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ID0300509600

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
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    5. Abgeordneter: 1
    6. Dr.: 1
    7. Kreyssig.: 1
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    Deutscher Bundestag —3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. November 1957 I 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Hübner und Dr. Friedensburg 101 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18) 101 B Wahl der Schriftführer (Drucksache 21) . . 101 B Vierzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 12) . . . 101 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlepreiserhöhung (Drucksache 2) Dr. Bleiß (SPD) 101 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 104 D, 129 A, 152 B Dr. Achenbach (FDP) 112 B Dr. Preusker (DP) 114 A Dr. Deist (SPD) 117 C, 146 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 131 C Margulies (FDP) 140 B Dr. Friedensburg (CDU/CSU) 143 A Dr. Kreyssig (SPD) 144 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Kohlewirtschaft (Drucksache 19) 154 A Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin — SKAG Berlin (Drucksache 14) .....154 A Stingl (CDU/CSU) 154 B Büttner (SPD) . . . . . 155 C Frau Kalinke (DP) 156 B Dr. Will (FDP) 157 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 159 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2B. November 1957 101 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20.12. Dr. Brecht 29.11. Freiherr von Feury 28.11. Dr. Frey 28.11. Frau Friese-Korn 1.12. Geiger (München) 28.11. Gerns 28.11. Gibbert 28.11. Dr. Götz 28.11. Dr. Gülich 30.11. Dr. Dr. Heinemann 29.11. Hellenbrock 28.11. Höfler 28.11. Jacobs 28.11. Kirchhoff 29.11. Knobloch 28.11. Kramel 28.11. Lenz (Brüht) 28.11. Mensing 28.11. Dr. Meyers (Aachen) 30.11. Paul 28.11. Scheel 15.12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 28.12. Schreiner 28.11. Spies (Brücken) 28.11. Dr. Starke 28. 11. Stierle 29. 11. Wehr 28.11. Frau Welter (Aachen) 28.11. Zoglmann 28.11. Zühlke 28.11. b) Urlaubsanträge Dr. Atzenroth 15.12. Bauer (Wasserburg) 8.12. Bauknecht 15.12. Dr. Becker (Hersfeld) 18.12. Dr. Birrenbach 11.12. Brand 10.12. Drachsler 11.12. Gedat 6.12. Dr. Höck 12.12. Dr. Jordan 13.12. Kühn (Köln) 10.12. Kurlbaum 31.12. Dr. Leverkuehn 14.12. Merten 11.12. Frau Renger 11.12. Dr. Schild 14.12. Dr.-Ing. Seebohm 14.12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, dieser Aufforderung Folge zu leisten, und will versuchen, mich auf einige kurze Bemerkungen zu beschränken.
    Zunächst muß unsere Fraktion sich noch einmal zu der Frage der Enquete äußern. Die sozialdemokratische Fraktion hat eine Gesetzesvorlage eingebracht, wonach eine in breitem Rahmen angelegte Enquete über die Probleme der Kohlewirtschaft stattfinden soll. Wir werden der Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik selbstverständlich nicht widersprechen. Wir sind damit einverstanden, daß dieses Problem angesichts seiner großen, beinahe nationalen Bedeutung in Ausführlichkeit und Offenheit im Ausschuß besprochen wird. Aber ich muß gleichzeitig in aller Aufrichtigkeit sagen, daß wir uns mit dem Gedanken einer Enquete zur Lösung dieses Problems nicht recht befreunden können. Wir halten es in der Tat für eine gewisse Diskriminierung der Kohlewirtschaft, wenn sie unter das Kreuzfeuer einer öffentlichen Enquete gestellt wird. Dazu scheint mir der Anlaß nicht auszureichen. Die vom Kollegen Deist zitierte Bemerkung aus einer früheren Rede von mir an dieser Stelle, daß die Dinge genügend klar seien, um zu wirtschaftspolitischen Folgerungen kommen zu können, halte ich aufrecht. Ein ausreichender Anlaß dafür, mit außerordentlichen Kosten und einem außerordentlichen Zeitaufwand womöglich Hunderte von guten Leuten aus Parlament, Wirtschaft usw. ein bis eineinhalb Jahre lang mit einer solchen Enquete zu beschäftigen, scheint mir nicht gegeben. Es bleibt den sozialdemokratischen Kollegen jedoch überlassen, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ihre Gründe hierfür näher darzulegen.
    Ich habe noch hinzuzufügen, daß wir jedenfalls bei dieser Erörterung wünschen, daß der bereits von meinem Kollegen und Freund Hellwig angedeutete Zusammenhang mit den Löhnen etwas stärker zum Ausdruck kommt. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie würden sich sehr wundern, wenn wir bei irgendeiner Lohnforderung, die von Ihrer oder von Ihnen nahestehender Seite erhoben wird, eine solche parlamentarische Debatte entfachten, obwohl das die Öffentlichkeit genauso angeht, obwohl das die öffentlichen Interessen genauso berührt wie eine Preiserhöhung an irgendeiner Stelle.
    Ich habe mir gerade den Zusammenhang zwischen Lohnbewegung und Preisbewegung im Ruhrkohlenbergbau etwas näher angeschaut; ich werde Ihnen bei dieser Gelegenheit doch einige Zahlen nennen, weil darüber gewisse Unklarheiten bestehen. Nach meiner Wahrnehmung sind die Preisbewegungen im Ruhrbergbau — wie übrigens fast in der gesamten Wirtschaft in ganz ähnlicher Weise — beinahe regelmäßig den Lohnbewegungen gefolgt. Wenn ich hier eine Kurve aufzeichnen könnte, würden Sie eine erstaunliche Parallelität feststellen können, und wir würden, wenn wir die Zeiten eintrügen, sehen, daß die Lohnbewegungen vorangehen und die Preisbewegungen hinterdrein folgen. Ich sage nichts gegen die Lohnbewegungen, die ich, weil ich auch einmal vor Ort Kohle gehackt habe, durchaus nicht etwa mißbillige; ich habe durchaus Verständnis dafür, daß unsere Bergleute an der Spitze der Lohnskala stehen und daß sie auch in ihrem sozialen Status möglichst vorankommen. Aber wir müssen uns klarsein, daß das irgendwie bezahlt werden muß. Unser Volk muß sich einmal darüber klarwerden, daß man nicht ständig Forderungen nach einem besseren Leben und nach kürzerer Arbeitszeit stellen kann, ohne daß dann die Preise steigen. So wirtschaftswunderhaft ist unsere Wirtschaftsentwicklung doch nicht, daß sie gegen die Naturgesetze verlaufen kann; da handelt es sich um Gesetze, die niemand ungestraft verletzen kann. Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn diese Zusammenhänge in einer solchen Untersuchung einmal klargestellt werden, wenn sie auch nicht von einer Enquete-Kommission durchgeführt zu werden braucht.
    In dem Zeitraum von 1950 bis 1956 — dieser Zeitraum ist aus vielen einleuchtenden Gründen gewählt — sind die Löhne im Ruhrbergbau bei dem Durchschnitt der Untertagearbeiter um 60 % gestiegen, bei den Vollhauern um 73 %, und bei den Preisen ist eine Steigerung um 45 % festzustellen; Herr Kollege Deist, Sie können es kontrollieren. Ich freue mich, wenn Sie mich kontrollieren wollen.

    (Abg. Dr. Deist: Es kommt auf die Ausgangsbasis an!)

    Ebenso ist es, wenn wir das monatliche Hauereinkommen usw. vergleichen. Es wird sich immer herausstellen, daß die Lohnbewegung schneller vor sich gegangen ist als die Preisbewegung und daß die Lohnbewegung der Preisbewegung vorangegangen ist. Nichts gegen Lohnerhöhungen, gerade im Bergbau, aber man muß den naturgesetzlichen oder, ich will einmal sagen, wirtschaftsgesetzlichen Zusammenhang erkennen und man muß sich rechtzeitig klarsein, daß alles, was man tut, nicht ohne Folgen bleibt, daß die Reaktion auf die Aktion irgendwo eintreten muß.
    Ferner würde ich es sehr gern sehen, wenn wir in einer solchen Untersuchung das Problem der Kohlenlücke, der Energielücke etwas näher durchleuchteten. Wir tun hier immer so, als ob es sich um Bagatellen handelte. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich anfing mich mit diesen Dingen zu beschäftigen — es ist schon über 40 Jahre her —; da



    Dr. Friedensburg
    pflegten wir als Faustregel zu sagen: Der deutsche Kohlenbergbau bringt einen Ausfuhrüberschuß von 1 Milliarde Mark, und diese Milliarde reicht aus, alle übrigen Rohstoffeinfuhren an Erzen, 01 usw., zu bezahlen. Heute ist beim Kohlenbergbau der Überschuß schon sehr zusammengeschmolzen, und wenn wir einmal die wertmäßige Rohstoffbilanz machen, stellen wir fest, daß einem Ausfuhrwert von 2 Milliarden eine Einfuhraufwendung von 31/2 Milliarden gegenübersteht. Wir können uns das vielleicht im Augenblick leisten, es sollte uns aber nicht blind machen dagegen, daß es sich nicht um ewige und zuverlässig feststehende Werte han-dolt und daß es in der Zukunft recht erheblich anders sein kann.
    Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, wir erleben im amerikanischen Kohlenbergbau, von dem schon heute wesentliche Teile unserer deutschen Wirtschaft, insbesondere der Schwerindustrie, abhängen, einen Streik, wie ihn der berühmte Gewerkschaftsführer Lewis — ich darf ihn zitieren, denn er ist kein Sozialdemokrat — mit Vorliebe zu entfesseln pflegt, wenn die Kohle besonders gebraucht wurde; ein solcher Streik hat in der Regel drei bis sechs Monate gedauert. Stellen Sie sich vor, daß es gleichzeitig in Vorderasien — und es gibt Leute, die dafür sorgen, daß die Unruhe in Vorderasien nicht aufhört — mit der Ölversorgung nicht gut geht. Dann werden wir froh sein, wenn wir Kohlen, um welchen Preis auch immer, bekommen, und dann werden wir auf einmal einsehen, wie gefährlich es ist, diesen großen Schatz, den der liebe Gott in unseren Boden gelegt hat, nicht so gut wie nur möglich auszunutzen.
    Deshalb, Herr Kollege Deist, würde ich mich auch an Ihrer Stelle geradezu freuen, wenn es den Bergbauunternehmern gelingt, gewisse Erträge herauszuwirtschaften. Wenn das noch nicht gelingt, müssen wir ihnen dazu helfen, dürfen ihnen jedenfalls nicht in den Arm fallen. Denn um die Kohlenlücke schließen zu können, müssen neue Kapazitäten geschaffen werden, und wenn wir neue Kapazitäten schaffen, müssen wir sehr viel Geld auf lange Frist investieren. Da wir nicht verlangen können, daß Menschen, die in der Lage sind, Geld herzugeben, das aus Wohltätigkeit tun, müssen wir ihnen einen gewissen Ertrag zusichern. Auch hier handelt es sich um naturgesetzliche, um wirtschaftsgesetzliche Zusammenhänge, an denen zu rütteln geradezu narrenhaft wäre.
    Endlich gestatten Sie mir, Kollege Deist, daß ich Ihre Bemerkungen über den Bundeswirtschaftsminister bedauere. Ich muß sagen, ich hätte gerade Ihnen kaum eine solch kränkende Kennzeichnung zugetraut. Das Wort „komödiantenhaft" für die Reise des Herrn Bundeswirtschaftsministers nach Essen zu gebrauchen, halte ich nicht nur für sachlich völlig falsch, sondern auch — entschuldigen Sie — für reichlich unritterlich. Ich kann sehr wohl verstehen, daß das Verhalten des Herrn Bundeswirtschaftsministers gerade im Zusammenhang mit der einen oder anderen Bemerkung nicht jedermann gefallen hat. Aber ich muß sagen, es hat mir gefallen, daß er den Mut und das Verantwortungsgefühl gehabt hat, in die Höhle des Löwen zu fahren und zu verhandeln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das in dieser nichtachtenden Weise zu behandeln, halte ich doch für reichlich verfehlt.
    Wenn Sie, Kollege Deist, den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen, was er denn eigentlich in den seiner Leitung oder Beeinflussung unterliegengen staatlichen Gesellschaften getan hat, um die Kohlepreisbewegung zu beeinflussen, so muß ich mit einer Gegenfrage antworten. Herr Kollege Deist, soviel ich weiß, sind Sie stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender in einer großen Holdinggesellschaft mit sehr starken Kohleinteressen. Es würde mich interessieren, was S i e dagegen getan haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Wir können doch unmöglich die Mitbestimmung einführen — wir sind stolz darauf, daß wir damit vorangegangen sind —, wenn Sie dann so, tun, als hätten Sie überhaupt nichts zu sagen. Wie haben Sie gestimmt? Ich habe nicht gehört, daß es dort zu großen Auseinandersetzungen in den Vorständen und Aufsichtsräten gekommen ist.
    Man darf doch nicht die Augen verschließen und sich sagen: wir denken darüber nicht nach.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich glaube, Herr Kollege, ich habe etwas mehr Ahnung von diesen Dingen, mit denen ich mich seit fünfzig Jahren beschäftige.

    (Weitere Zurufe von der SPD.)

    Ich meine jedenfalls, daß, wir so nicht taktieren sollten. Ich verstehe sehr wohl die Beunruhigung, ich verstehe sehr wohl Ihr Begehren, über diese Dinge sachlich zu verhandeln. Aber das mit Vorwürfen zu verbinden, sei es gegen den Herrn Bundeswirtschaftsminister, sei es gegen den Kohlebergbau — womöglich gegen beide —, ist ungerecht. Dagegen wehren wir uns, und auf diesem Wege werden Sie es niemals zu einer Besserung und zu einer Aufklärung bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Kreyssig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, weil es mir notwendig erscheint, sowohl gegenüber dem Herrn Wirtschaftsminister als vor allem auch gegenüber Herrn Hellwig einige Dinge klarzustellen. Wir sind gewohnt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister Debatten bedauerlicherweise sehr gern mit einer Art Diffamierung oder Herabsetzung seiner Gegner beginnt. Das ist ihm heute etwas schlecht, ja vorbeigelungen.
    Ich möchte vor allem zu dem Stellung nehmen, was er dem früheren Bundestagsabgeordneten Schöne hier glaubte vorwerfen zu können, um da-



    Dr. Kreyssig
    mit auch der Sozialdemokratischen Partei oder Fraktion etwas anzuhängen. Er hat sich von seinem Hintermann einen Text geben lassen und hat vorgelesen, was der frühere Bundestagsabgeordnete Schöne im Montanparlament vorgetragen hat. Er ist entweder nicht informiert worden oder hat vergessen zu sagen, daß das, was hier von ihm verlesen wurde, von dem Kollegen Schöne im Montanparlament im vergangenen Juni in einer zusammenhängenden Rede über den fünften Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft, der von der Hohen Behörde vorgelegt worden ist, gesagt wurde. Bei der Kritik dieses Berichtes sind auch die Ziffern 100 und 128 des Berichts erwähnt worden, in denen die Hohe Behörde dem Montanparlament und damit der ganzen Öffentlichkeit — auch diesem Bundestag — mitgeteilt hat, wie oft, wie häufig und auf welchen Gebieten die Regierungen bei der Preisbildung in einer Form einzugreifen versucht haben, die dem Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl widerspricht.
    Ich möchte Herrn Hellwig und all die Herren, die hier zur Rechten sitzen — einschließlich der ganzen Ministerbank —, daran erinnern, daß Sie sich vor fünf Jahren mit sehr viel Feuer und Eifer hier im Bundestag für diesen Vertrag eingesetzt und ihn ratifiziert haben, während wir Sozialdemokraten mit sehr viel guten Gründen darauf hingewiesen haben, welche Gefahren in diesem Vertrag beschlossen liegen. Sie haben der Hohen Behörde die Vollmacht gegeben, für Preise und andere Dinge zuständig zu sein. Das in der Kritik des Gesamtberichtes zu erwähnen, ist nicht nur das gute Recht, sondern wahrscheinlich sogar die Pflicht jedes, der sich mit diesem Bericht beschäftigt. Da kann man nicht, wie Herr Professor Erhard es getan hat, sagen: Es gibt Sozialdemokraten, die im Montanparlament — das hat er von mir behauptet — meinen Absichten in den Rücken fallen. Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß der Beweis, was mich anlangt, von Herrn Professor Erhard noch nicht erbracht ist. Ich werde auf das, was in Rom passiert ist, noch zurückkommen.
    Hätte Herr Professor Erhard eine richtige Information bekommen und hätte er sich einmal die Mühe gemacht, diesen Bericht der Hohen Behörde zu lesen, hätte er unter anderem festgestellt, daß die Hohe Behörde sehr viel Klage über das führt, was im Stahlhandel vor sich geht, und weiter festgestellt, daß sehr kritisch das Verhalten der französischen Regierung beurteilt worden ist, die immer wieder versucht, auch auf dem Kohlesektor in die Preisbildung einzugreifen. Die Hohe Behörde stellt fest: Wenn in einem Lande Preisstoppverordnungen kommen, sind Rückwirkungen auf den Gemeinsamen Markt möglich und kann das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes gestört werden. Das alles hätte Herr Professor Erhard lesen können, wenn er den Bericht gehabt hätte. Zumindest hätte er sich von seinen Herren aus dem Ministerium entsprechend informieren lassen müssen.
    Die Hohe Behörde hat dann in der Ziffer 128, die auch erwähnt worden ist, sehr eingehend über die
    Eingriffe der Regierungen in die Preisbildung für Kohle berichtet. Sie weist darauf hin, daß sie für die Anwendung des Vertrages verantwortlich ist und daß es ihre Aufgabe ist, den Vertrag zu erfüllen. Die Hohe Behörde hat mehrmals und vor allem in den hier zitierten Stellen, die die Sozialistische Gruppe im Montanparlament immer behandelt hat, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß, wenn die Regierungen ihre inneren Preisprobleme in den richtigen Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Markt bringen wollen, dafür der Ministerrat zuständig ist. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist Herr Professor Erhard im Laufe der fünf Jahre drei- oder viermal im Besonderen Ministerrat des Montanparlaments gewesen. Vor dem Parlament ist Herr Professor Erhard als der sehr ehrenwerte Vertreter der deutschen Regierung im Besonderen Ministerrat ein einziges Mal — in Rom — erschienen. Er kam mit einer fertigen Rede dorthin, die er vortrug. Ich muß nachträglich feststellen, daß zu dem eigentlichen Anliegen der politischen Gruppen, die darüber mit dem Ministerrat in freier Aussprache diskutieren wollten, Professor Erhard wenig, fast nichts gesagt hat. Es war das Anliegen der Sozialistischen Gruppe seit vielen Jahren, daß eine Koordinierung, ein Zusammengehen, ein Abstimmen der Wirtschaftspolitik der sechs nationalen Staaten mit den Notwendigkeiten des Gemeinsamen Marktes und der Politik der Hohen Behörde herbeigeführt wird. Der Ministerrat hat fünf Jahre lang versagt. Das war eines der Hauptthemen, die in Rom zur Diskussion standen.
    Nun komme ich zu den Ausführungen von Herrn Dr. Hellwig. Ich hatte immer den Eindruck, daß er ein hervorragendes Archiv hat. Mit Vorliebe zitiert er, was die Gewerkschaften gesagt haben oder was einmal einer von uns ausgesprochen hat. Heute hat sich Herr Hellwig einfach einer unverzeihlichen Fahrlässigkeit schuldig gemacht, als er einen Satz aus einer Zeitung zitiert hat. Ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Hellwig, daß Ihre Fraktion zehn Abgeordnete im Montanparlament hat und den Präsidenten der Gemeinsamen Versammlung stellt. Die Dinge liegen einige Wochen zurück, und hier, Herr Hellwig, hätten Sie mit ein bißchen mehr Gründlichkeit vorgehen müssen. Die Protokolle liegen im Archiv; aber wir hätten sie Ihnen auch auf den Tisch gelegt; Sie hätten nur anzurufen brauchen. Dann hätten Sie feststellen können, was wirklich gesagt worden ist, was ich gesagt habe, was die Sprecher der Sozialistischen Gruppe an Kritik vorgebracht haben. Sie hätten dann gemerkt: unsere Kritik lief darauf hinaus, daß der Ministerrat versagt habe. Wenn nämlich der Ministerrat die nationale Wirtschaftspolitik mit der Politik der Hohen Behörde koordiniert, wenn er mit ihr zusammengearbeitet hätte, wären die aufgetretenen Spannungen vermieden worden.
    Die Hohe Behörde hat sich dagegen gewehrt, daß die Regierungen den Vertrag zu verletzen beginnen. In diesem Zusammenhang habe ich meine Bemerkungen gemacht. Herr Professor Erhard hat erklärt, der Art. 3 sei nicht recht praktikabel. Dieser Artikel ist aber sozusagen das Kernstück des gan-



    Dr. Kreyssig
    zen Vertrages, den die Regierung unterzeichnet hat und den sie hat ratifizieren lassen. In diesem Zusammenhang habe ich gesagt, wenn man glaube, den Vertrag verletzen zu können, dann werde bei einem solchen Unterfangen Herr Professor Erhard wie jeder andere Vertreter des Ministerrats auf die einmütige Ablehnung des Parlaments stoßen. Die Meinung, die ich dort vertreten habe, ist nicht nur die Ansicht der Sozialistischen Gruppe, sondern das gesamte Montanparlament wacht sehr genau und streng über die Durchführung des Vertrages.
    Ich will es bei diesen Bemerkungen bewenden lassen. Ich habe Herrn Professor Erhard in Rom in der Form geantwortet, wie sie im Montanparlament seit fünf Jahren üblich ist. Ich möchte fast wünschen, Ihre Fraktion würde Professor Erhard einmal für zwei Jahre in dieses Parlament entsenden. Dort herrscht ein hervorragender europäischer, demokratischer Stil und Ton; man könnte etwas dazulernen.
    Um jedem Mißverständnis vorzubeugen, möchte ich abschließend darauf hinweisen, daß das, was unser Kollege Schöne gesagt hat und was ihm als eine Behinderung der Politik der Regierung ausgelegt wurde — Schöne kann sich ja nicht mehr selbst verteidigen —, ein Teil der Kritik am Gesamtbericht der Hohen Behörde war. Die zitierten Nummern stehen in dem Bericht der Hohen Behörde, der an zweiter Stelle von dem damals noch im Amt befindlichen Vizepräsidenten der Hohen Behörde, Franz Etzel, unterschrieben ist, der gegenwärtig Finanzminister der Bundesrepublik ist.

    (Beifall bei der SPD.)