Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jetzt abrupt ausgebrochene wirtschaftspolitische Diskussion leidet darunter, daß sie sich an einigen wenigen Punkten entzündet hat, ohne daß das Ganze dabei berücksichtigt wird. Nun ist, glaube ich, gerade die Außenhandelspolitik eine der Fragen, in denen in diesem Hause recht wenig Meinungsverschiedenheiten bestehen. Es gilt heute wohl als gesichertes Wissen, daß die Zahlungsbilanzüberschüsse, von denen soviel die Rede ist, im wesentlichen darauf zurückgehen, daß die Währungsrelationen nicht dem wahren Wert entsprechen. Dem kommen wir auch mit noch so großen Zollsenkungen nicht bei, obwohl diese, binnenwirtschaftlich gesehen, eine recht nützliche Folge haben und eine noch nützlichere Folge gehabt hätten, wenn man nicht wie die Katze um den heißen Brei immer um die Finanzzölle herumgeschlichen wäre. Aber die derzeitige Situation zwingt die Bundesregierung zum Handeln, und ich glaube, wir sollten uns sehr sorgsam, aber auch gemeinsam überlegen, mit welchen Methoden man die Folgen der falschen Währungsrelationen abmildern kann, nachdem es uns nicht gelingt, die Ursachen zu beseitigen.
Zur allgemeinen Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren, sollten wir uns doch darüber im klaren sein, daß die Situation durch die Gesetzgebung der vergangenen 3/4 Jahre sehr stark vorbelastet ist. Wir werden die Konsequenzen in den nächsten Monaten erleben, und es wird der Bundesregierung nicht leicht fallen, die Folgen aufzufangen.
Die wirtschaftspolitischen Thesen, die unser Freund Dr. Becker heute morgen in seiner Antwort auf die Regierungserklärung dargetan hat, bedürfen an sich keiner Ergänzung. Wir vertreten diese Thesen seit Jahr und Tag, und wir haben sie wiederholt dem Hause vorgetragen. Wir freuen uns aufrichtig, daß die CDU in ihrer ersten Fraktionssitzung nach den Wahlen und jetzt auch die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung im wesentlichen diese Forderungen übernommen haben, und wir sind gern bereit, dabei mitzuhelfen, diese unsere Anliegen, insbesondere was die Mittelstandspolitik, was die soziale Schichtung anbelangt, so gut es in unseren Kräften steht, zu unterstützen, vorausgesetzt daß die Bundesregierung ihr Wort hält, nämlich diese Fragen nunmehr vordringlich zu behandeln. Wir fragen uns allerdings, warum nicht die zweite Regierung Adenauer das schon getan hat, was jetzt die dritte Regierung verspricht. Aber es ist ja im Himmel immer mehr Freude über einen reuigen Sünder als über zehn Gerechte.
Wir hoffen und wünschen also, daß es in gemeinsamer Anstrengung gelingen möge, das Preisniveau auf dem gegenwärtigen Stand zu halten. Wir haben da unsere Bedenken. Die etwas überraschende Preiserhöhung für Kohle kann nicht ohne Wirkungen bleiben. Es kommt auf uns zu — wie Sie alle wissen — eine Erhöhung der Verkehrstarife; und wir müssen ja auch mit einer Reihe von Kündigungen von Tarifverträgen rechnen. Es wird also weiß Gott aller Anstrengungen bedürfen, um diese Erhöhungen noch in einer gesteigerten Produktivität aufzufangen. Und darüber war ja wohl jedenfalls in einer Diskussion, die früher hier im Hause zwischen den beiden Wirtschaftskundigen Herrn Professor Erhard und Herrn Dr. Deist stattgefunden hat, Übereinstimmung erzielt, daß man immer nur die Steigerung des Sozialprodukts verteilen könne und in diesem Punkte jedenfalls nicht über die 100 °/o hinausgehen könne, wenn man nicht in eine Entwertung der Mark hineinschlittern wolle. Ich hoffe, daß es bei dieser damaligen Feststellung geblieben ist und dieser Punkt von beiden Seiten verantwortungsvoll ganz präzise eingehalten werden wird.
Das scheint uns die entscheidende Frage: daß auf gar keinen Fall die Kaufkraft der Währung beeinträchtigt werden darf, wir also dafür Sorge trage müssen, daß das Preisniveau sich hält, nicht erhöht wird, die Produktivität aber so weiter gesteigert wird, daß die Kostenerhöhungen, mit denen wir heute schon fest rechnen müssen, in der steigenden Produktivität aufgefangen werden können. Ich glaube, das ist ein gemeinsames Interesse, und an dieser Aufgabe sollten wir alle mitarbeiten, ungeachtet dessen, daß wir sonst von verschiedenen Ausgangspunkten an die Dinge herangehen. Etwas Sorge macht uns natürlich, daß im Augenblick wahrscheinlich noch niemand ausrechnen kann, was die Sozialgesetze eigentlich kosten werden, die wir im Frühjahr dieses Jahres hier im Hause verabschiedet haben, und wie wir mit den daraus herrührenden Kosten- und Preiserhöhungen fertig werden sollen. Vielleicht sind da noch einige Korrekturen notwendig, und wenn diesbezügliche Vorschläge von dem nunmehrigen Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts kommen werden, dann werden wir sie ernsthaft prüfen und uns gegebenenfalls der Mitwirkung nicht versagen.
Ich glaube aber, daß die augenblickliche Situation dazu angetan ist, besonders in den Fragen der Handelspolitik sehr stark zusammenzuarbeiten und nicht an irgendeiner Haaresbreite die Einigung scheitern zu lassen.