Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ehe wir in die allgemeine Aussprache eintreten, gebe ich das Wort nach § 47 der Geschäftsordnung dem Herrn Ministerpräsidenten von Niedersachsen in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrates.
Hellwege, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen in der Bundestagsdrucksache 102 vorliegende Gesetzentwurf über das Volkswagenwerk veranlaßt mich, namens der Niedersächsischen Landesregierung folgendes zu erklären.
Erstens. Niedersachsen wendet sich gegen die Regelung des Eigentums, wie sie im § 1 des Entwurfs vorgesehen ist, und zwar ausschließlich gegen diesen Punkt.
Zweitens. Die Niedersächsische Landesregierung hat ihre diesbezügliche Auffassung bereits im Juni des vergangenen Jahres anläßlich der Einbringung des Gesetzentwurfs Bundestagsdrucksache 3534 festgelegt. Ihre Bedenken sollten damals auch den Ausschüssen des Hohen Hauses vorgetragen werden. Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen, weil die Ausschüsse am Ende der Wahlperiode keine Zeit mehr zur Beratung fanden.
Drittens. Die Auffassung des Landes ist aber seinerzeit sowohl dem damals noch federführend zuständigen Herrn Bundesminister der Finanzen in einem Schreiben der Landesregierung vom Juni des vergangenen Jahres als auch Herrn Bundesminister Professor Dr. Erhard in einem Schreiben, das ich Anfang Oktober 1957 an ihn gerichtet habe, dargelegt worden. Eine Stellungnahme dazu ist der Landesregierung bisher nicht zugegangen.
Um so mehr hat es die Landesregierung überrascht, daß der frühere Gesetzentwurf mit der Drucksache 102 erneut eingebracht worden ist, ohne daß auf die niedersächsischen Gesichtspunkte mit einem Wort eingegangen oder hingewiesen wurde.
Ich habe es daher heute außerordentlich begrüßt, daß der Sprecher der Christlich-Demokratischen Union auf die Notwendigkeit einer möglichst baldigen Klärung der unterschiedlichen Auffassungen über die Eigentumsfrage hingewiesen hat.
Viertens. Die in § 1 des Gesetzentwurfs vorgesehene Lösung der Eigentumsfrage ist für Niedersachsen nach wie vor unannehmbar. Das Land ist aber weiter bereit, an einer politisch und sachlich zweckmäßigen Änderung des Status des Volkswagenwerkes, die den Bundes- und Landesinteressen Rechnung trägt, mitzuarbeiten.
Fünftens. Die Niedersächsische Landesregierung erlaubt sich, die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf die vorgenannten Gesichtspunkte zu lenken und damit die Bitte zu verbinden, sich in den bevorstehenden Ausschußberatungen mit der niedersächsischen Auffassung auseinanderzusetzen. Wie es nicht möglich ist, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun, so kann auch über das künftige Schicksal des Volkswagenwerkes nur nach vorausgegangener Klärung der Eigentumsverhältnisse befunden werden.