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ID0300509200

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Metadaten
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    5. Abgeordnete: 1
    6. Margulies.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag —3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. November 1957 I 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Hübner und Dr. Friedensburg 101 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18) 101 B Wahl der Schriftführer (Drucksache 21) . . 101 B Vierzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 12) . . . 101 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlepreiserhöhung (Drucksache 2) Dr. Bleiß (SPD) 101 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 104 D, 129 A, 152 B Dr. Achenbach (FDP) 112 B Dr. Preusker (DP) 114 A Dr. Deist (SPD) 117 C, 146 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 131 C Margulies (FDP) 140 B Dr. Friedensburg (CDU/CSU) 143 A Dr. Kreyssig (SPD) 144 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Kohlewirtschaft (Drucksache 19) 154 A Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin — SKAG Berlin (Drucksache 14) .....154 A Stingl (CDU/CSU) 154 B Büttner (SPD) . . . . . 155 C Frau Kalinke (DP) 156 B Dr. Will (FDP) 157 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 159 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2B. November 1957 101 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20.12. Dr. Brecht 29.11. Freiherr von Feury 28.11. Dr. Frey 28.11. Frau Friese-Korn 1.12. Geiger (München) 28.11. Gerns 28.11. Gibbert 28.11. Dr. Götz 28.11. Dr. Gülich 30.11. Dr. Dr. Heinemann 29.11. Hellenbrock 28.11. Höfler 28.11. Jacobs 28.11. Kirchhoff 29.11. Knobloch 28.11. Kramel 28.11. Lenz (Brüht) 28.11. Mensing 28.11. Dr. Meyers (Aachen) 30.11. Paul 28.11. Scheel 15.12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 28.12. Schreiner 28.11. Spies (Brücken) 28.11. Dr. Starke 28. 11. Stierle 29. 11. Wehr 28.11. Frau Welter (Aachen) 28.11. Zoglmann 28.11. Zühlke 28.11. b) Urlaubsanträge Dr. Atzenroth 15.12. Bauer (Wasserburg) 8.12. Bauknecht 15.12. Dr. Becker (Hersfeld) 18.12. Dr. Birrenbach 11.12. Brand 10.12. Drachsler 11.12. Gedat 6.12. Dr. Höck 12.12. Dr. Jordan 13.12. Kühn (Köln) 10.12. Kurlbaum 31.12. Dr. Leverkuehn 14.12. Merten 11.12. Frau Renger 11.12. Dr. Schild 14.12. Dr.-Ing. Seebohm 14.12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bin Ihnen auch für diese Frage dankbar, Herr Dr. Deist. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung haben Sie schon letzt-



    Dr. Hellwig
    hin in einer hiesigen Diskussion zu dem FDP-Antrag in Erinnerung gebracht, der für die Lohnpolitik in Konfliktfällen eine Versachlichung der Diskussion auf wissenschaftlicher Grundlage anstrebte. Damals haben Sie an Ihren eigenen Antrag erinnert. Aber Gegenfrage: Würden Sie die Autonomie der Tarifpartner einer nationalbudgetmäßigen Vorschau über die Entwicklung von Löhnen, Einkommen und Preisen zum Opfer bringen wollen?

    (Abg. Dr. Deist: Würden Sie das tun wollen? — Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    - Sie haben die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung verlangt. Herr Dr. Deist, es kommt doch darauf an, die Grenzen deutlich zu machen — und zwar sie mit wissenschaftlichen Mitteln deutlich zu machen —, innerhalb deren sich die Tarifhoheit der Sozialpartner ohne Gefahren für das allgemeine Preisniveau und damit für die Kaufkraft des Geldes betätigen kann. Das ist doch die Aufgabe.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun darf ich von diesem allgemeinen Problem der Lohn-Preispolitik noch zu einigen speziellen Erscheinungen übergehen, die auch in den Ausführungen des Kollegen Dr. Deist eine Rolle spielen. Er hat auf verschiedene Preistendenzen aufmerksam gemacht und hat Kritik daran geübt, daß man etwa durch den Abbau bisher gezahlter Subventionen einen Preisauftrieb in einzelnen Bereichen herbeiführt. Er nannte den Brotpreis. Im Grunde genommen liegt ja beim Kohlepreis etwas Ähnliches vor.
    Herr Dr. Deist, ich glaube, Sie stimmen wohl darin mit mir überein, daß man Preisauftriebsgefahren, die aus unausweichlichen Kostenbewegungen resultieren — siehe Lohnkosten, Arbeitszeitverkürzung usw. —, nur für eine begrenzte Zeit durch Subventionen oder andere Mittel, die die Preiswahrheit kaschieren, auffangen kann. Das ist auch – übrigens gegen den Widerspruch verschiedener volkswirtschaftlicher Auffassungen — besonders dann empfohlen worden, wenn es sich um Gefahren allgemeiner Preisüberhitzung in der Hochkonjunktur handelt. Aus diesem Grunde sind damals verschiedene Preisauftriebstendenzen durch den Einsatz öffentlicher Mittel aufgefangen worden.
    Wenn sich aber solche Subventionen nicht ins Uferlose aufeinandertürmen sollen, muß man zu gewissen Zeitpunkten den Mut und das Verantwortungsgefühl haben, diese Dinge zu korrigieren. Der Zeitpunkt für die Vornahme solcher Korrekturen wird durch das allgemeine Preisklima bestimmt, und da, wie der Bericht des Bundeswirtschaftsministers für den letzten Monat deutlich macht — auch Sie selbst haben darauf hingewiesen —, im Augenblick ein verstärkter Preisdruck aus dem konjunkturellen Bild im Ausland und im Inland zu beobachten ist, ist doch jetzt der Zeitpunkt gekommen, solche Korrekturen vorzunehmen, ohne die Gefahren einer konjunkturell überhitzten allgemeinen Preiswelle auf uns nehmen zu müssen. Wer den Mut zu solchen unpopulären Maßnahmen dann nicht hat und die Verantwortung nicht tragen
    will, der steuert den Weg, den Frankreich — um ein Beispiel zu nennen — gegangen ist: Eine Subvention wird auf die andere getürmt, bis das Kartenhaus der Subventionen, das Kartenhaus der Preisunwahrheiten zusammenbricht und die aufgestaute sich in eine sichtbare Inflation umsetzt, und dies in ganz erheblichem Ausmaß.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das zu vermeiden, ist die Aufgabe einer verantwortungsbewußten Wirtschaftspolitik einschließlich der Preispolitik. Nicht die Preisunwahrheit darf als ständiges Mittel der Preispolitik angewandt werden, sondern die Preiswahrheit muß vor der Öffentlichkeit wiederhergestellt werden.
    Wenn wir etwa eine allgemeine Fortsetzung der bisherigen Einkommensbewegung über das erträgliche Maß der Produktivitätssteigerung hinaus bejahen sollten, etwa eine Arbeitszeitverkürzung im gleichen Ausmaß wie bisher im Bergbau fortsetzen wollten, müssen wir auch den Mut haben, die Konsequenzen aus den steigenden Kohlepreisen, Verkehrstarifen usw. der Öffentlichkeit zu sagen. Das wäre, glaube ich, verantwortungsbewußte Wirtschaftspolitik, nicht aber immer wieder der Versuch, die Kostenverteuerungen in diesen Sektoren durch bestimmte Subventionstechniken zu verschleiern.
    Nun zu den Ausführungen von Herrn Dr. Deist über das Verhältnis insbesondere zu dem sozialisierten Bergbau anderer Länder. Er hat den Preisvorsprung genannt, der angeblich — ich habe die letzten Zahlen noch nicht nachprüfen können — neuerdings in Lothringen eingetreten sei. Ich habe ihn gefragt, warum er nicht gleichzeitig sagt, daß die Schichtleistung dort wesentlich höher ist und daß insbesondere die Investitionen in den letzten Jahren dort ungeheuer groß waren. Im französischen Steinkohlenbergbau ist von 1952 bis 1954 jährlich der Betrag von etwa 14 bis 16 DM auf die Tonne Steinkohle neu investiert worden; bei uns waren es in diesen Jahren nur 5 bis 7 DM. Ich glaube, daran wird doch ganz deutlich, worin der Preisvorsprung, wenn er dort jüngst effektiv eingetreten sein sollte, seine Wurzel hat. Die besondere Gefahrenquelle des deutschen Kohlenbergbaus liegt eben darin, daß bei uns das Ausmaß der Investitionen nicht dem tatsächlichen Bedürfnis entsprochen hat.

    (Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt den Vorsitz.)

    Hierzu ist die Frage zu stellen, ob wir im Vergleich zu Frankreich und England, was den sozialisierten Bergbau angeht, wirklich so schlecht stehen. Der sozialisierte Kohlenbergbau hat weder in Frankreich noch in England zur Preisstabilisierung beigetragen. Im Gegenteil, er hat zur Preis- und Kostenverschleierung geführt und hat damit die Politik der aufgestauten Inflation, vor deren Ende diese Länder in den letzten Monaten standen, mitgetragen. Man überlegt heute, ob nicht das große Ausmaß der Investitionen, worin auch weit mehr als bei uns beträchtliche Marshallplan-Gelder



    Dr. Hellwig
    zum Einsatz kamen, gerade im französischen Steinkohlenbergbau zur inflationistischen Bewegung in Frankreich beigetragen hat. Das sollte man deutlich sehen, wenn man uns etwa gemeinwirtschaftliche Lösungen in dieser Richtung empfehlen will.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Wir sind uns, so hoffe ich, darin einig, daß die zukünftige Entwicklung des deutschen Steinkohlenbergbaus ein nationales Anliegen von erster Größe ist, und zwar nicht etwa vom Gesichtspunkt der nationalen Autarkie her gesehen, sondern gerade unter dem Aspekt unserer weltwirtschaftlichen und unserer europäischen Verflechtung. Wir sollten aber den Mut haben, dieses Problem auf den Boden sachlicher Erörterung zu stellen; diesen erhalten wir nur, wenn wir Nebenziele von politischem oder ähnlichem außerwirtschaftlichem Charakter ausklammern. Der Bergbau gedeiht nicht in dem Klima von Tagespolemik und von parteipolitischen Zielsetzungen. Darunter leidet nicht allein der Bergbau, sondern im Grunde genommen die gesamte Volkswirtschaft. Die Quittung für das politische Spiel, das um den deutschen Bergbau seit nunmehr nahezu 40 Jahren getrieben worden ist, hat, wie sich immer wieder zeigt, die Gesamtheit der deutschen Kohleverbraucher und der deutschen Wirtschaft zu zahlen. Vergessen wir nicht, daß die deutsche Steinkohle das einzige große Rohstoffvorkommen ist, über das die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb verfügt, und daß dessen Entwicklung eine der Grundlagen des wirtschaftlichen Wohlergehens nicht nur heute und im nächsten Jahr, sondern der nächsten Generation sein wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zu Beginn seiner Ausführungen davon gesprochen, daß heute nicht mehr von der Menge, sondern nur noch vom Preis die Rede sei. Das ist ein Irrtum — wenn auch ein verzeihlicher --; denn erst heute ist mir ein Bericht über die Ausführungen eines Repräsentanten einer mittelständischen Industrie auf den Tisch geflattert, in dem es heißt — ich darf vorlesen —:
    Ein paar Worte zur Brennstoffversorgung. Sie ist für unser Gewerbe dadurch gekennzeichnet, daß sie sowohl bei Braunkohlenbriketts wie auch bei der Steinkohle völlig unzureichend ist, da die Zuteilungen auf zeitlich zurückliegenden Referenzperioden beruhen und somit dem durch den Ausstoßanstieg vergrößerten Bedarf keine Rechnung tragen. Sämtliche Bemühungen, die bis an die höchsten Kohlenstellen herangetragen wurden, mußten leider — —und so weiter und so weiter. Das ganze Vokabular der Planwirtschaft, der Lenkungswirtschaft kommt da wieder hoch und damit natürlich auch die Erinnerung daran, daß seinerzeit im Jahre 1948 der damals doch noch als Spitzenfunktionär der SPD nahestehende Herr Agartz verhindert hat, daß mit der übrigen Marktwirtschaft auch die Kohle die Preisfreiheit bekam. Wir wissen auch, warum das damals so war. Man wollte doch die freigegebene Wirtschaft über die Kohle wieder in die Planwirtschaft einbeziehen. Wir glauben Ihnen, daß sich in diesen acht Jahren in Ihrer Gedankenwelt vielerlei geändert haben mag. Aber ich muß doch sagen, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Deist eigentlich keine besondere Änderung enthalten haben. Wenn er davon gesprochen hat, daß der Preis als der Ordnungsfaktor der Wettbewerbswirtschaft ausgeschaltet werden solle, wenn er die Dividende kritisiert hat — also den Ertrag des Kapitals — und wenn er davon sprach, daß der Bergbau unter öffentliche Kontrolle gestellt werden solle — oder werden müsse, ich weiß es nicht mehr —, dann, meine Damen und Herren, sind wir nicht mehr weit weg von der alten Forderung, die Zechen in Gemeineigentum überzuführen.
    Unser Kollege Herr Dr. Deist müßte uns auch einmal erklären, woher er, wenn er schon den Preis durch Subventionen niedrighalten will, dann eigentlich das Kapital für die notwendigen Investitionen hernehmen will, die Investitionen, die erforderlich sind, um die Kohlenförderung entsprechend den Vorstellungen, die wir alle über die Energieversorgung haben, in den kommenden Jahren zu steigern. Das geht dann doch auch nur aus Staatsmitteln. — Ich glaube also, diesen tiefen Griff in die Mottenkiste sozialistischer Vorstellungen, Herr Dr. Deist, könnten wir vom Standpunkt der FDP aus nur begrüßen.
    Aber wir haben uns hier auch damit auseinanderzusetzen, daß der Kohlenbergbau eben acht Jahre lang keine Gelegenheit hatte, wie die übrige Industrie sich über den Preis zu finanzieren, daß er hintennachhinkt.
    Ich habe auch nicht recht verstanden, warum der Herr Bundeswirtschaftsminister so heftig auf die Kohlenpreiserhöhung reagiert hat. Daß sie ihm vor dem Wahltag bekannt war, hat er uns hier in gewohnter Offenheit zugestanden. Und das Ausmaß muß ihm schließlich auch bekanntgewesen sein.

    (Abg. Dr. Bucerius: Wieso „muß"?)

    Denn wie käme ich dazu, mehr zu wissen, als der Herr Wirtschaftsminister?

    (Abg. Dr. Bucerius: Wußten Sie es denn?)

    — Ja, ich wußte es. Es stand — wenn ich Ihnen das
    Geheimnis verraten darf — sogar in der Zeitung.

    (Heiterkeit.)

    Und dann soll es ausgerechnet der Herr Wirtschaftsminister nicht gewußt haben? Gerade Herr Professor Erhard, der doch den Plan kennt, daß die Kohleförderung bis 1965 um 20 Millionen t gesteigert werden soll, und genau weiß, welche Unsummen an Kapital erforderlich sind,. um das zustande zu bringen, muß sich ängstlich davor hüten, das nötige Kapital abzuschrecken.

    (Abg. Dr. Bucerius: Doch nicht immer über den Preis!)




    Margulies
    — Im Augenblick habe ich nicht vom Preis, sondern von den Drohungen gegenüber dem Kohlebergbau gesprochen. Ich bin nicht dazu da, den Unternehmensverband Kohlebergbau zu verteidigen, sondern hier dreht es sich um wirtschaftliche Tatsachen, die uns allen geläufig sind. Ich meine, wenn ein Nachholbedarf in der Preiserhöhung vorhanden ist — da muß ich mich allerdings Herrn Dr. Hellwig anschließen —, müssen wir das eben offen sagen. Wir müssen uns aber fanatisch dagegen wehren, daß aus der Kohlepreiserhöhung eine Kettenreaktion entsteht, daß sich das über das Eisen in die metallverarbeitende Industrie und letztlich bis zum Landarbeiter fortsetzt; denn irgendwie muß das ja mal gestoppt werden.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Alles über den Preis!)

    — Jawohl. Der Ordnungsfaktor der Wettbewerbswirtschaft ist der Preis. Wir sehen doch auf allen Gebieten und in allen Bereichen, Herr Professor Schmid, daß das funktioniert. Warum soll es dann bei der Kohle nicht funktionieren? Ich möchte sogar behaupten, daß die acht Jahre Preisunwahrheit bei der Kohle uns in die Situation geführt haben, in der wir jetzt stehen. Deshalb müssen wir uns nun Gedanken darüber machen, wie das weitergehen soll.
    Die erste Tatsache, die wohl von niemandem bestritten wird, ist, daß wir zum Ausbau der Kohleförderung Kapital anziehen müssen, daß wir dem Bergbau ermöglichen müssen, für Kapitalien attraktiv zu sein, und das notfalls auch über den Preis. Aber wir sind nicht der Meinung, daß sich die Preiserhöhung nun fortsetzen soll oder fortsetzen darf.
    Die zweite Wahrheit, über die hier wohl auch nicht gestritten wird, obwohl Herr Dr. Hellwig vorhin gemeint hat, daß eine Gewerkschaft da inzwischen anderer Meinung geworden sei, ist doch, daß der Bergarbeiter den absoluten Spitzenlohn haben muß, weil er eine gefährliche und schmutzige Arbeit ausübt und weil, wenn er nicht den höchsten Lohn bekommt, kaum noch jemand zu finden sein wird, der diese Arbeit verrichtet. Das scheint mir der Ausgangspunkt für alle Überlegungen zu sein.
    Ich werde aber nicht müde werden, Sie daran zu erinnern, daß hier im Bundestag einmal Übereinstimmung darüber bestanden hat, daß immer nur der Produktivitätsgewinn verteilt werden kann und daß man ihn nur einmal verteilen kann. Das ist ja wohl selbstverständlich. Ich wäre nun dankbar, wenn diese Übereinstimmung dahin ausgeweitet würde, daß das nicht etwa branchenweise zu verstehen ist, sondern nur für die Gesamtheit der Volkswirtschaft Gültigkeit hat. Denn wir wissen, daß die Produktivitätssteigerung im Bergbau aus den naturgegebenen Bedingungen heraus eben leider nicht so und nicht im gleichen Maße vorangetrieben werden kann, wie es z. B. in der metallverarbeitenden Industrie möglich ist, daß also, wenn wir in der metallverarbeitenden Industrie auf Grund des dort vorhandenen höheren Produktivitätsgewinns sehr viel höhere Löhne bewilligen, diese selbstverständlich den Spitzenlohn des Bergarbeiters treiben. Es hat jedoch keinen Sinn, wenn wir hier darüber jammern, daß dort ein Keil den anderen treibt. Da müssen wir uns daran erinnern, daß wir eine Regierung haben, die eine Mehrheit in diesem Hause hinter sich hat. Dann soll sie eben die Gesetze vorlegen, mit denen es möglich ist, diese tödliche Spirale zu durchbrechen. Denn ein Keil treibt den anderen, das dehnt sich über die gesamte Wirtschaft bis zum Landarbeiterlohn aus, obwohl doch jeder weiß, daß hier in punkto Produktivitätssteigerung selbst bei Mechanisierung nicht allzu viel zu erreichen ist, jedenfalls nicht schnell ein Forschritt zu erzielen ist.
    Ich möchte noch einmal auf das Prinzip zurückkommen, daß eben nicht mehr verteilt werden kann als der Produktivitätsgewinn. Ich hoffe, man wird sich auch darüber verständigen können, daß von dem Produktivitätsgewinn auch der Investitionsbedarf zu decken ist, wenigstens solange wir nicht über einen ergiebigen Kapitalmarkt verfügen. Wir würden uns sonst sehr bald in der Situation sehen, daß nichts mehr zu verteilen ist, daß kein Produktivitätsgewinn mehr entsteht.
    Ähnliche Überlegungen gelten für den Unternehmerlohn. Es muß eine Kapitalverzinsung möglich sein, sonst wird man die Kapitalaufstockung nicht vornehmen können, die notwendig ist, um den vergrößerten Umsatz zu bewegen.
    Herr Dr. Hellwig machte vorhin die zarte Andeutung, daß man auch einmal daran denken könnte, den Produktivitätsgewinn für Preissenkungen zu benutzen. Das ist nun allerdings gar nicht mehr Mode. Wir befinden uns vielmehr in den letzten Jahren in einer fortschreitenden Geldentwertung, jedes Jahr etwa 23/4 %. Wenn man das zusammenrechnet, kommt schon eine ganz hübsche Kaufkraftentwertung heraus. Ich weiß nicht, wie man das eigentlich vor der Bevölkerung vertreten will, die man doch gleichzeitig zum Sparen und zur Kapitalbildung aufgefordert hat.
    Weiter ist naturgemäß bei der Verteilung des Produktivitätsgewinns zu berücksichtigen — an sich eine Binsenweisheit —, daß man den Anteil, der dem Faktor Arbeit bei der Verteilung zukommen soll, auch nur einmal verteilen kann, daß man ihn entweder in Lohnerhöhungen oder in Verkürzung der Arbeitszeit ummünzen kann. Was das letzte Problem angeht, möchte ich Sie auf eine Konsequenz aufmerksam machen, der man dann ins Auge sehen muß. Ich habe sicher nichts dagegen, daß zwei Tage in der Woche nicht gearbeitet wird — von mir aus sogar noch weniger —, aber wir müssen berücksichtigen, daß dadurch der Transportraum um etwa 20 % vermehrt werden muß, weil während dieser zwei Tage nicht entladen wird, der Transportraum stilliegt. Das bedeutet bei der Bundesbahn etwa 60 000 Waggons mehr, das bedeutet eine entsprechende Anzahl Lastzüge mehr und ebenso Binnenschiffe. Da erhebt sich für uns die Frage, ob die vorhandenen Verkehrswege das überhaupt noch ertragen können, ob wir da nicht in Stockungen hineingeraten. Von der Frage, was mit der so gewonnenen Freizeit geschehen soll, will ich jetzt gar nicht sprechen. Es ist meiner An-



    Margulies
    Sicht nach Sache der Kirchen, der Organisationen und der Gewerkschaften, den Menschen eine Freizeitgestaltung anzubieten und sie dazu zu veranlassen, davon Gebrauch zu machen. Das ist, glaube ich, nicht das wesentliche Problem.
    Wir haben anläßlich der Diskussion über die Regierungserklärung davon gesprochen, es bestehe gelegentlich auch die Gefahr, daß sich in einigen besonders günstig gelagerten Industriezweigen die Sozialpartner auf Kosten der Allgemeinheit einigen. Ich glaube, diese bisher nicht so drohende Gefahr, eine Gefahr, die uns eigentlich jetzt erst vor Augen tritt, würde doch zwangsläufig die Bundesregierung wieder auf den Plan rufen müssen, die verpflichtet ist, die Allgemeinheit im Wege der Gesetzgebung zu schützen. Sie wissen, wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht — Herr Dr. Hellwig hat davon gesprochen —, mit dem wir versuchen wollen, die Schlichtung wenigstens so weit zu bringen, daß ein vernünftiger Ausgleich erzielt werden kann, daß eine Basis dafür vorhanden ist. Aber ich glaube nicht, daß das der Weisheit letzter Schluß sein kann. Wenn es dahin kommen sollte, daß diese Gefahr akut wird, dann wird sich sicherlich aus ihrer Verantwortung heraus auch die SPD dem Anliegen nicht versagen, daß die Allgemeinheit vor solchen Dingen geschützt werden muß. Die Regierung hat ja an sich eine Mehrheit; sie kann diese Gesetze machen.
    Vorhin war davon die Rede, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister möglicherweise in Essen an Autorität eingebüßt habe. Dieses Wort hören wir nicht gern. Unser diesbezüglicher Verdacht richtet sich auch nicht ausgerechnet gegen Herrn Professor Erhard. Die Gesetzgebung ist dazu da, Mißständen zu steuern. Man muß sich eben, wenn man regiert, etwas einfallen lassen, wie man aus diesem Kreislauf herauskommen kann. Denn daß es so weitergeht, wie es jetzt die ganze Zeit gelaufen ist, das halte ich allerdings für ausgeschlossen.
    Bedenken Sie bitte auch, daß wir nicht nur eine Lohn-Preis-Spirale haben, die sich im Augenblick einmal wieder in ganz schöner Fortbewegung befindet und die niemals zurücklaufen kann. Es ist ein Zahnrad mit Sperrklinke; darüber ist wohl kein Zweifel. Darüber hinaus hat die zweite Regierung Adenauer in diese Spirale einen neuen Motor eingebaut, sie hat ihr neuen Antrieb verliehen über die Schritte zum Wohlfahrtsstaat, die hier im Hause beschlossen worden sind. Wir wissen heute, was die Rentenreform gekostet hat. Damals, als wir sie beschlossen, konnte es uns kein Mensch sagen. Wir wissen, daß sie eine Erhöhung der Renten um 70 % mit sich gebracht hat und daß die Beträge, die dafür aufzubringen sind, in die Milliarden gehen. Diese Milliarden müssen von der. Wirtschaft aufgebracht werden. Auch sie treiben wieder die Preise in die Höhe.
    Ganz ähnlich ist es mit dem Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie kennen die Lage der Krankenkassen trotz der vorgenommenen Beitragserhöhungen. Auch diese Beitragserhöhungen müssen von der Wirtschaft aufgebracht werden. Sie müssen dort, wo sie nicht in Produktivitätssteigerungen aufgefangen werden können, in den Preis eingehen. Unsere Länder haben dies von sich aus noch übersteigert; denn sie haben z. B. für die Landwirtschaft und den Fremdenverkehr — beides Gewerbe, in denen es üblich ist, daß die Arbeitnehmer im Hause wohnen —, die Pauschalsätze für Kost und Logis so stark erhöht, daß daraus eine Verdoppelung der Sozialbeiträge herrührt. Ohne daß der Arbeitnehmer augenblicklich den geringsten Vorteil davon hätte, muß der Betrieb das Doppelte an Sozialbeiträgen aufbringen. Was wird er da tun? Er wird eben — und er muß es ja — seine Preise erhöhen.
    Meine Damen und Herren, von diesem Hause und von der Bundesregierung her ist der Antrieb der Preisspirale gekommen, über den wir uns heute unterhalten. Herr Dr. Hellwig sagt dazu, das Ausweichen in den Preis sei dann zwangsläufig. Natürlich, später ist es dann zwangsläufig. Das muß man sich überlegen, ehe man solche Gesetze macht, ehe man solche Summen ausgibt,

    (Beifall bei der FDP)

    und man darf nicht nachher so eine Art bedingungsloser Kapitulation vor der Lohn-Preis-Spirale aussprechen. Das hat keinen Sinn. Wir aber fragen uns: Ist das nun eigentlich die Wirtschaftspolitik aus einem Guß, die die CDU ihren Wählern versprochen hat? Die Regierung muß uns jetzt einmal sagen, wie die fortschreitende Geldentwertung verhindert werden soll. Denn wie soll man sonst zur Kapitalbildung und zum Sparen auffordern?
    Was ist überhaupt seit dem 15. September alles auf die Wähler niedergegangen, auf die Wähler, die so brav der Parole gefolgt sind: Sicherheit für alle und Wohlstand für alle! Die „konstruktive Ostpolitik" begann mit dem Abbruch der Beziehungen zu Jugoslawien. Der Beweis, daß die russische Technik wenigstens in Einzelleistungen die Technik der Amerikaner überrundet hat, trägt nicht gerade zur Steigerung des deutschen Sicherheitsgefühls bei. Und der Bruch in der NATO, der jetzt offenkundig geworden ist dadurch, daß Frankreich für sich das Recht in Anspruch nimmt, Handlungen und Verhalten allein zu entscheiden, Handlungen, deren Folgen die westliche Welt nachher gemeinsam tragen muß! Ja, meine Damen und Herren, das ist die „Sicherheit für alle", die unmittelbar nach dem Wahltag dem Bundesbürger geboten worden ist.
    Wenn wir uns nun heute über den Kohlepreis unterhalten, der ausgerechnet vor Winterbeginn in die Höhe gegangen ist, wenn wir darüber sprechen müssen, daß die Eisenpreise heraufgesetzt werden, wenn wir hören, daß am 1. Januar der Brotpreis erhöht wird, und wenn wir wissen, daß die Tarife der Transportunternehmen zwangsläufig, schon aus den hier gegebenen Kostensteigerungen, in die Höhe gesetzt werden müssen, dann fragen wir uns natürlich: Wo soll denn diese Reise hingehen? Wo ist denn da der „Wohlstand für alle"? Das ist doch der Weg in die Inflation! Ich muß schon sagen: jede andere Regierung, die solche



    Margulies
    Dinge auf die deutschen Bürger losgelassen hätte, wie sie jetzt passiert sind, könnte sich heute schon als gescheitert betrachten.

    (Beifall bei der FDP.)