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ID0300505500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag —3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. November 1957 I 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Hübner und Dr. Friedensburg 101 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Einsetzung von Ausschüssen (Drucksache 18) 101 B Wahl der Schriftführer (Drucksache 21) . . 101 B Vierzehnte Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Drucksache 12) . . . 101 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Kohlepreiserhöhung (Drucksache 2) Dr. Bleiß (SPD) 101 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 104 D, 129 A, 152 B Dr. Achenbach (FDP) 112 B Dr. Preusker (DP) 114 A Dr. Deist (SPD) 117 C, 146 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 131 C Margulies (FDP) 140 B Dr. Friedensburg (CDU/CSU) 143 A Dr. Kreyssig (SPD) 144 D Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Kohlewirtschaft (Drucksache 19) 154 A Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Selbstverwaltungs- und Krankenversicherungsangleichungsgesetzes Berlin — SKAG Berlin (Drucksache 14) .....154 A Stingl (CDU/CSU) 154 B Büttner (SPD) . . . . . 155 C Frau Kalinke (DP) 156 B Dr. Will (FDP) 157 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 159 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 2B. November 1957 101 5. Sitzung Bonn, den 28. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 14 Uhr.
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20.12. Dr. Brecht 29.11. Freiherr von Feury 28.11. Dr. Frey 28.11. Frau Friese-Korn 1.12. Geiger (München) 28.11. Gerns 28.11. Gibbert 28.11. Dr. Götz 28.11. Dr. Gülich 30.11. Dr. Dr. Heinemann 29.11. Hellenbrock 28.11. Höfler 28.11. Jacobs 28.11. Kirchhoff 29.11. Knobloch 28.11. Kramel 28.11. Lenz (Brüht) 28.11. Mensing 28.11. Dr. Meyers (Aachen) 30.11. Paul 28.11. Scheel 15.12. Dr. Schneider (Saarbrücken) 28.12. Schreiner 28.11. Spies (Brücken) 28.11. Dr. Starke 28. 11. Stierle 29. 11. Wehr 28.11. Frau Welter (Aachen) 28.11. Zoglmann 28.11. Zühlke 28.11. b) Urlaubsanträge Dr. Atzenroth 15.12. Bauer (Wasserburg) 8.12. Bauknecht 15.12. Dr. Becker (Hersfeld) 18.12. Dr. Birrenbach 11.12. Brand 10.12. Drachsler 11.12. Gedat 6.12. Dr. Höck 12.12. Dr. Jordan 13.12. Kühn (Köln) 10.12. Kurlbaum 31.12. Dr. Leverkuehn 14.12. Merten 11.12. Frau Renger 11.12. Dr. Schild 14.12. Dr.-Ing. Seebohm 14.12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Friedensburg, das ist mir nicht nur bekannt, sondern ich weiß, daß das zu den wesentlichen Elementen der Demokratie gehört. Aber zur Demokratie gehört nicht, daß große wirtschaftliche Interessengruppen dem Minister diktieren, was er zu tun hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich meine, Herr Kollege Friedensburg, dieses rhetorische Fragespiel sollten wir jetzt abbrechen, denn es führt nicht zur Klärung der Probleme, die ich hier behandeln möchte. Ich halte diese Probleme für sehr ernst, sonst hätte ich diese Beispiele nicht gebracht.
    Ich bin sicher, wenn ein großer Teil der deutschen Bevölkerung wüßte, wie in Wirklichkeit in Deutschland die Machtverhältnisse liegen, dann wäre ihm klar, wie wichtig es wäre, den Kohlenbergbau unter eine effektive öffentliche Kontrolle zu stellen, wie das von 1919 bis 1956 der Fall war, damit nicht Parlament, Bundesregierung und die Masse der Verbraucher rücksichtslos überspielt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aus diesen Überlegungen ergibt sich die eindeutige Konsequenz, daß die Probleme ides Kohlenbergbaus mit den Methoden, die heute in Deutschland im Kohlenbergbau üblich sind, nicht mehr gelöst werden können, sondern daß im Gegenteil im Kohlenbergbau eine Neuordnung durchgeführt werden muß, die sicherstellt, daß entscheidende öffentliche Interessen nicht vernachlässigt werden. Zu diesen entscheidenden öffentlichen Interessen gehört, daß die Energielücke, die auf uns zukommt, geschlossen wird; dazu gehört, daß eine ausreichende Versorgung aus den verschiedensten Energiequellen gewährleistet wird; dazu gehört, daß die erforderlichen Investitionsmittel bereitgestellt werden; dazu gehört, daß Maßnahmen getroffen werden, um den sozialen Stand des Bergarbeiters unter allen Umständen zu sichern; dazu gehört schließlich, daß ein Machtmißbrauch, wie er hier vorgelegen hat, auf jeden Fall verhindert wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir pflegen eine solche Ordnung des Bergbaus als eine gemeinwirtschaftliche Ordnung zu bezeichnen.
    Lassen Sie mich jetzt noch eine Frage stellen. Ist Ihnen allen eigentlich gegenwärtig, daß es kein demokratisches Land im freien Europa gibt, das sich noch eine solche primitive Form der Führung der Kohlenwirtschaft gestattet wie wir in Deutschland? In Großbritannien ist der Kohlenbergbau zusammengefaßt und nationalisiert. In Frankreich gibt es einen einheitlichen, großen Kohlenbergbau, der ebenfalls nationalisiert ist. In Italien befindet sich der Kohlenbergbau in staatlicher Hand, ebenso ganz überwiegend in Holland. Nur noch in Belgien leistet man sich eine solche privatwirtschaftliche Führung des Kohlenbergbaus mit Kartellen und sogenannter freier Preisbildung mit dem Effekt, daß dieser Kohlenbergbau aus Mitteln der Montanunion, zu denen Deutschland den wesentlichen Beitrag liefern muß, gestützt werden muß und daß dieser Kohlenbergbau in Belgien einem viel stärkeren Dirigismus unterliegt als der übrige Bergbau in Europa, der nicht mehr in rein privatwirtschaftlicher Form geführt wird.
    Wir wissen, daß das ein schwieriges und umstrittenes Problem ist. Wir wünschen, daß für die Fragen einer grundlegenden Neuordnung der Kohlewirtschaft auf Grund einer eingehenden Untersuchung eine breite Meinungsbildung in Deutschland erreicht wird. Darum wiederholen wir unseren Antrag, die Verhältnisse im Kohlenbergbau und in der deutschen Kohlenwirtschaft gründlichst zu untersuchen. In England hat sich z. B. die Untersuchung durch die Royal Commissions als eine sehr gute Methode bewährt, schwierige Probleme zu lösen.
    Herr Kollege Friedensburg, Sie meinten in der letzten Sitzung, im Kohlenbergbau und in der Energiewirtschaft liege eigentlich alles offen zutage. Nach dem, was ich dargelegt habe, kann das nicht der Fall sein.
    Ist wirklich restlos klar, inwieweit der Kohlenbergbau durch öffentliche Stützung und Subventionierung erhalten wird? Ist wirklich völlig klar, welchen Einfluß die Ertragsstreuung auf die Investitions- und Preispolitik hat? Ist wirklich völlig klar, mit welchen Mitteln wir die Investitionsbedürfnisse im Kohlenbergbau befriedigen können? Ist tatsächlich klar, wie man einen ausreichenden sozialen Stand des Bergarbeiters unter den nun einmal im Kohlenbergbau herrschenden Verhältnissen sichern kann? Ist weiter klar, warum z. B. die Förderentwicklung in Deutschland seit dem Jahre 1938 wesentlich hinter derjenigen in Großbritannien und Frankreich zurückgeblieben ist? Ist klar, warum auch die Leistung unter Tage in Deutschland gegenüber 1938 um 20 % zurückgefallen ist, während sie in Frankreich um 35 und in Großbritannien um 6 % gestiegen ist? Ist ferner klar, warum der Mechanisierungsgrad in der deutschen Kohlenwirtschaft so viel geringer ist als z. B. in Frankreich, England und Holland, obwohl das nicht etwa an der Lagerung der Kohle oder sonstigen geologischen Verhält-



    Dr. Deist
    nissen liegt? Und ist wirklich klar, meine Damen und Herren, warum der Kohlenbergbau in der Öffentlichkeit rote Zahlen ausweisen muß, wenn er Gewinne von 4 bis 5 DM per Tonne macht? Ich meine, hier ist vieles unklar. Ein Industriezweig, der mit Recht so große Opfer von der Öffentlichkeit und damit von jedem Steuerzahler verlangt, sollte bereit sein, seine Karten auf den Tisch zu legen, damit wir in der Lage sind, in gemeinsamer Arbeit auf der Grundlage eingehender Untersuchungen eine möglichst gesunde Ordnung im deutschen Kohlenbergbau herbeizuführen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, der Herr Bundestagspräsident läßt bekanntgeben, daß er im Hinblick auf seine Verpflichtungen auf der deutsch-französischen Parlamentariertagung morgen die Konstituierung des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen nicht morgen, sondern bereits heute um 18 Uhr im Zimmer 214 vornehmen muß.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, zu dem zu sprechen, was die Kohle im besonderen betrifft, mit Ausnahme der Einleitung von Herrn Kollegen Deist, in der er feststellen zu können glaubte, daß ich die Ereignisse in Rom falsch dargestellt habe.
    Ich darf nach dem Zitat von Herrn Abgeordneten Schöne noch einmal das Zitat des Abgeordneten der Gemeinsamen Versammlung Nederhorst verlesen.

    (Zuruf von der SPD: Ist das ein deutscher Sozialdemokrat?)

    — Moment, Sie kommen auch noch dran! — Er sagte:
    Die Hohe Behörde übersieht geflissentlich noch immer, daß die nationalen Regierungen ihre Rechte wieder an sich reißen. In Ziffer 100 des Berichts finden wir eine eingehende Zusammenfassung, aus der hervorgeht, daß die nationalen Regierungen sich auf dem Gebiet der Preise und auf dem Gebiet des Handels bestimmte Befugnisse anmaßen, die ihnen nach dem Vertrag nicht zustehen.
    Es steht eindeutig fest, daß nach dem Vertrag für die Preise nur die Hohe Behörde zuständig ist.
    Herr Kollege Kreyssig hat auf der letzten Tagung in Rom wortwörtlich ausgeführt — man beachte die besonderen Formen der Höflichkeit in diesen Ausführungen! —:
    Weil ich aber die Frage der funktionellen Zusammenarbeit angeschnitten habe, muß ich auf den gleichen Punkt zu sprechen kommen, den soeben mein Kollege Wigny erwähnt hat, auf den etwas erstaunlichen Passus, den wir heute früh von dem sehr verehrten Herrn Vertreter
    der deutschen Bundesregierung gehört haben. Er hat von den Schwierigkeiten gesprochen, die sich hinsichtlich der Kohlepreise und mancher anderer Fragen ergeben haben, und hat dann wörtlich gesagt: „Angesichts dieser Schwierigkeiten, die sich aus den formellen Vorschriften des Vertrages ergeben,
    — wobei ich noch auf die unterschiedliche Konjunktur- und Währungssituation hingewiesen habe —
    dürfte der praktisch mögliche und richtige Weg darin bestehen, daß weder die Hohe Behörde noch die Regierungen auf Zuständigkeiten pochen", sondern sich gewissermaßen untereinander verständigen.
    Was die Zuständigkeiten und nicht zuletzt den berühmten Artikel 3 betrifft, so glaube ich, dem Herrn Vertreter der deutschen Bundesregierung beziehungsweise des Rates sagen zu müssen, daß das gesamte Parlament geschlossen hinter der Hohen Behörde stehen wird, wenn sie auf den Zuständigkeiten beharrt, die ihr im Vertrag gegeben worden sind.

    (Abg. Dr. Deist: Na und?)

    Und jetzt frage ich noch einmal: Wer ist nun für die Preisbildung verantwortlich? Nach dem Vertrag eindeutig die Hohe Behörde! Weil ich aus meiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung heraus die Schwierigkeiten empfinde, die sich hieraus wegen der auf Kohle und Stahl beschränkten Preiszuständigkeit der Hohen Behörde in der Praxis ergeben, sowie vor allen Dingen auch angesichts der Vorwürfe, die Sie gegen die deutsche Kohlepreispolitik erheben, lege ich dieses Problem hier offen.
    Nun, meine Damen und Herren, nur noch kurz ein paar Worte zu dem Problem der Kartelle an der Ruhr. Ich darf feststellen, daß bei der Bildung dieser sogenannten Kartelle, sprich Verkaufsgesellschaften, in vollem Einvernehmen mit der IG Bergbau gehandelt wurde

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und daß ich es gewesen bin, der jetzt in Luxemburg darauf hingewiesen hat, daß nach meiner Kartellauffassung die Stelle, die ein Kartell genehmigen kann, auch in der Lage sein muß, etwaige Mißbräuche dieses Kartells zu ahnden. Ich glaube, ich habe damit alles nur Mögliche getan, was überhaupt im Rahmen meiner Zuständigkeit und im Rahmen der mir gegebenen Verantwortung getan werden konnte.
    Ich bin mit Ihnen völlig einig, daß der Kohlepreis nur ein Symptom ist.
    Ich möchte nicht auf die Einzelpreise eingehen, die Sie hier genannt haben. Das ist mir zu billig und ist auch kein echtes Argument, mindestens kein dem Ernst dieser Situation angepaßtes. Ich bin der Meinung — und ich spreche das in diesem Hause, wenn auch nicht vor diesem Bundestag, jetzt seit zwei Jahren immer wieder aus —, daß wir in eine gefährliche Situation hineinlaufen und



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    daß es einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht eben nicht nur auf der einen Seite gibt, sondern praktisch auf allen Seiten, die beteiligt sind. Das leugnen zu wollen, ist nicht mehr realistisch, und es ist auch innerlich nicht wahrhaftig.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen: Sie glauben, die Konjunktur und das wirtschaftlich günstige Schicksal erfordere eine Steigerung des privaten Verbauchs. Der private Verbauch ist in Deutschland kräftig angestiegen, und zwar in der Zeit von 1950 bis 1957 real um 60 %. Diese Ziffern werden Sie bald auch in einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes lesen können.

    (Abg. Dr. Deist: Wie stark ist das Sozialprodukt gestiegen?)

    Aber wenn Sie die Preisentwicklung dieses Jahres 1957 ansehen, Herr Dr. Deist, dann werden Sie feststellen, daß bis zu diesem Herbst bis auf den Kohle- und Stahlpreis die Erzeugerpreise, vor allen Dingen die industriellen Erzeugerpreise, sehr stabil geblieben sind. Sie sagten ja vorhin selbst, bis zum 15. September habe ein ruhiges Klima geherrscht.
    Am spürbarsten waren aber die Preissteigerungstendenzen im Verbrauchsgütersektor, und das nicht umsonst. Das war deshalb der Fall, weil die Zunahme des nominellen Einkommens eben das Angebot an Gütern überstiegen hatte. Deshalb stiegen im Verbrauchsgütersektor die Preise stärker als im Investitions- und im Produktionsmittelsektor an.
    Ich kann Ihnen aber auch mit Zahlen dienen. Vom Februar 1956 bis zum Februar 1957 sind die Bruttostundenverdienste des deutschen Arbeiters um 8 % gestiegen. Der private Verbrauch ist real gesehen um 7,8 % gestiegen, während z. B. beim gesamten Sozialprodukt im Jahre 1956 nur eine reale Zunahme von 5,8 %, im Jahre 1957 wahrscheinlich nur noch um 5% zu verzeichnen ist. Der gesamtwirtschaftliche Produktivitätszuwachs beziffert sich im Jahre 1956 auf 2,1 %.

    (Abg. Dr. Deist: 1957?)

    — 1957 wird er etwas höher sein. (Abg. Dr. Deist: 8 %!)

    — In der Industrie jedenfalls! Aber die Industrie kann ja schließlich nicht alles allein auffressen, was sie produziert, sondern sie ist ja nur ein Teil der Volkswirtschaft.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie müssen für die ganze Volkswirtschaft rechnen, und in diesen Ziffern — Bruttostundenverdienst Zunahme von 8 %, Zunahme des privaten Verbrauchs von 7,8 %, Zunahme des realen Sozialprodukts von 5 % bzw. auf den Erwerbstätigen bezogen von 2 bis 3% — haben Sie die ganze Problematik, die ganzen Sorgen unserer Zeit. Das wird in der ganzen Welt deutlich erkannt; bloß hier in
    diesem Hohen Hause kann man nicht einigermaßen sachlich über dieses Problem sprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Ich habe ja neulich meinem gepreßten Herzen auch in einem Artikel „Gebet dem Staate, was des Staates ist" Luft gemacht. Wer hat denn überhaupt noch Verständnis dafür? Jede Gruppe denkt an sich. Wir laufen in eine Entwicklung hinein, in der jeder weniger arbeiten, mehr verdienen und mehr verbrauchen will. Die Preise sollen womöglich heruntergehen, und der Staat soll noch höhere Leistungen erbringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie sagten z. B. in bezug auf die Arbeitszeitverkürzung, daß sie plötzlich auf der Tagesordnung stand und durchgeführt werden mußte. Ist das etwa vom Himmel gefallen? Ich bin der Meinung, wir treten nach einem falschen Gesetz an, wenn wir in Deutschland, wo wir noch so viel zu leisten haben, in der Arbeitszeitverkürzung alle Rekorde schlagen wollen.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gut, ich habe nichts dagegen, daß wir es tun. Aber dann müssen wir uns alle darüber klar sein, daß das auch Bescheidung von jedem einzelnen verlangt.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich bleibe also nach wie vor bei meiner Aussage, daß es das Ziel der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sein wird, das Preisniveau unter allen Umständen stabil zu halten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde müssen wir angesichts der vielfältigen Anforderungen an den Bundeshaushalt systematisch von den Subventionen wegkommen. Ich habe keine Lust, Herr Dr. Deist, mit meinem Steuergeld z. B. Ihren Brot- und Kuchenkonsum zu subventionieren, und ich verlange das auch von Ihnen nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das schließt nicht aus, daß man bei der Endregelung etwas tun kann, um den wirklich Armen und den Kinderreichen eine notwendige Entlastung zuteil werden zu lassen.

    (Erneuter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wenn wir aber die Preise stabil halten wollen, müssen wir uns daran gewöhnen, nicht immer mit der Stange im Nebel herumzufahren, sondern mit ganz wenigen Zahlen an die Problematik heranzugehen. Ich bin wahrscheinlich schon bald in der Lage, eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die Sie immer verlangt haben, vorzulegen. Dann bin ich nur gespannt, ob auch die Sozialpartner geneigt sein werden, sich den Erkenntissen und den Konsequenzen dieser volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu fügen.

    (Abg. Dr. Deist: Erst einmal vorlegen!)

    Ich finde, es ist allmählich eine Geschmacklosigkeit geworden, wenn Sie immer wieder sagen, ich



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    hätte am 16. September einen Wechsel präsentiert erhalten. Wenn ich ein schlechtes Gewissen hätte, hätte ich wahrscheinlich anders reagiert. Sie wissen ganz genau, Herr Dr. Deist, daß das mit dem Wechsel nicht stimmt. Was würden Sie dazu sagen, wenn ich Ihnen den Vorwurf machte, Ihre Freisprechung der Gewerkschaften von allen Sünden und von aller Schuld betreffe ebenfalls die Einlösung eines Wechsels!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)