Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sie geben da eine Auslegung, Herr Verteidigungsminister. Ist Ihnen bekannt, daß im dänischen Parlament schon vor mehreren Monaten eine Debatte über diese Dinge stattgefunden hat und daß sich .das dänische Parlament gegen die Stationierung
von Atomwaffeneinheiten in Dänemark ausgesprochen hat?
Ich sagte: Die Bundesregierung ist frei, zu handeln. Man sagt dazu gelegentlich, diese Freiheit sei nur eine juristische Freiheit, eine rechtliche Freiheit; es gebe aber keine politische Freiheit, dies zu tun. Nun, wenn man die rechtliche Freiheit hat, hat man die politische Freiheit, die man für sich in Anspruch nimmt. Diese rechtliche Freiheit der
Bundesregierung gibt ihr die Möglichkeit, politisch zu handeln; und es wäre politisch gehandelt, wenn man Deutschland von den auf unserem Gebiet — vielleicht — lagernden Atombomben befreien würde.
Es ist hier viel von russischen Noten gesprochen worden. Diese russischen Einschüchterungsnoten beurteile ich genauso wie Sie und verurteile ich genauso wie Sie.
D a s ist keine Methode der Koexistenz.
Unsere Entscheidungen haben wir hier von uns aus zu treffen, nach unseren Überlegungen. Wir haben dazu keine Ratschläge .dritter Regierungen notwendig.
Aber ich finde, daß die Reaktion der Bundesregierung auf diese Noten vielleicht auch nicht ganz .dem entsprochen hat, was hätte getan werden sollen. Ich hätte z. B. es für ganz gut gefunden, wenn der Herr Bundeskanzler sich nicht nur für die Gegenwart und die Vergangenheit ausgesprochen hätte, sondern auch für die Zukunft. Denn so ist in der Welt der Eindruck entstanden, als habe seine Verlautbarung eine Mentalreservation enthalten; und so etwas ist keine gute Grundlage für eine gute Politik. Sogar ein so regierungsfreundliches Organ wie die „Welt" —
— Ich habe immer gefunden, daß sie sehr regierungsfreundlich ist; so regierungsfreundlich, daß
sie der Regierung sehr häufig sehr vernünftige Ratschläge erteilt, wie sie eben nur ein Freund erteilen kann.
Politik gegenüber der Sowjetunion kann man nicht treiben, indem man auf die Ausfälle ihrer Regierung mit eigenen Ausfällen reagiert.
Man kann dies nur so tun, daß man auf ihre Ausfälle mit konstruktiven Vorschlägen antwortet. Das ist die einzige Möglichkeit.
Wir sind der Meinung, daß der Bundestag in dieser Sache Beschlüsse fassen sollte, und wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, den ich dem Hohen Hause vorlesen will:
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Bundestag richtet angesichts der wachsenden Gefahren durch die atomaren Versuchsexplosionen und in dem Willen, die Verhandlungen über ein Abrüstungsabkommen zu erleichtern, einen feierlichen Appell an die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland und der Union .der Sozialistischen Sowjetrepubliken, sofort Vorschläge für ein Abkommen zur Kontrolle, Begrenzung und schließlichen Einstellung der Versuchsexplosionen zu machen und inzwischen für eine begrenzte Zeitspanne auf alle Versuchsexplosionen zu verzichten, um den Widerhall auf die Vorschläge prüfen zu können.
II. Die Bundesregierung wird ersucht,
1. die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen zu unterlassen,
2. die Zustimmung zur Lagerung von Atombomben und zur Stationierung von Atomwaffen-Verbänden durch dritte Mächte auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu verweigern und, falls eine solche Zustimmung ausgesprochen worden sein sollte, sie zurückzunehmen,
3. dem deutschen Volke bekanntzugeben, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen wird, um die Bevölkerung der Bundesrepublik vor den möglichen Auswirkungen der Stationierung von Atomwaffen auf seinem Gebiet zu schützen.
Wenn Sie diesen Antrag annehmen, meine Damen und Herren, dann werden Sie mehr für die Sicherheit unseres Volkes getan haben als jene, die glauben, mit strategischen und taktischen Atomwaffen in den Händen der Bundeswehr Deutschland und den Westen schützen zu können.