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ID0300401200

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 29. Oktober 1957 . . . . 31 A Dr. Krone (CDU/CSU) 31 A Ollenhauer (SPD) . . . 41 A, 86 D, 88 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 55 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 66 D Höcherl (CDU/CSU) . . . . 77 C, 79 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 81 B, 90 A, 97 B, 97 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 84 B, 93 D, 94 D Dr. Deist (SPD) . . . 79 C, 90 D, 94 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 88 A Margulies (FDP) 95 A Erler (SPD) 96 A Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 97 D Glückwunsch zum 65. Geburtstag des Abg. Schröter (Berlin) 77 C Nächste Sitzung 98 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 99 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 31 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 10.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauer (Wasserburg) 6. 11. Bauknecht 6. 11. Birkelbach *) 9. 11. Birrenbach *) 9. 11. Bühler 6. 11. Conrad*) 9. 11. Dr. Deist*) 9. 11. Dr. Dollinger *) 9. 11. Ehren 6. 11. Freiherr von Feury 6. 11. Frehsee 5. 11. Frenzel 10. 11. Frau Friese-Korn 1. 12. Dr. Furler*) 9. 11. Gaßmann 10. 11. Haage 5. 11. Höfler 6. 11. *) für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Illerhaus 9. 11. Jahn (Frankfurt) 6. 11. Dr. Jordan 6. 11. Kalbitzer 5. 11. Dr. Kopf *) 9. 11. Dr. Kreyssig*) 9. 11. Lenz (Brühl) *) 9. 11. Dr. Leverkuehn 6. 11. Metzger *) 9. 11. Dr. Oesterle *) 9. 11. Pelster *) 9. 11. Dr. Philipp*) 9. 11. Rademacher 6. 11. Ramms 6. 11. Dr. Seume 16. 11. Walpert 5. 11. Frau Wolff (Berlin) 16. 11. Zoglmann 5. 11. b) Urlaubsanträge Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20. 12. Kühlthau 25. 11. Scheel 15. 12.
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    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ja, ich kenne diesen Antrag; aber der entspricht nicht ganz der Vorstellung, die ich von dieser Sache habe.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich will ein kleineres Gremium in etwas anderer Zusammensetzung haben. Grundsätzlich sollten wir uns aber in dieser schwierigen Frage treffen.



    Höcherl
    Nun hat man auch die Einfuhr erwähnt. Es gibt kein Land, das in der Zollpolitik so großzügig gewesen wäre wie gerade wir. Die Gründe dafür, daß das Gefälle zwischen In- und Ausland nach wie vor besteht, liegen ganz anderswo.
    Daß Sie die Volksaktie anerkennen, Herr Kollege Ollenhauer, — zu diesem Entschluß darf ich Ihnen herzlich gratulieren.

    (Abg. Ollenhauer: Danke!)

    Was Sie zum Mittelstand gesagt haben: Das Mittelstandsinstitut ist eine alte Forderung, für die Nordrhein-Westfalen sehr viel tun könnte, nachdem es ja bereits beschlossen worden ist. Ich glaube aber, da sind noch einige Bremsen eingebaut. Vielleicht haben Sie, Herr Kollege Ollenhauer, die Möglichkeit, dort etwas stärker zu wirken,

    (Zuruf von der SPD)

    — ja, ohne den Föderalismus zu verletzen, sondern auf freundschaftliche Art.
    Was die Kreditversorgung des Mittelstandes anlangt, ist es zweifellos so, daß wir mit den bisherigen Mitteln nicht zurechtkommen. Und bis der berühmte Kapitalmarkt entstanden ist, - nun, die erste Voraussetzung für den Aufbau des Kapitalmarktes ist ja das Vertrauen in die allgemeine Politik, ohne dieses Vertrauen in eine gute Politik kann es überhaupt niemals einen Kapitalmarkt geben. Was wir an materiellen Anreizen steuerlicher Art usw. geben können, muß geschehen. Aber es wird ein sehr langwieriger und sehr schwieriger Prozeß werden. Auch in der Zwischenzeit muß jedoch etwas geschehen. Da bin ich der Meinung, daß man bei dem neugebildeten Schatzministerium, wie ich es einmal nennen möchte, einhaken sollte, wo der Herr Kollege Lindrath eine Aufgabe gestellt bekommen hat, die nicht nur das Vermögen selbst betrifft. Ich bin vielmehr der Meinung, aus einer gesunden, vernünftig betriebenen Veräußerung Zug um Zug, angepaßt an unsere Kapitalmarktverhältnisse — anders geht es nicht —, müßte ein Fonds gebildet werden, aus dem Mittelstand, Landwirtschaft usw. in der Zwischenzeit kreditmäßig zu tragbaren Bedingungen, ähnlich wie beim ERP-Sondervermögen, bedient werden können. Ich sehe eine andere Lösung als diese nicht, obwohl sie, äußerlich gesehen, einen Charakter hat, der meinen wirtschaftspolitischen Auffassungen nicht ganz entspricht. Wir kommen aber aus der Zwangslage, daß wir auf der einen Seite bisher die öffentliche Hand und die Selbstfinanzierung und dann Kapitalsammelstellen als die Kapitalträger gehabt haben, nicht von heute auf morgen heraus. Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen auf diesem Wege eine Lösung suchen.

    (Zuruf von der SPD: Also wieder große Fütterung der Haifische!)

    — Wir sind stark genug, das so zu regeln, daß die „Haifische" es nicht bekommen. Wenn Sie uns, dem Parlament, so wenig zutrauen, daß wir diese Dinge in Ordnung bringen, müßten wir überhaupt die Arbeit einstellen.
    Was die Umsatzsteuer betrifft, Herr Kollege Ollenhauer, bin ich ganz Ihrer Meinung. Es ist eine alte, wahrscheinlich im ganzen Hause vertretene Forderung, daß die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral gemacht werden muß. Wie das im einzelnen zu geschehen hat — es bieten sich drei oder vier Lösungen an —, wird der Sachverständige vorschlagen können. Ich will Ihnen aber eins sagen, Herr Kollege Ollenhauer: Sie fordern auf der einen Seite diese Maßnahme, und auf der anderen Seite sagen Sie, wir müssen die Verbrauchsteuer beseitigen, unter Umständen im Betrage von mehreren hundert Millionen bis zu Milliarden, und wir müssen auf dem Sozialsektor noch das und das tun. Wenn ich das eine will, kann ich das andere nicht in demselben Maße wollen, und die Ehrlichkeit besteht für mich darin, daß ich sage, was ich will. Dann darf ich aber auf der anderen Seite nicht Vorschläge machen, die alle Grenzen übersteigen.
    Zum Schatzministerium möchte ich folgendes sagen: Es ist ja ein sehr gesetzter Herr in älteren Jahren mit diesem Amt betraut worden, dem man zumuten kann — es ist sehr freundschaftlich gemeint, wir sind alte Freunde —, daß er an dem Ast, auf dem er sitzt, etwas sägt und sein Ressort wenigstens zu Teilen überflüssig macht. Das ist unsere Vorstellung davon. Er wird auch wichtige Aufgaben bei der Volkstümlichmachung der Volksaktie haben, für die wir jetzt neue Verbündete bekommen haben.
    Auf dem Sozialsektor müssen die Krankenkassenreform und die Unfallversicherungsgesetzgebung, die schon in Angriff genommen sind, weitergeführt werden. Da muß unter allen Umständen etwas geschehen, vor allem eine Bereinigung rechtlicher Art, ein Ausgleich von Härten, Unebenheiten usw. Eine große Rechtsvereinheitlichung auf all diesen Gebieten muß kommen. Das gehört auch zur Mittelstandspolitik.
    Es gibt Bereiche und Bezirke in unserem Wirtschaftsleben, die bei den sozialen Belastungen, wie sie jetzt bestehen, kaum mehr mitkommen. Auch da ist ein Ansatzpunkt für die Mittelstandspolitik. So sind lohnintensive Betribe außerordentlich benachteiligt im Verhältnis zu Betrieben, die anders operieren können. Da müssen wir sehr vorsichtig sein, sonst können sie schließlich die Anforderungen nicht mehr erfüllen.
    Die größte Kunst in der Sozialpolitik war bisher nicht das Stellen von Anträgen und die Herbeiführung von Gesetzesbeschlüssen, sondern das, was Minister Erhard zusammen mit dem Kabinett und der Regierung geleistet hat: die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, um hernach die Mittel geben zu können. Herr Kollege Becker hat so schön formuliert: Wer dem einen geben will, muß dem anderen nehmen, und wer viel geben will, muß anderen viel nehmen. Im sozialen Bereich liegt neben der Rechtsbereinigung, dem Ausgleich von Härten und neben Dingen, die sich vom Tage her anbieten, Größeres zur Zeit nicht in unserem Vermögen und im Rahmen unserer Kräfte.
    Nun einige außenpolitische Bemerkungen. In der Außenpolitik hat die CSU vom ersten Tag an bis



    Höcherl
    zur Gegenwart immer eine Haltung vertreten, die zu einem Ergebnis geführt hat, das sich sehen lassen kann, das die Zustimmung des Volkes, das doch der oberste Richter ist, gefunden hat. In der Demokratie entscheidet das Volk am Wahltag, ob es mit der Politik einverstanden ist, und wenn das in Bayern 57 % der abgegebenen Stimmen waren, sind wir der Meinung, daß das eine Anerkennung unserer Arbeit und eine Anerkennung der Bundespolitik ist. Einen größeren und bedeutenderen Schiedsrichter als das Volk gibt es nicht. Ich glaube, daß das auch noch in Ihrem Bereich (zur SPD) Folgen haben wird.
    Man glaubt uns Politik der Stärke vorwerfen zu können, die wir nach dem Krieg so klein geworden sind. Nein, die Politik der Stärke ist ganz woanders zu Hause, ist drüben hinter dem Eisernen Vorhang zu Hause, wo man bis zum Ausbluten das Volk aussaugt und heute mit unerhörtem Aufwand massenpsychologische Experimente schwierigster Art in die Welt setzt, nicht bloß aus wissenschaftlichem Drang, sondern aus ganz anderen Gründen. Das war der Ausgangspunkt. Wir sind praktisch nur die Reaktion darauf.

    (Zuruf von der SPD: Nur die Reaktion!)

    Was können wir denn machen? In unserer Schwäche können wir nichts anderes tun. Wir sind ja vom Range einer Großmacht zu einer kleinen, bescheidenen Macht heruntergekommen. Wir können uns nicht selber helfen, wenn wir nicht einem Verband angehören und dort durch ehrliche Vertragserfüllung das leisten, was in jedem anständigen Verband zu leisten ist. Das war unsere Politik. Nicht die Politik der Stärke, sondern die Politik der Überzeugung, auf Grund der Gemeinschaftshilfe; durch Überzeugung die anderen soweit zu bringen, daß sie sich vielleicht zu der für die ganze Welt notwendigen Übereinkunft, zur Abrüstung und zu all diesen Dingen finden. Das war unser außenpolitischer Weg, und so soll er auch bleiben; so ist er vom Volke bestätigt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe schon gesagt: In der Regierungserklärung steht ein wunderbarer Satz, der zuwenig beachtet worden ist: Wir sollen den Perfektionismus aus diesem Hause verbannen. Ich will mich nicht mehr an diesem Perfektionismus beteiligen. Nicht die Worte sind entscheidend. Wir sollten jetzt mit unserem Koalitionspartner, der DP, an die Arbeit gehen und Hand in Hand mit unserer großen Schwesterpartei das Regierungsprogramm verwirklichen. Das verlangt das Volk.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Von verschiedenen Seiten ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die Regierungserklärung Lücken enthalten habe.
    Das gebe ich ohne weiteres zu. Für meinen Geschmack war die Regierungserklärung — sie hat 90 Minuten gedauert — noch viel zu lang. Wenn ich all den Stoff darin verarbeitet hätte, der mir von den Ministerien zugegangen ist, hätte die Regierungserklärung vier Stunden gedauert. Das wollte ich weder Ihnen noch mir zumuten. Daher blieb nichts anderes übrig, als zu komprimieren und auf Schwerpunkte hinzuweisen. Mehr kann eine Regierungserklärung nicht.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sie kann nicht zu allem, was in vier Jahren anfallen wird und was wir zum Teil gar nicht kennen, prophetisch Stellung nehmen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich möchte hier jedoch einen Irrtum des Herrn Schneider (Bremerhaven) berichtigen. Es heißt nicht „Ministerium für Arbeit und soziale Neuordnung", sondern es heißt „Ministerium für Arbeit und Sozialordnung".

    (Abg. Schneider [Bremerhaven]: Ich habe mich versprochen!)

    Das ist nämlich ein großer Unterschied. Unter Sozialordnung versteht man in der modernen Sozialwissenschaft die soziale Struktur. Niemand kann doch wohl bestreiten, daß eine andere Struktur unserer ganzen Gesellschaft eingetreten ist.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dieses Ministerium, das vor langen Jahren gegründet worden ist, um sich hauptsächlich oder fast ausschließlich der Interessen der industriellen Arbeitnehmer anzunehmen, soll jetzt bei dieser Änderung der sozialen Struktur der Gesellschaft auch für die Schichten tätig werden, die ebenfalls betreut werden müssen. Darunter fallen auch die freien Berufe. Ich finde nicht, daß es eine Herabsetzung der freien Berufe bedeuten kann, wenn sie in das Ministerium für Arbeit eingegliedert werden; denn schließlich glaube ich, daß wir doch alle Arbeit leisten.
    Was die Wissenschaft angeht, so stimme ich durchaus mit den Ausführungen überein, die darüber gemacht worden sind. Wir haben jetzt den Wissenschaftsrat begründet. Er wird schon in wenigen Wochen ins Leben treten. Bekanntlich besteht auf diesem Gebiete nach dem Grundgesetz eine Konkurrenz zwischen den Ländern und dem Bund. Wir hoffen, auf dem eingeschlagenen Wege zu einer größeren gemeinsamen Förderung der Wissenschaft zu kommen.
    Ganz unverständlich, meine verehrten Damen und Herren (zur SPD), ist, daß Sie immer lachen müssen, wenn vom Ministerium für Familienfragen gesprochen wird. Nehmen Sie es mir nicht übel, meine Herren von der linken Seite des Hauses: ich halte das für eine wesentlichste Forderung gerade auch der sozialdemokratischen Seite.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das ist eine soziale Frage allerersten Ranges.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Das Ministerium?)




    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    Wenn mir persönlich etwas am Herzen liegt, dann sind es die Familie und die Jugend. Auch die Jugend gehört zu diesem Ministerium.

    (Zuruf von der SPD: Dann müssen Sie einen anderen Minister hinsetzen!)

    Von Herrn Kollegen Ollenhauer ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß die Jugendförderung aus irgenwelchen katholisch-konfessionellen Gesichtspunkten in dieses Ministerium hineingenommen worden sei. Herr Kollege Ollenhauer, ich kann Ihnen verraten, daß gerade die evangelischen Jugendorganisationen zu diesem Ministerium gewollt haben.

    (Zuruf von der SPD: Aber nicht zu Herrn Wuermeling!)

    — Gott, er hat nun mal den Namen Wuermeling, den können Sie ihm doch nicht mehr nehmen.

    (Große Heiterkeit. — Abg. Schröter [Berlin]: Da ist eben der Wurm drin! — Abg. Erler: Wenn's nur der Name wäre!)

    — Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte ernste Dinge einmal ernst nehmen. Glauben Sie mir, gerade dieses Ministerium für Familien- und Jugendfragen ist eines der sozialsten Ministerien, das ich mir überhaupt vorstellen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich würde es sehr begrüßen, wenn sowohl Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, wie Sie von der FDP an den Aufgaben dieses Ministeriums willig mitarbeiteten. Dann, glaube ich, kommt etwas Gutes dabei heraus, das unser deutsches Volk braucht.
    Herr Kollege Ollenhauer hat weiter ausgeführt, die Auseinandersetzung der Interessentengruppen sei bei der Regierungsbildung intern zutage getreten, und ich hätte gar keine Veranlassung gehabt, darüber zu klagen; es sei die Rechnung für die Wahlgelder gewesen, die mir präsentiert worden sei. Da muß ich Herrn Kollegen Ollenhauer ja nun in etwa enttäuschen. Wenn ich mich über Interessentengruppen beschwert habe, konnte ich es nicht deshalb tun, weil man sich in die Schaffung des Kabinetts eingemischt habe. Das haben nur, wie Sie wissen, einige Herren von der Landwirtschaft getan. Aber Sie wissen auch, daß ich mich nicht daran gestört habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie können also nicht behaupten, daß die Interessentengruppen die Bildung des Kabinetts irgendwie beeinflußt hätten. Es ist auch sonst — wie ich das neulich schon gesagt habe — niemand an mich herangetreten. Ich gebe aber zu: ich habe jetzt noch einen heißen Kampf mit den Frauen zu bestehen. Er steht mir noch bevor.

    (Heiterkeit.)

    Als ich von den Interessenten und den Interessentengruppen gesprochen und gebeten habe, doch Zurückhaltung zu üben, bezog sich das auf die kommenden vier Jahre. Ich möchte das unterstreichen und den Satz nochmals wiederholen: wenn eine Gruppe versucht, gerade ihr Interesse vor allen anderen zu wahren, dann wird darunter das allgemeine Wohl leiden. Meine Herren, fassen Sie den Begriff „Interessenten" möglichst weit; so habe ich ihn nämlich auch gedacht.
    Nun, meine Damen und Herren, habe ich auf Grund der Debatte noch einiges auf dem Herzen. Es ist nicht viel, wir werden hoffentlich zur rechten Zeit fertig. Ich fühle mich eigentlich etwas dadurch gekränkt, daß der Herr Kollege Ollenhauer immer sagt, ich oder meine Politik oder die Politik, die die Mehrheit dieses Hauses trägt, verhindere die Wiedervereinigung. Er hat auch heute wieder gesagt — ich zitiere hier den Wortlaut seiner Rede —:
    Die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers über die Absichten seiner Regierung in bezug auf die Wiedervereinigung sind absolut unbefriedigend. Man muß allerdings gerechterweise hinzufügen: sie können nicht anders sein; denn die vom Bundeskanzler vertretene Politik der Stärke auf dem Hintergrund seines Weltbildes schließt eine erfolgreiche Wiedervereinigungspolitik aus.
    Herr Kollege Ollenhauer — ich glaube, er war es — hat dann im Verlauf seiner weiteren Ausführungen von der Politik der Stärke der NATO gesprochen. Insofern hat er allerdings meine Anschauungen richtig wiedergegeben. Ich bin der Auffassung, daß nur eine Politik der Stärke der NATO den Frieden der Welt und unsere Freiheit bewahren kann und schließlich auch zur Wiedervereinigung führt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Ollenhauer hat im Verlauf seiner Ausführungen gesagt, er vermisse, daß in der Regierungserklärung konkrete Wege aufgezeigt seien. Ja, meine Damen und Herren, in der heutigen Zeit konkrete Wege aufzeigen, dazu gehört mehr Phantasie, als ich sie habe. Das muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Herr Kollege Ollenhauer, ich darf Ihnen vorlesen, was Sie selber nach Ihrer Zusammenkunft mit Nehru in New-Delhi gesagt haben — ich zitiere eine dpa-Meldung in der „Welt" —:
    Die beiden Politiker stimmten darin überein, so sagte Ollenhauer, daß eine Lösung der deutschen Probleme in Verbindung mit den neuen internationalen Entwicklungen gefunden werden müsse.
    Da haben Sie vollkommen recht; die Lösung kann tatsächlich nur in Zusammenhang mit den Entwicklungen und, wie ich hinzufügen möchte, Verwicklungen gefunden werden. Aber dann fahren Sie fort:
    Niemand könne jedoch sagen, welcher Weg im einzelnen eingeschlagen und in welcher Zeit die deutsche Frage gelöst werden kann.
    Sehen Sie, Herr Kollege Ollenhauer, das ist ganz richtig, und ich folge vollkommen ihren Worten. Ich bin überzeugt, auch Sie können heute nichts anderes sagen, als was Sie im Jahre 1956 in New-Delhi gesagt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    Etwas unangenehm oder traurig bin ich dadurch berührt, daß Herr Kollege Ollenhauer meinen Appell an seine Fraktion, in wichtigen nationalen Fragen zusammenzuarbeiten, mit der Erklärung beantwortet hat, er habe kein Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Regierungschefs, der den Wahlkampf mit politischen Verleumdungen geführt habe. Nun sind wir hier ja nicht im Wahlkampf.

    (Abg. Schoettle: Das ist noch nicht vergessen, Herr Bundeskanzler!)

    — Ach, wir werden nächstes Jahr noch manchen Wahlkampf gegeneinander führen;

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    dann können wir uns Luft machen, soviel wir wollen.

    (Abg. Wehner: Die Luft verpesten!)

    — Bei mir nicht!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Hier sind wir ja schließlich in einer Besprechung der Regierungserklärung. — Aber ich muß doch sagen, Herr Kollege Ollenhauer: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

    (Abg. Bauer [Augsburg] : Sie haben doch den Anfang gemacht!)

    — Da bin ich endlich einmal früher aufgestanden als Sie!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Ich will doch einmal einige Sätze vorlesen, die Herr Kollege Ollenhauer am 12. August in Hannover ausgesprochen hat und die von der „Freien Presse" Bielefeld, aus der ich das Folgende entnehme, zitiert worden sind:
    Wer Adenauer wählt, wählt die Fortdauer der Spaltung Deutschlands.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! — Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ein sehr hartes Wort, und wenn Sie jetzt rufen „Sehr richtig!", dann muß ich Ihnen sagen: ich beneide Sie nicht darum, daß Sie den Deutschen in der Ostzone das Vertrauen zu mir nehmen wollen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bedenken Sie denn niemals, daß Sie durch diese ständige Kritik an der Wiedervereinigungspolitik der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses das Vertrauen der Deutschen in der Ostzone zu uns immer mehr schmälern? Denn schließlich sind doch wir die Mehrheit des deutschen Volkes und nicht Sie.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Ich darf mit dem Zitat fortfahren:

    Adenauer vergiftet das ganze politische Leben
    Deutschlands. Er hat das Recht verwirkt, weiter
    an der Spitze der Bundesrepublik zu stehen.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das Ausmaß der Intoleranz, Arroganz und Infamie Adenauers ist nicht mehr zu ertragen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Er ist eine Gefahr für die Freiheit und Demokratie in der Bundesrepublik.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Alle meine Reden sind von meiner Partei stenographisch aufgenommen, und jedem von Ihnen stehen diese Reden zur Verfügung. Weisen Sie mir irgendwo eine Stelle nach, die aber auch nur im entferntesten einen derartigen Klang hat und derartige Worte gegen Sie enthält, wie Sie sie gegen mich gebraucht haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich halte meinen Vorschlag aufrecht und wiederhole ihn an die beiden Parteien, die sich in der Opposition befinden: daß wir in Angelegenheiten, die das Interesse und das nationale Wohl des gesamten deutschen Volkes betreffen, versuchen sollten, eine gemeinsame Politik zu machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Zeiten und die Entwicklung, die wir gerade in den letzten vierzehn Tagen wieder erlebt haben, sind doch so ungewöhnlich ernst für das ganze deutsche Volk, für ganz Europa und die ganze Welt, daß wir, die wir in der äußersten Gefahrenzone für die Freiheit leben, es uns eigentlich gar nicht gestatten können, in den entscheidenden Fragen auseinanderzugehen.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten doch einmal aus dem Artikel eines Professors der Geschichte an der Universität Oxford namens Taylor vorlesen, was der über die Wiedervereinigung gesagt hat, und zwar am 27. Oktober. Er schreibt:
    Die Teilung Deutschlands ist nicht von Großbritannien geplant worden, aber sie ist nun einmal passiert. Warum nehmen wir sie nicht hin als einen Glücksfall und belassen es dabei? Ich kann wohl verstehen,
    — fährt er fort —
    daß die Deutschen sie nicht mögen. Aber für uns ist sie großartig. Wir haben zwei große Kriege gegen Deutschland im Verlauf dieses Jahrhunderts ausgefochten. Verschiedene Ereignisse haben sie ausgelöst. Aber die Hauptursache beider Kriege war die gleiche: Es gibt zu viele Deutsche, und Deutschland ist zu stark. Vereinigt alle Deutschen, und sie überschatten Europa. Jetzt ist uns eine Lösung auf einer Platte serviert. Wir sollten dankbar sein.
    Meine Damen und Herren, das hat ein Professor, ein Historiker der Universität Oxford geschrieben. Ich glaube, gerade aus solchen Artikeln spricht die Gefahr, die uns Deutschen droht, nicht nur vom Osten her. Sie ist so ungemein groß, daß wir uns zusammenfinden müssen.

    (Zurufe von der SPD.)




    Bundeskanzler Dr. Adenauer
    Um so dankbarer müssen wir der englischen wie auch der französischen und der amerikanischen Regierung sein, daß sie bei allen großen Gelegenheiten immer wieder betonen, daß die Wiedervereinigung Deutschlands ein fundamentales Ziel ihrer Politik sei.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann nur nochmals sagen: Die Zeit ist ungewöhnlich ernst. Sie ist nicht deshalb so ernst geworden, weil wir in NATO eingetreten sind, wie behauptet wird. Hat denn unser Eintritt in NATO verursacht, daß Sowjetrußland in der Entwicklung der Fernraketen den anderen Staaten vorausgekommen ist? Ich glaube das nicht.

    (Lachen bei der SPD.)

    — Meine Damen und Herren, wenn Sie darauf nur lachen können, dann bedaure ich das wirklich.

    (Zurufe von der SPD.)

    Es handelt sich um sehr ernste Angelegenheiten, um Fragen, deren Ernst das ganze deutsche Volk durchaus versteht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn Sie darüber lachen, dann sage ich Ihnen: Das deutsche Volk wird auch zum vierten Male ein vernichtendes Urteil über Ihre Politik abgeben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)