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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 29. Oktober 1957 . . . . 31 A Dr. Krone (CDU/CSU) 31 A Ollenhauer (SPD) . . . 41 A, 86 D, 88 B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . . 55 B Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 66 D Höcherl (CDU/CSU) . . . . 77 C, 79 C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . 81 B, 90 A, 97 B, 97 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 84 B, 93 D, 94 D Dr. Deist (SPD) . . . 79 C, 90 D, 94 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 88 A Margulies (FDP) 95 A Erler (SPD) 96 A Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . . 97 D Glückwunsch zum 65. Geburtstag des Abg. Schröter (Berlin) 77 C Nächste Sitzung 98 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 99 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 31 4. Sitzung Bonn, den 5. November 1957 Stenographischer Bericht Beginn: 10.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauer (Wasserburg) 6. 11. Bauknecht 6. 11. Birkelbach *) 9. 11. Birrenbach *) 9. 11. Bühler 6. 11. Conrad*) 9. 11. Dr. Deist*) 9. 11. Dr. Dollinger *) 9. 11. Ehren 6. 11. Freiherr von Feury 6. 11. Frehsee 5. 11. Frenzel 10. 11. Frau Friese-Korn 1. 12. Dr. Furler*) 9. 11. Gaßmann 10. 11. Haage 5. 11. Höfler 6. 11. *) für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Illerhaus 9. 11. Jahn (Frankfurt) 6. 11. Dr. Jordan 6. 11. Kalbitzer 5. 11. Dr. Kopf *) 9. 11. Dr. Kreyssig*) 9. 11. Lenz (Brühl) *) 9. 11. Dr. Leverkuehn 6. 11. Metzger *) 9. 11. Dr. Oesterle *) 9. 11. Pelster *) 9. 11. Dr. Philipp*) 9. 11. Rademacher 6. 11. Ramms 6. 11. Dr. Seume 16. 11. Walpert 5. 11. Frau Wolff (Berlin) 16. 11. Zoglmann 5. 11. b) Urlaubsanträge Frau Albrecht 2. 12. Fürst von Bismarck 20. 12. Kühlthau 25. 11. Scheel 15. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es viel schwieriger als meine Herren Vorredner, und zwar deswegen, weil die beiden in etwa getrennt marschierenden Oppositionsvertreter eine Fülle von Argumenten hier vorgetragen haben, — durchaus nicht neu und längst gehört; ich kann mich gut erinnern, daß sie in den letzten vier Jahren wiederholt aufgetaucht sind. Ich muß mich mit diesen Argumenten befassen, kann aber nicht ein Konzept vortragen, wie es bisher geschehen ist, sondern ich muß mich geschäftsordnungsmäßig verhalten, d. h. aus dem Stegreif sprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Heiterkeit. — Abg. Erler: „Unvorbereitet wie ich mich habe"!)

    Der Herr Kollege Ollenhauer hat erklärt, daß ihm die Regierungsbildung zu lange gedauert habe. Ich möchte wissen, was er gesagt hätte, wenn die Regierung von heute auf morgen, wie aus der Pistole geschossen, gekommen wäre! Dann hätte es geheißen: einsame Beschlüsse, autoritäres Führungssystem usw. Nun ist wochenlang verhandelt worden. Auch wir waren an den Verhandlungen beteiligt. Ich weiß nicht, Herr Ollenhauer, ob Sie die CSU, die vielleicht den größten zeitlichen Anteil an diesen Besprechungen hatte, auch als Interessentenverband ansprechen, der einen Wechsel vorweist. Wir haben unsere politischen Ansichten vertreten. Das Ergebnis kennen wir; wir sind nicht ganz damit zufrieden, aber immerhin,

    (Heiterkeit)

    wir achten die Verfassung, die dem Bundeskanzler das Recht gibt, seine Männer selber auszuwählen, so sehr, daß wir das respektieren; die Entscheidung ist gefallen.
    In diesem Zusammenhang vielleicht noch etwas! Der Herr Kollege Ollenhauer hat die Verdienste, die Leistungen und die Persönlichkeit des Herrn Ministers Schäffer herausgehoben und wenig später, bei der Frage der Besetzung des Justizministeriums erklärt, das sei ein Altersheim für weiß Gott ausgediente Minister. Vorher: sehr tüchtig, fähig, eine Persönlichkeit — kurz darauf das Wort vom Altersheim; das paßt nicht ganz zusammen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)




    Höcherl
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist unser aller Pflicht — und Herr Kollege Ollenhauer hat es in vorbildlicher Weise getan —, die Leistung des Finanzministers Schäffer als eine historische Leistung in der deutschen Finanzpolitik anzuerkennen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Er hat die Fundamente gelegt, und deswegen waren wir von der CSU der Meinung, er solle diese Position erneut besetzen. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundeskanzlers sind bekannt. Seine Entscheidung ist anders ausgefallen. Aber es gibt gar keinen Zweifel, daß ein Mann, der ein solches historisches Verdienst aufzuweisen hat, ein Mann, der ausbildungsmäßig aus der Justiz kommt, der 40 Jahre lang dem öffentlichen Wohl gedient hat und sich als ein hervorragender Kopf bewährt hat, bei den schwierigen Aufgaben, die im Justizsektor gerade jetzt anfallen, Leistungen hervorbringen und zeigen wird, wie sie von dem Namen Schäffer einfach nicht wegzudenken sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dann kamen die geheimnisvollen Andeutungen von „Wechsel einlösen", „Wechsel vorweisen" und „Druck der Interessentenvertretungen". Das gehört alles, so möchte ich sagen, zum Journalistendeutsch in diesen Dingen. Solche Dinge darf man nicht behaupten, wenn man hier nicht mit Nennung von Namen und Umständen sagen kann: So und so ist es gewesen. Dazu sind diese Vorwürfe zu ernst.
    Wahlkampffinanzierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben alle zusammen den Wahlkampf bestanden, und wir sind mit dem Ergebnis recht zufrieden.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich mich nun an den eigenen Wahlkampf erinnere, dann muß ich sagen: Erstens hat die Opposition früher begonnen. Zweitens, wo wir ein Plakat hatten, hatte die Opposition zwei, wo wir einen Zweifarbendruck hatten, hatte die Opposition einen Vierfarbendruck. Die Führung, der Generalstab hat sich bei uns auf der Schiene bewegt, bei der Opposition ist er in den Lüften geschwebt!
    Im übrigen weiß ich ungefähr, was Plakate und was alle diese Dinge kosten. Bei uns sind sie bestimmt nicht teurer als bei der SPD. Irgendwoher muß also auch bei der SPD der Wahlkampf finanziert worden sein. Da der Umfang der Wahlpropaganda bei der SPD ungefähr genauso groß war wie bei uns, wäre ich sehr dankbar, wenn ich die Quelle erfahren könnte.
    Hier war von dem Wahlgesetz die Rede, das auch dem Herrn Becker sehr wenig gefallen hat. Wir haben kein Wort von einem Wahlgesetz gesprochen. Ich meine, ein Wahlgesetz kann gar nicht so schlecht sein, daß wir mit einer guten Politik, wie wir sie betrieben haben, nicht Erfolg hätten.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Ollenhauer, Sie dürfen sich darauf verlassen, daß von uns aus dieser Gedanke nicht aufgegriffen werden wird.
    Im übrigen haben wir in Bayern ganz besonders gut abgeschnitten. Wir haben 57 % aller Stimmen errungen und einige Hochburgen eingenommen, die zum klassischen Bestand der SPD gehörten, wie Fürth, Hof, Nürnberg usw., um nur einige zu nennen. Daß das schmerzt, verstehe ich.
    Herr Kollege Ollenhauer, als heute die ersten Sätze von Ihnen kamen, waren diese so sanft, daß ich der Überzeugung war, der Umdenkungsprozeß, den ich etwa mit dem Namen Wönner ansprechen darf, würde vielleicht auch hier Platz greifen. Ich will aber nicht mehr darüber sagen, damit nicht irgendein zartes Pflänzchen der Erkenntnis, das emporkommen könnte, dadurch abgeschreckt oder mit Reif befallen wird.
    Es konnte gar nicht ausbleiben, daß der nächste Angriffspunkt Herr Minister Wuermeling sein mußte. Er war es ja auch schon bisher. Was dieser Mann mit seiner Energie in der Familienpolitik geleistet hat — —

    (Lachen bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    — Herr Wehner, fragen Sie die vielen Familien, die davon den Nutzen haben. Der Mann hat etwas geleistet. Ich bin so frei und stelle mich auch vor den Minister Wuermeling hin, weil ich mich vor jede echte Leistung hinstelle, ganz gleich, wie sonst die Dinge liegen. Hier liegt eine echte Leistung vor.
    Daß die Jugend organisch und sachlich in das Familienministerium gehört, kann niemand bestreiten. Im übrigen wäre es sehr gut, wenn man diesem Mann in seinem erweiterten Ressort m st einmal eine Chance gäbe; das wäre fair. Man wird dann sehen, ob er etwas leistet oder nicht.

    (Abg. Kurlbaum: Was hat er denn geleistet?)

    — Er war der Anreger aller Maßnahmen auf steuerlichem Gebiet und beim Kindergeldgesetz, und er
    hat nicht nachgelassen, bis sie durchgeführt waren.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine weitere Geschichte: der Wahlkampf in Bamberg und Nürnberg. Ich will Ihnen etwas sagen. Der Wahlkampf ist kein Kinderspiel, sondern eine ernste Auseinandersetzung. Was in Nürnberg und Bamberg fortgesetzt angesprochen worden ist, war erstens einmal ein Werturteil über eine politische Einstellung. Was sich aber auf der anderen Seite abgespielt hat — daß man einen Mann, der das Vertrauen des ganzen Volkes seit acht Jahren genießt, persönlich verunglimpft und angreift —, das läßt sich wohl nicht mit dem vergleichen, was Sie so stark angeprangert haben. So ist die Situation, das möchte ich einmal ganz klar gesagt haben.
    Dann die berühmten „autoritären Züge". Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Parlamentarischen Rat bei der Beratung der Verfassung haben Sie ja daran mitgewirkt — zwar in der Erwartung, Herr Schumacher würde Kanzler —, daß die Stellung des Bundeskanzlers aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit, aus den Erfahrungen unserer westlichen Umgebung besonders stark ausgebaut wurde. Da-
    Deutscher Bundestag — :3. Wahlperiode — 4. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. November 1957 79
    Höcherl
    mals haben Sie es beschlossen; und heute will es Ihnen, obwohl es Rechtens ist, auf einmal nicht passen.
    Ich darf den Herrn Kollegen Ollenhauer als neuen Verbündeten für den Föderalismus begrüßen.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Seit dem Inkrafttreten der Verfassung ist auf diesem Gebiet von seiner Seite praktisch nicht viel geschehen. Aber ich bin gern bereit, jeden Verbündeten in dieser grundsätzlichen Frage zu akzeptieren. Ich hoffe nur, daß wir den Weg gemeinsam zu Ende gehen und daß er nicht unterwegs sich irgendwie abhängt. Wenn also die Frage der Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung, eines Bundeskultusministeriums und ähnliche Forderungen aufstehen, wird er eine ausgezeichnete Gelegenheit haben, den Föderalismus nicht nur durch Worte, sondern durch Taten zu bejahen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wehrpflicht — das alte Thema. Es stand schon beim Wahlkampf zur Debatte. Es war interessant: auf der einen Seite war ein schönes Bild, der Herr Kollege Ollenhauer mit Herrn Eisenhower; und auf der anderen Seite stand: „Weg mit der Wehrpflicht!" Wie sich beides, Bild und Text, vereinbaren lassen, weiß ich nicht. Das Volk hat gemeint, nicht.
    Nun sagen Sie, Herr Kollege Ollenhauer, die Wehrpflicht sei überholt, überflüssig, politisch schädlich und teurer. Nein, teurer ist das andere, das, was Sie meinen. Und ich bin immer der Meinung, daß in Fragen, die das ganze Volk angehen, alles zusammen helfen soll, klein und groß, und daß keiner von diesen Dingen ausgenommen werden soll. Und unserem Bundesverteidigungsminister Str au 13 , der mit das schwierigste Ministerium übernommen hat, ist es doch in ganz kurzer Zeit gelungen, all das zu widerlegen, was so kühn in die Welt gesetzt worden ist. Was war mit dem Wehrdienst? Was war mit den Freiwilligenmeldungen? Alle diese Dinge haben sich beruhigt, weil die Beteiligten und die Bevölkerung viel gesünder, viel nüchterner über diese Dinge urteilen, als einige Leute sich das ausgedacht haben. Das war kein Wahlköder, sondern der Schuß ist nach hinten losgegangen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Nun kommen die wirtschaftlichen Probleme, die von Herrn Ollenhauer angesprochen worden sind. Ich pflichte ihm bei: Die Vollbeschäftigung auf der einen, die Preisstabilität auf der anderen Seite sind so schwierige wirtschaftliche Fragen, daß es eine Patentlösung dafür überhaupt noch nicht gibt. Auch die Außenhandelsüberschüsse, obwohl sie noch nicht ganz so zu sehen sind, wie es Herr Ollenhauer vorgetragen hat, haben in diesem Zusammenhang ihre Bedeutung, genauso wie die Fragen der Finanzpolitik.
    Aber eine Frage haben Sie vergessen. Das ist die Lohnfrage. Und da will ich Ihnen folgendes sagen. Unser Standpunkt ist folgender: Gut, wo die gewachsene Produktivität eine Lohnerhöhung ermöglicht und volkswirtschaftlich rechtfertigt, da hat sie stattzufinden, weil der Anteil gerechtfertigt ist. Lohnerhöhungen: da ergibt sich im übrigen auch ein interessantes föderalistisches Problem: Im Ballungsgebiet wurde die Lohnerhöhung beschlossen, und zum Schluß muß sie auch der Bayerische Wald mitbezahlen, ob er das kann oder nicht. Doch das nur nebenbei. Aber es ist richtig, was schon von mehreren Rednern gefordert wurde: daß wir unter allen Umständen, ohne das Koalitionsrecht und die Unabhängigkeit und Selbständigkeit und die Zuständigkeit der Sozialpartner zu beeinträchtigen, eine Stelle haben müssen, die die deutsche Offentlichkeit einwandfrei darüber aufklärt, ob etwas gerechtfertigt ist oder nicht und wo die Tendenz zu steigenden Preisen herkommt, von der einen Seite oder von der anderen Seite oder von beiden Seiten. Ich bin gar nicht so, daß ich sage, sie komme bloß von einer Seite; das ist nicht richtig; aber ich sage: eine solche Stelle muß geschaffen werden.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Ich sage es doch gerade: von beiden Seiten! Sie haben nicht aufgepaßt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Die deutsche Öffentlichkeit muß genau wissen, wie die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge sind, damit endlich auch die Konsequenzen daraus gezogen werden können. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat kürzlich in Hamburg erklärt, er werde nicht mehr rasten und ruhen und werde diese Frage, wenn es notwendig sei, täglich vor die Öffentlichkeit bringen. Wir brauchen aber zusätzlich eine Institution, die mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und, ich möchte sagen, mit richterlicher Unabhängigkeit in der Lage ist, diese Fragen dem Volke auseinanderzusetzen, damit endlich dieser unselige Streit — der eine schiebt die Schuld auf den andern — aus der Öffentlichkeit genommen wird. Vielleicht sind dann die beteiligten Sozialpartner bereit, das Maß einzuhalten, das wir brauchen.

    (Abg. Dr. Deist: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

    — Ja, Herr Dr. Deist.


Rede von Dr. Heinrich Deist
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Höcherl, ist Ihnen bekannt, daß die Sozialdemokratie im vergangenen Bundestag den Antrag eingebracht hat, einen Konjunkturrat zu errichten, der eine volkwirtschaftliche Gesamtrechnung aufstellt und damit dafür sorgt, daß die gesamten volkswirtschaftlichen Tatbestände der Öffentlichkeit und damit auch allen beteiligten Gruppen bekanntwerden?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Höcherl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ja, ich kenne diesen Antrag; aber der entspricht nicht ganz der Vorstellung, die ich von dieser Sache habe.

    (Lachen bei der SPD.)

    Ich will ein kleineres Gremium in etwas anderer Zusammensetzung haben. Grundsätzlich sollten wir uns aber in dieser schwierigen Frage treffen.



    Höcherl
    Nun hat man auch die Einfuhr erwähnt. Es gibt kein Land, das in der Zollpolitik so großzügig gewesen wäre wie gerade wir. Die Gründe dafür, daß das Gefälle zwischen In- und Ausland nach wie vor besteht, liegen ganz anderswo.
    Daß Sie die Volksaktie anerkennen, Herr Kollege Ollenhauer, — zu diesem Entschluß darf ich Ihnen herzlich gratulieren.

    (Abg. Ollenhauer: Danke!)

    Was Sie zum Mittelstand gesagt haben: Das Mittelstandsinstitut ist eine alte Forderung, für die Nordrhein-Westfalen sehr viel tun könnte, nachdem es ja bereits beschlossen worden ist. Ich glaube aber, da sind noch einige Bremsen eingebaut. Vielleicht haben Sie, Herr Kollege Ollenhauer, die Möglichkeit, dort etwas stärker zu wirken,

    (Zuruf von der SPD)

    — ja, ohne den Föderalismus zu verletzen, sondern auf freundschaftliche Art.
    Was die Kreditversorgung des Mittelstandes anlangt, ist es zweifellos so, daß wir mit den bisherigen Mitteln nicht zurechtkommen. Und bis der berühmte Kapitalmarkt entstanden ist, - nun, die erste Voraussetzung für den Aufbau des Kapitalmarktes ist ja das Vertrauen in die allgemeine Politik, ohne dieses Vertrauen in eine gute Politik kann es überhaupt niemals einen Kapitalmarkt geben. Was wir an materiellen Anreizen steuerlicher Art usw. geben können, muß geschehen. Aber es wird ein sehr langwieriger und sehr schwieriger Prozeß werden. Auch in der Zwischenzeit muß jedoch etwas geschehen. Da bin ich der Meinung, daß man bei dem neugebildeten Schatzministerium, wie ich es einmal nennen möchte, einhaken sollte, wo der Herr Kollege Lindrath eine Aufgabe gestellt bekommen hat, die nicht nur das Vermögen selbst betrifft. Ich bin vielmehr der Meinung, aus einer gesunden, vernünftig betriebenen Veräußerung Zug um Zug, angepaßt an unsere Kapitalmarktverhältnisse — anders geht es nicht —, müßte ein Fonds gebildet werden, aus dem Mittelstand, Landwirtschaft usw. in der Zwischenzeit kreditmäßig zu tragbaren Bedingungen, ähnlich wie beim ERP-Sondervermögen, bedient werden können. Ich sehe eine andere Lösung als diese nicht, obwohl sie, äußerlich gesehen, einen Charakter hat, der meinen wirtschaftspolitischen Auffassungen nicht ganz entspricht. Wir kommen aber aus der Zwangslage, daß wir auf der einen Seite bisher die öffentliche Hand und die Selbstfinanzierung und dann Kapitalsammelstellen als die Kapitalträger gehabt haben, nicht von heute auf morgen heraus. Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen auf diesem Wege eine Lösung suchen.

    (Zuruf von der SPD: Also wieder große Fütterung der Haifische!)

    — Wir sind stark genug, das so zu regeln, daß die „Haifische" es nicht bekommen. Wenn Sie uns, dem Parlament, so wenig zutrauen, daß wir diese Dinge in Ordnung bringen, müßten wir überhaupt die Arbeit einstellen.
    Was die Umsatzsteuer betrifft, Herr Kollege Ollenhauer, bin ich ganz Ihrer Meinung. Es ist eine alte, wahrscheinlich im ganzen Hause vertretene Forderung, daß die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral gemacht werden muß. Wie das im einzelnen zu geschehen hat — es bieten sich drei oder vier Lösungen an —, wird der Sachverständige vorschlagen können. Ich will Ihnen aber eins sagen, Herr Kollege Ollenhauer: Sie fordern auf der einen Seite diese Maßnahme, und auf der anderen Seite sagen Sie, wir müssen die Verbrauchsteuer beseitigen, unter Umständen im Betrage von mehreren hundert Millionen bis zu Milliarden, und wir müssen auf dem Sozialsektor noch das und das tun. Wenn ich das eine will, kann ich das andere nicht in demselben Maße wollen, und die Ehrlichkeit besteht für mich darin, daß ich sage, was ich will. Dann darf ich aber auf der anderen Seite nicht Vorschläge machen, die alle Grenzen übersteigen.
    Zum Schatzministerium möchte ich folgendes sagen: Es ist ja ein sehr gesetzter Herr in älteren Jahren mit diesem Amt betraut worden, dem man zumuten kann — es ist sehr freundschaftlich gemeint, wir sind alte Freunde —, daß er an dem Ast, auf dem er sitzt, etwas sägt und sein Ressort wenigstens zu Teilen überflüssig macht. Das ist unsere Vorstellung davon. Er wird auch wichtige Aufgaben bei der Volkstümlichmachung der Volksaktie haben, für die wir jetzt neue Verbündete bekommen haben.
    Auf dem Sozialsektor müssen die Krankenkassenreform und die Unfallversicherungsgesetzgebung, die schon in Angriff genommen sind, weitergeführt werden. Da muß unter allen Umständen etwas geschehen, vor allem eine Bereinigung rechtlicher Art, ein Ausgleich von Härten, Unebenheiten usw. Eine große Rechtsvereinheitlichung auf all diesen Gebieten muß kommen. Das gehört auch zur Mittelstandspolitik.
    Es gibt Bereiche und Bezirke in unserem Wirtschaftsleben, die bei den sozialen Belastungen, wie sie jetzt bestehen, kaum mehr mitkommen. Auch da ist ein Ansatzpunkt für die Mittelstandspolitik. So sind lohnintensive Betribe außerordentlich benachteiligt im Verhältnis zu Betrieben, die anders operieren können. Da müssen wir sehr vorsichtig sein, sonst können sie schließlich die Anforderungen nicht mehr erfüllen.
    Die größte Kunst in der Sozialpolitik war bisher nicht das Stellen von Anträgen und die Herbeiführung von Gesetzesbeschlüssen, sondern das, was Minister Erhard zusammen mit dem Kabinett und der Regierung geleistet hat: die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, um hernach die Mittel geben zu können. Herr Kollege Becker hat so schön formuliert: Wer dem einen geben will, muß dem anderen nehmen, und wer viel geben will, muß anderen viel nehmen. Im sozialen Bereich liegt neben der Rechtsbereinigung, dem Ausgleich von Härten und neben Dingen, die sich vom Tage her anbieten, Größeres zur Zeit nicht in unserem Vermögen und im Rahmen unserer Kräfte.
    Nun einige außenpolitische Bemerkungen. In der Außenpolitik hat die CSU vom ersten Tag an bis



    Höcherl
    zur Gegenwart immer eine Haltung vertreten, die zu einem Ergebnis geführt hat, das sich sehen lassen kann, das die Zustimmung des Volkes, das doch der oberste Richter ist, gefunden hat. In der Demokratie entscheidet das Volk am Wahltag, ob es mit der Politik einverstanden ist, und wenn das in Bayern 57 % der abgegebenen Stimmen waren, sind wir der Meinung, daß das eine Anerkennung unserer Arbeit und eine Anerkennung der Bundespolitik ist. Einen größeren und bedeutenderen Schiedsrichter als das Volk gibt es nicht. Ich glaube, daß das auch noch in Ihrem Bereich (zur SPD) Folgen haben wird.
    Man glaubt uns Politik der Stärke vorwerfen zu können, die wir nach dem Krieg so klein geworden sind. Nein, die Politik der Stärke ist ganz woanders zu Hause, ist drüben hinter dem Eisernen Vorhang zu Hause, wo man bis zum Ausbluten das Volk aussaugt und heute mit unerhörtem Aufwand massenpsychologische Experimente schwierigster Art in die Welt setzt, nicht bloß aus wissenschaftlichem Drang, sondern aus ganz anderen Gründen. Das war der Ausgangspunkt. Wir sind praktisch nur die Reaktion darauf.

    (Zuruf von der SPD: Nur die Reaktion!)

    Was können wir denn machen? In unserer Schwäche können wir nichts anderes tun. Wir sind ja vom Range einer Großmacht zu einer kleinen, bescheidenen Macht heruntergekommen. Wir können uns nicht selber helfen, wenn wir nicht einem Verband angehören und dort durch ehrliche Vertragserfüllung das leisten, was in jedem anständigen Verband zu leisten ist. Das war unsere Politik. Nicht die Politik der Stärke, sondern die Politik der Überzeugung, auf Grund der Gemeinschaftshilfe; durch Überzeugung die anderen soweit zu bringen, daß sie sich vielleicht zu der für die ganze Welt notwendigen Übereinkunft, zur Abrüstung und zu all diesen Dingen finden. Das war unser außenpolitischer Weg, und so soll er auch bleiben; so ist er vom Volke bestätigt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe schon gesagt: In der Regierungserklärung steht ein wunderbarer Satz, der zuwenig beachtet worden ist: Wir sollen den Perfektionismus aus diesem Hause verbannen. Ich will mich nicht mehr an diesem Perfektionismus beteiligen. Nicht die Worte sind entscheidend. Wir sollten jetzt mit unserem Koalitionspartner, der DP, an die Arbeit gehen und Hand in Hand mit unserer großen Schwesterpartei das Regierungsprogramm verwirklichen. Das verlangt das Volk.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)