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ID0300509400

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    Deutscher Bundestag —3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. November 1957 I 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Hübner und Dr. Friedensburg 101 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18) 101 B Wahl der Schriftführer (Drucksache 21) . . 101 B Vierzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 12) . . . 101 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlepreiserhöhung (Drucksache 2) Dr. Bleiß (SPD) 101 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 104 D, 129 A, 152 B Dr. Achenbach (FDP) 112 B Dr. Preusker (DP) 114 A Dr. Deist (SPD) 117 C, 146 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 131 C Margulies (FDP) 140 B Dr. Friedensburg (CDU/CSU) 143 A Dr. Kreyssig (SPD) 144 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Kohlewirtschaft (Drucksache 19) 154 A Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin — SKAG Berlin (Drucksache 14) .....154 A Stingl (CDU/CSU) 154 B Büttner (SPD) . . . . . 155 C Frau Kalinke (DP) 156 B Dr. Will (FDP) 157 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 159 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2B. November 1957 101 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20.12. Dr. Brecht 29.11. Freiherr von Feury 28.11. Dr. Frey 28.11. Frau Friese-Korn 1.12. Geiger (München) 28.11. Gerns 28.11. Gibbert 28.11. Dr. Götz 28.11. Dr. Gülich 30.11. Dr. Dr. Heinemann 29.11. Hellenbrock 28.11. Höfler 28.11. Jacobs 28.11. Kirchhoff 29.11. Knobloch 28.11. Kramel 28.11. Lenz (Brüht) 28.11. Mensing 28.11. Dr. Meyers (Aachen) 30.11. Paul 28.11. Scheel 15.12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 28.12. Schreiner 28.11. Spies (Brücken) 28.11. Dr. Starke 28. 11. Stierle 29. 11. Wehr 28.11. Frau Welter (Aachen) 28.11. Zoglmann 28.11. Zühlke 28.11. b) Urlaubsanträge Dr. Atzenroth 15.12. Bauer (Wasserburg) 8.12. Bauknecht 15.12. Dr. Becker (Hersfeld) 18.12. Dr. Birrenbach 11.12. Brand 10.12. Drachsler 11.12. Gedat 6.12. Dr. Höck 12.12. Dr. Jordan 13.12. Kühn (Köln) 10.12. Kurlbaum 31.12. Dr. Leverkuehn 14.12. Merten 11.12. Frau Renger 11.12. Dr. Schild 14.12. Dr.-Ing. Seebohm 14.12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu Beginn seiner Ausführungen davon gesprochen, daß heute nicht mehr von der Menge, sondern nur noch vom Preis die Rede sei. Das ist ein Irrtum — wenn auch ein verzeihlicher --; denn erst heute ist mir ein Bericht über die Ausführungen eines Repräsentanten einer mittelständischen Industrie auf den Tisch geflattert, in dem es heißt — ich darf vorlesen —:
    Ein paar Worte zur Brennstoffversorgung. Sie ist für unser Gewerbe dadurch gekennzeichnet, daß sie sowohl bei Braunkohlenbriketts wie auch bei der Steinkohle völlig unzureichend ist, da die Zuteilungen auf zeitlich zurückliegenden Referenzperioden beruhen und somit dem durch den Ausstoßanstieg vergrößerten Bedarf keine Rechnung tragen. Sämtliche Bemühungen, die bis an die höchsten Kohlenstellen herangetragen wurden, mußten leider — —und so weiter und so weiter. Das ganze Vokabular der Planwirtschaft, der Lenkungswirtschaft kommt da wieder hoch und damit natürlich auch die Erinnerung daran, daß seinerzeit im Jahre 1948 der damals doch noch als Spitzenfunktionär der SPD nahestehende Herr Agartz verhindert hat, daß mit der übrigen Marktwirtschaft auch die Kohle die Preisfreiheit bekam. Wir wissen auch, warum das damals so war. Man wollte doch die freigegebene Wirtschaft über die Kohle wieder in die Planwirtschaft einbeziehen. Wir glauben Ihnen, daß sich in diesen acht Jahren in Ihrer Gedankenwelt vielerlei geändert haben mag. Aber ich muß doch sagen, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Deist eigentlich keine besondere Änderung enthalten haben. Wenn er davon gesprochen hat, daß der Preis als der Ordnungsfaktor der Wettbewerbswirtschaft ausgeschaltet werden solle, wenn er die Dividende kritisiert hat — also den Ertrag des Kapitals — und wenn er davon sprach, daß der Bergbau unter öffentliche Kontrolle gestellt werden solle — oder werden müsse, ich weiß es nicht mehr —, dann, meine Damen und Herren, sind wir nicht mehr weit weg von der alten Forderung, die Zechen in Gemeineigentum überzuführen.
    Unser Kollege Herr Dr. Deist müßte uns auch einmal erklären, woher er, wenn er schon den Preis durch Subventionen niedrighalten will, dann eigentlich das Kapital für die notwendigen Investitionen hernehmen will, die Investitionen, die erforderlich sind, um die Kohlenförderung entsprechend den Vorstellungen, die wir alle über die Energieversorgung haben, in den kommenden Jahren zu steigern. Das geht dann doch auch nur aus Staatsmitteln. — Ich glaube also, diesen tiefen Griff in die Mottenkiste sozialistischer Vorstellungen, Herr Dr. Deist, könnten wir vom Standpunkt der FDP aus nur begrüßen.
    Aber wir haben uns hier auch damit auseinanderzusetzen, daß der Kohlenbergbau eben acht Jahre lang keine Gelegenheit hatte, wie die übrige Industrie sich über den Preis zu finanzieren, daß er hintennachhinkt.
    Ich habe auch nicht recht verstanden, warum der Herr Bundeswirtschaftsminister so heftig auf die Kohlenpreiserhöhung reagiert hat. Daß sie ihm vor dem Wahltag bekannt war, hat er uns hier in gewohnter Offenheit zugestanden. Und das Ausmaß muß ihm schließlich auch bekanntgewesen sein.

    (Abg. Dr. Bucerius: Wieso „muß"?)

    Denn wie käme ich dazu, mehr zu wissen, als der Herr Wirtschaftsminister?

    (Abg. Dr. Bucerius: Wußten Sie es denn?)

    — Ja, ich wußte es. Es stand — wenn ich Ihnen das
    Geheimnis verraten darf — sogar in der Zeitung.

    (Heiterkeit.)

    Und dann soll es ausgerechnet der Herr Wirtschaftsminister nicht gewußt haben? Gerade Herr Professor Erhard, der doch den Plan kennt, daß die Kohleförderung bis 1965 um 20 Millionen t gesteigert werden soll, und genau weiß, welche Unsummen an Kapital erforderlich sind,. um das zustande zu bringen, muß sich ängstlich davor hüten, das nötige Kapital abzuschrecken.

    (Abg. Dr. Bucerius: Doch nicht immer über den Preis!)




    Margulies
    — Im Augenblick habe ich nicht vom Preis, sondern von den Drohungen gegenüber dem Kohlebergbau gesprochen. Ich bin nicht dazu da, den Unternehmensverband Kohlebergbau zu verteidigen, sondern hier dreht es sich um wirtschaftliche Tatsachen, die uns allen geläufig sind. Ich meine, wenn ein Nachholbedarf in der Preiserhöhung vorhanden ist — da muß ich mich allerdings Herrn Dr. Hellwig anschließen —, müssen wir das eben offen sagen. Wir müssen uns aber fanatisch dagegen wehren, daß aus der Kohlepreiserhöhung eine Kettenreaktion entsteht, daß sich das über das Eisen in die metallverarbeitende Industrie und letztlich bis zum Landarbeiter fortsetzt; denn irgendwie muß das ja mal gestoppt werden.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Alles über den Preis!)

    — Jawohl. Der Ordnungsfaktor der Wettbewerbswirtschaft ist der Preis. Wir sehen doch auf allen Gebieten und in allen Bereichen, Herr Professor Schmid, daß das funktioniert. Warum soll es dann bei der Kohle nicht funktionieren? Ich möchte sogar behaupten, daß die acht Jahre Preisunwahrheit bei der Kohle uns in die Situation geführt haben, in der wir jetzt stehen. Deshalb müssen wir uns nun Gedanken darüber machen, wie das weitergehen soll.
    Die erste Tatsache, die wohl von niemandem bestritten wird, ist, daß wir zum Ausbau der Kohleförderung Kapital anziehen müssen, daß wir dem Bergbau ermöglichen müssen, für Kapitalien attraktiv zu sein, und das notfalls auch über den Preis. Aber wir sind nicht der Meinung, daß sich die Preiserhöhung nun fortsetzen soll oder fortsetzen darf.
    Die zweite Wahrheit, über die hier wohl auch nicht gestritten wird, obwohl Herr Dr. Hellwig vorhin gemeint hat, daß eine Gewerkschaft da inzwischen anderer Meinung geworden sei, ist doch, daß der Bergarbeiter den absoluten Spitzenlohn haben muß, weil er eine gefährliche und schmutzige Arbeit ausübt und weil, wenn er nicht den höchsten Lohn bekommt, kaum noch jemand zu finden sein wird, der diese Arbeit verrichtet. Das scheint mir der Ausgangspunkt für alle Überlegungen zu sein.
    Ich werde aber nicht müde werden, Sie daran zu erinnern, daß hier im Bundestag einmal Übereinstimmung darüber bestanden hat, daß immer nur der Produktivitätsgewinn verteilt werden kann und daß man ihn nur einmal verteilen kann. Das ist ja wohl selbstverständlich. Ich wäre nun dankbar, wenn diese Übereinstimmung dahin ausgeweitet würde, daß das nicht etwa branchenweise zu verstehen ist, sondern nur für die Gesamtheit der Volkswirtschaft Gültigkeit hat. Denn wir wissen, daß die Produktivitätssteigerung im Bergbau aus den naturgegebenen Bedingungen heraus eben leider nicht so und nicht im gleichen Maße vorangetrieben werden kann, wie es z. B. in der metallverarbeitenden Industrie möglich ist, daß also, wenn wir in der metallverarbeitenden Industrie auf Grund des dort vorhandenen höheren Produktivitätsgewinns sehr viel höhere Löhne bewilligen, diese selbstverständlich den Spitzenlohn des Bergarbeiters treiben. Es hat jedoch keinen Sinn, wenn wir hier darüber jammern, daß dort ein Keil den anderen treibt. Da müssen wir uns daran erinnern, daß wir eine Regierung haben, die eine Mehrheit in diesem Hause hinter sich hat. Dann soll sie eben die Gesetze vorlegen, mit denen es möglich ist, diese tödliche Spirale zu durchbrechen. Denn ein Keil treibt den anderen, das dehnt sich über die gesamte Wirtschaft bis zum Landarbeiterlohn aus, obwohl doch jeder weiß, daß hier in punkto Produktivitätssteigerung selbst bei Mechanisierung nicht allzu viel zu erreichen ist, jedenfalls nicht schnell ein Forschritt zu erzielen ist.
    Ich möchte noch einmal auf das Prinzip zurückkommen, daß eben nicht mehr verteilt werden kann als der Produktivitätsgewinn. Ich hoffe, man wird sich auch darüber verständigen können, daß von dem Produktivitätsgewinn auch der Investitionsbedarf zu decken ist, wenigstens solange wir nicht über einen ergiebigen Kapitalmarkt verfügen. Wir würden uns sonst sehr bald in der Situation sehen, daß nichts mehr zu verteilen ist, daß kein Produktivitätsgewinn mehr entsteht.
    Ähnliche Überlegungen gelten für den Unternehmerlohn. Es muß eine Kapitalverzinsung möglich sein, sonst wird man die Kapitalaufstockung nicht vornehmen können, die notwendig ist, um den vergrößerten Umsatz zu bewegen.
    Herr Dr. Hellwig machte vorhin die zarte Andeutung, daß man auch einmal daran denken könnte, den Produktivitätsgewinn für Preissenkungen zu benutzen. Das ist nun allerdings gar nicht mehr Mode. Wir befinden uns vielmehr in den letzten Jahren in einer fortschreitenden Geldentwertung, jedes Jahr etwa 23/4 %. Wenn man das zusammenrechnet, kommt schon eine ganz hübsche Kaufkraftentwertung heraus. Ich weiß nicht, wie man das eigentlich vor der Bevölkerung vertreten will, die man doch gleichzeitig zum Sparen und zur Kapitalbildung aufgefordert hat.
    Weiter ist naturgemäß bei der Verteilung des Produktivitätsgewinns zu berücksichtigen — an sich eine Binsenweisheit —, daß man den Anteil, der dem Faktor Arbeit bei der Verteilung zukommen soll, auch nur einmal verteilen kann, daß man ihn entweder in Lohnerhöhungen oder in Verkürzung der Arbeitszeit ummünzen kann. Was das letzte Problem angeht, möchte ich Sie auf eine Konsequenz aufmerksam machen, der man dann ins Auge sehen muß. Ich habe sicher nichts dagegen, daß zwei Tage in der Woche nicht gearbeitet wird — von mir aus sogar noch weniger —, aber wir müssen berücksichtigen, daß dadurch der Transportraum um etwa 20 % vermehrt werden muß, weil während dieser zwei Tage nicht entladen wird, der Transportraum stilliegt. Das bedeutet bei der Bundesbahn etwa 60 000 Waggons mehr, das bedeutet eine entsprechende Anzahl Lastzüge mehr und ebenso Binnenschiffe. Da erhebt sich für uns die Frage, ob die vorhandenen Verkehrswege das überhaupt noch ertragen können, ob wir da nicht in Stockungen hineingeraten. Von der Frage, was mit der so gewonnenen Freizeit geschehen soll, will ich jetzt gar nicht sprechen. Es ist meiner An-



    Margulies
    Sicht nach Sache der Kirchen, der Organisationen und der Gewerkschaften, den Menschen eine Freizeitgestaltung anzubieten und sie dazu zu veranlassen, davon Gebrauch zu machen. Das ist, glaube ich, nicht das wesentliche Problem.
    Wir haben anläßlich der Diskussion über die Regierungserklärung davon gesprochen, es bestehe gelegentlich auch die Gefahr, daß sich in einigen besonders günstig gelagerten Industriezweigen die Sozialpartner auf Kosten der Allgemeinheit einigen. Ich glaube, diese bisher nicht so drohende Gefahr, eine Gefahr, die uns eigentlich jetzt erst vor Augen tritt, würde doch zwangsläufig die Bundesregierung wieder auf den Plan rufen müssen, die verpflichtet ist, die Allgemeinheit im Wege der Gesetzgebung zu schützen. Sie wissen, wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht — Herr Dr. Hellwig hat davon gesprochen —, mit dem wir versuchen wollen, die Schlichtung wenigstens so weit zu bringen, daß ein vernünftiger Ausgleich erzielt werden kann, daß eine Basis dafür vorhanden ist. Aber ich glaube nicht, daß das der Weisheit letzter Schluß sein kann. Wenn es dahin kommen sollte, daß diese Gefahr akut wird, dann wird sich sicherlich aus ihrer Verantwortung heraus auch die SPD dem Anliegen nicht versagen, daß die Allgemeinheit vor solchen Dingen geschützt werden muß. Die Regierung hat ja an sich eine Mehrheit; sie kann diese Gesetze machen.
    Vorhin war davon die Rede, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister möglicherweise in Essen an Autorität eingebüßt habe. Dieses Wort hören wir nicht gern. Unser diesbezüglicher Verdacht richtet sich auch nicht ausgerechnet gegen Herrn Professor Erhard. Die Gesetzgebung ist dazu da, Mißständen zu steuern. Man muß sich eben, wenn man regiert, etwas einfallen lassen, wie man aus diesem Kreislauf herauskommen kann. Denn daß es so weitergeht, wie es jetzt die ganze Zeit gelaufen ist, das halte ich allerdings für ausgeschlossen.
    Bedenken Sie bitte auch, daß wir nicht nur eine Lohn-Preis-Spirale haben, die sich im Augenblick einmal wieder in ganz schöner Fortbewegung befindet und die niemals zurücklaufen kann. Es ist ein Zahnrad mit Sperrklinke; darüber ist wohl kein Zweifel. Darüber hinaus hat die zweite Regierung Adenauer in diese Spirale einen neuen Motor eingebaut, sie hat ihr neuen Antrieb verliehen über die Schritte zum Wohlfahrtsstaat, die hier im Hause beschlossen worden sind. Wir wissen heute, was die Rentenreform gekostet hat. Damals, als wir sie beschlossen, konnte es uns kein Mensch sagen. Wir wissen, daß sie eine Erhöhung der Renten um 70 % mit sich gebracht hat und daß die Beträge, die dafür aufzubringen sind, in die Milliarden gehen. Diese Milliarden müssen von der. Wirtschaft aufgebracht werden. Auch sie treiben wieder die Preise in die Höhe.
    Ganz ähnlich ist es mit dem Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie kennen die Lage der Krankenkassen trotz der vorgenommenen Beitragserhöhungen. Auch diese Beitragserhöhungen müssen von der Wirtschaft aufgebracht werden. Sie müssen dort, wo sie nicht in Produktivitätssteigerungen aufgefangen werden können, in den Preis eingehen. Unsere Länder haben dies von sich aus noch übersteigert; denn sie haben z. B. für die Landwirtschaft und den Fremdenverkehr — beides Gewerbe, in denen es üblich ist, daß die Arbeitnehmer im Hause wohnen —, die Pauschalsätze für Kost und Logis so stark erhöht, daß daraus eine Verdoppelung der Sozialbeiträge herrührt. Ohne daß der Arbeitnehmer augenblicklich den geringsten Vorteil davon hätte, muß der Betrieb das Doppelte an Sozialbeiträgen aufbringen. Was wird er da tun? Er wird eben — und er muß es ja — seine Preise erhöhen.
    Meine Damen und Herren, von diesem Hause und von der Bundesregierung her ist der Antrieb der Preisspirale gekommen, über den wir uns heute unterhalten. Herr Dr. Hellwig sagt dazu, das Ausweichen in den Preis sei dann zwangsläufig. Natürlich, später ist es dann zwangsläufig. Das muß man sich überlegen, ehe man solche Gesetze macht, ehe man solche Summen ausgibt,

    (Beifall bei der FDP)

    und man darf nicht nachher so eine Art bedingungsloser Kapitulation vor der Lohn-Preis-Spirale aussprechen. Das hat keinen Sinn. Wir aber fragen uns: Ist das nun eigentlich die Wirtschaftspolitik aus einem Guß, die die CDU ihren Wählern versprochen hat? Die Regierung muß uns jetzt einmal sagen, wie die fortschreitende Geldentwertung verhindert werden soll. Denn wie soll man sonst zur Kapitalbildung und zum Sparen auffordern?
    Was ist überhaupt seit dem 15. September alles auf die Wähler niedergegangen, auf die Wähler, die so brav der Parole gefolgt sind: Sicherheit für alle und Wohlstand für alle! Die „konstruktive Ostpolitik" begann mit dem Abbruch der Beziehungen zu Jugoslawien. Der Beweis, daß die russische Technik wenigstens in Einzelleistungen die Technik der Amerikaner überrundet hat, trägt nicht gerade zur Steigerung des deutschen Sicherheitsgefühls bei. Und der Bruch in der NATO, der jetzt offenkundig geworden ist dadurch, daß Frankreich für sich das Recht in Anspruch nimmt, Handlungen und Verhalten allein zu entscheiden, Handlungen, deren Folgen die westliche Welt nachher gemeinsam tragen muß! Ja, meine Damen und Herren, das ist die „Sicherheit für alle", die unmittelbar nach dem Wahltag dem Bundesbürger geboten worden ist.
    Wenn wir uns nun heute über den Kohlepreis unterhalten, der ausgerechnet vor Winterbeginn in die Höhe gegangen ist, wenn wir darüber sprechen müssen, daß die Eisenpreise heraufgesetzt werden, wenn wir hören, daß am 1. Januar der Brotpreis erhöht wird, und wenn wir wissen, daß die Tarife der Transportunternehmen zwangsläufig, schon aus den hier gegebenen Kostensteigerungen, in die Höhe gesetzt werden müssen, dann fragen wir uns natürlich: Wo soll denn diese Reise hingehen? Wo ist denn da der „Wohlstand für alle"? Das ist doch der Weg in die Inflation! Ich muß schon sagen: jede andere Regierung, die solche



    Margulies
    Dinge auf die deutschen Bürger losgelassen hätte, wie sie jetzt passiert sind, könnte sich heute schon als gescheitert betrachten.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Reihe von Wortmeldungen. In Anbetracht dessen muß ich die für heute abend vorgesehene interfraktionelle Besprechung absagen. Ich appelliere an die Sprecher, die sich jetzt noch zum Wort gemeldet haben, sich möglichst kurz zu fassen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ferdinand Friedensburg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, dieser Aufforderung Folge zu leisten, und will versuchen, mich auf einige kurze Bemerkungen zu beschränken.
    Zunächst muß unsere Fraktion sich noch einmal zu der Frage der Enquete äußern. Die sozialdemokratische Fraktion hat eine Gesetzesvorlage eingebracht, wonach eine in breitem Rahmen angelegte Enquete über die Probleme der Kohlewirtschaft stattfinden soll. Wir werden der Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik selbstverständlich nicht widersprechen. Wir sind damit einverstanden, daß dieses Problem angesichts seiner großen, beinahe nationalen Bedeutung in Ausführlichkeit und Offenheit im Ausschuß besprochen wird. Aber ich muß gleichzeitig in aller Aufrichtigkeit sagen, daß wir uns mit dem Gedanken einer Enquete zur Lösung dieses Problems nicht recht befreunden können. Wir halten es in der Tat für eine gewisse Diskriminierung der Kohlewirtschaft, wenn sie unter das Kreuzfeuer einer öffentlichen Enquete gestellt wird. Dazu scheint mir der Anlaß nicht auszureichen. Die vom Kollegen Deist zitierte Bemerkung aus einer früheren Rede von mir an dieser Stelle, daß die Dinge genügend klar seien, um zu wirtschaftspolitischen Folgerungen kommen zu können, halte ich aufrecht. Ein ausreichender Anlaß dafür, mit außerordentlichen Kosten und einem außerordentlichen Zeitaufwand womöglich Hunderte von guten Leuten aus Parlament, Wirtschaft usw. ein bis eineinhalb Jahre lang mit einer solchen Enquete zu beschäftigen, scheint mir nicht gegeben. Es bleibt den sozialdemokratischen Kollegen jedoch überlassen, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß ihre Gründe hierfür näher darzulegen.
    Ich habe noch hinzuzufügen, daß wir jedenfalls bei dieser Erörterung wünschen, daß der bereits von meinem Kollegen und Freund Hellwig angedeutete Zusammenhang mit den Löhnen etwas stärker zum Ausdruck kommt. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie würden sich sehr wundern, wenn wir bei irgendeiner Lohnforderung, die von Ihrer oder von Ihnen nahestehender Seite erhoben wird, eine solche parlamentarische Debatte entfachten, obwohl das die Öffentlichkeit genauso angeht, obwohl das die öffentlichen Interessen genauso berührt wie eine Preiserhöhung an irgendeiner Stelle.
    Ich habe mir gerade den Zusammenhang zwischen Lohnbewegung und Preisbewegung im Ruhrkohlenbergbau etwas näher angeschaut; ich werde Ihnen bei dieser Gelegenheit doch einige Zahlen nennen, weil darüber gewisse Unklarheiten bestehen. Nach meiner Wahrnehmung sind die Preisbewegungen im Ruhrbergbau — wie übrigens fast in der gesamten Wirtschaft in ganz ähnlicher Weise — beinahe regelmäßig den Lohnbewegungen gefolgt. Wenn ich hier eine Kurve aufzeichnen könnte, würden Sie eine erstaunliche Parallelität feststellen können, und wir würden, wenn wir die Zeiten eintrügen, sehen, daß die Lohnbewegungen vorangehen und die Preisbewegungen hinterdrein folgen. Ich sage nichts gegen die Lohnbewegungen, die ich, weil ich auch einmal vor Ort Kohle gehackt habe, durchaus nicht etwa mißbillige; ich habe durchaus Verständnis dafür, daß unsere Bergleute an der Spitze der Lohnskala stehen und daß sie auch in ihrem sozialen Status möglichst vorankommen. Aber wir müssen uns klarsein, daß das irgendwie bezahlt werden muß. Unser Volk muß sich einmal darüber klarwerden, daß man nicht ständig Forderungen nach einem besseren Leben und nach kürzerer Arbeitszeit stellen kann, ohne daß dann die Preise steigen. So wirtschaftswunderhaft ist unsere Wirtschaftsentwicklung doch nicht, daß sie gegen die Naturgesetze verlaufen kann; da handelt es sich um Gesetze, die niemand ungestraft verletzen kann. Es ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn diese Zusammenhänge in einer solchen Untersuchung einmal klargestellt werden, wenn sie auch nicht von einer Enquete-Kommission durchgeführt zu werden braucht.
    In dem Zeitraum von 1950 bis 1956 — dieser Zeitraum ist aus vielen einleuchtenden Gründen gewählt — sind die Löhne im Ruhrbergbau bei dem Durchschnitt der Untertagearbeiter um 60 % gestiegen, bei den Vollhauern um 73 %, und bei den Preisen ist eine Steigerung um 45 % festzustellen; Herr Kollege Deist, Sie können es kontrollieren. Ich freue mich, wenn Sie mich kontrollieren wollen.

    (Abg. Dr. Deist: Es kommt auf die Ausgangsbasis an!)

    Ebenso ist es, wenn wir das monatliche Hauereinkommen usw. vergleichen. Es wird sich immer herausstellen, daß die Lohnbewegung schneller vor sich gegangen ist als die Preisbewegung und daß die Lohnbewegung der Preisbewegung vorangegangen ist. Nichts gegen Lohnerhöhungen, gerade im Bergbau, aber man muß den naturgesetzlichen oder, ich will einmal sagen, wirtschaftsgesetzlichen Zusammenhang erkennen und man muß sich rechtzeitig klarsein, daß alles, was man tut, nicht ohne Folgen bleibt, daß die Reaktion auf die Aktion irgendwo eintreten muß.
    Ferner würde ich es sehr gern sehen, wenn wir in einer solchen Untersuchung das Problem der Kohlenlücke, der Energielücke etwas näher durchleuchteten. Wir tun hier immer so, als ob es sich um Bagatellen handelte. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich anfing mich mit diesen Dingen zu beschäftigen — es ist schon über 40 Jahre her —; da



    Dr. Friedensburg
    pflegten wir als Faustregel zu sagen: Der deutsche Kohlenbergbau bringt einen Ausfuhrüberschuß von 1 Milliarde Mark, und diese Milliarde reicht aus, alle übrigen Rohstoffeinfuhren an Erzen, 01 usw., zu bezahlen. Heute ist beim Kohlenbergbau der Überschuß schon sehr zusammengeschmolzen, und wenn wir einmal die wertmäßige Rohstoffbilanz machen, stellen wir fest, daß einem Ausfuhrwert von 2 Milliarden eine Einfuhraufwendung von 31/2 Milliarden gegenübersteht. Wir können uns das vielleicht im Augenblick leisten, es sollte uns aber nicht blind machen dagegen, daß es sich nicht um ewige und zuverlässig feststehende Werte han-dolt und daß es in der Zukunft recht erheblich anders sein kann.
    Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, wir erleben im amerikanischen Kohlenbergbau, von dem schon heute wesentliche Teile unserer deutschen Wirtschaft, insbesondere der Schwerindustrie, abhängen, einen Streik, wie ihn der berühmte Gewerkschaftsführer Lewis — ich darf ihn zitieren, denn er ist kein Sozialdemokrat — mit Vorliebe zu entfesseln pflegt, wenn die Kohle besonders gebraucht wurde; ein solcher Streik hat in der Regel drei bis sechs Monate gedauert. Stellen Sie sich vor, daß es gleichzeitig in Vorderasien — und es gibt Leute, die dafür sorgen, daß die Unruhe in Vorderasien nicht aufhört — mit der Ölversorgung nicht gut geht. Dann werden wir froh sein, wenn wir Kohlen, um welchen Preis auch immer, bekommen, und dann werden wir auf einmal einsehen, wie gefährlich es ist, diesen großen Schatz, den der liebe Gott in unseren Boden gelegt hat, nicht so gut wie nur möglich auszunutzen.
    Deshalb, Herr Kollege Deist, würde ich mich auch an Ihrer Stelle geradezu freuen, wenn es den Bergbauunternehmern gelingt, gewisse Erträge herauszuwirtschaften. Wenn das noch nicht gelingt, müssen wir ihnen dazu helfen, dürfen ihnen jedenfalls nicht in den Arm fallen. Denn um die Kohlenlücke schließen zu können, müssen neue Kapazitäten geschaffen werden, und wenn wir neue Kapazitäten schaffen, müssen wir sehr viel Geld auf lange Frist investieren. Da wir nicht verlangen können, daß Menschen, die in der Lage sind, Geld herzugeben, das aus Wohltätigkeit tun, müssen wir ihnen einen gewissen Ertrag zusichern. Auch hier handelt es sich um naturgesetzliche, um wirtschaftsgesetzliche Zusammenhänge, an denen zu rütteln geradezu narrenhaft wäre.
    Endlich gestatten Sie mir, Kollege Deist, daß ich Ihre Bemerkungen über den Bundeswirtschaftsminister bedauere. Ich muß sagen, ich hätte gerade Ihnen kaum eine solch kränkende Kennzeichnung zugetraut. Das Wort „komödiantenhaft" für die Reise des Herrn Bundeswirtschaftsministers nach Essen zu gebrauchen, halte ich nicht nur für sachlich völlig falsch, sondern auch — entschuldigen Sie — für reichlich unritterlich. Ich kann sehr wohl verstehen, daß das Verhalten des Herrn Bundeswirtschaftsministers gerade im Zusammenhang mit der einen oder anderen Bemerkung nicht jedermann gefallen hat. Aber ich muß sagen, es hat mir gefallen, daß er den Mut und das Verantwortungsgefühl gehabt hat, in die Höhle des Löwen zu fahren und zu verhandeln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das in dieser nichtachtenden Weise zu behandeln, halte ich doch für reichlich verfehlt.
    Wenn Sie, Kollege Deist, den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen, was er denn eigentlich in den seiner Leitung oder Beeinflussung unterliegengen staatlichen Gesellschaften getan hat, um die Kohlepreisbewegung zu beeinflussen, so muß ich mit einer Gegenfrage antworten. Herr Kollege Deist, soviel ich weiß, sind Sie stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender in einer großen Holdinggesellschaft mit sehr starken Kohleinteressen. Es würde mich interessieren, was S i e dagegen getan haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Wir können doch unmöglich die Mitbestimmung einführen — wir sind stolz darauf, daß wir damit vorangegangen sind —, wenn Sie dann so, tun, als hätten Sie überhaupt nichts zu sagen. Wie haben Sie gestimmt? Ich habe nicht gehört, daß es dort zu großen Auseinandersetzungen in den Vorständen und Aufsichtsräten gekommen ist.
    Man darf doch nicht die Augen verschließen und sich sagen: wir denken darüber nicht nach.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich glaube, Herr Kollege, ich habe etwas mehr Ahnung von diesen Dingen, mit denen ich mich seit fünfzig Jahren beschäftige.

    (Weitere Zurufe von der SPD.)

    Ich meine jedenfalls, daß, wir so nicht taktieren sollten. Ich verstehe sehr wohl die Beunruhigung, ich verstehe sehr wohl Ihr Begehren, über diese Dinge sachlich zu verhandeln. Aber das mit Vorwürfen zu verbinden, sei es gegen den Herrn Bundeswirtschaftsminister, sei es gegen den Kohlebergbau — womöglich gegen beide —, ist ungerecht. Dagegen wehren wir uns, und auf diesem Wege werden Sie es niemals zu einer Besserung und zu einer Aufklärung bringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)