Rede:
ID0300401600

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3004

  • date_rangeDatum: 5. November 1957

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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 29. Oktober 1957 . . . . 31 A Dr. Krone (CDU/CSU) 31 A Ollenhauer (SPD) . . . 41 A, 86 D, 88 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 55 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 66 D Höcherl (CDU/CSU) . . . . 77 C, 79 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 81 B, 90 A, 97 B, 97 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 84 B, 93 D, 94 D Dr. Deist (SPD) . . . 79 C, 90 D, 94 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 88 A Margulies (FDP) 95 A Erler (SPD) 96 A Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 97 D Glückwunsch zum 65. Geburtstag des Abg. Schröter (Berlin) 77 C Nächste Sitzung 98 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 99 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 31 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 10.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauer (Wasserburg) 6. 11. Bauknecht 6. 11. Birkelbach *) 9. 11. Birrenbach *) 9. 11. Bühler 6. 11. Conrad*) 9. 11. Dr. Deist*) 9. 11. Dr. Dollinger *) 9. 11. Ehren 6. 11. Freiherr von Feury 6. 11. Frehsee 5. 11. Frenzel 10. 11. Frau Friese-Korn 1. 12. Dr. Furler*) 9. 11. Gaßmann 10. 11. Haage 5. 11. Höfler 6. 11. *) für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Illerhaus 9. 11. Jahn (Frankfurt) 6. 11. Dr. Jordan 6. 11. Kalbitzer 5. 11. Dr. Kopf *) 9. 11. Dr. Kreyssig*) 9. 11. Lenz (Brühl) *) 9. 11. Dr. Leverkuehn 6. 11. Metzger *) 9. 11. Dr. Oesterle *) 9. 11. Pelster *) 9. 11. Dr. Philipp*) 9. 11. Rademacher 6. 11. Ramms 6. 11. Dr. Seume 16. 11. Walpert 5. 11. Frau Wolff (Berlin) 16. 11. Zoglmann 5. 11. b) Urlaubsanträge Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20. 12. Kühlthau 25. 11. Scheel 15. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ollenhauer hat in seiner Erklärung auch wieder einmal die Wirtschaftspolitik angegriffen und dabei ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Er behauptete nämlich, daß der freie Wettbewerb und die freie Preisbildung nicht eine stabile Ordnung zu gewährleisten vermögen.
    Ich habe mir ja schon immer gedacht, daß es bei dem marktwirtschaftlichen Bekenntnis der SPD einen Pferdefuß geben muß,

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien)

    und der ist bei dieser Gelegenheit deutlich zum Ausdruck gekommen. Denn wenn ich den Wettbewerb und die freie Preisbildung nicht mehr als die tragenden Säulen und bewegenden Kräfte einer freien Marktwirtschaft und einer freien gesellschaftlichen Ordnung überhaupt anerkenne, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu den „bewährten", sattsam bekannten Prinzipien der Planwirtschaft überzugehen, nämlich der staatlichen Reglementierung der Produktion und des Verbrauchs und der Preisbindung dazu. Dann haben Sie allerdings das, was den Gegensatz zum freien Wettbewerb und freier Preisbildung darstellt.
    Daß uns allen die Stabilität der Währung, die Stabilität der wirtschaftlichen Verhältnisse und die Stabilität der Preise besonders am Herzen liegen muß, dürfte unbestreitbar sein. Aber es ist nicht damit getan, daß jede Partei und jede einzelne Gruppe reihenweise ein Lippenbekenntnis ablegt, wie sehr gerade ihr die Erhaltung der Stabilität am Herzen liege, dann aber in dem eigenen Verhalten nichts mehr von dieser Gesinnung oder von dieser Proklamation bekundet. Darunter leiden wir in diesem Augenblick.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich bin weit davon entfernt, etwa nur eine Gruppe anzusprechen. Ich habe das niemals getan. Aber wenn wir von den Sozialpartnern sprechen, warum sind dann ausgerechnet die Gewerkschaften so außerordentlich empfindlich? Warum darf man über Löhne, Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen nicht im Zusammenhang mit der Preisstabilität sprechen?

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Das ist keine Diffamierung, sondern das sind nüchterne Feststellungen, und jedenfalls sind sie der Untersuchung und der Prüfung wert.

    (Zustimmung rechts.)

    In aller Welt unterhält man sich über diesen Gegenstand. Ich habe den Begriff „Gewerkschaftswährung" nicht erfunden; aber er ist heute schon als ein Terminus technicus in die wissenschaftliche Literatur eingegangen, und man hat sich doch darunter etwas vorgestellt!
    Einer Ihrer besten Sachverständigen auf wirtschaftlichem Gebiet hat selbst in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften" wortwörtlich folgendes geschrieben:
    Es muß nüchtern festgestell werden, daß idas Preisniveau in einer Volkswirtschaft durch das Verhältnis zwischen monetärer, d. h. in Geld ausgedrückter Nachfrage und dem Angebot von Gütern und Diensten aus der laufenden Produktion bestimmt wird. Wenn die monetäre Nachfrage — sei es durch Lohnsteigerung, sei es durch Kreditexpansion — über das hinaus gesteigert wird, was der gleichzeitigen Steigerung des Sozialprodukts, d. h. des Angebots von Gütern und Diensten entspricht, dann müssen zwangsläufig die Preise steigen. Jeder Versuch, diesen gesetzmäßigen Zusammenhang nicht anzuerkennen, wäre ein Kampf gegen das Einmaleins.
    Das unterschreibe ich wortwörtlich. Dann muß man aber in einer so spannungsvollen Zeit, wie sie sich uns gerade im Augenblick darbietet, auch den Mut haben, dieses Thema objektiv anzusprechen. Es ist einfach nicht wahr, daß man nicht feststellen kann, wo die optimalen Grenzen einer Lohnsteigerung oder Arbeitszeitverkürzung ohne Gefährdung der Stabilität liegen. Meine feste Überzeugung ist, daß wir unter allen Umständen zu einer Versachlichung, zu einer Objektivierung der Feststellung des Tatbestandes und der Wirkungen gelangen müssen. Ich behaupte: die Wahrheit ist gar nicht so schwer zu finden; schwer ist nur, aus der Wahrheit für das eigene Verhalten die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Mir kann jedenfalls niemand vorwerfen, daß ich bei den Auseinandersetzungen der Sozialpartner, bei Lohnsteigerungen oder bei Preissteigerungen mich nicht bemüht habe, objektiv zu sein und diejenigen anzusprechen, die es angeht, während Sie noch nie den Mut gefunden haben, die Gewerkschaften auch nur einmal anzusprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Das tut man heute in aller Welt, Herr Ollenhauer. Beobachten Sie, was sich in England tut. Sie haben auch das Beispiel in Dänemark erlebt, wo ein sozialdemokratischer Ministerpräsident den Kampf gegen die sozialdemokratischen Gewerkschaften, d. h. innerhalb der eigenen Reihen, ausgetragen hat. Und wir? Wenn wir uns über Löhne und Preise unterhalten, dann sprechen Sie von Diffamierung. Da ist nichts zu diffamieren, sondern das Problem muß jetzt endlich einmal auf den Tisch gelegt werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die ganze deutsche Öffentlichkeit muß bei diesen
    Auseinandersetzungen wissen und soll es erfahren,
    wo jeweils die Ursachen und die Wirkungen liegen.
    Um es einmal ganz konkret zu sagen: Wenn z. B. die IG Metall ihre Forderungen in der angekündigten Form durchsetzen wollte, dann möchte ich die Antwort von der IG Bergbau haben, ob sie etwa die Arbeitszeitverkürzung in der Metallindustrie und eine Lohnerhöhung dieses Ausmaßes hinzunehmen gewillt wäre, ohne dann nicht auch für ihre Gruppe ein Gleiches zu fordern. Dann sollen ihre Experten auf dem Kohlengebiet die Frage beantworten, ob das wohl ohne eine weitere Kohlenpreissteigerung möglich wäre. Wenn z. B. jetzt bei Textil und Bekleidung Lohnsteigerungen und Arbeitszeitverkürzungen und noch andere tarifliche Verbesserungen erfolgten, die über 20 % hinausgehen, dann möchte ich objektiv festgestellt haben, welche Auswirkungen auf die Preise für Textilien und Bekleidung sich daraus ergeben. Sie können versichert sein, daß ich die besten Experten aus allen Lagern und aus allen Parteien zusammenrufen werde. Die Dinge kommen an die Öffentlichkeit. Was dort geschieht, geschieht nicht hinter verschlossenen Türen der Sozialpartner, sondern das hat die Öffentlichkeit zu bewegen. Es ist auch das Wohl aller deutschen Menschen damit angesprochen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie beschweren sich darüber, daß das, was in gut rentierlichen Unternehmungen an Löhnen gezahlt oder Arbeitszeitverkürzungen durchgeführt werden kann, in schlecht rentierlichen Unternehmungen oder ungünstiger gelagerten Wirtschaftszweigen nicht angewandt werden soll, und Sie fragen: Muß das denn wirklich so sein, d. h. müssen die Unterschiede in der Ertragslage so groß sein? Herr Ollenhauer, Sie sind wahrscheinlich kein wirtschaftlicher Sachverständiger, sonst würden Sie einzusehen bereit sein, daß in einer freien ökonomischen Ordnung, in einer freien Gesellschaftsordnung, in der jeder Mensch in seiner Verbraucherhaltung völlig frei ist, seinen Verbrauch wechseln kann, wo immer und wann immer er will, die Vorstellung einer gleichen Ertragslage unmöglich ist. Sie ist überhaupt nicht denkbar. Diese Art von Stabilität, die Starrheit bedeuten würde, gibt es nicht.
    Das aber hat allerdings Konsequenzen. Wir haben den kollektiven Tarifvertrag; das heißt aber, daß die Vertragsbedingungen, die da ausgehandelt werden, nicht an dem besten Betrieb ausgerichtet sein dürfen. Ich gebe zu: In jedem Industriezweig wird es einen Betrieb geben, der die gewerkschaftlichen Forderungen, auch wenn sie für die Gesamtheit überhöht sind, für sich individuell auch ohne Preissteigerung tragen könnte. Aber daß etwa durch betriebsindividuelle Begünstigungen eine Differenzierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft Platz greift, das wollen Sie ja auch nicht.
    Die daraus zu ziehende Konsequenz ist aber dann die, daß man im Mittel operieren muß, daß man bei einem Gewerbezweig, für den ein Kollektivvertrag ausgehandelt wird, nicht den hochrentierlichen durchrationalisierten oder automatisierten Spitzenbetrieb zum Maßstab nehmen kann, sondern das gute Mittel zu nehmen hat. Darüber hinaus ist es gefährlich, wenn man alle Wirtschaftszweige über einen Kamm scheren zu können glaubt. Was Sie wollen und was jetzt auch praktisch durchzusetzen versucht wird, bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß gerade die kleinere Industrie, das, was wir den Mittelstand nennen, im gewerblichen Sektor, im Handwerk, in der Industrie, im Handel, in der Landwirtschaft —, daß alle diese Zweige, die in bezug auf Rationalisierung oder gar Automatisierung vor Grenzen stehen, aber andererseits infolge ihrer höheren Veredelung mit stärkeren Arbeitskosten belastet sind, diese Kostenerhöhungen dann nicht tragen können, ohne in den Preis auszuweichen. Wenn sie aber in den Preis ausweichen, dann kommen sie in eine Wettbewerbsverschiebung ungünstiger Art zu den Großunternehmungen. Da wir eine Mittelstandspolitik treiben wollen, können wir diese Politik der Gewerkschaften unmöglich als berechtigt und als volkswirtschaftlich sinnvoll anerkennen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der FDP.)

    Sie sprachen von einer gesunden Preispolitik. Es wäre mir wirklich interessant, zu wissen, was Sie sich bei dieser Sachlage unter einer gesunden Preispolitik vorstellen. Wenn Sie von der Unfähigkeit der Bundesregierung, die Stabilität gewährleisten zu können, sprechen, dann würde ich Ihnen nicht empfehlen, das in irgendeinem anderen Land Europas laut zu sagen. Denn dort stehen wir fast unter der Anklage, daß wir unser Preisniveau stabiler gehalten haben, als es fast allen anderen Ländern möglich gewesen ist. Ich habe hier eine amtliche Verlautbarung aus dem Statistischen Bundesamt. In ihr werden von .20 Ländern auf Grund der Einzelhandelspreise die Lebenshaltungskosten nachgewiesen. Von diesen 20 Ländern steht die Bundesrepublik zusammen mit der Schweiz am Ende dieser Liste, nämlich mit einer Steigerung in den letzten



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    sieben Jahren von 15,5 %. Aber jetzt möchte ich Ihnen vorlesen, wie in den ausschließlich sozialistisch regierten Ländern die Preisbewegungen vor sich gegangen sind:

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien.) In Norwegen 46,4 %,


    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien) in Schweden 43,6 %,


    (erneutes Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

    in Finnland 40,2 % und in Dänemark 35,6 %. (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Ich muß schon fragen: wo bleibt da die vielgerühmte sozialistische Solidarität, wenn Sie das
    Rezept haben und es Ihren Brüdern nicht verraten?

    (Lebhafter Beifall und große Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen: von einer Verschleuderung von Bundesvermögen kann bei den Plänen, die hier erwogen werden, überhaupt nicht die Rede sein. Aber anzunehmen, daß der Bund über eigene Wirtschaftsunternehmungen verfügen müsse, um eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu treiben — diese These allerdings lehne ich mit Entschiedenheit ab.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dann kommen Sie auf die Zahlungsbilanz zu ) zu sprechen und sagen sehr zu Recht: Aus der Zahlungsbilanz, d. h. aus den starken deutschen Überschüssen entsteht eine Verflüssigung unseres Geldmarktes und tendenziell hat das inflationistische Wirkung. Nun haben wir uns wirklich ehrlich bemüht, nicht etwa den Export abzudrosseln — da rennen Sie offene Türen ein, kein Mensch will das bei uns —, sondern ,den Import anzuheben und auch durch andere Mittel unseren starken Überschuß abzubauen. Es ist uns ja auch in etwa, wie die letzten Ausweise zeigen, doch schon ein Erfolg beschieden gewesen.
    Aber auch hierzu darf ich noch einmal sagen: die Zollsenkung als Mittel der Wirtschafts- und Handelspolitik und vor allen Dingen als ein Mittel zu benutzen, den Import anzureizen und einen besseren Zahlungsbilanzausgleich zu erzielen, das ist ja unser Vorschlag gewesen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie ihn immer unterstützt haben, aber es war dabei doch etwas billig, unsere Forderung noch immer mehr zu übersteigern. Aber wo hätte es jemals in der modernen Wirtschaftsgeschichte ein Land gegeben, das autonom und ohne die Gegenleistung seiner Handelspartner seine Zölle durch dreimalige Maßnahmen im gewerblichen industriellen Sektor um insgesamt 45 % gesenkt hat?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Das wird von der ganzen Welt als eine hohe Leistung Deutschlands anerkannt. Daß Sie es nicht anerkennen, ist nicht weiter verwunderlich bei Ihrer allgemeinen Haltung.
    Aber die andere Frage ist viel interessanter. Sie sprechen von der Unfähigkeit der Bundesregierung, das Preisniveau stabil zu halten. Woher rührt denn eigentlich der Überschuß in unserer Zahlungsbilanz? Er rührt doch ausschließlich daher, daß Deutschland bei starren Wechselkursen sehr viel billiger geblieben ist als das Ausland, so daß es für jeden attraktiv ist, in Deutschland zu kaufen. Umgekehrt sind die ausländischen Preise, vor allen Dingen auch die in den sozialistischen Ländern, so stark gestiegen, daß bei uns ein echter Einfuhrsog nicht mehr wirksam ist. Ich habe es wiederholt ausgesprochen: Sie könnten die deutschen Zölle heute auf Null senken, und es würde immer noch nicht das geschehen, was notwendig wäre, um einen Zahlungsbilanzausgleich herbeizuführen, abgesehen davon, daß eine solche Vorstellung heute leider noch Theorie oder nur ein rechnerisches Spiel ist.
    Ich kann also im ganzen sagen: Wenn Ihnen zur Wirtschaftspolitik keine besseren Argumente einfallen als die hier vorgetragenen, und wenn wir uns über diesen Gegenstand vier Jahre unterhalten sollen, dann möchte ich mit dem Herrn Bundeskanzler sagen: ich möchte wissen, was Ihnen bei den nächsten Wahlen passiert! Ich bin jedenfalls bereit, mit dieser meiner Wirtschaftspolitik jeden Wahlkampf mit Ihnen zu führen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundeswirtschaftsministers doch noch einige Bemerkungen machen.
    Um mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister anzufangen: ich möchte mich hier auf eine volkswirtschaftliche Auseinandersetzung mit ihm nicht einlassen.

    (Große Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zurufe von der CDU/CSU: Vorsichtshalber!)

    Mein Freund Heinrich Deist wird dazu sprechen. Ich glaube, es liegt im Interesse der Sache, daß sich mit den Problemen, die hier wieder aufgekommen sind, die Mitglieder unseres Hauses auseinandersetzen, die eben am besten in dieser Sache sprechen können.
    Sie haben anscheinend noch starke Nachwehen vom Wahlkampf.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Wir ?!)

    — Ja, die Art und Weise, wie Herr Erhard hier gesprochen hat, läßt darauf schließen, daß er noch einige alte Manuskriptseiten von vor dem 15. September mitgebracht hat.
    Ich will mich hier gar nicht auf eine Diskussion einlassen. Für mich als Laien, Herr Bundeswirtschaftsminister, war Ihre Rede sehr interessant.



    Ollenhauer
    Das, was Sie gesagt haben, war eine sehr kritische Beurteilung der Haltung der Gewerkschaften. Sie haben auch jetzt, Herr Bundeswirtschaftsminister, genauso wenig wie der Herr Bundeskanzler dem Hohen Hause auch nur ein Wort darüber gesagt, wie Sie eigentlich zu den Preissteigerungen stehen, die ohne irgendeine Verbindung mit Lohnerhöhungen der Arbeiter z. B. in der Kohle hier durchgeführt worden sind.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird mir zugeben müssen, daß die letzte Kohlepreiserhöhung nicht auf die Erhöhung der Löhne der Bergarbeiter zurückgeführt werden kann.

    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Erhard: Nicht ganz!)

    — Nicht ganz! Das ist immerhin schon ein gewisses Entgegenkommen; damit sind wir in dieser Aussprache schon ein Stückchen weiter.
    Was ist denn da passiert? Wo hat denn in dieser Situation das Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Interesse der gesamten Volkswirtschaft gefehlt? Bei den Gewerkschaften? Oder bei den Leuten, die die Kohlepreise bestimmen?

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich denke, das ist klar.
    Meine Damen und Herren, was hat Ihre Regierung getan, abgesehen von den starken Worten, die Herr Professor Erhard im Laufe dieser Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gebraucht hat? Nichts! Herr Professor Erhard war in einer so schwierigen Lage, daß er genau das getan hat, was ich heute im Rahmen unserer wirtschaftspolitischen Auffassung hier vorgetragen habe; er hat nämlich mindestens einen Augenblick, als ihn sein marktwirtschaftliches Bewußtsein anscheinend verlassen hatte, überlegt, ob man nicht die bundeseigenen Bergwerkverwaltungen dazu bringen sollte, diese Preiserhöhung nicht mitzumachen. Was ist denn das anderes gewesen als der Versuch, bundeseigene wirtschaftliche Unternehmungen zur Preisgestaltung heranzuziehen im Sinne einer Dämpfung der Preiserhöhung?

    (Zustimmung bei der SPD.) Genau das haben Sie gesagt.

    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich will die Sache hier nicht vertiefen. Wie gesagt, ich bin ein Laie. Wollen Sie uns bitte einmal sagen: Wie wollen Sie denn in Zukunft überhaupt die Fragen der Energiewirtschaft in Deutschland lösen ohne eine maßgebende Einwirkung von der Seite der Öffentlichkeit? Es ist unmöglich; Sie wissen es genauso gut wie jeder andere, der sich mit den Dingen beschäftigt hat.
    Und was geschieht? In dieser Lage — und das ist der Punkt, den wir hier vorgebracht haben, der wichtig ist — haben, obwohl das allgemeine Interesse für stabile Preise und für stabile Löhne spricht,
    einzelne starke Wirtschaftsgruppen mit einer Monopolstellung auf dem Markt aus egoistischen Gründen Preissteigerungen durchgesetzt

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und setzen sie weiter durch. Die Kohle ist ja nur der Anfang. Wir wissen doch, daß eine ganze Reihe von Markenartikelgruppen mit diesen Preissteigerungen kommen werden, die man der Regierung vor dem 15. September angekündigt hat und die man auf Wunsch der Regierung zurückgestellt hat, bis die Wahl vorüber war.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, einverstanden: wir können und wir sollen über das nicht einfache Problem der Relation zwischen Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen und Preisen reden. Aber unter einer Voraussetzung: Lassen Sie dann bitte solche nicht sachlich fundierten Bemerkungen, wie Sie sie hier gemacht haben, weg.

    (Beifall bei der SPD. — Oho-Rufe! bei der CDU/CSU.)

    — Entschuldigen Sie, ich werde doch dem Herrn Minister nicht etwas vorwerfen, wenn ich es nicht beweisen kann. Man kann irgendwo draußen sagen: „Guckt euch mal an, diese sozialistischen Regierungen in Europa, wie die die Sache sozusagen verbuttern!" Hier hat der Herr Bundeswirtschaftsminister vier Länder aufgezählt mit „sozialistischen Regierungen" : Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland. Was ist die Wahrheit? Es gibt nur eine einzige rein sozialdemokratische Regierung — oder gab sie —, nämlich in Norwegen. Wir haben in Schweden bis vor kurzem — Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie wissen es — eine Koalition zwischen Arbeitern und Bauern gehabt; und Sie wissen, aus welchen Gründen es gerade hier zu bestimmten Entwicklungen gekommen ist. Ich habe ja gar nicht die Absicht, hier irgend etwas zu verteidigen und zu beschönigen; ich will nur sagen: die Behauptung: „Seht euch die sozialdemokratischen Parteien an, so machen sie's!" ist nicht richtig. In Dänemark, in Schweden bis vor kurzem, in Finnland war der andere entscheidende Partner immer die Bauernpartei, die ja gerade in bezug auf Wirtschaftspolitik ihre besondere Problematik entwickelt; das wissen wir doch aus den Erfahrungen in unserem eigenen Lande.
    Und zweitens: Ist denn das eine objektive und tatsachengerechte Darstellung, wenn man die Steigerung der Lebenshaltungskosten nur so aufzählt, aber nicht hinzufügt, wie denn die Reihenfolge in der Höhe des Lebensstandards der Menschen in diesen Ländern ist?

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Vielleicht ist das unter „verbuttern" zu verstehen?)

    Herr Minister Erhard, Sie kennen ja auch die sehr interessante und nützliche Erhebung der MontanUnion über die Lebenshaltung der wichtigsten Gruppen der Montanindustrie — Bergarbeiter, Stahlarbeiter usw. — in den sechs Ländern der



    Ollenhauer
    Montanunion, und Sie wissen, daß in dieser Liste die Bundesrepublik an vierter, also vorletzter Stelle steht.

    (Hört, hört! bei der SPD.)

    Das ist die Lage. Wir haben in diesem Zeitpunkt eine solche Auseinandersetzung nicht aufbringen wollen, weil man ja in der ersten Einführung unserer Politik oder Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik nicht alle solche lebenswichtigen Probleme behandeln kann. Aber es ist nicht so, daß wir hier etwa nur eine Reihe von allgemeinen Gesichtspunkten aufgestellt hätten, ohne zu wissen, was wir uns darunter vorstellen. Wir werden auf die Sache sehr konkret zurückkommen, Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn wir über die Große Anfrage über die Kohlenpreise sprechen. Ich hoffe, daß Sie dann in dem Punkt etwas gesprächiger sein werden, als Sie es waren.