Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß wenigstens zwei von unseren drei amtierenden Außenministern hier im Saale anwesend sind; gleich wird es nur noch einer sein. Wenn alle drei da wären, dann wäre das sehr schön; denn dann könnten gewisse Dinge, die ich hier vortrage, vielleicht besser geklärt werden.
Ich möchte meinen Ausführungen ein Kanzlerwort voranstellen, und zwar eines, das noch ganz frisch ist. Es ist vor kaum einer Stunde hier geprägt worden. Der Herr Bundeskanzler hat soeben gesagt: „Kein Land hat es nötiger, seine Verbindungen mit dem Ausland zu pflegen, als Deutschland." Das ist in der Tat ein Wort, diem man nur zustimmen kann. Ich möchte mich heute hier mit einem Teil dieser Pflege von Verbindungen zum Ausland beschäftigen, der in den allgemeinen politischen Debatten, die wir hier in diesem Hause über die Außenpolitik haben, meistens zu kurz kommt. Ich bitte Sie, sich an die letzte Haushaltsdebatte zu erinnern und sich dabei jenen Teil der Ausführungen des Herrn Bundesaußenministers vor Augen zu halten, in dem er zugab, daß in der Tat die Kulturabteilung das Stiefkind seiner Behörde sei und daß er sich mit allem Nachdruck dafür einsetzen werde, daß dies in der kommenden Zeit geändert werde. Wenn man die Ereignisse in den letzten zwölf Monaten, soweit sie sich auf die Verwaltung und auf die Politik im Bereich der Kulturarbeit des Auswärtigen Amtes beziehen, nur ein wenig nachprüft, muß man bedauerlicherweise feststellen, daß sich nur ein sehr geringer Teil Ihrer Versprechungen, Herr Minister, verwirklicht hat. Zum Beispiel berührt es einen stets merkwürdig, wenn man von den Organisationen, die von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes schon seit 1949 betreut werden und die außerordentlich wichtige Aufgaben in der hier soeben durch den Herrn Bundeskanzler zitierten Pflege der auswärtigen Beziehungen zu erfüllen haben, hört, daß sie es in drei Jahren mit sieben verschiedenen Referenten, die sich einander auf dem zuständigen Posten abgelöst haben, zu tun hatten und daß es bei jedem Referenten hieß, die Beziehungen dieser Organisationen zum Auswärtigen Amt wieder völlig von vorn zu beginnen, weil Leute auf diese Posten gesetzt worden sind, die von ihrem Aufgabengebiet keine Ahnung hatten und sich erst einarbeiten mußten.
Herr Bundesminister, lassen Sie mich Ihnen sagen: Es ist sicherlich ein sehr löbliches Unterfangen, bei der angebrachten Sparsamkeit zu ver-
*) Siehe Anlage 4
suchen, Beamte mit verschiedenen Funktionen gegeneinander auszutauschen. Aber es gibt einen Bereich in Ihrem Hause — das haben Sie im letzten Jahr selber zugegeben —, in dem man diesen Austausch nicht so ohne weiteres vornehmen kann, weil ein Mann, der kulturelle Arbeit zu leisten und zu leiten hat, doch irgendwie von Hause aus mit den Dingen vertraut sein und aus dieser Atmosphäre kommen muß. Leider kann man eben nicht irgendeinen Verwaltungsbeamten oder einen Botschaftsrat oder Legationsrat eines anderen Dienstzweiges des Auswärtigen Amtes plötzlich an die Spitze solcher Referate mit derartigen Aufgaben setzen. Es ist doch sehr merkwürdig, wenn beispielsweise ein wichtiger Referent der Kulturabteilung Ihres Hauses sein Amt mit der Bemerkung antritt — natürlich intern, nicht nach außen hin —, er verstehe leider von den vor ihm liegenden Aufgaben gar nichts. Ich will den Mann gar nicht angreifen, Das ist sicher ein guter und pflichtgetreuer Beamter. Aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ihn zu einer anderen Mission zu versetzen. Wenn ich deutlicher werden soll: ich glaube nicht, daß die jahrelange Betrachtung der Akropolis — und dazu hat dieser Beamte, der sicher besten Willens ist, sein Amt auszufüllen, die Möglichkeit gehabt — genügt, ¡daß man ihn an eine solche Stelle bringen könnte. Ich könnte Ihnen auch andere Fälle zitieren, wo Leute sich in der Kulturabteilung nach irgend etwas erkundigt haben und sie die Auskunft bekamen: Der Referent hat gerade gewechselt, oder der Referent sagte selbst, er sei völlig neu und habe noch ;keinen Überblick über die Materie und könne infolgedessen noch keine Entscheidungen treffen und keine Auskunft geben. Ich wiederhole noch einmal: Der Vorwurf richtet sich nicht geigen die Beamten bei Ihnen, sondern der Vorwurf richtet sich gegen die Art und Weise, in der die Personalpolitik in der Kulturabteilung Ihres Amtes gehandhabt wird.
Es berührt mich merkwürdig, daß der Leiter oder die leitenden Beamten dieses Amtes in einigen Fällen gar nicht gehört werden, wenn beispielsweise Leute in auswärtige Missionen entsandt werden, die dort die Kulturarbeit für die Bundesrepublik leisten sollen. Ich glaube, es wäre hoch an der Zeit, daß hier eine Änderung eintritt und daß Sie einmal versuchten, einige Leute für die Arbeit dieses Amtes zu gewinnen, die in der Atmosphäre der Arbeit zu Hause sind, und daß Sie dann danach trachteten, diese Leute auch dort zu behalten, daß also die betreffende Abteilung Ihres Hauses nicht als Durchgangsstation für allerlei Beamte dient, die man nun eben auch einmal dahin schickt. Daß das so ist, Herr Minister, hat in der Tat einen schädigenden Einfluß auf unsere Verbindungen mit dem Ausland; denn gerade das Thema, das der Herr Bundeskanzler hier vorher angeschnitten hat, hängt sehr weitgehend mit unserer kulturellen Arbeit zusammen. Aber das scheint sich im Auswärtigen Amt noch nicht herumgesprochen zu haben.
Für die allgemeine Bewertung dieses Teils der Beziehungen, die wir zu den anderen Staaten pflegen, gibt es für mich noch einen anderen Anhaltspunkt. Wir haben zur Zeit — wenn ich recht unterrichtet bin — in allen Ländern etwa 26 Kulturattachés, davon nur 19, die diese Aufgabe voll wahrnehmen. Sieben oder acht haben nebenbei noch das Pressereferat, obwohl, Herr Minister — das wissen Sie selbst sehr gut —, diese beiden Aufgaben sich letztlich sehr schlecht vertragen; denn die Wahrnehmung kultureller Aufgaben nimmt die
Leute so in Anspruch, daß sie nebenher nicht noch das Pressereferat haben können, das ja verhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt, da die betreffenden Beamten viele Zeitungen lesen müssen. Wir haben also jetzt nach fast acht Jahren Bestehen der Bundesrepublik 19 eigentliche Kulturattachés draußen. In diesem Jahre aber — ich will nun gar nicht sagen, daß Sie dafür verantwortlich sind, aber die Gesamtregierung ist dafür verantwortlich — hat man bei den Haushaltsberatungen den Vorschlag gemacht, 24 Stäbe von Militärattachés ins Ausland zu entsenden, obwohl ich mich frage, ob es auf der Welt heute noch 24 Länder gibt, mit denen wir diplomatische Beziehungen unterhalten, ,die für die Militärs interessant sein könnten. Ich glaube, daß die Zahl wesentlich geringer ist. In diesen beiden Zahlen drückt sich eine sehr ungleichartige Bewertung der beiden Aufgaben und eine Unterbewertung der kulturellen Auslandsaufgaben der Bundesrepublik aus. Herr Minister, ¡es ist ja auch kein Zufall, daß die Bundesregierung beispielsweise bereit ist, in einem einzigen Jahre, in diesem Haushaltsjahr, für den deutschen Beitrag auf der Weltausstellung in Brüssel genauso viel Geld, nämlich 17 Millionen DM, auszugeben, wie sie für die gesamten kulturellen Aufgaben der Bundesrepublik im Ausland in einem Jahr bereitstellt. Diese Zahl drückt doch etwa das Mißverhältnis aus, das hier vorliegt.
— Ich glaube nicht, daß die Vergleiche sehr hinken; denn für die Kulturarbeit, Herr Kollege Conring, sind 17 Millionen DM eingeplant — ich schweige von dem Schulsektor —, und für die Ausstellung sind 16,8 Millionen DM leingeplant.
— Das sind in gewisser Hinsicht vergleichbare Größen für das Schwergewicht, das man den Dingen beimißt.
Sie selbst, Herr Minister, haben im vergangenen Jahr ein Motto für die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik aufgestellt. Sie haben eine Rede vor der Rektorenkonferenz der Bundesländer gehalten und sind später immer wieder auf diese Rede zurückgekommen, wenn Angriffe gegen die Art und Weise gekommen sind, wie im Ausland Kulturpolitik gemacht worden ist. Sie haben vor den Rektoren gesagt: Kultur darf nicht zum Vorspann der Politik gemacht werden, die objektive Darstellung kultureller Werte verleiht ihnen ihre Wirkung. — Es wäre sehr schön, Herr Minister, wenn diesem fabelhaften Grundsatz, dem auch ich voll zustimme, in allen Bereichen unserer auswärtigen Kulturarbeit wirklich entsprochen würde.
Aber lassen Sie mich nur von einem Thema reden, auf das wir fast jedes Jahr zurückkommen, nämlich von unserer Arbeit in Italien. Gewiß, Ihr Amt hat große Anstrengungen gemacht; es sind ein paar gute Leute dort unten. Aber die Situation ist im Augenblick dort für unsere kulturelle Tätigkeit besonders kritisch oder besonders interessant geworden, möchte ich einmal sagen, weil nämlich unsere Vettern in Pankow ebenfalls ein Kulturzentrum in Rom errichtet haben, das sogenannte Centro Thomas Mann, das sie mit Hilfe der Kommunistischen Partei Italien ins Leben gerufen haben, obwohl die sogenannte DDR ja keine normalen Beziehungen zu Italien hat. Da ist nun
leider etwas passiert, von dem ich gern gesehen hätte, es wäre nicht passiert. In den zwei größeren Veranstaltungen dieses Centro ist wesentlich mehr Wirbel erzeugt worden, als das bisher unsere Arbeit in der Öffentlichkeit Italiens vermochte.
Das hat einen bestimmten Grund, Herr Minister. Ich will gar nicht sagen, daß die Arbeit, die bei uns in Rom auf diesem Gebiet geleistet wird, schlecht ist. Aber sie wird von zwei Männern bestimmt, die einer Weltanschauung sehr verhaftet sind, und häufig — ich will nicht sagen immer, aber überwiegend — prägt sich in den Darbietungen, die dort geboten werden, auch dieser Geist ein wenig aus. Es ist etwas diese weltanschauliche Hausmannskost — die mag gediegen, sehr gediegen sein, ich meine das ernsthaft —, die keine Rücksicht darauf nimmt, daß gerade in Rom eine sehr internationale, sehr moderne, sehr liberale Öffentlichkeit da ist, die viel lieber etwas von deutschem avantgardistischem Kunstschaffen erfahren würde als manches, was ihr heute mit großem Ernst routinemäßig geboten wird. Wenn ich auf den Zuhörerkreis zu sprechen komme, so möchte ich sagen, Herr Minister: Vornehme alte Damen sind nützlich besonders in kulturellen Beziehungen, aber sie sind nicht immer alles, und man muß auch verstehen, die Jugend eines anderen Landes bei solchen Veranstaltungen anzusprechen.
Wenn wir gerade bei dem Thema Italien sind und wenn es auch nicht direkt in Ihren Bereich fällt, Herr Minister, so scheint mir doch die Frage angebracht, warum es denn so schrecklich lange dauert, bis die Geschichten mit der Villa Massimo, die im deutschen Kultur- und Geistesleben als Gästehaus des Deutschen Reiches für bekannte Kulturschaffende eine große Rolle gespielt hat, ausgeräumt sind. Ich kenne die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, dieses Haus zu räumen. Aber es sind immerhin eine Reihe von Vorbereitungen immer noch nicht getroffen worden. Wo bleibt der Förderungsverein, den Bund und Länder dafür gründen wollten? Wo bleibt das Kuratorium? Die Zeiten, in denen sich die Elite des deutschen Geistes einmal im Park an der Via Nomentana getroffen hat, sind halt leider Gottes vorbei. Es wäre auch die Aufgabe der gesamten Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß sie wiederkehren.
Ich möchte noch einmal auf Ihre Grundsätze, Herr Minister, zurückkommen und sagen, daß von der allgemeinen Tendenz unserer Kulturpolitik in Italien ein Schritt zu der etwas blamablen Kontroverse führt, die dadurch entstanden ist, daß Sie sich nach den Aussagen Ihres Herrn Staatssekretärs, die er uns hier gegeben hat, als Literaturkritiker für moderne Dramatik zu betätigen versucht haben. Ich meine die Angelegenheit, die mit dem Gastspiel des Bochumer Schauspielhauses in Paris zusammenhängt. In der offiziellen Verlautbarung des Auswärtigen Amts konnte man nachlesen, daß Dichter wie Wedekind und Bert Brecht bzw. die beiden zur Debatte stehenden Aufführungen des „Marquis von Keith" und der „Dreigroschenoper" keinen Aussagewert für die moderne deutsche Kultur hätten; so hieß es in der ersten Version. Später hieß es, die Mittel seien so knapp gewesen, und deswegen habe man hier abwägen müssen. Trotzdem ist man dann dabei geblieben, daß man abgelehnt habe, weil man eben diese Stücke nicht als repräsentativ für die moderne deutsche Dramatik gehalten habe, obwohl
— ungeachtet der politischen Einstellung von Bert Brecht — niemand wird bestreiten können, daß er zu den größten Dramatikern Deutschlands in den vergangenen Jahren zählt und immer zählen wird.
— Verehrter Herr Kollege Müller, schon zu Ihren Zeiten hat man in der Schule Literaturbücher gehabt, die ausschließlich auf Schiller und Goethe Bezug genommen haben und die die Zeiterscheinungen in der Literatur in der Zeit, als Sie schon ein erwachsener Mann waren, ignoriert haben.
Anscheinend ist es bei diesem alten Geist geblieben. Es scheint mir doch sehr symptomatisch zu sein, daß z. B. der Dramatiker und Dichter Wedekind unter drei Regimen offiziell mißbilligt worden ist, nämlich unter dem Kaiser Wilhelm, der es sogar fertiggebracht hat, ihn ins Exil zu bringen, unter Adolf Hitler und, leider, muß ich sagen, unter dem Bundeskanzler Dr. Adenauer, wo er anscheinend auch nicht persona grata im Bereich der deutschen Literatur ist.
— Darüber könnte man vielleicht ein Kapitel für sich schreiben. Aber dessen ungeachtet, Herr Minister, finden Sie es erstrebenswert, daß sich die gelegentliche Bilderstürmerei Ihrer Parteikollegen, die z. B. in Frankfurt Bert Brecht überhaupt von der Bühne verbannen wollten, auch in der Kulturpolitik des Auswärtigen Amts widerspiegelt? Könnte es ein Beitrag für unsere Kulturpolitik sein — ich sage es offen —, etwa Schostakowitsch oder Katchaturian aus den Konzertsälen Deutschlands zu verbannen oder zu sagen, daß ein nunmehr in der Weltliteratur anerkannter Dichter der Sowjetunion — ich spreche hier gar nicht von anderen — wie Maxim Gorki oder dezidierte Kommunisten wie Sartre oder Picasso aus dem deutschen Kulturleben verbannt werden sollten, wie das nur unter diktatorischen Regimen immer der Fall ist? Eine solche Politik, wie sie sich anläßlich des Gastspiels der Bochumer gezeigt hat, führt doch letztlich in diese Richtung. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel. Das Auswärtige Amt und seine Kulturabteilung sollten die letzten Institutionen sein, die den Sünden der Intoleranz und der Verblendung politischen Spießbürgertums — darum handelt es sich doch letztlich — verfallen.
Bei dieser Gelegenheit lassen Sie mich noch auf zwei besonders aktuelle Ereignisse zu sprechen kommen, nämlich auf die Verweigerung der Visa für die drei russischen Schauspieler und auf die Visaverweigerung für den russischen Zirkus. Ich will im Augenblick einer Vertiefung der deutschsowjetischen Kulturbeziehungen gar nicht das Wort reden; darum dreht es sich hier gar nicht. Aber es erscheint mir fragwürdig, auf welche rechtlichen Bestimmungen Sie derartige Visaverweigerungen gründen. Meiner Ansicht nach hat die Bundesregierung hier doch bloß das Paßgesetz zu Gebote. Das Paßgesetz gibt Ihnen, nachdem wir sogenannte normale diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion etabliert haben, aber nur die Möglichkeit, Leute auszuschließen, von denen man annimmt, daß sie in der Bundesrepublik politische Wühl-
arbeit leisten würden. Ich glaube nicht, daß das Verbeugen dreier sowjetischer Filmschauspieler schwere politische Schädigungen in der Bundesrepublik nach sich zöge.
Die Sache hat nämlich noch eine andere Seite. Ich würde gar nichts sagen, wenn es sich nicht darum handelte, daß ja auch deutsche Filme in der Sowjetunion laufen. Man kann zwar verschiedener Meinung darüber sein, aber ich glaube, daß die Vorführung deutscher Filme, auch deutscher Theaterstücke und überhaupt die Berührung mit unseren Kulturerzeugnissen — wobei man bezüglich des Films ja immer Zweifel hat, ob es sich wirklich um kulturelle Äußerungen handelt — dazu beitragen können, daß in der Sowjetunion eine Entwicklung eintritt, die Ihnen doch nur erwünscht sein kann. Das Ergebnis Ihrer Visaverweigerung bei den drei sowjetischen Schauspielern, die nach Düsseldorf kommen wollten, um sich einmal zu verbeugen, ist jedenfalls gewesen, daß die Sowjetunion abrupt die Verhandlungen über den Export weiterer deutscher Filme ins Ostblockgebiet und in die Sowjetunion abgebrochen hat. Ich möchte einmal wissen, wessen Interessen dadurch mehr geschädigt sind: die der Sowjetunion oder die der Bundesrepublik.
In Ihrem Amte hat man diese Maßnahme — auch hinsichtlich des Zirkus — mit der Feststellung begründet, man befinde sich bei solchen Maßnahmen in Überinstimmung mit der Haltung der übrigen westeuropäischen Länder, die in den Kulturbeziehungen mit der Sowjetunion auch kurzträten. Ich muß Ihnen sagen: das ist einfach nicht wahr! Gehen Sie nach Großbritannien, gehen Sie nach Frankreich! Selbst in den Vereinigten Staaten macht man nicht einen solchen Wirbel wie bei uns, wenn einmal ein paar Leute aus der Sowjetunion in kulturellen Veranstaltungen auftreten. Ich bin nicht sicher, aber ich habe ein wenig den Verdacht, daß man nur versuchen wollte, mit der Visaverweigerung politische Effekte zu erzielen; und, Herr Minister, wie stimmt das mit Ihrem Grundsatz zusammen, daß Kultur nicht als Vorspann für politische Absichten benutzt werden sollte? Hier ist das ganz offensichtlich geschehen.
Es gäbe zu der Frage unserer kulturellen Beziehungen zu einer Reihe anderer Länder noch ziemlich viel zu sagen. Ich möchte aber nur das wichtigste herausgreifen, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn man nur eine kurze Analyse unserer zugegebenermaßen erfreulicherweise fruchtbaren Kulturbeziehungen zu den Vereinigten Staaten vornimmt, so muß man doch feststellen, daß hier unsere Anstrengungen in keinerlei Verhältnis zur Größe des Landes stehen. Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler jedes Jahr nach Amerika fährt und dort von einer Universität einen Ehrendoktorhut bekommt, kann noch nicht die vorhandene Lücke ausfüllen. Es gibt in Amerika 2000 Universitäten und Colleges, und die Mittel, die wir zur Verfügung stellen, um hier eine fruchtbare Arbeit zu entfalten, liegen in einer Größenordnung, als müsse man Kulturarbeit in einem Land wie etwa England oder Frankreich leisten.
Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele nennen, Herr Minister. Die selber förderungswürdige Republik Indonesien, der ja auch wir helfen wollen — darüber ist im letzten und auch in diesem Jahr gesprochen worden —, unterhält einen größeren Stab von für die Kulturarbeit tätigen Leuten in Washington als beispielsweise die Bundesrepublik.
Ich will gar nicht sagen, daß Quantität alles macht, Qualität ist entscheidend. Ich bin sehr glücklich, daß wir dort einen Mann haben. der vielleicht an erster Stelle unter all unseren Kulturattachés rangieren kann und der vorzügliche Arbeit leistet. Aber die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, und auch die personellen Möglichkeiten sind einfach völlig ungenügend. Dies, Herr Minister, ist ein typisches Beispiel dafür, daß Sie und Ihr Ministerium es nicht verstanden haben, sich bei den Etatberatungen so durchzusetzen und die Verhältnisse so zu schildern, wie sie wirklich sind, um zu erreichen, daß hier die notwendigen Personalvermehrungen durchgeführt werden. Nicht meine Freunde sind es gewesen, die Ihnen die drei Leute für die Kulturabteilung Ihres Amtes verweigert haben, Ihre eigenen Parteikollegen sind es gewesen, die das getan haben. Das führe ich darauf zurück, daß es immer noch nicht gelungen ist, der auswärtigen Kulturpolitik im Gesamtrahmen der Bundespolitik jenen Rang zuzumessen, der ihr eigentlich zukommt.
In den Vereinigten Staaten ist die Versorgung sowohl mit deutschen Filmen wie mit Büchern und Zeitschriften aller Art völlig unzureichend. Hunderte von Studenten und Oberschülern, die drüben sind, haben nicht die Möglichkeit, eine deutsche Zeitung zu bekommen. Ich habe selber viele Fälle nachgeprüft. Von hier aus werden auch nicht die notwendigen Erkundigungen danach vorgenommen, wer hinübergeht. Drüben mangelt es an Personal, um den Dingen nachzugehen. Da wäre eine große Aufgabe: denn viele Universitäten und Schulen drüben sind sehr an dem interessiert, was bei uns geschieht. Überall, wo ein Student oder ein Oberschüler eine deutsche Zeitung mitbringt, werden Artikel aus ihr in den Schulzeitungen und in der Lokalpresse abgedruckt.
Es wäre z. B. dringend notwendig. der Botschaft in Washington die Mittel an die Hand zu geben, damit ein, wenn auch nur kleines, bescheidenes kulturelles Bulletin herausgegeben werden kann. Dazu fehlen bis jetzt die Mittel. Für alle anderen Staaten ist das selbstverständlich. Man könnte aus den reichlich bemessenen Mitteln des Bundespresseamtes ohne weiteres ein paar tausend Mark abzwacken, um diese Aufgabe durchzuführen.
Es gäbe noch manches zu diesem Thema zu sagen. Aber ich möchte mich einem anderen Punkt zuwenden. Herr Minister, bei dem ganz offensichtlich ist, daß in Ihrem Amt die eine Hand manchmal nicht weiß, was die andere tut. Wir haben im letzten Jahre bemängelt, daß die Mittel für die deutschen Krankenhäuser im Ausland viel zu gering waren. Sie haben mir dann einen Brief geschrieben, in dem wortwörtlich steht, daß es zur Zeit nur wenige deutsche Krankenhäuser im Ausland gebe und daß die im Etat vorgesehenen Mittel in Höhe von 250 000 DM ausreichend seien. Wenig später ist mir ein offizielles Dokument Ihres Amtes in die Hand gekommen, in dem steht, daß die bisherige Mittelzumessung auf diesem Gebiet es nicht erlaubt habe, auch nur die ausdrücklich an die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts gerichteten dringendsten Anforderungen zu befriedigen.
Im Anschluß daran sind sechs oder acht Einzelpositionen von deutschen Krankenhäusern im Ausland aufgezählt, deren dringende Bedürfnisse — Röntgenanlagen, Medikamente, medizinische Apparate — nicht befriedigt werden konnten. Also
offensichtlich war hier wieder einmal ein Referent im Amt, der neu hinzugekommen war, von seinem Tätigkeitsgebiet nichts wußte und dem wenig später von einem anderen geholfen wurde, auf die tatsächliche Situation zu kommen. Nur so kann ich mir den großen Unterschied erklären, der zwischen Ihrem Brief und den Dokumenten, die aus Ihrem eigenen Amt kommen, besteht.
Zu Ihren Bemerkungen in Ihrem Brief, Herr Minister, bzw. zu Ihrer Bemerkung über die Prinzipien in der Kulturpolitik. Ich bin sehr für ,das Krankenhaus in Korea, und ich bin froh, daß es da ist. Aber es ist doch in einer politischen Situation unter politischen Aspekten hingekommen! Sie waren sofort bereit, für dieses Krankenhaus das Zehnfache der Mittel auszugeben, die für ,alle anderen deutschen Krankenhäuser in der ganzen Welt zusammen in einem Jahr ausgegeben werden. Es berührt mich etwas merkwürdig, daß da so wenig getan wird, obwohl in den offiziellen Dokumenten Ihres Amtes auch wieder zu lesen steht, wie ungeheuer wichtig die Arbeit in ,den deutschen Krankenhäusern sei und was sie für eine große kulturelle, ja sogar wirtschaftliche Werbewirkung für die Bundesrepublik habe.
Ein weiterer Punkt, Herr Minister, der uns Sorge macht und ein Beweis dafür ist, daß in Ihrem Amt einiges vernachlässigt wird, ,dem die Bundesregierung Aufmerksamkeit schenken müßte: Wir haben ,aus Veröffentlichungen vor nicht allzu langer Zeit erfahren, daß die Zahl der deutschen Studierenden im Ausland in den letzten dreieinhalb Jahren nahezu ,auf ,die Hälfte — ich glaube, es sind jetzt etwas über 5000 — zurückgegangen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bundesregierung .einer ,solchen Entwicklung ohne große Sorgen zusehen kann. Ich kann auch nicht begreifen, daß die Mittel für Stipendien im Ausland nicht höher angesetzt werden, als es jetzt der Fall ist, und daß die Bundesregierung — es ist ja nicht nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Mittel — nicht auch andere Anstrengungen macht, um hier einen Ausgleich zu schaffen. Sie können mit einer Zahl von Auslandsstudenten, die geringer ist als in der Weimarer Republik, 'die großen Aufgaben, die in den internationalen Beziehungen vor uns stehen, nicht läsen. Ich rufe noch einmal das Kanzlerwort in Erinnerung, das hier vor über einer Stunde gefallen ist: daß eben nichts verwirklicht werden kann, wenn man bei diesen Dingen die Zügel schleifen läßt.
In diesem Zusammenhang ein zweiter Punkt, der uns Sorge macht; betrifft die Art und Weise der Betreuung der auswärtigen Studierenden durch Ihr Amt. Das Parlament hat Ihnen dafür zwei Millionen bewilligt. Ich sage Ihnen offen, ich hätte es lieber gesehen, wenn ,diese zwei Millionen, die damals weniger durch die dezidierte Absicht als durch einen technischen Vorgang im Haushaltsausschuß zu Ihrem Amt gekommen sind, beim Bundesinnenministerium geblieben wären. In der Frage der Betreuung der ausländischen Studierenden liegt ein Schwerpunkt auf der Tatsache, daß etwa 5000 davon — mit den Praktikanten — Farbige sind. In den Zusammenkünften dieser Farbigen und auch auf den Treffen der Betreuungsorganisationen sind Sorgen laut und Mißstände bekanntgeworden, denen abgeholfen werden sollte. Es ist zunehmend schwieriger, für diese farbigen Studenten und Praktikanten Unterkünfte zu schaffen. Wenn sie zu privaten Wohnungsinhabern und zu Vermietern von möblierten Zimmern gehen, werden horrende Preise von ihnen verlangt. Zum Teil werden sie sogar abgewiesen. Ich glaube nicht, daß solche Vorkommnisse zum Ansehen der Bundesrepublik beitragen und unsere eben angelaufenen Bemühungen in den sogenannten Entwicklungsländern unterstützen. Hier hätte also das Auswärtige Amt die Pflicht gehabt, ein Programm in Angriff zu nehmen, das sich nicht bloß darauf stützt, für die spezifische Betreuung der Farbigen Klubräume anzumieten und Klubveranstaltungen zu machen. Allein mit der Bildung von Klubs in einzelnen Universitätsstädten ist diese Sache nicht gelöst, Herr Minister. Sie hat auch eine sehr menschliche Seite. Ich gebe zu, daß es durch die Regelungen des Grundgesetzes sehr schwierig ist, diese Dinge in die Hand zu nehmen. Aber die Anstrengungen, die bisher gemacht worden sind, sind unzulänglich. Ihr Amt hat sich zuwenig einfallen lassen. Bei dieser personellen Zusammensetzung ist mir klar, .daß ihm auch bei größter Anstrengung nicht mehr eingefallen ist. Der Schwerpunkt dieser Bemühungen müßte darauf liegen, daß man zum Beispiel Studentenheime schafft, in denen — nicht nur, sondern auch — Farbige wohnen können. Das erfordert allerdingsmehr Mittel; das gebe ich zu. Aber man hätte einen Anfang machen können. Mit den 2 Millionen DM hätte man schon allerhand Zuschüsse geben können, um den Bau solcher Studentenheime zu unterstützen. Ich weiß, daß solche Anträge an Sie herangekommen sind und daß Sie sie abgelehnt haben. Auf Grund Ihrer Vorstellungen hat man eine andere Zweckbestimmung für diese Mittel geschaffen.
Ich sagte Ihnen schon, daß ,die Zahl unserer Auslandsstipendien zu gering ist. Wir haben zur Zeit hier etwa 670. Nach Angaben der Organisationen, die hier für das Auswärtige Amt arbeiten, wären über 1000 notwendig, um den natürlichen Bedarf der Bundesrepublik an eigenen Leuten, die im Ausland studiert haben, decken zu können.
Herr Minister, ich komme noch einmal zu Ihrem Prinzip zurück: Kultur darf nicht zum Vorspann der Politik gemacht werden. Wenn ich mir die Liste der Regierungsstipendien betrachte, die die Bundesrepublik ,für 'ausländische Staaten gibt, so kann ich nicht übersehen, daß hier ein gewisser Schwerpunkt auch in politischer Hinsicht gebildet worden ist. Ich kann mir beispielsweise nicht erklären, Herr Minister, warum die Insel Formosa, deren größten internationalen Beitrag ich gegenwärtig im Export von geschnitzelten Ananasstückchen in Büchsen sehe — —
— Ich weiß, Herr Majonica, daß Sie das trifft und daß Sie andere Vorstellungen haben.
— Bitte schön, Herr Majonica.