerten—ihren Vermögenswert nicht nur behält, sondern sogar steigert. Aber wir wissen, daß eine Aktie kurzfristig sehr große Wertschwankungen durchmachen kann. Die 1000-Mark-Aktie von Bayer, ein gutes Papier, hatte im Jahre 1955 einen Höchstkurswert von 2665 Mark, und im Laufe des Jahres 1957 einen niedrigsten Kurswert von 1685 Mark; das ist also ein Verlust von 1000 Mark. Welchem Arbeitnehmer wollen Sie wirklich mit ehrlichem Gewissen raten, unter diesen Umständen seine Ersparnisse in Aktien anzulegen?

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Also soll der Arbeitnehmer nie Aktionär werden?)

    Es ist gar kein Zweifel: Wer Aktien erwerben will, der muß warten können, damit er die Aktie verkaufen kann, wenn sie einen hohen Stand und nicht einen niedrigen Stand hat. Warten aber kann im Ernstfall nur derjenige, der vorher in der Lage war, sich Rücklagen für Notfälle und dergleichen mehr in Höhe von mehreren tausend Mark auf der Sparkasse anzulegen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diesen Weg können Sie nicht mit der Aktie beginnen. Als nächste Etappe zur Eigentumsbildung für den Arbeitnehmer kommen die Bausparkassen und die Lebensversicherungen in Frage. Dann kommen vielleicht festverzinsliche Papiere wie Kommunalanleihen, dann Investmentpapiere, aber immer noch nicht die Aktie. Das kann niemand, und Sie können es dem Arbeitnehmer mit gutem Gewissen nicht empfehlen. Wer dem Arbeitnehmer unter diesen Umständen rät und vielleicht sogar durch öffentliche Hilfe anreizt, Aktien zu kaufen, ruft in ihm gefährliche Illusionen hervor, soweit er nichts Schlimmeres begeht.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Eine Sünde wider den Geist Ihrer Wirtschaftsverfassung!)

    Herr Kollege Arnold hat hier davon gesprochen, er wisse auch, daß nicht alle Arbeitnehmer auf diesem Wege Aktien erwerben könnten. Ich möchte es viel deutlicher und drastischer sagen, weil ich meine, man soll keine falschen Vorstellungen erwecken. Auf diese Weise können nur bei einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern mit gehobenen Einkommen zusätzliche Möglichkeiten der Verdienste ge-



    Dr. Deist
    schaffen werden. Die große Masse der Arbeitnehmer ebenso wie die große Masse der Selbständigen und der freien Berufe kann auf diese Weise niemals Eigentum bilden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf diese Weise werden privilegierte Schichten geschaffen, denen mit Steuervergünstigungen und anderen staatlichen Mitteln zusätzliche Möglichkeiten der Vermögensanreicherung geschaffen werden, was jemand, der für eine gesunde soziale Ordnung eintritt, nicht wollen kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie den Menschen, die 500 bis 600 Mark im Monat verdienen, die Möglichkeit zur Eigentumsbildung geben wollen, — und meine Damen und Herren, verbreiten Sie nicht immer das Märchen, die Sozialdemokratie sei ein Gegner einer solchen Eigentumsbildung; im Aktionsprogramm der SPD steht seit 1952 ausdrücklich, daß sie eine Politik der Eigentumsbildung auch für unselbständige Menschen betreibt — —

    (Abg. Dr. Hellwig: Und dem Familieneigenheimgesetz haben Sie widersprochen!)

    — Kommen Sie nicht mit dem Eigenheimgesetz an! Wir wünschen nicht, daß einigen wenigen Privilegierten zu Lasten der großen Masse besondere Vorteile zugeschanzt werden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Skandal! Sie meinen wohl die Wohnungsunternehmungen mit öffentlichen Geldern, gewerkschaftliche Wohnungsunternehmungen? — Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn das, „privilegiert"? — Abg. Dr. Hellwig: Sie meinen wohl den Wohnungsbestand bestimmter Gesellschaften!)

    — Lassen Sie mich ein ganz offenes Wort sagen. Wenn Ihre Kollegen Arnold und Hellwig glauben, ein ernstes Problem in der Weise behandeln zu können, wie sie es hier getan haben, dann müssen sie sich gefallen lassen, daß wir entsprechend antworten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. Gegenrufe von der CDU/CSU. — Abg. Schlick: Diese Kritik steht Ihnen nicht zu!)

    - Ich habe nicht kritisiert, sondern ich habe gesagt, was ich hier tue, nichts weiter.
    Meine Damen und Herren, wer wirklich Eigentumsbildung in den breiten Schichten der Bevölkerung haben will, der muß zahllose Maßnahmen
    — und zwar in erster Linie und vordringlich — ergreifen, die die Eigentumsbildung ermöglichen. Aber wie vertragen sich die Äußerungen z. B. Ihres Herrn Bundeswirtschaftsministers zu den Lohnbewegungen der deutschen Arbeiter — in der letzten Vergangenheit ist beinahe jede Lohnbewegung diffamiert worden — mit der Behauptung, es würden Möglichkeiten geschaffen, Eigentum zu bilden? Sie können Eigentum doch nur bilden, wenn die Einkommenslage und der Lebensstandard der breiten Schichten auch über die Lohnpolitik weitgehend gesteigert werden.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir haben große Auseinandersetzungen über die Steuerpolitik gehabt. Sie wissen, daß Ihr Herr Bundeswirtschaftsminister in Zeiten, in denen dieses Volksaktien-Programm noch nicht so aktuell erschien, z. B. die Auffassung vertreten hat — und das war, wie ich meine, doch wohl seine ehrliche Auffassung —, man müsse eine lineare Steuersenkung vornehmen, damit die Ergebnisse der Steuersenkung denen zugute kämen, die auch sparen könnten. Das verrät jedenfalls eine Geisteshaltung, bei der man nicht darauf aus ist, Möglichkeiten zur Eigentumsbildung in breiter Hand zu schaffen.
    Vorhin ist das Beispiel der steuerbegünstigten Sparverträge genannt worden. Sind Sie wirklich der Auffassung, daß mit dieser Steuerbegünstigung neues Kapital durch neue Sparverträge geschaffen wird? Wissen Sie nicht alle, daß nur Umlagerungen im Rahmen des Kapitalaufkommens vorgenommen worden sind?

    (Abg. Dr. Hellwig: Doch nicht nur! — Bausparverträge!)

    — Ganz überwiegend, will ich Ihnen konzedieren.
    Aber noch ein Zweites! Erkundigen Sie sich einmal bei den Sparkassen und bei den Banken, wer ganz überwiegend diese steuerbegünstigten Sparverträge abgeschlossen hat, ob das wirklich eine Methode war, breiten Schichten der Bevölkerung die Möglichkeit zum Sparen zu geben oder ganz anderen!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schröter [Berlin] : Wer da hat, dem wird gegeben!)

    Mit Ihrem Entwurf fördern Sie mit staatlichen Mitteln nur die Einkommens- und Vermögensbildung in der Hand einiger weniger. Und dann wagen Sie, Herr Kollege Arnold — ich habe mich sehr darüber gewundert —, ausgerechnet in diesem Zusammenhang davon zu sprechen, daß es sich hier um die Grundlage für eine gesunde wirtschaftliche Demokratie handele. Das hat auf der weiten Welt bisher noch niemand unter „wirtschaftlicher Demokratie" verstanden.
    Aber wir haben nicht nur diese große Sorge, sondern auch Besorgnis in folgender Hinsicht. Bei Ihrer Konstruktion, die Sie dem Volkswagenwerk bieten wollen, wird nicht nur eine begrenzte Gruppe an den großen Gewinnmöglichkeiten beteiligt, sondern die Verfügung über das Unternehmen erhalten zwangsläufig einige wenige Großbanken, — um so mehr, als der Herr Schatzminister, wenn die Zeitungen richtig berichtet haben, die Auffassung vertreten hat, die recht fragwürdige Begrenzung des Depotstimmrechts auf ein Drittel des Gesamtkapitals solle nach seiner Auffassung auch noch fallen.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren: Das macht uns außerordentlich skeptisch gegenüber allen Argumentationen, die Sie diesem Gesetzentwurf geben, weil das Ergebnis gerade das Gegenteil sein muß.



    Dr. Deist
    Vor einiger Zeit sind Ausführungen eines bekannten Aktienrechtlers erschienen, der Ihren Auffassungen näher stehen dürfte als den meinen. Es ist Herr Dr. C. E. Fischer, der die Schrift des Bundes der Steuerzahler „Der Bundeskonzern — Schach dem Staatskapitalismus durch Privatisierung" verfaßt hat; das dürfte Ihnen ja nicht allzu unsympathisch sein. Herr Dr. Fischer hat in seinen Untersuchungen, die sich mit dem Volkswagenwerk befassen, einige sehr interessante Feststellungen getroffen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Wir halten die Zeitung!)

    — Sie werden mir trotzdem gestatten, daß ich, wenn der Herr Präsident es mir erlaubt, aus dieser Zeitschrift einiges vorlese, weil es nicht nur Ihrem begrenzten Kenntnisbereich zugute kommen sollte.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Warum müssen Sie gleich persönlich werden?)

    — Bitte, das war doch nicht persönlich, ich bin weit davon entfernt; wir haben genug Sachliches auszukarten, als daß ich da persönlich zu werden brauchte. Herr Kollege Hellwig — Sie können es also in Ihrem Exemplar verfolgen —, da schreibt Herr Dr. Fischer — —

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Hellwig: Ich korrespondiere wöchentlich mindestens einmal mit ihm!)

    — Herr Kollege Hellwig, ich will Ihnen erklären, warum ich das gesagt habe. Gestatten Sie mir dieses Einschiebsel. Sie haben vorhin so getan, als wenn ich die von Ihnen zitierten Äußerungen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gemacht hätte. Es war aber der Entwurf des Kollegen Atzenroth, um den es damals ging. Das hätte man zur Klarstellung ruhig auch sagen sollen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Vogel, Elbrächter!)

    — Den Namen von Herrn Hellwig habe ich nicht darunter gesehen.

    (Abg. Dr. Hellwig: Vogel, Elbrächter; der Name Hellwig steht mit darunter!)

    — Schön, aber es war nicht der vorliegende Gesetzentwurf.
    Sie haben gemeint, ich hätte damals die Verwendung für wissenschaftliche Zwecke lächerlich gemacht. Haben Sie den Wortlaut da? Das würde mich interessieren; ich habe nämlich auch einen da.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Hier ist der Wortlaut Ihrer Bemerkung zum Antrag Dr. Vogel!)